The End of a Dream~ von Kuri-muff (a Sunpô no Gâdian Story) ================================================================================ Kapitel 1: Das Ende eines Traumes~ ---------------------------------- Liebes Tagebuch, dies wird vermutlich mein letzter Eintrag. Darum halte ich es für wichtig an dieser Stelle zu erklären wie alles begann und warum das hier mein letzter Eintrag wird. Ich werde alles aufschreiben was mir grade in den Sinn kommt, darum könnte es etwas durcheinander werden. Eine Welt mit nur einem Mond. Das war die erste Beschreibung, die Ren uns damals von der Erde gab, der Welt um die, die Dimensionen kreisen. Ein Ort den wir Wächter beschützen, selbst wenn wir ihn noch nie gesehen haben. Damals gab es im Schloss der Wächter außer Ren nur Aiko und mich. Aiko hatte man als Kleinkind vor den Toren des Schlosses abgelegt. Ich weiß nicht einmal ob sie sich überhaupt noch an ihre Eltern erinnert. Ich habe sie auch nie danach gefragt. Mein Weg ins Schloss sah anders aus. Ich lebte vorher mit meinem Vater, einem Straßenkünstler, zusammen. Wir blieben nie lange an einem Ort und zogen von Dorf zu Dorf. Ab und an besuchten wir auch die Hauptstadt vor den Toren des Wächterschlosses. Das alte Gemäuer wirkte damals kalt und fremd auf mich. Felswände hatten in meinen Augen etwas von einem Gefängnis. Ich war es gewohnt unter freiem Himmel zu schlafen. Natürlich blieb es nicht aus, dass wir im Winter oder bei schlechtem Wetter auch Unterkunft in einer Herberge suchten. Aber es war nicht der einzige Grund aus dem ich das Schloss nicht mochte, es war auch der Blick den mein Vater diesem Gebäude zuwarf. Ich konnte nie recht deuten was es war, dass in seinen Augen lag. War es Sorge? War es Wut? Oder sahen sie vielleicht sogar ein klein wenig traurig aus? Jedenfalls liebte ich unser Leben. Ich hatte schon immer das Bedürfnis neue Orte zu erkunden. Meinem Vater hatte ich erzählt, dass ich irgendwann Orte entdecken werde die noch keiner kennt und ich wäre dann die erste die sie gesehen hätte. Wenn es draußen gewitterte, ich hatte schon immer große Angst vor Blitzen und Donner, dann erzählte er mir Abenteuergeschichten. In diesen Geschichten entdeckte ich die ungewöhnlichsten Orte. Sogar ganz andere Welten. Genau an diese Geschichten musste ich auch denken, als Ren uns von der Erde erzählte. Leider sind Freude und Leid meist eng miteinander verwoben, noch ein Zitat von Ren. Und so war es auch bei unserer ersten Begegnung. An jenem Tag hatte mein Vater seine Staffelei in der Hauptstadt aufgestellt und bot Passanten an sie zu zeichnen. Er konnte wirklich wunderschön Malen. Da ich dieses Talent nicht geerbt hatte unterstützte ich ihn auf andere Weise. Ich breitete auf einer kleinen Decke direkt neben der Staffelei meinen Verkaufsstand auf. Dort präsentierte ich meine neusten Kreationen. Ich konnte mit 10 Jahren natürlich noch nicht nähen, aber es gefiel mir aus Holzperlen und Steinen Schmuck und Accessoires zu fertigen. Ich hatte die schönsten Steine aus allen Regionen dieser Welt gesammelt. Auch wenn der Bedarf nach meinen gebastelten Werken eher gering war, war ich sehr stolz auf mein eigenes Geschäft. Das tolle an der Decke war, dass sie aus Lammfell und daher sehr weich war. Wenn ich müde wurde legte ich mich zu meinen Steinen auf die Decke, rollte mich etwas zusammen und schlief. Ich wusste ja, dass ich keine Angst davor haben musste, das etwas passiert, weil mein Vater direkt neben mir stand. Wenn es draußen schon