Smallville-Expanded - 06 von ulimann644 (Divergence) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- PROLOG Sichtlich deprimiert trat Christian von Falkenhayn hinaus auf den weißen Gang des Krankenhauses und schloss leise die Tür des Krankenzimmers hinter sich. Er rang sich ein gequältes Lächeln ab, als seine Freundin Alicia, die hier auf ihn gewartet hatte, zu ihm kam und tröstend ihre Arme um ihn legte. „Wie geht es deiner Tante, Chris?“, fragte das afroamerikanische Mädchen leise. „Was sagen die Ärzte?“ Der athletische, blonde Junge machte ein frustriertes Gesicht. „Die halten sich bedeckt, aber nach ihrem Zusammenbruch müssen die, in diesem Fall, auch gar nichts sagen. Meine Mom hatte in der Privatklinik, in der sie zuletzt arbeitete, mal einen ganz ähnlichen Fall. Damals war ich zwölf. Sie erzählte, dass die Patientin dort, sich ein halbes Jahr lang sechsmal erfolgreich dagegen gewehrt hat, dass der Sensenmann sie abholt. Als es dann schließlich doch soweit war, soll sie ein heftiges Zwiegespräch mit Freund Hein geführt haben. Wenn meine Mom damals nicht übertrieben hat, dann hat diese Patientin seinerzeit, in einem letzten Kraftakt, wütend die Blumenvase auf ihrem Nachttisch nach ihm geworfen.“ Alicia Sterling schwieg eine Weile. Ohne auf das Krankenhauspersonal oder die übrigen Besucher zu achten, die an ihnen vorbei schritten. Schließlich fragte sie vorsichtig: „Es gibt also wirklich keine Hoffnung darauf, dass sie wieder gesund wird?“ Christian schüttelte nur den Kopf, im Moment unfähig etwas zu erwidern. Er hatte seine Tante erst in der letzten Zeit wieder häufiger gesehen, seit er in Amerika, bei seinem Onkel Jason und seiner Tante Mary, in Smallville, wohnte. Dort hatte er auch seine Freundin kennengelernt. Drei Verbrecher hatten versucht, sie zu vergewaltigen, und er hatte, im letzten Moment, dazwischen gehen können. Dank seiner Fähigkeiten im Muay-Thai war es ihm gelungen, die drei Gangster außer Gefecht zu setzen. Einer der Verbrecher hatte ihn dabei, mit einem Messer erwischt, woran ihn eine Narbe an der rechten Schulter erinnerte. Schließlich atmete der hochgewachsene Junge tief durch und sagte rau: „Ich bin echt froh, dass Diane bei ihr ist, und kaum von ihrer Seite weicht. Aber selbst diese ehemalige Marine nimmt es mit, Tante Annette so zu sehen. Die Beiden stehen sich wohl noch näher, als ich bisher dachte. Da sind zwar auch noch Onkel Jason und Tante Mary, doch ich habe den Verdacht, dass Tante Annette und ihr Bruder sich nicht so nahe stehen, wie es bei Geschwistern sein sollte. Na ja, vielleicht sehe ich das ja auch zu naiv, ich hatte nie Geschwister. Ich weiß nur, dass sich meine Mom und Tante Christina sehr nahe standen.“ Alicia nahm Christian an die Hand und zog ihn nachdrücklich mit sich. Alles in ihr verlangte danach, diesen beklemmenden Ort so schnell wie möglich wieder zu verlassen. „Sie ist nicht allein, und sie weiß es. Das ist doch das Wichtigste, im Moment.“ Der Junge nickte, dankbar dafür, dass Alicia ihn begleitet hatte, obwohl sie Krankenhäuser normalerweise mied, wie die Pest. Draußen, vor dem Eingang, fiel Christian etwas ein und etwas weniger deprimiert, als zuvor, eröffnete er seiner Freundin: „Du, ich habe heute Morgen mit Oliver Queen telefoniert, um endlich auf seine Einladung von vor zwei Wochen zu antworten, als wir seine Firma besichtigt haben. Er hat uns bei der Gelegenheit, für Anfang Februar, zu einer Wohltätigkeits-Gala eingeladen. Das wird bestimmt toll.“ Alicia blickte Christian begeistert von der Seite an und zwinkerte ihm anzüglich zu. „So toll, wie deine Silvesterfete?“ Auf dem Gesicht des Jungen zeichnete sich ein angedeutetes Lächeln ab. „Wenn wir im Anschluss zu mir fahren sehe ich da durchaus gute Chancen.“ Sie erreichten den schwarzen Lincoln Blackwood-Pickup des Jungen und stiegen ein. Auf dem Weg nach Smallville erkundigte sich Alicia schließlich: „Sag einmal, hast du dir mittlerweile überlegt, welche Flagge du vor deinem Haus aufhängen wirst?“ Christian grinste schief. Eigentlich hatte er sein Haus an seinem achtzehnten Geburtstag einweihen wollen, doch es hatte einige unvorhersehbare Verzögerungen gegeben, und so war es erst zu Silvester so weit gewesen. Doch endgültig bei seinem Onkel und seiner Tante ausgezogen war er erst vor knapp einer Woche. Schon zu seinem Geburtstag, im November, hatte er gleich zwei Flaggen bekommen. Eine von ihr; das Star-Spangled Banner, und von seinem Vater die deutsche Flagge. Bereits seit Tagen diskutierten er und Alicia immer wieder darüber, welche der beiden Flaggen er hissen würde. Dabei hatte ihm Alicia nachdrücklich erklärt, dass es ein absolutes No-Go sei, nicht die amerikanische Flagge zu hissen. Bisher hatte Christian die Entscheidung darüber hinausgezögert, was ihm bereits ein paar schiefe Blicke der Nachbarn eingebracht hatte, inklusive von den Eltern seiner Freundin. Nach einer Weile antwortete er diplomatisch: „Vielleicht hisse ich beide Flaggen.“ „Dann achte aber darauf, welche Flagge du nach ganz oben setzt.“ Christian entging nicht der mahnende Unterton und seufzend erwiderte er: „Können wir das Thema, wenigstens für heute, ausklammern?“ Alicia nickte. „In Ordnung, dann reden wir eben morgen darüber.“ Christian, der mittlerweile die Hartnäckigkeit seiner Freundin, wenn sie sich in etwas verbissen hatte, kannte, erwiderte beschwichtigend: „Ganz bestimmt.“ Die Laune der beiden Teenager besserte sich, als sie Smallville erreichten, und in den Feldweg zur Farm der Sterlings einbogen. Um ihrem Freund ein kleines Friedensangebot zu machen, meinte sie: „Bis ich mich nachher mit Samantha treffe, dauert es noch eine Stunde. Was hältst du davon, wenn wir zu der brachliegenden Weide schlendern, die Papa nächstes Jahr zusätzlich bewirtschaften will? Er immer noch nicht mit dem Umgraben fertig, wegen dem vielen Meteoritengestein im Boden. Wir könnten schauen, wie weit er damit ist.“ Christian nickte erleichtert. „Gute Idee.“ Sie ließen sich Zeit damit, Hand in Hand, über die Viehweide der Sterling-Farm zu wandern, an welche sich das lange Zeit ungenutzte Feld anschloss, das ihr Ziel war. Schon von Weitem sahen und hörten sie den Traktor, mit dem Jerome Sterling über das Feld fuhr. Als sie bereits nahe heran waren, hörten sie ein schrilles Knirschen, gefolgt von einem deftigen Fluch des Mannes, der Alicias Vater war. „Diese vermaledeiten Meteoritensteine sind noch mein Untergang! Überall liegen diese verdammten Mistdinger unter der Oberfläche dieser Weide herum.“ Aufgebracht blickte er zu den beiden Teenagern hinüber. „Es wird ewig dauern, bis ich die alle entfernt habe, damit hier am Ende kein grünes Meteoriten-Getreide wächst.“ „Du schaffst das schon, Dad!“, rief Alicia ihrem Vater aufmunternd zu. Ein Schnauben des Mannes war die Antwort, während er den Motor des Traktors abstellte und von dem Fahrzeug sprang. Wütend stapfte er hinter den Pflug, nachdem das Geräusch des Motors tuckernd erstarb, blickte suchend zu Boden und bückte sich, als er gefunden hatte wonach er suchte. Sinnend sah er auf den Stein, der tatsächlich weitgehend aus grünem und rotem Kristall bestand, und schritt zu den beiden Neuankömmlingen. „Ich habe schon Einiges von diesem Zeug gesehen“, brummte Jerome Sterling dabei. „Aber noch nie rotes und grünes Zeug miteinander vermischt.“ Als der Mann die beiden Teenager erreichte, hielt er Alicia den Kristall entgegen. „Was sagst du dazu?“ Alicia nahm den Meteoritenkristall in die Hand und begutachtete ihn. Dabei murmelte sie: „Sieht wirklich seltsam aus.“ Sie hielt ihn interessiert gegen das Licht und drehte ihn so, dass sich das grüne und rote Kryptonit direkt hinter einander befanden. Dadurch nahm das Material einen düster-violetten Farbton an. In demselben Moment tauchte die tiefstehende Sonne zwischen zwei Wolken auf und schien direkt durch den Kristall in Alicias Auge. Christian und Jerome Sterling bemerkten gleichzeitig, wie eine Wandlung mit Alicia vor sich ging. Sie erstarrte förmlich und blickte, vollkommen apathisch wirkend, scheinbar ins Leere. Unfähig sich zu bewegen schienen, vor Alicia Sterlings innerem Auge, die Erinnerungen der vergangenen Tage, Wochen und Monate, in verkehrter zeitlicher Reihenfolge, wie ein Zeitraffer-Film, abzulaufen. Sie sah Christian und sich in Paris. Sie beide, mit seinem Vater und seiner Tante, in Deutschland. Wie sie miteinander tanzten, an ihrem siebzehnten Geburtstag. Er und sie bei ihrem ersten Date. Ihr erstes holpriges Zusammentreffen, als sie ihn noch vollkommen falsch eingeschätzt hatte... Sie bekam nicht mit, wie Christian ihr an diesem Punkt der Ereignisse, die sie erkannte, den Kristall abnahm und ihn fort warf. Jerome Sterling und Christian von Falkenhayn beobachteten, dass Alicia in demselben Moment ein leises Seufzen von sich gab, die Augen verdrehte und bewusstlos zu Boden sackte. Alicias Vater und Christian knieten sich beinahe gleichzeitig zu Alicia ab. „Was war das?“, fragte der Junge erschrocken. Jerome Sterling, der seine Finger an die Halsschlagader seiner Tochter gelegt hatte atmete erleichtert auf, und erwiderte, ohne auf die Frage des Jungen einzugehen: „Schnell, wir bringen sie ins Krankenhaus. Du bist doch mit dem Wagen da?“ „Äh… Ja.“ „Also los!“ Jerome Sterling hob seine bewusstlose Tochter auf seine Arme und schritt eilig mit Christian zu dessen Pickup. Während er sie vorsichtig auf die hintere Sitzbank bettete, stieg Christian bereits auf der Fahrerseite ein und ließ den Motor an. Ungeduldig wartete er, bis Jerome Sterling endlich auf der Beifahrerseite eingestiegen war, und fuhr los, kaum dass der Mann die Tür geschlossen hatte. Sie hielten direkt vor der Notaufnahme, und kaum, dass Christian das Fahrzeug ganz zum Halten gebracht hatte, sprang Jerome Sterling bereits zur Beifahrerseite hinaus. Er hob seine immer noch bewusstlose Tochter aus dem Pickup und eilte mit ihr in das Gebäude. Christian blickte ihnen kurz hinterher, parkte den Wagen ordnungsgemäß auf einem der Besucherparkplätze, ganz in der Nähe, und folgte Jerome. An der Aufnahme erkundigte er sich, wohin man Alicia gebracht hatte und machte sich auf den Weg in die zweite Etage des Krankenhauses. Als er endlich vor dem Zimmer stand, dessen Nummer ihm die Krankenschwester unten genannt hatte, atmete er tief durch und trat, mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend, ein. Zu seiner Überraschung bemerkte er, dass Alicia bereits wieder bei Bewusstsein war. Ein Arzt und eine Krankenschwester standen auf der anderen Seite des Bettes. Christian begab sich zu Jerome Sterling, der ihm einen erleichterten Blick zu warf. Unterdrückt raunte der Mann ihm zu: „Scheint nicht so schlimm zu sein, wie ich befürchtet hatte. Gott sei Dank. Alicia zusammensacken zu sehen war ein Schock für mich.“ „Für uns beide“, stimmte Christian zu. Der Arzt unterhielt sich kurz mit der Krankenschwester, warf einen Blick zum Monitor, der die Werte von dem Sensor an Alicias linkem Zeigefinger anzeigte und blickte dann beruhigend zu Jerome Sterling. „Ihrer Tochter geht es gut. Ich würde sie aber zur Sicherheit, und um ein paar Blutwerte zu vergleichen, gerne zwei Tage hier behalten.“ „Danke, Doktor“, erwiderte Jerome Sterling, während der Arzt und die Krankenschwester das Zimmer verließen. Gemeinsam mit Alicias Vater trat Christian zu Alicia ans Krankenbett. Erleichtert, dass seiner Freundin nichts Schlimmes geschehen zu sein schien, griff er nach der rechten Hand des Mädchens, die auf der Bettdecke ruhte. Zur Verwunderung des Jungen zuckte die Hand vor seiner zurück, und überrascht fragte Christian: „Was hast du denn, Alicia?“ Irritiert blickte Alicia Sterling von Christian zu ihrem Vater und der Junge glaubte, in einen bodenlosen Schlund zu fallen, als sie fragte: „Wer ist dieser blonde Typ, Dad?