recht frostig war, deckte er mich mit seinem Mantel zu. An diesem Tag war ich ebenfalls auf meiner Decke eingeschlafen. Als ich meine Augen wieder einen Spalt öffnete erkannte ich, dass mein Vater offensichtlich einen neuen Kunden hatte. Ein junger Mann mit langen grünen Haaren, ruhigen hellgrünen Augen und einem entspannten Lächeln. Ren. Er betrachtete eine der Zeichnungen, die mein Vater an der Rückseite der Staffelei angebracht hatte. Es war eine Zeichnung von mir, auf dieser war ich allerdings noch ein paar Jahre jünger. Vielleicht 3 oder 4 Jahre alt. „Ihre Zeichnungen sind sehr schön. Man erkennt sofort, dass es nicht bloß Abbildungen von Menschen sind. Sie zeichnen mit Ihrem Herzen. Darum sind es keine leeren Hüllen“, merkte er nach ein paar Minuten an und blickte von der Zeichnung zu meinem Vater. „Dieses Portrait liegt mir tatsächlich besonders am Herzen. Darum kann ich es Ihnen leider nicht verkaufen, falls sie daran interessiert seien sollten. Aber ich könnte Sie zeichnen? Dafür nehme ich bloß 10 Münzen“, entgegnete mein Vater freundlich. Es gab noch ein Bild das mein Vater nie verkaufen würde. Er stellte es nicht einmal an seinem Stand aus. Es war ein Bild meiner Mutter. Das einzige Portrait das noch von ihr existierte. Ich war noch ein Baby als meine Mutter starb, daher erinnere ich mich nicht an sie. Aber ich habe manchmal von ihr geträumt. In meinen Träumen sah sie so aus wie auf dem Gemälde. Ich stellte mir gerne vor wie sie mich in den Arm nahm oder mit mir zusammen Steine suchte. Eben in sämtlichen Situationen die ich mir mit einer Mutter vorstellen konnte. Es kam auch vor, dass ich Tagsüber etwas vor mich hinträumte, wenn ich die Kinder im Dorf zusammen mit ihren Müttern sah. Tagträume sind für mich ja nichts Ungewöhnliches. Ich hätte meine Mutter gerne persönlich gekannt. Aber ich war nicht unglücklich. Mein Vater erzählte mir oft Geschichten von ihr. Sie war eine Traumdeuterin. Viele Menschen kamen zu ihr um sich Träume, die ihnen besonders ungewöhnlich erschienen deuten zu lassen. Außerdem konnte sie Dinge aus den Sternen lesen. Das hatte ihr ihre Großmutter beigebracht und sie wollte ihr Wissen gerne irgendwann an mich weitergeben. Mein Vater hat mir viel erzählt, aber nie wie sie gestorben ist. „Es ist wichtiger die Person so in Erinnerung zu behalten wie sie gelebt hat“, sagte er immer. Wenn er sonst über meine Mutter sprach wirkte er für einen Witwer erstaunlich glücklich, doch sobald es um ihren Tod ging nahm sein Gesicht einen ernsten und traurigen Ausdruck an. Vielleicht war das der Grund aus dem ich nicht weiter nach harkte, obwohl ich sehr neugierig bin. Doch ich sollte bald erfahren wieso sie wirklich gestorben war. Ren nahm das Angebot meines Vaters gerne an. Er setzte sich auf den Hocker vor der Staffelei und drehte sein Profil zu meinem Vater. Seine Hände ruhten in seinem Schoß. Mir viel sofort auf, wie leicht es ihm gefallen war genau die richtige Haltung anzunehmen. Normalerweise musste mein Vater den Kunden immer noch ein paar Anweisungen geben. Jedenfalls viel mir das direkt nach seinen Socken auf. Er trug einen grünen und einen roten Socken. Außerdem waren ein paar der Knöpfe an seinem Jackett falsch zugeknöpft. Ich blickte noch etwas verschlafen zu meinem Vater auf, während er begann zu zeichnen. Damit den Kunden während des Modellsitzens nicht zu langweilig wurde unterhielt mein Vater sich meistens mit ihnen. Doch dieses Mal war es genau andersherum. Es war Ren, der das Gespräch