“ Kapitel 1: Trennungsschmerz --------------------------- 1. TRENNUNGSSCHMERZ Wie betäubt hatte Christian das Krankenhaus verlassen, und auch die aufmunternden Worte von Jerome Sterling konnten ihn momentan nicht trösten. Alicia konnte sich nicht mehr an ihn erinnern. All das, was sie in fast einem Dreivierteljahr gemeinsam erlebt hatten, war für sie nicht mehr greifbar. Verdammtes Kryptonit. Was hatte es gemacht, mit dem Mädchen, dass er so sehr liebte? In der vagen Hoffnung, dass Clark Kent so einen Fall vielleicht schon einmal erlebt hatte, war er zur Kent-Farm gefahren. Doch Clark hatte ihm nicht weiterhelfen können. Aber es hatte zumindest gut getan, mit dem Freund über diese seltsame Angelegenheit reden zu können. Außerdem hatte Clark ihm versprochen, ihn bei der Recherche danach, wie diese seltsame Amnesie vielleicht rückgängig gemacht werden konnte, zu unterstützen. Erst, als er sich bereits wieder auf dem Weg zu seinem Haus befand, spürte Christian, wie sehr ihn der Besuch bei Clark aufgerichtet hatte. Bereits wieder etwas zuversichtlicher, als nach Verlassen des SMALLVILLE-MEDICAL-CENTERS, parkte er seinen Pickup neben dem Haus, dass er letzte Woche bezogen hatte. Eigentlich hatte Christian von Falkenhayn zuerst vorgehabt, sich ein kleines Apartment in Smallville zu suchen, doch die Kents hatten ihm dazu geraten, das Haus von Hank Padgeon in Betracht zu ziehen. Dabei hatte Martha Kent ein gutes Wort für ihn, beim alten Padgeon eingelegt. Er hatte sich, nachdem Martha Kent mit Hank Padgeon gesprochen hatte, schnell mit diesem älteren Herrn geeinigt. So war es dazu gekommen, dass er nun ein eigenes, kleines Häuschen mit Garage, Geräteschuppen und einigen Hektar Land drum herum besaß, das unweit der Sterling-Farm lag. Genauer gesagt, sie waren Nachbarn geworden, wobei wiederum zur anderen Seite der Sterling-Farm, die Farm seines Onkels Jason und seiner Tante Mary angrenzte. Mister Padgeon hatte nur einige persönliche Dinge mitgenommen. Ohne zu überlegen hatte Christian ihm einen guten Preis für die, im Haus verbleibenden, Möbel gemacht, von denen er zunächst einmal die meisten behalten hatte, da sie ihm passend schienen. Er hatte jedoch auch einige moderne Möbel zusätzlich gekauft, die mit den bereits vorhandenen sehr gut harmonierten. Als Christian, in Gedanken versunken, auf die Treppe zur Veranda seines Hauses zu steuerte, bemerkte er eine dick eingemummelte Person auf den Stufen sitzen. Zu seiner Überraschung erkannte beim langsamen Näherkommen Samantha Collins, die beste Freundin von Alicia Sterling. Das blonde Mädchen erhob sich und erkundigte sich, ohne Umschweife, bei ihm: „He, warum treibst du dich hier herum, statt bei deiner Freundin, im Krankenhaus, zu sein?“ Christian hob müde seine Arme. „Das hat Gründe, Samantha. Komm rein, dann erzähle ich dir haarklein das Warum, Wieso und Weshalb.“ Samantha Collins spürte instinktiv an der Reaktion des Jungen, das irgendetwas nicht stimmte, darum verbiss sie sich eine Erwiderung. Stattdessen folgte sie der Einladung des Jungen und betrat nach ihm das Haus. Christian half dem Mädchen aus ihrer gefütterten Winterjacke und hängte sie an einen freien Haken, bevor er sich selbst seiner Jacke entledigte. Samantha dabei beobachtend, wie sie die Wollmütze vom Kopf nahm und umständlich den Schal abwickelte, erkundigte sich Christian bei ihr: „Im wievielten Monat bist du jetzt eigentlich? Im Vierten?“ „Anfang des Fünften“, erwiderte das Mädchen, mit dem flotten Kurzhaarschnitt und fuhr sich mit der Linken über den Bauch. „So langsam sieht man, was los ist, finde ich.“ „Mir würde es nicht auffallen“, gab Christian galant zurück und fragte dann: „Wo möchtest du lieber Platz nehmen? Im Wohnzimmer oder in der Küche? Brauchst du ein Kissen, für den Rücken? Möchtest du etwas zu essen oder zu trinken?“ „Chris?“ „Ja?“ Samantha blickte Christian in komischer Verzweiflung an. „Ich bin schwanger, aber nicht krank oder altersschwach, okay?“ Christian lächelte peinlich berührt. „Entschuldige bitte.“ „Schon okay.“ Samantha schritt langsam zu einem bequemen Sessel im Wohnzimmer und Christian folgte ihr. Sich ihr schräg gegenüber auf die Couch setzend, beugte er sich etwas zu ihr vor und begann zu erzählen, was sich am Nachmittag ereignet hatte. Als er geendet hatte legte Samantha mitfühlend ihre Hand auf seinen Unterarm und sagte leise: „Das tut mir sehr leid, Chris. Alicia hat mir vorhin, als ich kurz zu ihr hereingeschaut habe nur gesagt, dass es ihr bereits wieder gut gehe. Von der Amnesie, in Bezug auf dich, hat sie kein Wort verloren. Das kapiere ich nicht.“ Christian nickte niedergeschlagen und blickte Samantha verzweifelt an. „Ich weiß nicht recht, aber bevor ich das Krankenhaus verließ hatte ich fast den Eindruck, dass es ihr peinlich ist, mit mir zusammen zu sein.“ „Dazu besteht aber nun mal so gar kein Grund“, erwiderte des Mädchen prompt. „Das wissen wir zwei doch wohl am besten. Und gleich morgen werde ich...“ „Nein, bitte nicht, Samantha“, unterbrach Christian sie abwehrend. „Was ich ganz zuletzt möchte ist, ihr das Gefühl zu vermitteln, sie würde in meiner Schuld stehen.“ Widerspruch lag im Blick des Mädchens. Doch dann nickte Samantha und sagte: „Ich verstehe dich. Aber ich finde, dass du morgen mit mir gemeinsam Alicia besuchen solltest. Und eins merk dir: Ein Nein werde ich nicht akzeptieren.“ Froh über diesen Vorschlag, und ohnehin nicht bereit, Samantha aufzuregen, in ihrem Zustand, lächelte Christian zustimmend. „In Ordnung. Vielleicht erinnert sich Alicia ja schneller wieder an mich, als wir glauben.“ * * * Es hatte lange gedauert, bis Christian von Falkenhayn, weit nach Mitternacht, in einen unruhigen Schlaf gefallen war. Zum Glück war heute Sonntag, und so machte es nichts aus, dass er dafür bis um 10:30 Uhr schlief. Trotzdem fühlte er sich wie zerschlagen, als er sich im Bad unter die Dusche stellte. Er beeilte sich im Bad und schlang ein schnell gemachtes Frühstück hinunter, denn bereits um 11:00 war er mit Samantha verabredet. Ihr Freund Neil war an diesem Wochenende so sehr in Prüfungsvorbereitungen eingebunden, dass er in Kansas-City geblieben war, wie ihm Samantha gestern Abend erzählt hatte. Er war gerade eben fertig, und dabei sich die Jacke zu schnappen, als es auch schon an der Tür klopfte, und Samantha zur Tür herein kam. Er hatte sich hier in Smallville sehr schnell angewöhnt, die Haustür nur während der Nacht abzuschließen, oder wenn er nicht Zuhause war. „Hi, Samantha. Von mir aus können wir.“ Samantha grinste breit. „Macht es dir gar nichts aus, so dermaßen das Klischee von der deutschen Pünktlichkeit zu bedienen?“ „Was würde denn dann wohl aus den armen Klischees, wenn man sie nicht bedient“, hielt Christian dagegen und zwinkerte belustigt. „Auch wieder wahr. Also los.“ Mit dem Pickup brauchten sie nicht sehr lange, bis zum Krankenhaus. Sie hielten unterwegs nur kurz an, weil Christian noch einen Strauß Blumen besorgen wollte. Während der Fahrt noch ruhig, verspürte Christian dasselbe Unwohlsein, wie am Nachmittag zuvor, als sie die Eingangshalle hinter sich gelassen, und den Aufzug betreten hatten. Samantha, die seinen Zustand mitbekam meinte aufmunternd, als sie in die zweite Etage hinauf fuhren: „He, das wird schon. Ich bin ja auch noch da.“ Christian lächelte, fast gegen seinen Willen. „Danke, Samantha.“ „Hey, du hast mir doch bei dieser Sache hier auch beigestanden, als ich nicht wusste, wie ich es Neil beibringen soll“, erwiderte das Mädchen abwehrend und deutete dabei bedeutungsvoll auf ihren Bauch. „Jetzt bin ich mal dran.“ Ein nervöses Lächeln des Jungen war die Antwort. Als sie schließlich vor der Tür des Krankenzimmers standen, warf Samantha ihrem Begleiter einen letzten, aufmunternden Blick zu, bevor sie anklopfte und die Tür öffnete. Als sie eintraten erkannten die beiden Teenager, dass Alicias Eltern anwesend waren. Sie schienen jedoch im Begriff zu sein, zu gehen. Sie begrüßten sich, und bevor Cassidy Sterling, hinter ihrem Mann das Zimmer verließ, drückte sie Christian schnell am Oberarm und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. Dankbar erwiderte der Junge es und wandte sich schließlich, mit Hornissen im Magen, zu den beiden Mädchen um. Der befremdete, beinahe kühle, Blick, mit dem Alicia ihn ansah, traf ihn ins Herz, wie ein brennender Pfeil. Sich krampfhaft zusammenreißend wickelte er den Blumenstrauß aus und stellte ihn in eine Vase auf ihrem Nachttisch. Dabei sagte er: „Deine Lieblingsblumen. Ich hoffe, du freust dich zumindest etwas darüber.“ „Die sind sehr schön“, antwortete Alicia neutral. „Meine Eltern haben mir erklärt, wer du bist, Chris, doch ich kann mich nicht daran erinnern, dich zu kennen. Für mich bist du ein vollkommen Fremder. Ich kann verstehen, dass das sehr schwierig für dich sein muss, doch ich empfinde momentan rein gar nichts für dich, Chris.“ Getroffen von ihren Worten stand Christian völlig hilflos da und schien den Sinn hinter diesen Worten nicht begreifen zu können. Samantha, die sich an das Bett ihrer besten Freundin gesetzt hatte, sah ungläubig von ihm zu Alicia und platzte nach einigen Augenblicken, beinahe wütend, heraus: „Jetzt mach aber mal einen Punkt, Alicia! Vorgestern noch warst du ganz heiß verliebt in diesen Jungen! Und jetzt soll da ganz plötzlich rein gar nichts mehr sein? Komm schon, das kann doch unmöglich wahr sein!“ Ein eigentümliches Funkeln lag in Alicias Blick, als sie die Freundin ansah. „Würdest du uns für einen Moment allein lassen, Sam? Bitte.“ Das blonde Mädchen nickte, mühsam beherrscht. „Na, schön. Ich hoffe nur, dass du ganz schnell wieder zu dir findest.“ Dabei sah sie ihre Freundin nochmal eindringlich an. Christian warf Samantha einen dankbaren Blick zu, als sie das Zimmer verließ. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, trat er einen Schritt näher an das Bett heran. Das ungute Gefühl in seiner Magengegend verstärkte sich dabei und er fühlte einen imaginären Kloß in seinem Hals stecken. Alicia sah neugierig zu ihm auf. Dann sagte sie ruhig und bestimmt: „Bitte setz dich, Christian, denn was ich dir sagen werde wird bestimmt nicht angenehm für dich werden.“ Der Junge schritt, wie mechanisch zu dem Stuhl, auf dem eben noch Samantha gesessen hatte. Ohne das Mädchen, das er innig liebte, aus den Augen zu lassen, nahm er an ihrem Bett Platz. Dabei fiel es ihm schwer, nicht ganz automatisch nach ihrer Hand zu greifen, wie er es normalerweise nun getan hätte. Alicia wartete, bis der Junge saß, bevor sie ihn offen ansah und eindringlich sagte: „Mir liegt ganz sicher nichts daran, dich zu verletzen, Chris. Es ist nur so, dass ich mich an kein Detail, über das meine Eltern mit mir gesprochen haben, erinnern kann. Ich vertraue ihnen und so glaube ich, dass wir in einander verliebt gewesen sind, doch das ist für mich momentan etwas, das mir wirklich abstrakt erscheint. Was ich meine ist: Ich sehe dich an und ich fühle dabei keine Verliebtheit. Ich sage dir das wirklich nicht, um dich zu verletzen. Es ist einfach so, und ich möchte dich herzlich bitten, das im Moment zu akzeptieren. Um was ich dich ebenfalls bitten möchte ist, auch wenn dir das vermutlich sehr schwer fällt, Abstand zu mir zu halten. Also keine überraschenden Besuche, keine Blumen, keine schmachtenden Blicke, oder anderweitige Liebesbeteuerungen.“ Christian hatte mit etwas Ähnlichem gerechnet, doch es von dem Mädchen zu hören, für das sein Herz schlug, war wie eine schallende Ohrfeige für ihn. Alicia schien seinen Zustand zu spüren, denn sanfter, als zuvor sagte sie: „Es tut mir wirklich sehr leid, Chris, doch ich kann keine Beziehung mit dir weiterführen, von der ich überhaupt nichts weiß. Ich hoffe aufrichtig, dass du mich deswegen nicht verachten, oder gar hassen wirst. Ich möchte dich auch nicht vollkommen ausschließen, doch ich brauche Zeit um dich erneut kennenzulernen. Das verstehst du hoffentlich.“ Beinahe roboterhaft nickte Christian: „Ja, das verstehe ich. Es wird mir jedoch hier und da sicherlich schwerfallen, und darum möchte ich dich darum bitten, nicht gleich sauer zu reagieren, wenn dir die ein oder andere Reaktion von mir seltsam vorkommt.“ Der Junge schluckte, und die nächsten Worte fielen ihm alles andere als leicht. „Was deine Bitte betrifft: Ich werde dem entsprechen, um was du mich gebeten hast. Ich lasse dir den nötigen Freiraum und ich werde nicht sauer deswegen sein. Denn ich kann mir nicht vorstellen, wie das Alles für dich sein muss, und wie ich selbst an deiner Stelle reagieren würde. Ich würde mich jedoch freuen, wenn du mich zumindest als einen guten Freund betrachten würdest, an den du dich stets wenden kannst.“ Bei seinen letzten Worten wurde seine Stimme kratzig, und er musste die Zähne aufeinander beißen, um die Tränen zu unterdrücken, die mit Nachdruck in ihm aufstiegen. Nur mühsam gelang es ihm, die Fassung zu wahren, so mächtig stieg der Schmerz um den Verlust des Mädchens, dass er bedingungslos liebte, in ihm auf. Er erhob sich von dem Stuhl und sagte mit heiserem Tonfall: „Ich gehe jetzt besser. Wir sehen uns in der Schule.“ Alicia nickte wortlos. Als Christian vor die Tür trat, blickte Samantha ihn fragend an. „Was ist nun? Red doch schon, Chris.“ Der Junge schüttelte nur stumm den Kopf. „Wir reden später darüber, Samantha. Was ich dir im Augenblick sagen will ist: Lass nicht zu, dass deine Freundschaft mit Alicia unter dem leidet, was zwischen mir und Alicia ist, oder besser gesagt, momentan nicht ist.“ Damit wandte er sich ab und schritt eilig davon. Samantha sah ihm mitfühlend nach, bevor sie das Krankenzimmer erneut betrat. Nicht ohne sich die Worte des Jungen, wenn auch mühsam, zu Herzen zu nehmen. Kapitel 2: Neue Bekanntschaften ------------------------------- 2. NEUE BEKANNTSCHAFTEN Der Abend, an dem in Star-City die Wohltätigkeitsgala stattfinden sollte, kam näher. Für einige Tage hatte Christian von Falkenhayn ernsthaft überlegt abzusagen, doch sich dann dagegen entschieden. Immerhin hatte Oliver Queen ihn höchst selbst eingeladen, und es wäre ein nicht wiedergutzumachender Fauxpas gewesen, nicht zu erscheinen. Also hatte er schriftlich sein Erscheinen zugesagt. Außerdem hatte er vor, einen Scheck, mit einer größeren Summe als Spende abzugeben. Natürlich hätte es dafür eine schnellere und weniger bürokratische Lösung gegeben, doch Amerikaner liebten die Symbolik - und die Show. Das Geld hatte sein Vater zur Verfügung gestellt, als Christian ihm, bei dessen letzten Besuch in Smallville, davon erzählt hatte. Übermorgen war es so weit. Er hatte sich darauf gefreut, doch jetzt, da er ohne Begleiterin erscheinen würde, sah er nurmehr eine Pflicht darin dort aufzutauchen. Er würde sich wohl daran gewöhnen müssen, dass Pflichten dieser Art in der nächsten Zeit eher zunehmen würden, als abnehmen. Heute, am Donnerstag, fuhr er, nach der Schule zur Falken-Farm. Er hatte Jason und Mary seit dem vorletzten Wochenende nicht mehr gesehen und die beiden würden ihn bestimmt etwas aufheitern. Er hupte einige Male, als er fast das Farmhaus erreicht hatte. Als er anhielt und ausstieg trat seine Tante vor die Tür. Sonst immer in helle freundliche Sachen gekleidet, trug sie heute ein schwarzes Kostüm. Außerdem hatte sie, entgegen ihrer sonstigen Gewohnheiten, ihr langes, schwarzes Haar, mit einer farblich zum Kostüm passenden Schleife, zurückgebunden, was ihr ein zu ernstes Aussehen verlieh, wie der Junge befand. Freudig schritt Christian auf sie zu. Beim Näherkommen bemerkte er ihre ernste Miene. „Hallo, Tante Mary. Was ist denn los?“ In den eisgrauen Augen der einundvierzigjährigen Frau lag ein trauriger Zug. „Ich wollte gerade zu dir fahren, Chris. Diane Bennings hat vor knapp einer Stunde angerufen. Beim letzten Besuch bei Annette habe ich ihr unsere Nummer gegeben und sie darum gebeten nicht zuerst bei dir anzurufen, wenn...“ Mary Falken schluckte und wischte sich eine Träne von der Wange. Es dauerte einen Moment, bis Christian verstand und leise fragte: „Sie ist tot?“ Mary Falken nickte und schritt auf Christian zu. Ihn sacht in die Arme nehmend antwortete sie mit erstickter Stimme: „Diane sagte, dass sie sanft eingeschlafen ist und keine Schmerzen gehabt hat.“ Über die Schulter seiner Tante hinweg in die Ferne starrend fragte sich Christian, wie viele Schicksalsschläge ein Mensch, innerhalb weniger Tage verkraften konnte. Zuerst der Vorfall mit Alicia, und nun das. Mary Falken wartete eine angemessene Zeit ab bevor sie leise sagte: „Wir müssen sofort nach Metropolis, Chris. Ich schlage vor, wir nehmen deinen Wagen. Wenn du möchtest, dann fahre ich.“ „Ich glaube nicht, dass...“ „Du hast keine Wahl, Christian. Denn in diesem Fall geht es nicht nur um dich, oder um uns, sondern um mehr. Das habe ich erst durch den Anruf von Diane erfahren. Du musst dich jetzt zusammen nehmen, auch wenn es schwer fällt. Ich fahre dich nach Hause und du ziehst dich um. Den guten Zwirn, wie dein Vater es ausdrücken würde.“ Der bestimmte Ton seiner Tante verwunderte den Jungen etwas. Er spürte, dass es da etwas gab, von dem sie ihm bisher noch nichts erzählt hatte. „Was ist denn...“ „Nicht jetzt, Chris. Ich erkläre es dir während der Fahrt. Beeile dich jetzt lieber, wir haben es nämlich sehr eilig.“ Christian gab sich vorerst damit zufrieden. Wie in Trance stieg er in seinen Pickup, gab seiner Tante die Schlüssel und ließ sich von ihr bis zu seinem Haus fahren. Er beeilte sich mit dem Umziehen und war zehn Minuten später wieder bei seiner Tante, im schwarzen Anzug und mit einer schwarzen Krawatte in der Hand. Als sie unterwegs waren, und Christian Anstalten machte, sich die Krawatte um den Hals zu hängen, sagte Mary Falken rasch: „Lass sie solange ab. Kurz vor Metropolis werden wir anhalten und dann werde ich dir das Ding ordentlich binden.“ Christian sah Mary Falken neugierig von der Seite an. „Gehört das auch zu dem, worüber wir, während der Fahrt, sprechen werden?“ „In gewisse Weise ja“, gab Mary Falken trocken zurück. Die Frau an Christians Seite beschleunigte den Pickup. Erst nach einer Weile fuhr sie fort, und meinte: „Okay, dann halte dich jetzt mal gut fest. Wie du weißt war Annette Falken die Inhaberin und Leiterin von Falken-Industries. Natürlich ist dieses Großunternehmen börsennotiert. Du bist der Sohn eines Geschäftsmannes, also muss ich dir nicht sagen, was der Tod von Annette, in Hinsicht auf den Aktienkurs des Unternehmens, bedeutet.“ Christian nickte zustimmend. „Nein, ganz bestimmt nicht. Aber was hat denn das Alles mit mir zu tun, Tante Mary?“ Mary Falken atmete tief durch und erklärte, so ruhig wie möglich: „Diane Bennings unterrichtete mich, vorhin am Telefon, davon, dass deine Tante, vor zwei Wochen erst, eine Schenkung ihres Unternehmens und ihres gesamten Privatvermögens, zu deinen Gunsten vorgenommen hat. So, wie es scheint, bist du seit zwei Wochen der Eigentümer von Falken-Industries, und Neo-Milliardär. Ihr Stab von Anwälten hat diese Schenkung juristisch geprüft und danach abgewickelt. Sie hatte verfügt, dass du davon erst nach ihrem Tod erfahren sollst. Vermutlich hat sie das getan, um den Aktienkurs der Firma nicht einbrechen zu lassen, durch eine zu lange, ungeklärte Nachfolge, nach ihrem Tod. Bestimmt nicht wegen der finanziellen Seite, sondern vor allen Dingen, weil davon Arbeitsplätze, sprich Menschen, abhängig sind. Das alles passt zu Annette, doch es hätte wohl niemand damit gerechnet, wem sie das Unternehmen in die Hände legen würde.“ Für einen Moment saß der Junge, wie betäubt da. Dann meinte er tonlos: „Aber wie soll denn ich so ein Unternehmen leiten?“ Beinahe heiter erwiderte seine Tante: „Gar nicht. Dafür gibt es Top-Manager. Einen solchen hat deine verstorbene Tante bereits vor einigen Monaten gefunden, wie ich von Diane Bennings erfuhr. Neben Diane war er wohl als Einziger eingeweiht, was die Schenkung betrifft. Ein erfahrender Mann übrigens, der sich international einen guten Ruf erworben hat. Das ist das Eine. Das Andere ist, dass die Öffentlichkeit zunächst einmal nicht primär ihn sehen will, sondern den neuen Inhaber des Unternehmens. Also dich.“ „Sprichst du da jetzt etwa von der Presse und dem Fernsehen?“ „Mit allem Zipp und Zapp, um es auf deine blumige Teenager-Sprache zu sagen.“ Mary Falken hörte das leise Stöhnen des Jungen und erklärte eindringlich: „Keine Bange, Jason und ich werden dir zur Seite stehen. Dein Onkel weiß, was Geschäftsleute hören wollen, und was nicht. Also kein Stress. Die Leute von der Presse werden vermutlich ohnehin zunächst eher persönliche Fragen stellen. Sprich über das, was du preisgeben willst, und ansonsten sage: Kein Kommentar. Noch irgendwelche Fragen?“ „Kein Kommentar“, knurrte Christian prompt. „Na bitte, es geht doch“, gab Mary Falken zurück. „Nutze den Rest der Fahrt, um dich etwas zu sammeln, in weniger als einer Stunde wird es nämlich ernst werden.“ * * * Als Christian von Falkenhayn, am späten Abend, in der Villa seiner verstorbenen Tante, mit Mary Falken, Jason Falken und Annette Bennings, im Salon, beisammen saß, sagte er in die Runde: „Ich komme mir immer noch vor, wie in einem Traum. Ich bin euch allen wirklich dankbar, dass ihr bei mir wart.“ Der Junge fing einen auffordernden Blick seiner Tante auf. Sie hatte mit ihm, zum Ende der Fahrt nach Metropolis, über etwas gesprochen, das er fast vergessen hätte. Zu Diane Bennings sehend meinte er: „Diane, ich würde verstehen, wenn Sie ablehnen, doch ich möchte sie herzlich bitten, auch zukünftig hier wohnen zu bleiben. Sehen Sie, ich werde zwar bis zum Sommer in Smallville bleiben, doch spätestens, wenn ich, nach der High-School, mein Studium in Metropolis beginne, werde ich wohl hauptsächlich hier wohnen. Und dann werde ich, wie meine Tante, Jemanden als meinen persönlichen Assistenten, oder eben Assistentin, brauchen. Tante Annette hat Ihnen vertraut, darum wäre ich glücklich darüber, wenn sie zukünftig für mich arbeiten würden. Natürlich zu denselben Konditionen.“ Etwas überrascht sah die hagere Frau zu dem Jungen. „Das ist sehr großzügig, aber ich weiß im Moment nicht, ob ich das annehmen kann.“ Christian nickte verstehend. „Sie müssen das nicht sofort entscheiden. Bleiben Sie vorerst erst einmal hier und überlegen es sich. Sie müssen sich auch nicht auf eine bestimmte Dauer des Arbeitsverhältnisses festlegen. Wenn Sie annehmen, aber dann irgendwann merken sollten, dass es nicht geht, so werde ich Ihnen keine Steine, für einen Ausstieg nach Ihren Wünschen, in den Weg legen. Das versichere ich Ihnen.“ Diane Bennings lächelte dankbar. „Ich werde es mir überlegen. Wenn Sie drei mich nun entschuldigen, der Tag war sehr anstrengend.“ Nachdem die hagere Frau allen eine Gute Nacht gewünscht, und sich zurückgezogen, hatte, sah Christian, erleichtert, dass dieser Tag herum war, zu Mary und Jason Falken und seufzte schwach: „Diese Presse-Fritzen waren die Hölle. Habt ihr mitbekommen, was die alles von mir wissen wollten?“ „Live und in Farbe“, erwiderte sein Onkel mitfühlend. „Aber es passiert nicht alle Tage, dass ein so junger Mann, wie du, zu einem der reichsten Personen Amerikas aufsteigt. Da ist das Interesse der Öffentlichkeit entsprechend groß. Du hast das im Übrigen sehr gut gemacht. Geduldig und sachlich. Bleib dabei.“ Christian nickte nachdenklich. „Dieser Manager, Fynn Everett Specter, den Tante Annette eingestellt hat, machte einen sehr sympathischen Eindruck auf mich. Doch ich glaube gespürt zu haben, dass der auch ganz anders kann, wenn es sein muss. Irgendwie erinnert er mich an Paps. Apropos: Ich bin froh, dass Paps vorhin anrief. Er kommt mit Tante Christina schon nächsten Dienstag in Metropolis an. Zur Beerdigung von Tante Annette sind sie da. Ach ja, Danke nochmal dafür, dass ihr mit dem Direktor der Smallville-High gesprochen habt. Er hat mich für die nächste Woche freigestellt. Die werde ich bestimmt auch brauchen, um mir einen ersten Eindruck von dem zu verschaffen, was Tante Annette da, ohne mein Wissen, auf den Weg gebracht hat.“ „Wie lange willst du Christina eigentlich noch Tante nennen“, fragte Mary Falken mit hochgezogenen Augenbrauen ablenkend. „Immerhin sind sie und dein Vater, seit Weihnachten, offiziell mit einander verlobt. Mittlerweile kenne ich dich gut genug, um erkannt zu haben, dass du diese Tatsache mit gemischten Gefühlen aufgenommen hast.