suchte. Er sprach sehr freundlich. Ab und an brach er mitten in der Erzählung ab und musste noch einmal kurz überlegen was er noch gleich sagen wollte. Seine Art erschien mir als Kind etwas komisch, auf eine gute Weise. Ich war zwar müde aber ich wollte dem Fremden unbedingt weiter zuhören. Er war selbst Künstler und die Beiden redeten eine Zeit lang über Kunst und Malerei. „Sie reisen also gemeinsam mit ihrer Tochter durch das Land? Das ist sicher recht aufregend. Ein gemeinsames Abenteuer“, sagte Ren und blickte lächelnd in meine Richtung. Ich hatte das Gefühl er würde nicht bloß in meine Augen, sondern direkt in mein Innerstes sehen. Es war ein ähnliches Gefühl, wie das wenn man etwas anstellt hat und dabei erwischt wird. Aber im Gegenteil zu diesem Gefühl, war es nicht unangenehm. Es waren bloß ein paar Sekunden in denen sich unsere Blicke trafen ehe Ren sich wieder meinem Vater zu wand. Aber innerhalb dieser wenigen Sekunden wurde der Mann vor mir für mich von einem Fremden zu einem Vertrauten. Wenn ich es nicht besser wüsste würde ich sagen er hat mich verzaubert. Aber diese Fähigkeit hat nichts mit seinen Begabungen als Glaubenswächter zu tun. „Ja. Es ist tatsächlich so etwas wie ein gemeinsames Abenteuer. Aber das hat nichts mit unseren Reisen zu tun. Haben sie Kinder?“, fuhr mein Vater das Gespräch fort. „Nein. Das hat sich leider nie ergeben“, schüttelte Ren den Kopf. „Ich denke jedes Kind ist ein Abenteuer“, während er sprach ruhte der Blick meines Vaters auf mir und er lächelte sanft: „Man erlebt wie sie sprechen und laufen lernen und immer größer werden. Es ist ein niemals endendes Abenteuer. Und das allerschönste von allen. Ich wünsche Ihnen, dass sie es selbst irgendwann erleben dürfen. Sie wirken wie ein sehr aufgeschlossener Mensch. Ist es möglich, dass sie selbst ein Reisender sind?“ Ren schmunzelte leicht und schüttelte wieder seinen Kopf: „Bloß im Geiste mein Körper ist dagegen sehr gebunden.“ Er hatte schon immer eine sehr eigenartige Art sich auszudrücken. „Es ist wichtig, dass ich hier bin. Ich lebe für meine Aufgabe. Aber versteht das bitte nicht falsch. Es ist nicht so, dass ich an ihrer Kette liege, eher eine Umarmung aus der man sich nicht lösen möchte“, beendete Ren seine Antwort. Okay er war ein ziemlich schräger Vogel, aber irgendetwas faszinierte mich schon damals an diesem Mann. „Das muss wirklich eine besondere Aufgabe sein?“, stellte mein Vater fest. „Ich denke jeder Mensch hat eine besondere Aufgabe. Meine ist nicht besonderer als Ihre Aufgabe als Künstler, oder Vater. Allerdings ist sie für ein paar Welten und Dimensionen sehr wichtig. Ich bin der Wächter über die Dimension des Glaubens“, erklärte Ren ruhig. Dieser letzte Satz löste etwas in meinem Vater aus. Er nahm die Zeichenkreide vom Papier und seine Miene verhärtete sich. „Das Portrait ist fertig. Sie sollten jetzt gehen“, sagte er knapp und händigte Ren die Zeichnung aus. Ich war sehr verwundert über dieses Verhalten. Mein Vater war eigentlich ein sehr freundlicher und offener Mensch und bis vor ein paar Sekunden schienen die Beiden sich noch blendend zu verstehen. Hatte das etwas damit zu tun, dass der Fremde ein Wächter war? Darüber war ich mindestens genauso erstaunt. Ich wusste, dass das Schloss die Residenz der Wächter war. Darum stellte ich sie mir groß und königlich vor. Mit schwerem Goldschmuck, breiten Schultern und Zepter. Außer seiner Größe entsprach Ren nichts davon. Er war eher schmächtig, besaß weder Zepter noch