“ Der Junge machte ein wenig geistreiches Gesicht. „Du hast Recht, und offen gestanden, ich habe keine Ahnung, wie ich sie zukünftig überhaupt nennen soll. Mutter werde ich sie nicht nennen, denn so habe ich nur eine Frau genannt, und daran wird sich auch vorerst nichts ändern. Aber Tante fällt spätestens dann flach, wenn beide verheiratet sind.“ „Bis dahin fällt dir bestimmt noch etwas ein“, munterte sein Onkel ihn auf. Er gähnte herzhaft, erhob sich und zog seine Frau von der Couch hoch. „Wir werden uns jetzt auch in das Gästezimmer, dass Diane für uns vorbereitet hat, zurückziehen. Gute Nacht, Chris, und bleib nicht zu lange wach.“ Christian nickte. „Gute Nacht.“ Als er allein war, schloss der Junge seine Augen und fragte sich für einen Moment, ob das alles gerade wirklich passierte, oder ob er träumte und jeden Moment erwachen würde. Er kniff sich in den Arm und verzog schmerzhaft das Gesicht. Wenn das ein Traum war, dann aber ein sehr intensiver. Für einen Augenblick lang dachte er an den Ball in Star-City, in zwei Tagen, und fast froh über diese Ablenkung seufzte er leise. * * * Die nächsten zwei Tage vergingen wie im Flug und schneller, als gedacht, war der Abend herangekommen, an dem er nach Star-City flog, um an dem, von Oliver Queen gegebenen Wohltätigkeitsball teilzunehmen. Dabei würde er im Laufe des Abends den neuen Scheck, den er bei sich trug, medienwirksam in einen gläsernen Behälter fallen lassen. Seit seinem ersten Auftritt vor den Medien, in Metropolis, kam dieser Aktion eine weit größere Bedeutung bei, als es noch vor einer Woche der Fall gewesen wäre. Das war auch der Grund dafür, dass er den zunächst vorgesehenen Scheck zerrissen, und einen neuen, mit einer Null mehr darauf, ausgestellt hatte. Mit der Zustimmung seines Vaters, der das Geld auf sein Konto überwiesen hatte. Christians Versicherung, das Geld innerhalb der nächsten vierzehn Tage zurück zu überweisen, hatte seinem Vater einen ziemlich sarkastischen Kommentar, in Bezug auf das Verhalten von sogenannten Neureichen, entlockt. Als der Junge, kurz vor der Landung, auf einem Laptop die aktuellen Börsendaten studierte und sich dabei erwischte, wie er erleichtert aufatmete bei der Feststellung, dass die Aktien von Falken-Industries, nach einem anfänglichem Wertverlust von 2,4% stabilisiert hatten, und bereits wieder eine leichte Tendenz nach oben zeigten, schüttelte verwundert über sich selbst den Kopf. Bisher hatte ihn der Wirtschaftsteil nie sonderlich interessiert, und nun diese Entwicklung. Erstaunlich, wie schnell so etwas doch gehen konnte. Als der Firmenjet von Falken-Industries zur Landung ansetzte, und das Zeichen zum Anschnallen kam, schloss Christian den Laptop. Er wusste, dass Star-City im Bundesstaat Massachusetts, an der Atlantikküste, lag. Beinahe gleich weit entfernt von Boston und Plymouth. Etwa fünf Millionen Menschen leben in dieser Großstadt, deren Kriminalitätsrate, laut Oliver Queen, deutlich hinter der von anderen amerikanischen Großstädten, wie Metropolis, lag. Nachdem der Jet ausgerollt war, erhob sich Christian und wartete, bis der Co-Pilot zu ihm in die Passagierkabine kam, um die Tür zu öffnen. Draußen wurde er von dem Chauffeur der Limousine erwartet, die auf Oliver Queens Konto ging. In einem Anfall von Humor fragte sich der Junge, ob Irgendwer den CEO von Queen-Industries damit beauftragt hatte, ihn schon mal auf das vorzubereiten, was ihn in der nächsten Zeit erwartete. Er verwarf diesen Gedanken, als er in den Fond des Wagens einstieg, und der Fahrer die Tür hinter ihm schloss. Doch das Leben, vor dem er geglaubt hatte fliehen zu können, hatte ihn schlussendlich eingeholt, das stand für ihn fest. Christian von Falkenhayn versuchte sich auf andere Gedanken zu bringen, während der schwarze Wagen durch die Straßen von Star-City fuhr. Er hatte ohnehin immer gewusst, dass das einfache Leben in Smallville nicht auf ewig so weitergehen konnte. Doch nun war er von den aktuellen Entwicklungen etwas überrollt worden. Etwas sehr überrollt worden. Der Junge überlegte, was seine Tante, die er gerade erst wieder näher kennengelernt hatte, dazu bewogen haben mochte, ihm nicht einfach nur testamentarisch einige Millionen Dollar zu hinterlassen, um ihm etwas Gutes zu tun, sondern ihm ihr gesamtes Privatvermögen, dass sich im mittleren, zweistelligen Milliardenbereich bewegte, und das Unternehmen zu schenken. Nach Abzug aller Steuern war er immer noch einer der reichsten Menschen dieses Planeten, und das, mit gerade einmal achtzehn Jahren. Bisher hatte er noch nicht allzu viel Zeit gehabt darüber nachzudenken, was als Folge davon noch alles auf ihn zukommen mochte, doch das würde wohl schon noch früh genug über ihn hereinbrechen. Christian schreckte aus seinen Gedanken auf, als sie vor der Jennifer-Allenby-Hall, am Rand des Star-City-Parks, der quasi das Zentrum von Star-City bildete, anhielten. Seinem Namen entsprechend besaß der riesige Park die Form eines fünfzackigen Sterns. Ein Bediensteter von Queen öffnete den Wagenschlag und Christian von Falkenhayn verließ den Fond der Limousine. „Guten Abend, Mister Von Falkenhayn“, begrüßte ihn der breitschultrige Mann freundlich. „Mister Queen hat mich beauftragt, Sie zu ihm zu bringen. Bitte folgen Sie mir.“ Der Junge dankte verbindlich und schritt, hinter dem Mann, die breite Freitreppe hinauf. Diese Location war, weit über Star-City hinaus, bekannt dafür, dass Events wie dieses hier abgehalten wurden. Als sie endlich die eigentliche Festhalle erreichten, erwartete den Jungen ein überwältigender Anblick. Männer und Frauen in teuren Anzügen und Abendkleidern verteilten sich auf drei Galerien, die sich über drei Etagen erstreckten. Plasma-Bildschirme, auf denen in regelmäßigem Wechsel Kunstwerke aus aller Welt eingeblendet wurden, säumten die Innenwände, während breite Balustraden die Galerien vom Innenbereich abgrenzten, über den sich eine ovale, an der schmalsten Stelle mehr als zwanzig Meter durchmessende, Glaskuppel spannte. Unter ihr lag der Hauptsaal mit einer Tanzfläche an deren einem Ende eine Empore erhob. Dort erkannte Christian den Glaskasten, in den später die Schecks der Spender landen würden. Über die große Treppe, die von der untersten der drei Galerien zum inneren Bereich führte, schritten Christian von Falkenhayn, und sein Begleiter, hinunter. Unten angekommen bahnten sie sich einen Weg durch die Menge. Dabei fragte sich der Junge, ob Oliver Queen auch für die weibliche Garderobe einen Dress-Code ausgegeben haben mochte, denn alle Damen trugen entweder schwarze, rote oder weiße Kleider. Endlich erkannte Christian, dass er sich dem Ziel näherte. Unweit von ihm stand der bekannte, blonde Milliardär zusammen mit einem Mann, der Oliver Queen um gut zwei Finger breit überragte. Christian schätzte ihn auf etwas unter 1,90 Metern Körpergröße. Dieser, ihm bisher unbekannte, Mann wirkte sportlich durchtrainiert und war in den Schultern deutlich breiter, als Oliver Queen, oder er selbst. Im Gegensatz zu ihnen besaß der Mann neben Oliver Queen tief schwarzes Haar. Sein etwas kantig wirkendes Gesicht wirkte gleichzeitig auf jene besondere Art männlich, die Frauen instinktiv anzog. Der Blick seiner durchscheinend blauen Augen ähnelte auffällig dem von Oliver Queen. Er schien in etwa demselben Alter zu sein, wie der Mann neben ihm. Vielleicht kannten sie sich von Schulzeiten her. Als Christian und sein Begleiter die beiden Männer erreicht hatten, zog sich der Bedienstete unauffällig zurück. Oliver Queen trat zu Christian von und reichte ihm die Hand. „Willkommen bei unserer kleinen Gala, Chris. Ich habe vom Tod deiner Verwandten gehört und ich rechne dir hoch an, dass du dennoch hierher gekommen bist. Mein herzliches Beileid.“ Christian erwiderte den festen Händedruck. In den braunen Augen seines Gegenübers erkannte er aufrichtiges Mitgefühl, und flüchtig lächelnd erwiderte er: „Danke, Oliver. Einerseits ist es nicht leicht, doch andererseits lenkt es etwas von dem ab, was gerade um mich herum passiert.“ „Ja, ich hörte bereits davon. Willkommen im Club.“ Christian wusste, worauf Oliver Queen anspielte und verzog etwas das Gesicht. Der CEO von Queen-Industries lächelte wissend und wandte sich etwas zur Seite. Dabei sagte er zu Christian gewandt: „Ich nehme an, ihr zwei kennt euch noch nicht. Das hier ist mein Freund, Bruce Wayne. Er stammt aus Gotham.“ „Sehr angenehm“, erwiderte Christian unbekümmert und reichte dem markant aussehenden, Schwarzhaarigen die Hand. „Sie sehen aus, als würden Sie ihr Geld als Profisportler verdienen.“ Bruce Wayne, der die Hand des Jungen ergriffen hatte, blickte halb amüsiert, halb ratlos wirkend, zu Oliver Queen, der sich keine Mühe machte, seine Heiterkeit zu verbergen. „Bruce Wayne, der CEO von Wayne-Enterprise“, erklärte Queen, breit grinsend und weidete sich an dem peinlich berührten Blick des Teenagers. Natürlich kannte Christian von Falkenhayn dieses Unternehmen, er hatte sich den Inhaber nur etwas anders vorgestellt. Erst jetzt erkannte der Junge auch vollständig, wie die Bemerkung Willkommen im Club tatsächlich gemeint gewesen war, denn wie Oliver Queen und ihm selbst, so war auch Bruce Wayne Multimilliardär, und zwar mit Abstand der reichste von ihnen Dreien. „Das war ja jetzt mal so gar nicht peinlich“, entfuhr es Christian, und er spürte dabei gleichzeitig, wie sich die Epidermis-Durchblutung seiner Gesichtshaut eindeutig erhöhte. „Ich fand das ganz amüsant“, warf Oliver Queen, immer noch schelmisch grinsend, ein und zwinkerte Christian dabei zu. „Ja, aber reden wir nie wieder davon“, gab Christian schnell zurück. „Ich habe einen ziemlich trockenen Hals und könnte was zu trinken vertragen.“ „Die Bar ist da drüben.“ Oliver Queen deutete bei seinen Worten zur Linken. „Aber denk daran, dass du noch keine einundzwanzig Jahre alt bist. Also nur Alkoholfreies, oder der Skandal ist vorprogrammiert, und du findest deinen Namen, in ganz großen Lettern, in der Klatschpresse wieder, mein Freund.“ Christian von Falkenhayn hob seine Augenbrauen. „Ich hoffe, du sprichst da nicht aus eigener Erfahrung. Aber keine Sorge, Alkohol ist ohnehin nicht mein Fall. Ich hoffe, Bitter-Lemon ist okay?“ Sowohl Oliver Queen, als auch Bruce Wayne grinsten breit bei dieser Frage und der Schwarzhaarige gab grinsend zurück: „Aber so was von.“ „Dann sehen wir uns später“, meinte Christian und entfernte sich. Als er ging wurden die beiden jungen Männer ernster und Oliver Queen wandte sich zu seinem Freund. „Er besitzt noch diese gewisse Unbekümmertheit. Ich hoffe nur, dass sie ihm nicht zu schnell abhanden kommen wird.“ Sein Begleiter nickte düster. „Ja, aber du weißt selbst, wie die Chancen dafür stehen.“ Im nächsten Moment sah Bruce Wayne über den sich entfernenden Christian von Falkenhayn hinweg und meinte verschmitzt grinsend: Apropos Chancen. Diese junge Dame dort drüben hat gute Chancen, mich in weniger als einer Minute kennenzulernen.“ „Du meinst die im weißen Kleid, mit den langen, roten Haaren?“ „Genau die!“ Noch bevor Bruce Wayne sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte war Christian auf einer Höhe mit ihr. Gleichzeitig rempelte ihn einer der Gäste an, und er stieß mit der jungen Frau zusammen, die ihr Weinglas nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte. Die beiden Freunde beobachteten, wie die rothaarige Frau den Deutschen zuerst unwillig musterte. Nachdem sie einige Worte miteinander gewechselt hatten wurden ihre zunächst angespannten Gesichtszüge jedoch weicher. Schließlich bot Christian ihr galant seinen Arm an, und gemeinsam entfernten sie sich in Richtung der Bar. Sich geradezu köstlich amüsierend sah Oliver Queen seinen Freund, der etwas konsterniert wirkte, von der Seite an, und feixte: „Hast dich ihr nicht mal vorgestellt.