Gehstock und trug auch keinen Schmuck. Er trug über seinem vanillegelben Hemd ein gemustertes Jackett und dazu eine schwarze Hose mit violetten Nadelstreifen. Seine langen Haare hatte er mehr schlecht als recht mit einem schwarzen Band zusammengebunden. Die Schleife hatte sich allerdings zur Hälfte schon wieder gelöst. Dass er ein Künstler war sah man ihm an, an seinem zerknautschten Hemdkragen klebte sogar noch etwas blaue Farbe, aber ein Wächter? Darauf wäre ich nie gekommen. Ren wirkte fast genauso irritiert wie ich als ihm das Bild unsanft in die Hand gedrückt wurde. Er lächelte trotzdem während er die Zeichnung betrachtete. „Sie sind sehr talentiert“, äußert er sich ruhig und blickte von dem Bild zu meinem Vater. Er griff in seine rechte Hosentasche, dann in die linke und anschließend in die Taschen den Jacketts. Erst als er dort nicht fand was er suchte schien im etwas einzufallen und er zog an einem Band um seinem Hals einen Brustbeutel aus seinem Hemd hervor. „Ich bewahre mein Geld gerne dort auf wo ich es nicht verlieren kann“, sagte er und nahm eine Hand voll Münzen aus seinem Portemonnaie. Selbst ohne nach zu zählen erkannte ich gut, dass es weit mehr war als mein Vater von ihm gefordert hatte. „Das ist zu viel“, stellte dieser daher etwas forsch fest. „Ach wirklich? Schon gut. Es entspricht dem Wehrt den ich für angemessen empfinde. Einen schönen Tag noch“, entgegnete Ren bloß lächelnd, winkte und drehte sich um. Er rollte das Bild vorsichtig im Gehen zusammen, zog das Band aus seinen Haaren und band dies sorgfältig darum. Ich beobachtete jeden seiner Schritte bis er in der Maße verschwand. Unter einem seiner Schuhe klebte noch das Preisschild. „Steh auf Mäuschen“, die Stimme meines Vaters klang bestimmt und er schüttelte mich etwas. Ich gähnte ein wenig verschlafen und setzte mich hin. „Was ist denn los Papa?“, fragte ich noch immer etwas verwirrt. Er wirkte so nervös. „Wir reden später darüber Kleines. Jetzt müssen wir erst einmal los“, erklärte mein Vater während er hektisch seine Zeichenutensilien zusammenpackte und zwischendurch immer wieder nervös in die Richtung blickte, in die Ren gegangen war. Mir blieb also nichts Anderes übrig als aufzustehen und meinen Schmuck ebenfalls einzupacken. Zwischendurch fragte ich immer wieder was los sei, auch ob der Fremde etwas damit zu tun hatte, aber mein Vater antwortete nicht. Er blieb einfach stumm. Als wir alles zusammengepackt hatten nahm er meine Hand und lief mit mir zur Stadtgrenze. Wir liefen so schnell, dass ich zwischendurch meine Brille festhielt aus Angst sie könnte runter fallen. „Wohin gehen wir?“, fragte ich und blickte mittlerweile ebenfalls etwas nervös zu ihm hoch. Normalerweise liebte ich es zu Reisen, aber das alles kam mir komisch vor. Wir blieben sonst mindestens 3 Tage in der Hauptstadt manchmal sogar eine Woche, wenn die Nachfrage besonders groß war. Aber es war nicht einmal ein Tag vergangen, der Markt war noch im vollen Gange und das ungewöhnliche Verhalten meines Vaters verunsicherte mich. Doch auch dieses Mal erhielt ich keine Antwort. Mein Vater schien so sehr in Gedanken vertieft zu sein, dass ich mir nicht einmal sicher war ob er mich überhaupt hörte. Wir liefen bis es dunkel und meine Beine müde wurden. Ich konnte kein Stück mehr gehen und setzte mich auf den Boden. „Luchia?