“ Langsam sammelte sich Bruce Wayne wieder und er erwiderte grimmig: „Abwarten, mein Freund. Du weißt doch: Man sieht sich immer zweimal, im Leben.“ „Du hast Recht, vielleicht wird es ja ein anderes Mal was, mit dieser hübschen Rothaarigen, Bruce. Komm, lass uns sehen, welche interessanten Frauen sonst noch hier sind, und sich langweilen, mein Freund.“ * * * Als Christian unerwartet mit einer jungen Frau, gekleidet in ein weißes Trägerkleid, das ihre sportliche Figur perfekt zur Geltung brachte, zusammenstieß, da fielen ihm zuerst ihre funkelnden, grünen Augen auf. Gereizt, weil sie einen Gutteil ihres Weißweins über das Kleid vergossen hatte, blickte sie den jungen Mann an, mit dem sie so unverhofft kollidiert war, und fragte: „Wer, zum Teufel, sind denn Sie, sie Katastrophenmensch?“ Bedauernd sah Christian in die faszinierenden Augen der jungen Frau. „Entschuldigen Sie bitte, Miss, es kam auch für mich überraschend. Mein Name ist Christian von Falkenhayn. Zum Glück geben Flecken keinen Weißwein. Äh… umgekehrt, natürlich.“ Die in Weiß gekleidete Frau konnte ein Schmunzeln nicht ganz unterdrücken, bei den überhasteten Beteuerungen des gut aussehenden Jungen. Außerdem entspannten sich ihre Züge deutlich, nachdem er sich ihr vorgestellt hatte. „Dann sind Sie also der junge Mann, von dem momentan landesweit gesprochen wird“, stellte die schlanke Frau fest. „Mein Name ist Victoria Vale, aber meine Freunde nennen mich schlicht Vicki.“ „Ich möchte Sie nochmal um Entschuldigung bitten, Vicki. Irgendwer hat mich angerempelt, und da ist das Malheur passiert. Ihnen selbst ist hoffentlich nichts passiert.“ Vicki Vale schenkte ihrem Gegenüber ein freundliches Lächeln. „Nein, ich bin okay, aber mein Wein hatte nicht so viel Glück.“ Der Blonde sah die Frau fragend an. „Dann lade ich Sie am besten zu einem Drink ein. Ich selbst werde es bei etwas nicht-alkoholischem belassen.“ Christian bot ihr seinen Arm an und Vicki Vale hakte sich vergnügt bei ihm unter. „Da sage ich nicht nein, denn es trifft mit Oliver Queen ja keinen Armen. Außerdem könnten Sie mir, sagen wir als eine Art Wiedergutmachung, ein Exklusivinterview für einen der nächsten Tage versprechen, Christian.“ Die Gesichtszüge des Jungen wurden um eine Spur angespannter. „Jetzt sagen Sie nur nicht, dass Sie zu diesen Hyänen gehören, die mich vorgestern, in Metropolis, in die Mangel genommen haben.“ „He, keine Panik“, beruhigte die junge Frau ihn und warf dabei ihr langes Haar zurück. „Noch studiere ich Journalismus und Publizistik. Abseits davon arbeite ich, als freie Mitarbeiterin, in der Lokalredaktion der GOTHAM GAZETTE.“ „Sehr tüchtig.“ Christian von Falkenhayn bestellte für sich und seine Begleiterin die Getränke, als sie die Bar erreicht hatten. Während sie darauf warteten, meinte er nachdenklich: „Wir könnten über ein Interview reden, Vicki, doch nur unter der Prämisse, dass Sie ausschließlich das veröffentlichen, was tatsächlich gesagt wird. In Bezug auf meinen Vater habe ich leider nur zu oft erfahren müssen, dass Dinge, die er in Interviews sagte, später vollkommen aus dem Kontext heraus wiedergegeben wurden. Andere Dinge wurden von, um es vorsichtig zu formulieren, sehr kreativen Leuten völlig verändert. Außerdem behalte ich mir vor, nicht auf allzu private Fragen zu antworten. Was sagen Sie dazu?“ Vicki Vale nahm ihr Glas Weißwein in Empfang, nippte an dem Getränk und sagte dann eindringlich: „Ich verstehe Ihre Vorsicht, Christian, doch ich versichere Ihnen, dass ich nicht zu den Schwarzen Schafen gehöre, die meinen Berufsstand ein ums andere Mal in Verruf bringen. Ich gebe offen zu, dass ein Interview mit Ihnen mich bei der GAZETTE ein gutes Stück nach vorne bringen würde.“ „Nennen Sie mich bitte Chris, das machen alle Leute, hier in Amerika.“ Der Blonde nahm einen Schluck von seinem Bitter-Lemon und nickte anerkennend. Dann erklärte er: „Also gut, dann sind wir uns, was die Art eines potenziellen Interviews betrifft, einig. Sind Sie bei der GOTHAM GAZETTE erreichbar?“ „Immer Samstags“, lächelte die Rothaarige, kramte kurz in ihrer Handtasche und reichte Christian schließlich eine Visitenkarte. „Na, das ist jetzt wirklich peinlich, denn ich habe gar keine Visitenkarte für Sie“, meinte Christian humorvoll. „Aber ich verspreche Ihnen, dass ich mich bei Ihnen melden werde. Ganz bestimmt, Vicki.“ „Ich verlasse mich darauf.“ * * * Vicki Vale und Christian von Falkenhayn verbrachten die meiste Zeit des Abends miteinander. Nachdem der Höhepunkt des Abends, das Einsammeln der Schecks, hinter ihnen lag, und wieder Tanzmusik gespielt wurde, wandte sich die Frau an ihren Begleiter. „Ich würde gerne tanzen, Chris. Sie können doch tanzen?“ „Meine Eltern bestanden darauf, dass ich es lerne, als ich Sechzehn war“, gab Christian Auskunft. „Sie meinten, das würde zu den nötigen Kenntnissen eines Adeligen gehören. Etwas verstaubte Ansichten, wenn Sie mich fragen.“ „Ihre Eltern hatten Recht.“ Damit nahm Vicki Vale den Jungen zwanglos an die Hand und zog ihn nachdrücklich mit sich auf die Tanzfläche. Christian legte seine Rechte auf ihren Rücken und nahm die rechte Hand der jungen Frau in seine Linke. Dabei raunte er ihr zu: „Walzer war nie mein Lieblingstanz. Außerdem habe ich, was das Tanzen betrifft, zwei linke Füße fürchte ich, also entschuldigen Sie bitte das, was Sie gleich erleben werden.“ „Sie schaffen das schon“, lachte Vicki Vale amüsiert und ließ sich von ihm führen. Nach den ersten paar Drehungen klappte es ganz gut und die grünen Augen der jungen Frau musterten das Gesicht ihres Tanzpartners forschend, während sie sagte: „Vorhin, als Sie den Scheck einwarfen, da hatte ich den Eindruck, dass Sie in diesem Moment etwas weniger trübsinnig waren, als den gesamten Abend über.“ Christian erwiderte den Blick der Frau, während er sich gleichzeitig auf das Tanzen konzentrierte. „Vielleicht. Wissen Sie, meine verstorbene Mom war Krankenschwester und sie hat sich, besonders auch nach ihrer Hochzeit mit meinem Vater, sehr für soziale Projekte engagiert. Ich denke, sie würde sich darüber freuen, wenn sie wüsste, dass ich das fortsetze.“ „Aber Sie machen das doch hoffentlich nicht nur für sie, Chris?“ Christian kam für einen Moment aus dem Takt. Nachdem er sich wieder gefangen hatte, antwortete er mit fester Stimme: „Nein, ich engagiere mich gerne dafür. Weil mir die Menschen, denen es nicht so gut geht, wie Ihnen oder mir, am Herzen liegen.“ Für einige Herzschläge senkte Vicki Vale den Blick. Als sie wieder zu dem Jungen auf sah, erwiderte sie mit entschuldigendem Unterton: „Entschuldigen Sie diese blöde Frage. Manchmal geht das Journalisten-Blut mit mir durch. Darf ich fragen, woran Ihre Mutter gestorben ist?“ „Ja, aber Sie versprechen mir, dass das nicht in die Zeitung kommt.“ Vicki Vale nickte zustimmend. „Ja, worüber wir heute Abend miteinander reden bleibt ganz unter uns, versprochen.“ Christian atmete erleichtert auf. Danach begann er damit, Vicki Vale zu erzählen, was vor einem guten Jahr passiert war. Dabei nutzte er gleichzeitig die Gelegenheit, seine Tanzpartnerin genauer zu betrachten. Erst jetzt fiel ihm ihre ebenmäßige, wenn auch etwas blasse Haut auf, das beinahe katzenhafte Grün ihrer Augen, der Schwung ihrer roten Lippen und der intensive Kupferschimmer ihres Haars, den auch ihre Augenbrauen aufwiesen. Sie hatte sich nur ganz dezent geschminkt, was ihre natürliche Schönheit noch unterstrich. Dabei fragte sich der Junge für einen Moment lang, warum ihm die ganze Zeit vorher nicht aufgefallen war, was für eine Schönheit sich da, nun den gesamten Abend über bereits, in seiner Begleitung befand. Vicki Vale spürte, während Christian ihr von den Umständen des Todes seiner Mutter erzählte, eine starke Traurigkeit in dem Jungen. Deshalb fragte sie ablenkend: „Sie erzählten mir vorhin von einem Mädchen, mit dem Sie zusammen sind. Wie ist sie denn so?“ Christians bedrücktes Gesicht, bei ihrer Frage, irritierte die Frau für einen Augenblick, bis er schließlich antwortete: „Momentan erinnert sie sich nicht mehr an mich. Sie leidet seit einigen Tagen an einer Amnesie. Fast ein Jahr lang bin ich mit ihr zusammen, und plötzlich ist auf ihrer Seite nichts mehr davon da. Ihre Nähe und ihre Liebe fehlen mir.“ Vicki Vale presste die Lippen zusammen und sagte schließlich frustriert darüber, dass sie an diesem Abend ein heißes Eisen nach dem anderen angefasst hatte: „Wissen Sie was, Chris? Ich höre jetzt einfach auf Fragen zu stellen. Dann tappe ich hoffentlich, heute Abend, in kein weiteres Fettnäpfchen mehr.“ Christian lächelte gezwungen. „Sie konnten das doch nicht wissen, Vicki. Es summiert sich in der letzten Zeit bei mir, aber das wird schon wieder anders werden. Lassen Sie uns einfach tanzen, dann muss ich nicht darüber nachgrübeln.“ Vicki Vale nickte grimmig, noch immer etwas wütend auf sich selbst. „Weil Sie Ihre ganze Konzentration zum Tanzen benötigen, stimmt´s?“ Christian lachte unterdrückt. „Ja, das trifft den Kern der Sache. „Na, dann geben Sie sich jetzt mal Mühe.“ Kapitel 3: Der Falkenhorst -------------------------- 3. DER FALKENHORST Drei Tage nach der Beerdigung von Annette Falken war Christian von Falkenhayn froh darüber, dass diese aufregende Woche fast zur Neige gegangen war. Heute war Freitag, und er hatte für den Vormittag ein Treffen mit Fynn Everett Specter ausgemacht. Specter hatte ihm telefonisch mitgeteilt, dass es für die gesamte Belegschaft, die im Falken-Tower arbeitete, ein positives Signal aussenden würde, wenn sich der neue Besitzer dort blicken ließe. Insgeheim, so wusste Christian, wurde dieser Hauptfirmensitz von Falken-Industries, von den dort beschäftigten Mitarbeitern, für Gewöhnlich nur Falkenhorst genannt. Leger gekleidet, beschloss Christian darauf zu verzichten, sich mit der Limousine seiner Tante dorthin bringen zu lassen. Stattdessen beschloss er, mit seinem Pickup ins Zentrum von Metropolis zu fahren. In den letzten Tagen waren viel zu viele Leute um ihn herumgeschwirrt. Er brauchte einfach mal ein wenig Zeit für sich. Als erfreulich empfand er, dass sich Diane Bennings dazu entschlossen hatte, sein Angebot anzunehmen. Sie hatte ihm gestern ein besonderes Präsent überreicht – einen altmodischen Terminkalender, wie ihn seine Tante benutzt hatte, um darin ihre Termine einzutragen. Zuerst hatte er das Ganze etwas belächelt, doch inzwischen fand er, dass es eine gute Idee gewesen war. Er hatte auch bereits seinen ersten Eintrag darin getätigt: Die Erinnerung an sich selbst, morgen Vicki Vale anzurufen. Die angehende Journalistin hatte Wort gehalten. Alles was sie während der Gala miteinander besprochen hatten, hatte sie für sich behalten. Doch das überraschte ihn nicht sonderlich, denn sein Gefühl hatte ihm bereits während der Gala gesagt, dass Vicki Vale nichts Falsches oder Heimtückisches an sich hatte. Sie war ein sehr aufrichtiger und integrer Mensch, davon war Christian von Falkenhayn fest überzeugt. Ein leichtes Lächeln umflog seine Lippen während der Fahrt. Dabei hegte er keinerlei romantische Gefühle für Vicki Vale. Er sah viel mehr einen Menschen in ihr, mit dem er sich gerne anfreunden wollte. Sicher, sie war bildhübsch, doch seine Liebe galt, nach wie vor, Alicia Sterling, auch wenn sie momentan nicht erwidert wurde. Doch er wollte die Hoffnung darauf, dass ihre Erinnerung an ihn zurückkehrte, nicht so schnell aufgeben. Endlich bog er in die Main-Street von Metropolis Downtown ein, die unter Anderem am LuthorCorp-Plaza entlang führte, in unmittelbarer Nähe des Metropolis-River. Gesäumt wurde der weite Platz vom LuthorCorp-Firmensitz und dem Gebäude des Daily-Planet, der weltweit größten und einflussreichsten Tageszeitung. Unweit davon entfernt lag ein groß angelegter Park, an dessen Rand sich der Falken-Tower erhob. Mit seiner Fassade, in den Farben Hellbeige und Braun gehalten hob er sich markant gegen die umliegenden Gebäude ab. Mit insgesamt 37 Etagen war das moderne Bürogebäude annähernd so hoch wie der Firmensitz von LuthorCorp. Wenig später fuhr er in die Zufahrt zur Tiefgarage ein. Ein Angestellter der Firmen-Security prüfte seinen Ausweis, bevor er seinem Kollegen im Kontrollgebäude ein Zeichen gab, die elektronische Sperrschranke zu heben, und ihn passieren zu lassen. Christian bedankte sich freundlich und fuhr zum Parkbereich für Gäste. Dort stellte er, nach dem Einparken, den Motor ab, verließ den Pickup und schritt gemütlich, da er um eine gute Viertelstunde vor der verabredeten Zeit hier war, zu einem der vier Aufzugschächte, im Zentrum der Tiefgarage. Erfreulich schnell öffneten sich die Aufzugtüren vor ihm, nachdem er seine Hand auf den Anforderungskontakt gelegt hatte. Niemand war in der Kabine, was Christian ganz recht war. Schnell stieg er ein, drückte den Knopf für das obere Stockwerk und lauschte beim nach oben fahren der fürchterlichen Aufzugmusik. Sie sollte normalerweise eine beruhigende Wirkung haben, doch Christian überkam dabei das wilde Verlangen, die Lautsprecher aus den Wänden zu reißen, um anschließend auf ihnen herum zu trampeln. Erleichtert stellte er schließlich fest, dass er die 36. Etage erreicht hatte. Er verließ rasch den Lift, blickte nach links, auf das große Firmenlogo an der holzgetäfelten Wand, und orientierte sich dann zur anderen Seite, wo er den Anmeldebereich erkannte. Die Daumen lässig in die vorderen Gürtelschlaufen seiner Jeans einhakend schritt er entspannt auf diesen Bereich zu, wobei die Wände zurücktraten und schließlich die Sicht auf einige abgeteilte, gläserne Bürobereiche, zu beiden Seiten des Jungen, freigaben. Eine Frau im dunkelblauen Kostüm und weißer Bluse schritt eilig von Rechts auf ihn zu, und als der Junge erkannte, dass offensichtlich er ihr Ziel war, da zog er die Daumen aus den Gürtelschlaufen und wandte sich an sie. „Guten Morgen, ich möchte zu Mister...“ „Sie scheinen sich verlaufen zu haben, Junger Mann!“, unterbrach die Frau ihn scharf und fuhr sich mit der Linken durch das schulterlange, nussbraune Haar. Über den Rand ihrer Designerbrille hinweg musterten ihre ebenfalls braunen Augen ihn dabei missbilligend. Christian wollte das Missverständnis aufklären und setzte erneut an. „Nein, ich möchte zu Mister Specter, Miss.“ „Misses Van Cleef.“ Christian konnte sich ein Schmunzeln nicht ganz verbeißen. „Wie der Schauspieler?“ „Sehr witzig. Aber jetzt machen Sie, dass Sie ganz schnell hier verschwinden. Wenn Sie einen Job suchen, die Postabteilung befindet sich in der fünften Etage.“ Damit packte sie kurzerhand, mit erstaunlich festem Griff seinen linken Oberarm und zog ihn bestimmt mit sich. Als Christian seinen Kopf wandte, erkannte er Fynn Everett Specter, der sich ihnen nun schnell von der anderen Seite näherte. Christian zwinkerte ihm jedoch schnell zu und legte dabei seinen Zeigefinger auf den Mund, bevor er sich von der resoluten Frau an seiner Seite, die ihn zu den Aufzügen dirigierte, mitziehen ließ. Bestimmt schob ihn die Mittdreißigerin in die sich als erstes öffnende Aufzugkabine und drückte dabei auf den Knopf der fünften Etage. Als Christian sich zu ihr umwandte, sah er durch die sich schließenden Aufzugtüren gerade noch, wie Specter sie erreichte, ihr etwas erklärte, und wie sich die Augen der Frau erschrocken weiteten. Dann fuhr er bereits nach unten. Amüsiert grinsend fuhr er tatsächlich bis zur fünften Etage, drückte dann erneut auf den Knopf der 36. Etage und fuhr umgehend wieder hinauf. Dabei erinnerte er sich an seine erste Begegnung mit Diane Bennings, die ihn seinerzeit ganz ähnlich abgefertigt hatte, als er das erste Mal seine Tante besucht hatte, nachdem er nach Smallville gekommen war. Etwas nachdenklich fragte er sich, ob das an ihm lag. Dabei sah er an sich hinunter und überlegte, ob ein etwas seriöseres Outfit nicht vielleicht doch die bessere Alternative gewesen wäre. Als er wieder oben ankam und die Türen des Aufzugs erneut auffuhren, stand Specter mit jener Frau, die sich ihm als Misses Van Cleef vorgestellt hatte, bereit, um ihn zu empfangen. Dabei bemerkte er die Blicke, die beide miteinander wechselten. In diesem Moment bedauerte er es, nicht mitbekommen zu haben, was sich zwischen ihnen abgespielt hatte, während er im Aufzug hinunter und erneut herauf gefahren war. Er ahnte zwar etwas, aber das war lange nicht dasselbe. Die Frau trat einen halben Schritt vor und wollte zu einer Entschuldigung ansetzen, doch Christian kam ihr zuvor. „Was mich betrifft, es ist gar nichts passiert, Misses Van Cleef. Sehen Sie es von der positiven Seite: Ihren Namen werde ich ganz bestimmt nicht so schnell wieder vergessen.“ Seine Worte schienen nicht viel zur Beruhigung der Frau beizutragen. Es war nur allzu deutlich, dass ihr der Vorfall sichtlich peinlich war. Zerknirscht erwiderte sie schließlich: „Danke, Mister Von Falkenhayn.“ Während der Junge ihre Worte mit einem aufmunterndem Lächeln quittierte, gab sich Fynn Everett Specter keine Mühe seine Heiterkeit zu verbergen. „Danke, Misses Van Cleef. Ich denke, dass es besser ist, wenn ich mich ab jetzt um Mister Von Falkenhayn kümmere.“ Damit reichte er Christian die Hand. „Willkommen im Falken-Tower.“ Sie sahen gemeinsam der sich schnell entfernenden Frau nach, bevor Specter wieder das Wort ergriff. „Leah van Cleef ist eine sehr kompetente Marketing-Managerin, so viel habe ich in den Wochen, in denen ich nun für Falken-Industries arbeite, bereits erfahren.“ „Als Rausschmeißerin macht sie aber auch eine gute Figur, Mister Specter.“ Der energische Mittvierziger nickte schmunzelnd. „Ich finde, wir sollten gnädig sein, und nicht weiter darauf herumreiten. Besonders nicht, wenn Leah van Cleef dabei ist.“ Christian nickte und fing dabei den taxierenden Blick des Mannes auf. Fynn Specter deutete auf eine der Glastüren am Ende des Ganges. „Wir haben noch einige Minuten, bis wir vor die Belegschaft treten werden, darum möchte ich Sie in mein Büro bitten, um einige Dinge mit Ihnen zu besprechen. Sie betraten Specters Büro und als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, fragte der Manager zunächst höflich: „Möchten Sie einen Kaffee, Mister Von Falkenhayn?“ Eingedenk der Mahnung seines Onkels, dass es sich nicht schickte, Specter einfach das Du anzubieten, oder ihn dazu aufzufordern ihn beim Vornamen zu nennen, erwiderte der Junge: „Nein danke, Mister Specter.“ Christian setzte sich in den angebotenen Sessel der gemütlichen Sitzecke, und beobachtete, wie Specter ihm schräg gegenüber Platz nahm. Kaum sitzend richtete der Mann das Wort an den neuen Besitzer der Firma. „Nun, Mister Von Falkenhayn, ich möchte Sie nur in aller Kürze informieren, wovor die Belegschaft einer Firma am meisten Angst hat, wenn der Besitzer wechselt. Nämlich vor allzu drastischen Neuerungen und Veränderungen. Ich meine, Veränderungen gehören zwar zum Geschäft, aber sie werden besser angenommen, wenn die Leute die Gelegenheit erhalten, sich vorher an den Gedanken zu gewöhnen. Zwei einschneidende Veränderungen gab es bereits, nämlich den Wechsel des Firmenbesitzes, und den Wechsel in der Geschäftsführung. Es liegt mir zwar fern, Ihnen in dieser Hinsicht Vorschriften zu machen, doch falls Sie an einen Namenswechsel gedacht haben sollten, so bitte ich Sie, dies zu überdenken.“ Etwas erstaunt blickte Christian den Mann vor sich an. „An einen solchen Namenswechsel hatte ich bisher überhaupt nicht gedacht, muss ich zugeben. Jetzt, wo Sie es ansprechen, finde ich, dass Sie vollkommen Recht haben, Mister Specter. Bei den Kunden von Falken-Industries wird der Name einen guten Klang haben. Deshalb sollten wir ihn, zumindest vorerst, beibehalten.“ Nun war es an Fynn Everett Specter etwas erstaunt zu wirken. Schließlich antwortete er, mit einem feinen Lächeln: „Ich gestehe, dass ich Sie mir im Vorfeld, aufgrund Ihrer Jugend, nicht so vernünftig vorgestellt habe, Sir. Ich freue mich darüber, in dieser Hinsicht von Ihnen positiv überrascht worden zu sein.“ Die Wangen des Jungen röteten sich leicht, bei diesem Lob des Mannes. „Danke, Mister Specter. Haben Sie vielleicht einen Rat, was ich den Leuten unbedingt sagen sollte?“ Ein unmerklicher Zug von Anerkennung überflog die Miene des Mannes. „Nun, die Belegschaft ist sicherlich neugierig, wer der neue Inhaber der Firma ist, woher er kommt, und wie sein familiärer Hintergrund aussieht. Ganz allgemein natürlich. Ich denke, es wird sie beruhigen, wenn Sie ihnen sagen, dass Ihr Vater Großunternehmer ist, und dass Sie demzufolge bereits ein paar interessante Einblicke in die Struktur eines Großunternehmens hatten. Wie groß, oder klein, diese Einblicke waren tut dabei nichts zur Sache.“ Bei seinen letzten Worten zwinkerte der Mann Christian zu und der Junge verstand, was Specter damit gemeint hatte. „Ich denke, ich verstehe, Mister Specter.“ Christian nickte dem Mann zu. Einen Blick auf die antiquiert aussehende Uhr, auf einem seiner Highboards, werfend, erhob sich der Manager und meinte: „Es wird Zeit. Ich verstehe, wenn Sie nervös sind. In diesem Fall sagen Sie sich einfach, dass die Leute, vor denen Sie reden werden, mindestens genauso nervös sind. Selbst wenn das nicht zutrifft – es beruhigt.“ Christian tat es dem Mann nach und atmete tief durch. „Ich bin tatsächlich etwas nervös, Mister Specter. In Ordnung, bringen wir es hinter uns. * * * Seine Vorstellung im Konferenzraum verlief besser, als es Christian von Falkenhayn befürchtet hatte. Was ihm dabei half, zu den Leitenden Angestellten des Falken-Towers zu reden war das, was ihm Specter gesagt hatte. Denn er entdeckte tatsächlich eine gewisse Anspannung in den Gesichtern der Leute, die sich fragten, wie es mit dem Unternehmen, und auch mit ihnen selbst, nun weitergehen mochte. Nach den ersten Sätzen wurde das Auftreten des Jungen zunehmend sicherer, und es fiel ihm nicht mehr so schwer, wie zu Beginn, offen zu den Angestellten zu sprechen. Auch Fynn Everett Specter bemerkte diese Entwicklung und er nickte dem neuen Besitzer von Falken-Industries aufmunternd zu, als er ihn kurz ansah. Als er schließlich endete, da spendeten die Angestellten ihm höflich Applaus. In ihren Gesichtern glaubte der Junge, eine gewisse Erleichterung erkennen zu können. Die Menge verlief sich schließlich, und Specter wandte sich an Christian, indem er nickte und sagte: „Das haben Sie ganz gut hin bekommen. Nicht sehr gut, doch dafür, dass Sie das nicht gewohnt sind, immerhin ganz ordentlich.“ Christian grinste schief: „Danke für ihre ehrlichen Worte, Mister Specter. So ist es mir lieber, als würden Sie mich über Gebühr loben, und dabei etwas vollkommen anderes denken und meinen. Meine Tante hat eine sehr gute Wahl damit getroffen, Sie einzustellen.“ „Warten Sie lieber mit einer Beurteilung meiner Person noch ab, bis Sie die Bilanzen, nach meinem ersten Jahr in diesem Unternehmen sehen“, wehrte der Mann humorig ab. „Sollte mein Unternehmen Verluste machen, dann werde ich Sie feuern, Mister Specter“, erwiderte Christian todernst, bis ihn der leicht erstaunte Blick des Mannes zu einem breiten, amüsierten Grinsen reizte. „Es tut immer gut, das Vertrauen der Leute auf seiner Seite zu haben“, konterte Specter in demselben Tonfall. Wieder ernsthaft sagte der Manager dann: „Wenn Sie möchten, dann zeige ich Ihnen nun das Penthouse. Wie Sie sicherlich beim Herauffahren bemerkt haben werden, fahren die vier Aufzüge nur bis auf diese Etage. Das Penthouse ist nur über eine Treppe, auf der anderen Gangseite meines Büros zu erreichen. Das hier ist die Security-Card für Sie.“ Damit reichte der Manager Christian eine Firmen-Key-Card mit seinem Namen darauf, und dem Hinweis, dass er der Eigentümer des Unternehmens war. Nachdenklich drehte der Junge die Karte, die sich in ihrer Größe kaum von einer normalen Scheckkarte unterschied, in seinen Händen, während sie den Gang hindurch schritten. Nachdem sie die hufeisenförmige Treppe hinauf geschritten waren, zeigte Specter Christian, wie er die Key-Card zu benutzen hatte. Dabei erklärte er: „Nur Sie und ich besitzen eine solche Karte. Alle anderen Angestellten erlangen nur dann Zutritt, wenn einer von uns dort oben ist, und einen entsprechenden Öffnungskontakt betätigt. Es ist nicht wegen irgendwelcher geheimen Dokumente, und es gibt dort auch keinen geheimen Geldtresor. Es ist deshalb so, damit man hier oben für eine Weile ungestört sein kann. Außerdem gibt es eine größere und zwei kleinere Gästesuiten, für alle Fälle.