“, mein Vater blieb ebenfalls stehen als er bemerkte, dass ich nicht nachkomme. „Entschuldige Mäuschen. Leg dich ruhig schon einmal etwas hin. Ich schlage hier unser Lager für die Nacht auf“, sprach er ruhig und hockte sich neben mich. „Morgen früh werde ich dir all deine Fragen beantworten, aber es ist besser, wenn du dich jetzt ein wenig ausruhst“, meinte er lächelnd und streichelte mir über die Haare. Das war wieder der Vater, den ich kannte. Dieser Gedanke beruhigte mich. Ich nickte und gehorchte. Es war wirklich ein anstrengender Tag und ich schlief noch an der Stelle ein, an der ich mich hingesetzt hatte. Den Traum dieser Nacht werde ich wohl nie vergessen. Ich stand in einem unendlich großem Raum, es gab keine Wände. Überall um mich herum schwebten kleine Lichter, wie eine Abbildung des Nachthimmels. In mitten dieser Sterne stand meine Mutter. Sie trug das selbe nachtblaue Kleid wie auf dem Portrait meines Vaters. In jedem meiner Träume trug sie dieses Kleid. Doch dieses Mal war etwas anders. Sie war von dem selben Licht umgeben wie die kleinen Sterne, als wäre sie selbst ein Teil des Firmaments. „Mama“, ich ging auf sie zu und streckte meine Hand nach ihr aus. Doch je näher ich ihr kam umso weiter entfernte sie sich von mir. „Luchia. Mein geliebtes Kind. Wir können uns noch nicht wiedersehen“, die Stimme meiner Mutter klang freundlich und ihr Blick war wohlwollend, dennoch lief eine Träne an ihrer Wange hinab. „Es gibt noch eine wichtige Aufgabe und Menschen die auf dich warten. Aber irgendwann werde ich dich in meine Arme schließen“, es zeichnete sich ein sehnsüchtiges Lächeln auf ihren Lippen ab. „Wir werden uns alle wieder sehen“, sie öffnete ihre Hände, die sie zuvor geschlossen vor ihrer Brust hielt. Dicht über ihren Händen schwebte nun ein weiteres Licht. Meine Mutter betrachtete den hellen Stern mit einem liebevollen Blick und küsste ihn zärtlich. Der Stern wurde immer heller und nahm langsam eine andere Gestalt an. „Papa?“, überrascht sah ich zu meinen Eltern die sich umgeben von Licht innig in den Armen lagen. „Es tut mir leid Mäuschen“, hörte ich die Stimme meines Vaters als er traurig in meine Richtung blickte. Das Licht das die Beiden umgab wurde noch heller und obwohl ich mich dagegen sträubte musste ich meine Augen schließen. Ich wollte nicht wegsehen, denn irgendwie wusste ich, wenn ich meine Augen öffne würde werden Beide verschwunden sein. „Papa!“, rief ich laut als ich meine Augen wieder öffnete und mich in der Dunkelheit der Nacht wiederfand. Mein ganzer Körper zitterte. Ich setzte mich auf, sah mich um und zuckte etwas zusammen als ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter spürte. „Du bist nicht alleine“, flüsterte eine Stimme, die mir bekannt vorkam. Doch ich konnte sie erst zuordnen als ich mich umdrehte und in zwei ruhige grüne Augen blickte. Ich erkannte Ren als den Mann, der sich von meinem Vater zeichnen ließ und auf den er so ungewöhnlich reagiert hatte. Sofort sah ich mich suchend nach meinem Vater um. Ohne meine Brille konnte ich nicht besonders gut sehen, im Dunkeln war es sogar noch schwieriger etwas zu erkennen. Aber ich bemerkte eine weitere Person, die ein paar Meter von uns entfernt auf den Boden hockte. „Wie sieht es aus?