“ Sie schritten durch die verschiedenen Bereiche des Penthouse und der Junge erkannte, dass die Räume einen eher unspektakulären Eindruck machten. Lediglich die Aussicht von der umlaufenden Dachterrasse war schlicht atemberaubend. Als sie endlich wieder das Penthouse verließen und die Treppe hinunter schritten, wandte sich Christian an den Manager. „Ich persönlich halte gleich drei Gästesuiten für übertrieben. Aus einer würde ich gerne einen Fitnessraum machen. Doch das hat noch Zeit, da ich erst ab dem Sommer, wenn ich mein Studium an der Met-U beginne, öfter mal hier erscheinen, und nach dem Rechten sehen werde.“ „Ich sehe, Sie lernen schnell, Mister Von Falkenhayn. Wenn bereits in der nächsten Woche dort oben umgebaut würde, so wäre das ein nicht so gutes Signal gewesen. Fynn Specters Worte hielten den Jungen zurück, als sie das Ende der Treppe fast erreicht hatten. „Auf ein persönliches Wort, Sir?“ Christian blieb stehen. „Natürlich, Mister Specter.“ Der Mittvierziger sah dem Jungen in die Augen und sagte dann, etwas leiser: „Als ich davon hörte, wer der neue Inhaber dieser Firma ist, da hatte ich meine Zweifel daran, ob es eine Gute Idee Ihrer Tante gewesen ist. Doch jetzt glaube ich, dass sich Annette Falken durchaus etwas dabei gedacht hat, das Unternehmen Ihnen zu geben. Jetzt, nachdem ich Sie persönlich kennengelernt habe, denke ich, dass ihre Entscheidung einen Sinn ergibt.“ „Sie machen mich verlegen, Mister Specter“, erwiderte der Junge raunend. „Ich danke Ihnen für ihren Support und die kleine Führung durch das Penthouse. Jetzt wird es aber Zeit, dass ich mich wieder auf den Weg mache.“ Ein aufmunternder Blick und ein Lächeln des Mannes war die Antwort. Am Gang zu den Aufzügen trennten sie sich. Specter sinnend nachsehend war er im Begriff sich zu den Aufzügen zu begeben, als er unerwartet angesprochen wurde. „Mister Von Falkenhayn, haben Sie einen kurzen Moment?“ Christian blickte zur Seite und erkannte, dass es Leah van Cleef war, die unverhofft neben ihm aufgetaucht war. Er wandte sich ihr zu und antwortete: „Natürlich, Misses Van Cleef. Worum geht es?“ „Kurz gesagt, um mein Verhalten vorhin. Sie sagten zwar, dass alles in Ordnung sei, doch ich möchte mich dennoch entschuldigen. Sonst lässt mir das tagelang keine Ruhe. Normalerweise bin ich gar nicht so...“ Die Frau machte eine kurze Pause und Christian nutzte die Gelegenheit schnell einzuwerfen: „Bitte sagen Sie es nicht. Sie haben sich mich ganz anders vorgestellt, habe ich da in etwa richtig getippt?“ Die Frau musterte ihn mit gelinder Verwunderung und Christian erklärte seufzend: „Das höre ich, in der letzten Zeit, andauernd, Misses Van Cleef. Zu Ihrer Beruhigung: Ich nehme die Entschuldigung gerne an und ich bin nicht nachtragend. Ich fand es sogar ganz witzig, als sie mich vorhin so resolut abserviert haben, und ich muss Ihnen sagen, Sie haben einen tollen Griff. Welchen Sport betreiben Sie?“ „Oh, nur etwas Ausdauer- und Krafttraining. Und Karate.“ Bei den letzten Worten grinste der Junge breit, wobei er an seine Worte zu Fynn Everett Specter, in Bezug auf die Rausschmeißerin denken musste. „Ich ahnte es doch. Auf wiedersehen, Misses Van Cleef.“ Damit wandte er sich ab und schritt eilig zu den Aufzügen, wobei er nicht mitbekam, dass Leah van Cleef ihm mit etwas ratlosem Gesichtsausdruck nachblickte. Kapitel 4: Tief getroffen ------------------------- 4. TIEF GETROFFEN Zehn Tage später hatte der Alltag in Smallville Christian von Falkenhayn wieder fest im Griff. Natürlich war die Tatsache, dass er noch vor dem Beginn seines Studiums zu einer der reichsten Personen des Landes geworden war, für ein paar Tage lang das Gesprächsthema an der Smallville-High gewesen. Sein Gespräch mit Vicki Vale war angenehmer verlaufen, als er es zuvor gedacht hatte. Sie war mit ihren Fragen nie zu sehr in ihn gedrungen, und ihre vertrauenerweckende Art hatte ihn seinerseits dazu veranlasst, sehr vertraulich mit ihr zu reden. Am Ende des Gesprächs mit ihm war die junge Frau sogar mit ihm nochmal genau durchgegangen, was sie zu veröffentlichen gedachte, und was nicht. Und zu seiner Freude hatte sich Vicki Vale genau an diese Absprache gehalten. Dafür hatte er der jungen Frau telefonisch gedankt, und ihr zugesagt, dass er für sie jederzeit ein weiteres Mal zur Verfügung stehen würde. Weitaus weniger schön war, dass sich Alicia immer noch nicht an ihn erinnern konnte. Schlimmer noch war, dass er zu beobachtet haben glaubte, dass sich zwischen ihr und einem Mitschüler eine Romanze anzubahnen schien. Vielleicht irrte er sich ja, aber er gewann den Eindruck, dass sie sich in den letzten Tagen häufiger mit einem afroamerikanischen Jungen, namens Deion Grafton, traf. Heute Abend traf er sich ohnehin zum Lernen mit Samantha, Chloe und Lana im TALON. Vielleicht wusste Sam ja etwas Genaueres. Und falls nicht, so konnte er möglicherweise Chloe darauf ansetzen. Sie besaß die Fähigkeit, noch so verborgene Dinge an die Oberfläche fördern zu können. Am liebsten wäre er natürlich direkt zu Alicia gefahren, um sie persönlich zur Rede zu stellen. Doch er hatte ihr etwas versprochen, und das wollte er auch halten. Die vier Jugendlichen hatten den Montagabend für ihre wöchentlichen Lernabende gewählt, da an diesem Tag, für Gewöhnlich, am Wenigsten im TALON los war. Da Pete Ross nicht mehr in Smallville wohnte, und Clark Kent sich seit Monaten nicht mehr an diesen gemeinsamen Lernabenden beteiligte, war er mittlerweile der einzige Junge in der Gruppe. Nicht dass ihn das gestört hätte, doch die Unterhaltungen verliefen seitdem viel zu viel in Richtung Frauenthemen, wie er insgeheim befand. Als Christian nach dem heutigen Training aus dem Umkleideraum kam, war er guter Dinge, was besonders an dem Gedanken daran lag, dass Samantha Collins ihm möglicherweise wirklich weiterhelfen konnte. Immerhin war sie die beste Freundin von Alicia. Er hatte ihr zwar dazu geraten, sich nicht in die Angelegenheit einzumischen, doch im Moment brauchte er einfach etwas Unterstützung. Einen Hoffnungsschimmer, damit er nicht der Verzweiflung nachgab und sich möglicherweise damit abfand, Alicia verloren zu haben. Er schulterte seine Sporttasche und bog in den Hauptgang ein, der zum Ausgang der Schule führte. Was er dabei, keine zehn Meter vor sich, sah, ließ in wie angewurzelt stehen bleiben. Denn was er sah, war Alicia, die sich darin gefiel, eng umschlungen mit Deion Grafton am Rand des Ganges zu stehen und ihn zu umarmen, wobei sie sich sanft gegen ihn drängte, um ihn zu küssen. Ein unerwarteter Faustschlag in die Magengrube hätte kaum eine andere Wirkung auf ihn haben können, als diese Szene, die sich unaufhaltsam in sein Gedächtnis brannte. Eine ganze Sturmflut verschiedener Emotionen brach über Christian herein, und für einen langen Moment fühlte er sich wie paralysiert. Nach einer Weile stieg hingegen das unbändige Verlangen in ihm auf, beide gewaltsam auseinander zu reißen, und den Jungen, der das Mädchen in seinen Armen hielt, das er selbst abgöttisch liebte, zu verprügeln. Doch dieses Verlangen währte nur wenige Augenblicke, bevor es einer tiefen Resignation Platz machten, die ihn zu überwältigen drohte. Wie in Trance nahm er den Schritt wieder auf und marschierte forsch an dem Paar, das ihn nicht einmal bemerkte, vorbei, wobei er am Ausgang der Schule angekommen fast schon rannte. Er wollte nur weg von diesem Ort. Der blonde Junge stürmte auf seinen Wagen zu. Er wollte schreien, doch ein unsichtbares Seil schien seine Kehle zuzuschnüren. Wütend trat er gegen den rechten Vorderreifen seines Pickups und verzog schmerzhaft das Gesicht. Schließlich warf er seine Sporttasche auf die Rückbank des Wagens und umrundete das Fahrzeug. Doch er zögerte einzusteigen. Erst nachdem er sich wieder spürbar beruhigt hatte stieg er in den Wagen und machte sich auf den Weg ins TALON. Dabei versuchte er, den Schock, wegen dem was er eben gesehen hatte, etwas zu verarbeiten. Als er das TALON erreichte, parkte er den Pickup auf der anderen Straßenseite, überquerte die Straße und betrat, etwas verspätet, das Café. Wie erwartet war hier kaum etwas los und abwesend winkte er hinauf zur Galerie, als Samantha, die wie Chloe und Lana bereits anwesend war, in seine Richtung blickte. Ohne seinen üblichen Kaffee bei Martha Kent zu ordern, die momentan das TALON leitete, grüßte er sie kurz und stieg die Treppe hinauf. Wenn eines der Mädchen seinen Zustand bemerkt hatte, so zeigte sie es nicht, wofür Christian im Moment dankbar war. Denn er hatte das Gefühl, dass er bei der kleinsten Frage zu seiner Gemütslage losheulen würde. Danach war ihm zumindest zumute. Mit erzwungener Fröhlichkeit grüßte er in die Runde und setzte sich auf den noch freien Stuhl, neben Samantha Collins. Die beste Freundin von Alicia sah ihn fragend an, bevor sie sich leise erkundigte: „Heute ohne Bücher und Hefte?“ Christian blickte das blonde Mädchen vollkommen entgeistert an und schien erst nach einem langen Moment zu erfassen, was sie gefragt hatte. „Wie? Ach so. Ich bin heute wohl etwas aus der Spur. Moment, ich bin gleich wieder da.“ Damit erhob sich Christian und eilte die Treppe hinunter. Sich innerlich zur Ordnung mahnend, holte er schnell die Schulsachen aus dem Seitenfach seiner Sporttasche und begab sich dann wieder ins TALON. Zu seiner Überraschung kamen ihm am Eingang Chloe und Lana entgegen. Auf seinen fragenden Blick hin erklärte Lana rasch: „Chloe und ich haben noch etwas vor, Chris. Wir sehen uns in der Schule.“ Etwas erstaunt über den plötzlichen Abgang schritt Christian erneut die Treppe zur Galerie hinauf und setzte sich diesmal Samantha gegenüber. Mit etwas fahrigen Bewegungen legte er seine Sachen auf den Tisch und fragte: „Was für eine Aktion von Lana und Chloe war denn das eben?“ Samantha Collins bedachte ihn mit einem mitfühlenden Blick, bevor sie zugab: „Ich habe die beiden darum gebeten zu gehen. Vor zwei Stunden habe ich mit Alicia gesprochen und sie erklärte mir den Grund dafür, der dich vermutlich gerade so aus der Bahn wirft. An deinem Auftritt vorhin war nicht schwer zu erahnen, dass du bereits weißt was Sache ist. Ich dachte mir, dass du lieber mit jemandem darüber reden möchtest, statt zu lernen. Und das vielleicht nicht unbedingt, solange Lana und Chloe dabei sind.“ Christian nickte mit bitterer Miene. „Ja, das wäre nicht schlecht. Ich habe vorhin Alicia und diesen Deion zusammen gesehen. Wie sie sich umarmten und küssten. Es tut weh, und ich bin unheimlich wütend, dass Alicia es nicht einmal für nötig hielt, es mir zu erzählen. Auch, wenn sie sich nicht an unser Zusammensein erinnern kann.“ Mitfühlend legte Samantha ihre Rechte auf seinen Unterarm und in ihren Augen lag ein gefährliches Glitzern. „Da bist du nicht der Einzige, Chris. Als mir Alicia vorhin von ihrer Entscheidung erzählte, fest mit Deion gehen zu wollen, da habe ich ihr ordentlich den Marsch geblasen, das darfst du wissen. Am liebsten hätte ich ihr so lange eine gescheuert, bis sie sich wieder erinnert und vernünftig wird.“ Bei den emotional vorgetragenen Worten des Mädchens lächelte Christian schwach. Dann meinte er besorgt. „Du solltest dich nicht so sehr aufregen, in deinem Zustand. Es würde ja doch nichts ändern.“ Etwas ungläubig fragte Samantha: „Du willst Alicia doch nicht aufgeben, Chris?“ „Sie hat mich aufgegeben, Sam!“, stieß der Junge verzweifelt hervor und wich ihrem Blick aus, damit sie nicht sah, dass er mit den Tränen kämpfte. Als er sie wieder aufsah schimmerten seine Augen feucht. „Was bringt es denn, wenn ich an einer Beziehung festhalte, an die sie sich nicht erinnern kann und die sie nicht weiterführen will. Ich kann ihr das nicht einmal...