“, wand sich Ren der anderen Person zu. Die angesprochene Gestalt hob etwas vom Boden auf und zog es sich über die Hand. „Du willst wirklich so eine Auskunft vom Tod persönlich? Das traut sich nun wirklich nicht jeder zu Fragen. Ich fürchte wir haben schon zu lange Kontakt“, es war ein Mann, in seiner Stimme lag eine gewisse Ironie und...das war auf keinen Fall die Stimme meines Vaters. Ein weiterer Fremder. Und anders als Ren wirkte seine Anwesenheit sehr beunruhigend und einschüchternd auf mich. Zu allem Überfluss lief er nun auch noch genau auf mich zu. Mein Körper begann wieder zu zittern. „Er hat es hinter sich“, fügte der Mann seiner Antwort in einem ruhigeren Ton hinzu. Ren nickte ihm zu: „Danke Akaya“. Akaya stand nun genau neben Ren. Aber das ich ihn nun besser erkannte beruhigte mich keinesfalls. Seine roten Augen wirkten in der Dunkelheit gefährlich wie die eines Raubtieres und diese dunklen roten Flecken an seiner Kleidung, war das etwa Blut. Mit seinen weißen Haaren wirkte er in der Nacht fast wie ein Geist. „Ich hau dann mal ab. Die Drecksarbeit ist erledigt, den netten Onkel zu spielen überlasse ich dir. Onkel Akaya ist zwar ein höllisch lustiger Spielgeselle, aber die meisten Kinder rennen schreiend weg sobald ich ihnen den Trick zeige bei dem der Daumen wie abgehackt aussieht. Dabei bekommt den niemand so gut hin wie ich“, er beendete seinen Satz mit einem Schmunzeln. Dieser Tick ist wirklich höllisch und es sieht wesentlich realer aus als der normale Daumentrick. Wir mussten ihn alle einmal über uns ergehen lassen. Ich bin ohnmächtig geworden, Aiko hat sich auf Akayas Schuhen übergeben und ihm danach gegens Schienbein getreten und Krähe hat so laut geschrien, dass man es sicher noch auf der Erde hören konnte, ich glaube sie nimmt Akaya das immer noch übel. Aber am putzigsten war Moes Reaktion. Sie ist in Tränen ausgebrochen und sofort los gerannt um einen Arzt zu holen. Niemand reagiert gut auf diesen Tick, aber Akaya versucht es trotzdem immer wieder. Ob er es bei den Neuen auch noch ausprobiert? Chiyo und Manabu blieben bis jetzt soweit ich weiß verschont. Das hängt sicher damit zusammen, dass Akaya sich ungern im Schloss blicken lässt. „Soll ich ihn mitnehmen?“, fragte Akaya dann mit einem ernsteren Gesichtsausdruck. „Ja. Ich halte es für besser, wenn sie ihn nicht in diesem Zustand sieht. Danke Akaya“, antwortete Ren ruhig und nickte wieder. Dieser Satz riss mich aus meiner Schockstarre und ein ungutes Gefühl beschlich mich. Ihn? Sprachen sie da etwa über… „Papa!“, dieses Mal klang mein Ruf eher wie ein Flehen. Und ich sagte mir in Gedanken während ich aufsprang und auf die Stelle zu lief an der Akaya gehockt hatte: „Bitte sein nicht tot! Bitte sei nicht tot!“. Doch meine Gedanken antworteten leise: „Er ist tot“. Ren hielt mich fest und schloss mich von hinten in seine Arme. „Bitte du möchtest das nicht sehen. Vertraue mir“, seine Stimme war nicht so ruhig wie zuvor, es lag Sorge in ihr. Akaya stellte sich neben uns „Lass sie los Ren. Ich weiß ja wie gerne du den lieben Onkel spielst. Aber der Mann hat verdient, dass sie sieht wie sehr er für sie gekämpft hat. Es wundert mich, dass er mit den Verletzungen so lange durchgehalten hat, selbst als es schon vorbei war hat sein Körper noch weitergekämpft. Sie sollte das in seinem Andenken bewahren“. Als Ren mich langsam los ließ fügte der Todeswächter noch hinzu: „Außerdem weißt du genauso gut wie ich, dass sie als Wächterin noch viel schlimmere Dinge zu Gesicht bekommen wird“. Sobald Ren mich losgelassen hatte lief ich weiter. Meine Augen weiteten sich als ich die Leiche auf dem Boden sah. Dieser Tote sah aus wie mein Vater. Aber ich konnte meinen Vater einfach nicht in dem leblosen Körper erkennen. Es lag nicht an dem vielen Blut, oder den Verletzungen. Es lag daran, dass diese Person nicht atmete, sie schnarchte nicht und seine Hände waren nicht so warm wie die meines Vaters. Tränen stiegen in meine Augen. Ich kniete mich neben ihn und umschloss seine große Hand mit meinen Händen in der Hoffnung, dass sie dadurch wärmer würden. Aber das wurden sie natürlich nicht. „Papa…Papa…“, das flüsterte ich immer wieder. Nicht um ihn zu rufen und auch nicht in der Hoffnung, dass er mir antworten würde. Ich musste es einfach sagen. Es war in diesem Moment ein Reflex wie das Atmen. Ich wusste das mein Vater nicht mehr hier war. Er war nun bei meiner Mutter. Ren sagte nichts. Er legte die Lammfelldecke über meine Schultern und setzte sich neben mich. Wir saßen sehr lange einfach nur da. Er drängte mich nicht dazu auf zu stehen oder etwas zu sagen, sondern blieb einfach an meiner Seite. Es war ein gutes Gefühl nicht ganz allein zu sein. Ren erklärte mir später, dass mein Vater und ich von Wesen angegriffen wurden die es auf meine Kräfte abgesehen hatten. Mein Vater hatte gekämpft um mich zu beschützen. Akaya und Ren kamen leider zu spät. Sie konnten die Wesen zwar besiegen, doch meinen Vater hatte es schlimm erwischt. Als Todeswächter konnte Akaya erkennen, dass seine Zeit bereits abgelaufen war. Er befand sich in einem Todeskampf, den er nur noch verlieren konnte. Darum nutzte Akaya seine Kräfte um ihn zu erlösen. Ich wusste vorher nicht einmal, dass mein Vater überhaupt kämpfen konnte. Naiv wie Kinder in dem Alter sind, habe ich ihm geglaubt, als er mir erzählte, dass er das Schwert an seinem Gürtel nur bei sich trug um Räuber und Wegelagerer abzuschrecken. Wie oft hatte mein Vater mich wohl schon vor solchen Wesen beschützt? Ich wusste ja nicht einmal, dass ich die Kräfte eines Wächters besaß. Ren wusste auch hierfür eine Erklärung. Mein Vater wollte mich vor meinem Schicksal als Wächterin beschützen. Es ist eine große und gefährliche Aufgabe die auf den Wächtern lastet und es gibt viele dunkle Mächte die ihnen nach dem Leben trachten. Und so wurde mir auch bewusst wieso mein Vater nie über den Tod meiner Mutter sprach. Vermutlich starb sie so wie er selbst, um mich vor jemandem zu schützen der mich töten wollte. Es scheint so etwas wie das Schicksal von uns Wächtern zu sein. „Sie sind nicht für dich gestorben, sie haben dir das Leben geschenkt. Auf solch ein Geschenk muss man gut achtgeben“, das hatte Ren damals zu mir gesagt. Und ich hatte eigentlich beschlossen mir das zu Herzen zu nehmen und danach zu leben. Mit einer Ausnahme. Ich würde meine Aufgabe als Wächter annehmen und mich damit einer großen Gefahr aussetzen. Aber mein Vater kann mir dafür keine Vorwürfe machen. Er und meine Mutter hatten es mir schließlich vorgelebt, für das zu kämpfen, das ich unbedingt beschützen möchte, selbst wenn man dafür den Tod riskierte. Ich bin damals freiwillig mir Ren mitgegangen er hat mich nie zu etwas gezwungen und mir immer meine Freiheiten gelassen. Das Schloss war für mich kein Gefängnis. Er gab mir zu verstehen, dass ich überall hingehen konnte wo ich hingehen wollte, allerdings würde ich mein Leben in unnötige Gefahr bringen, wenn ich in die Welt ziehe ohne mich verteidigen zu können. Daher verbrachte ich ein paar Jahre im Schloss in denen mir Ren beibrachte mit meinen Kräften umzugehen und wie man einen guten Tee zubereitet und ich mit den Soldaten zusammen die allgemeine Kampfpraxis lernte. Ich habe es meinen Ausbildern nicht grade einfach gemacht. Oft habe ich verschlafen, oder bin bei einer langen Erklärung fast eigeschlafen. Mit Ren war es anders. Er erzählte mir oft Geschichten aus der Vergangenheit. Ein paar davon erinnerten mich an die Abenteuergeschichten meines Vaters. Doch das aufregende an diesen war, dass sie alle wirklich passiert waren. Als ich gut genug mit meinen Kräften umgehen konnte zog ich viel durch die Welt. Ich wollte Orte sehen, die noch kein Mensch vor mir gesehen hat und die Habe ich gefunden. Doch irgendwie zog es mich immer wieder ins Schloss zurück. Das hat sich bis heute nicht geändert und das hätte es auch sicher in der Zukunft nicht. Ich liebe es Rens Tee zu trinken und mir seine Geschichten anzuhören. Nirgendwo fühle ich mich so wohl wie bei ihm. Vielleicht hätte ich diese Momente noch öfter genießen sollen? Ich bereue meine Reisen nicht. Sie waren spannend und so konnte ich die Welt für Ren mit entdecken. Es ist so wie er es damals sagte, er kann sich aus der Umarmung nicht lösen. Selbst wenn er gerne etwas Anderes sehen würde, das Schloss würde er niemals verlassen. Trotzdem…ich hätte gerne noch so einen schönen Moment genossen. Wenn ich meine Augen schließe kann ich es mir zumindest vorstellen. Wir sitzen zusammen an einem Tisch im Schlossgarten. Der Duft des Tees steigt mir bereits in die Nase während Ren diesen einschenkt. Er lässt die Tasse mit seinen Partikeln zu mir schweben und ich nehme sie an. Vielleicht bekomme ich Ren dieses Mal dazu etwas mehr über sich selbst zu erzählen? Ob es stimmt, dass er bereits die ersten Wächter kannte? Selbst Akaya konnte mir diese Frage nie beantworten. Oder er wollte es nicht. Ren hat immer viele Geschichten erzählt, aber ich weiß kaum etwas über ihn selbst. Schade, dass ich ihn nicht mehr fragen kann. Wieder zu meiner Vorstellung. Und wenn er mir eine Geschichte aus seinem Leben erzählt hat, dann sage ich im wie wichtig er mir ist. Ich sage ihm, dass ich mich in ihn verliebt habe. Dass er der Mensch ist den ich beschützen möchte. Wenn ich etwas wirklich bereue, dann dass ich ihm das nie erzählt habe. Und Ai würde ich sagen, dass sie recht hatte. Wahrscheinlich hat sie es schon lange gewusst. Aber ich würde es ihr trotzdem sagen. Ich habe immer ein wenig darüber geschmunzelt wie sie von der Liebe geschwärmt und von dem einen Menschen erzählt hat für den man alles geben würde. Ich glaube ich habe damals so etwas zu ihr gesagt wie: „Und zu mir sagst du ich wäre eine Träumerin“. Aber grade jetzt würde ich alles geben um Ren noch ein letztes Mal zu sehen. Seine Wärme zu spüren und den Duft aus Teekräutern und Farbe wahr zu nehmen, der immer an ihm haftet. Ich hätte ihm gerne von diesem Ort erzählt. Ja, ich habe sie tatsächlich gefunden die alte Wächter Stadt. Liebes Tagebuch, falls du dich jetzt fragst woher ich weiß, dass ich heute sterben werde. Ich habe vorhin wieder von meinen Eltern geträumt. Es war der Selbe Ort mit den Sternen und sie waren von dem selben Licht umgeben. Doch dieses Mal sagte meine Mutter: „Luchia. Mein geliebtes Kind. Heute werde ich dich in meine Arme schließen“. ~Es war einmal ein Mann, der träumte er sei ein Schmetterling. Er flatterte durch die Lüfte und fühlte sich so frei und unbeschwert, dass der Mann dachte, er sein in Wahrheit ein Schmetterling. Aber als er erwachte, stellte er fest, dass er doch kein Schmetterling sondern nur ein Mensch war.~ Yuko (xxxholic) ~Ich weiß nicht, ob ich ein Mann bin, der träumte, ein Schmetterling zu sein, oder ob ich ein Schmetterling bin, der träumt, ein Mann zu sein.~ Dschuang Dsi (taoistischer Philosoph) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)