“ Christian brach ab und schluckte. Im Moment hatte er nicht die Kraft weiter zu reden, ohne dabei in Tränen auszubrechen. Samantha, die Christian nicht beschämen wollte, erhob sich von ihrem Stuhl, drückte ihn sanft an der Schulter und sagte dabei leise: „Ich muss mal für kleine Mädchen.“ Christian nickte nur schwach und war Samantha unendlich dankbar dafür, sich für eine Weile zurückzuziehen, damit er seinem Schmerz nachgeben konnte. Als der Junge schließlich Schritte hörte, die sich näherten hatte er sich wieder weitgehend im Griff. Sich kurz über die Augen fahrend sah er auf, doch es war nicht, wie angenommen, Samantha, die sich dem Tisch genähert hatte, sondern Martha Kent. In ihrer Hand hielt sie einen großen Becher Kaffee. „Ich denke, den kannst du jetzt ganz gut gebrauchen, Chris“, meinte die Frau mit weicher Stimme. Ohne eine Aufforderung abzuwarten setzte sie sich zu ihm und sagte etwas leiser. „Ich habe am Rande mitbekommen, was sich ereignet hat. Durch ein Gespräch mit Cassidy Sterling. Zuerst die Geschichte mit Alicia, und dann der Tod deiner Tante. Das war ziemlich viel auf einmal. Weißt du, als Clark sich im letzten Sommer nicht mehr an mich erinnern konnte, während Jonathan gleichzeitig im Krankenhaus mit dem Tod gerungen hat, da war ich völlig am Boden zerstört. Ich fühlte mich allein und verlassen. Doch ich habe nie die Hoffnung darauf aufgegeben, dass sich am Ende alles zum Guten wenden würde. Auch nachdem es zuerst überhaupt nicht so ausgesehen hat.“ Christian sah dankbar zu ihr auf und fragte mit brüchiger Stimme. „Woher haben Sie die Kraft dazu genommen, Misses Kent?“ Die rothaarige Frau erhob sich, während Samantha sich dem Tisch näherte, und legte beruhigend lächelnd ihre Hand auf seine Schulter. „Das Leben bürdet uns nie mehr auf, als wir schaffen können, Chris.“ Damit entfernte sich Clark Kents Mutter und Samantha setzte sich wieder zu ihm. Sinnend sah Christian von Misses Kent zu dem blonden Mädchen, neben sich, und meinte nachdenklich: „Ihr zwei habt ein tolles Timing.“ Während der Junge einen langen Schluck von seinem Kaffee nahm, gab Samantha zurück: „Das nennt man weiblichen Instinkt.“ Christian nickte nur, etwas abwesend, und das Mädchen wechselte das Thema indem sie sich bei ihm erkundigte: „Wie war es für dich, zu erfahren, dass du plötzlich zu den reichsten Leuten der Erde gehörst. Dein Interview im Fernsehen hat, in den letzten Tagen, an der Schule für reichlich Gesprächsstoff gesorgt. Es passiert hier immerhin nicht alle Tage, dass man zusammen mit dem Besitzer eines Groß-Unternehmens die Schulbank drückt. Wirst du jetzt nach Metropolis ziehen?“ Christian schüttelte schwach den Kopf. „Nein, zumindest bis zum Sommer werde ich in Smallville bleiben. Während des Studiums in Metropolis werde ich jedoch sicherlich mehr Zeit in der Villa meiner Tante verbringen. Oder besser gesagt, in ihrer ehemaligen Villa, denn das Anwesen gehört ja nun offiziell mir. Das Ganze fühlt sich schon ziemlich verrückt an, das kannst du mir glauben.“ „Du wirst dich sicher irgendwann daran gewöhnt haben“, munterte Samantha ihn auf. Der amerikanische Traum in Lichtgeschwindigkeit so zu sagen.“ Wieder nickte Christian und nahm erneut einen Schluck Kaffee, bevor er begann, von der Gala in Metropolis zu erzählen. Erleichtert darüber, dass Christian im Moment vom Thema Alicia abgelenkt zu sein schien, hörte sie ihm aufmerksam zu. Nachdem er geendet hatte, meinte sie: „Diese Vicki Vale scheint einen bleibenden Eindruck auf dich gemacht zu haben?“ „Möglich“, gab Christian zu. „Aber ich denke, selbst wenn ich wollte könnte ich nicht bei ihr landen. Nein, ich denke, dass Vicki und ich vielleicht gute Freunde sein könnten, wenn wir uns besser kennenlernen würden. Aber mehr auch nicht.“ Der Junge blickte in die Ferne und Samantha ahnte, dass seine Gedanken wieder zu Alicia zurückkehrten. Deshalb bat sie ihn schnell, wobei sie ihn inständig ansah: „Bitte gib Alicia noch nicht auf, Chris. Halte einfach noch eine Weile durch, so lange es geht.“ Eine Welle freundschaftlicher Gefühle drohte Christian erneut zu übermannen. Gerührt legte er spontan seine Hand auf ihre und antwortete er schließlich: „Danke, Samantha. Du schaffst es momentan irgendwie, sowohl Alicia, als auch mir eine gute Freundin zu sein, und dafür danke ich dir.“ „Hey, du warst auch für mich da, als es nötig war, schon vergessen?“, wehrte das Mädchen etwas verlegen ab. Sie schwiegen für eine Weile, bis Samantha sacht ihre Hand zurückzog und zur Uhr sah und dann hinüber zur Theke sah. „Herrje, ich wollte heute gar nicht so spät nach Hause gehen. Ma Kent räumt schon den Laden auf.“ „Ich fahre dich heim“, bot sich Christian an und Samantha stimmte dankbar zu. Er half Samantha in die Jacke, bevor er seine eigene anzog und seine Sachen vom Tisch nahm. Als sie nach unten gingen sah Martha Kent zu ihnen und sagte: „Vorne ist bereits abgeschlossen, ihr Zwei. Ich lasse euch hinten raus.“ Die beiden Teenager folgten Martha Kent zum Hinterausgang des TALON. Als sie die Treppe hinunter schritten und in der Seitengasse standen, verabschiedete sich Martha Kent freundlich von ihnen. „Kommt gut nach Hause.“ Christian nickte. „Danke Misses Kent. Auch für den Kaffee und...“ „Ist schon okay.“ Christian atmete die klare, kalte Winterluft ein und sah zu Samantha. „Mein Wagen steht vor dem TALON.“ Nebeneinander schritten sie durch die halbdunkle Gasse in Richtung der Hauptstraße, als eine dunkel gekleidete Gestalt aus dem Schatten des Gebäudes trat und sich ihnen in den Weg stellte. In seiner Rechten hielt er etwas, das Christian erst beim zweiten Hinsehen als Waffe erkannte. Abrupt blieb er stehen, nahm seine Sachen in die Linke Hand und zog Samantha mit der Rechten, am Handgelenk, halb hinter sich. „Geld her, oder es knallt!“, zischte der finstere Mann, dessen Gesicht unter der Kapuze seines Pullis, den er unter seiner schweren Lederjacke trug, verborgen blieb. Darauf bedacht, keine hastige Bewegung zu machen, nahm Christian seine Hände zur Seite und sagte bedächtig: „Sie bekommen das, was wir an Geld bei uns haben. Kein Grund nervös zu werden.“ „Du hältst die Schnauze!“, fuhr ihn der finster gekleidete Mann an. „Das Mädchen macht ganz schnell einen Schritt zur Seite, damit ich die Hände sehen kann! Sonst knalle ich euch beiden kleinen Scheißer ab, wie räudige Kojoten, klar? Na los schon!“ „Hab keine Angst“, raunte Christian Samantha zu. Er merkte, dass sie hinter ihm hervor trat, während er aufmerksam den Gangster beobachtete. Dabei überlegte er, welche Chancen er hatte, den Typ telekinetisch zu entwaffnen. Doch einerseits hatte Christian Bedenken, das die Waffe dabei unbeabsichtigt losgehen könnte, und andererseits würde er eine solche Aktion später Samantha wohl erklären müssen. In diesem Moment erahnte er das Dilemma, in dem sich Clark Kent wohl schon häufiger befunden hatte, als er. Samantha, nur auf den Bewaffneten achtend, machte einen unbedachten Schritt und geriet ins Stolpern. Dabei trat sie versehentlich gegen eine auf dem Boden liegende Getränkedose, die scheppernd davon rollte. Der übernervöse Gangster, der immer wieder die Waffe abwechselnd auf Christian und Samantha richtete, erschrak und krümmte seinen Zeigefinger am Abzug. Unnatürlich laut peitschte der Schuss in der finsteren Gasse und schockiert erstarrte Christian für einen Augenblick. Dabei hektisch seinen Körper betastend stellte er fest, dass der Gangster ihn verfehlt hatte. Nun keinen Gedanken mehr daran verschwendend, ob Samantha möglicherweise etwas merken würde, griff Christian telekinetisch zu. Der Gangster schnellte auf eine der Hauswände zu und prallte hart dagegen. Bewusstlos blieb er liegen. Eilig drehte er sich zu Samantha um, die reglos dastand und ihn ungläubig anstarrte. Ihre Hände hatte sie gegen ihren Magen gepresst. Erst jetzt bemerkte der Junge dass etwas an ihren Fingern herab rann, und Entsetzen erfasste ihn, als ihm klar wurde, was es war. Bereits einen Augenblick später verdrehte Samantha die Augen und knickte in den Beinen ein. Christian ließ achtlos seine Schulsachen fallen, fing sie gerade noch rechtzeitig auf und ließ sie sacht zu Boden sinken, wobei er ihren Kopf auf sein Knie bettete. Mit zittrigen Fingern, und immer noch unter Schock stehend, angelte er in seiner Hosentasche nach seinem Handy. Kurz überlegend drückte er die Kurzwahltaste der Nummer von Clark Kent. Er hatte Glück. Schon nach wenigen Augenblicken hörte er die beruhigende Stimme des Freundes, und hastig stieß er hervor: „Clark, ich brauche dich am Hintereingang des TALON! Samantha wurde angeschossen!“ Das erwiderte Ich komme hörte Christian kaum. Beinahe mechanisch steckte er das Handy wieder ein und kümmerte sich um Samantha. Im nächsten Augenblick bereits spürte er einen schwachen Luftstoß und Clark Kent stand neben ihm. Verzweifelt zu dem Schwarzhaarigen aufblickend sagte Christian hastig: „Du musst sie ins Krankenhaus bringen, Clark. Wie du weißt, ist sie schwanger und der Gangster hat ihr in den Bauch geschossen, so wie es aussieht.“ „Ich erledige das“, erwiderte Clark in beruhigendem Tonfall. Dabei kniete er sich gleichzeitig ab, nahm Samantha auf seine Arme, so als wäre sie vollkommen gewichtslos und war bereits im nächsten Moment mit ihr verschwunden. „Viel Glück!“, sandte der Blonde ein kurzes Stoßgebet hinterher, sammelte mit mechanischen Bewegungen seine Schulsachen vom Boden aus, und erhob sich langsam wieder. Erneut sein Handy hervor holend drückte er die Nummer für den Notruf und informierte die Polizei. Dabei starrte er in ohnmächtigem Zorn zu dem immer noch bewusstlosen Gangster, und Mordgedanken schossen für einen kurzen Moment lang durch seinen Kopf. Er musste an sich halten, um sie nicht in die Tat umzusetzen. Erst jetzt entdeckte er Martha Kent, im Eingang der Hintertür stehend. Erschrocken hatte sie die Hände vor den Mund geschlagen. Leise sagte sie: „Oh mein Gott, Chris. Ich hatte einen Schuss gehört. Es war richtig, dass du Clark angerufen hast, der Krankenwagen hätte zu lange gebraucht.“ „Die Polizei ist bereits informiert“, erwiderte Christian tonlos. Wie zur Bestätigung seiner Worte klangen die ersten leisen Töne einer Sirene auf, während Martha Kent zu ihm schritt und ihre Hand auf seine Schulter legte. Dabei sagte sie eindringlich zu ihm: „Es gibt Situationen, die wir nicht beeinflussen können. Egal, wie sehr wir uns das auch wünschen mögen, Chris. Selbst Clark kann das nicht. Darum mach dir jetzt keine Gedanken darüber, was du vielleicht hättest tun können, um diese Tat zu verhindern. Was passiert ist, das ist die Schuld dieses Verbrechers dort drüben, nicht deine.“ Der Junge nickte nur, wobei er Mühe hatte, die Worte der Frau überhaupt zu erfassen. Zu unfassbar war das, was sich eben hier abgespielt hatte. Mit quietschenden Reifen bogen zwei Streifenwagen der Polizei in die Gasse ein. Christian erkannte, dass es Sheriff Nancy Adams persönlich aus dem ersten Wagen stieg und ihre Begleiter aus dem zweiten Streifenwagen zu dem Bewusstlosen beorderte. Sie selbst setzte sich ihren Hut auf und schob ihn kurz zurecht, während sie sich ihm und Martha Kent näherte. Dabei blickte sie ihn fragend an. „Sie waren es, der die Polizei angerufen hat?“, erkundigte sie sich, halb fragend, halb feststellend, bei Christian von Falkenhayn, noch bevor sie ihn endgültig erreicht hatte. „Ja, Sheriff“, antwortete Christian noch immer erschüttert. Nancy Adams stemmte ihre Fäuste in die Hüften und kniff die Augen zusammen. „Sie sagten etwas von einem angeschossenen Mädchen, aber ich sehe hier keins.“ Martha Kent sprang für den Jungen in die Bresche. „Mein Sohn hat das Mädchen bereits zum Krankenhaus gebracht.“ Die Polizistin wandte sich der Frau zu, die ihr bereits bekannt war. Bekannter als so manch anderer Einwohner von Smallville. Etwas gereizt meinte sie dann: „Warum überrascht mich das nicht, Misses Kent?“ Martha Kent presste die Lippen zusammen und ignorierte die rhetorische Frage. Sich wieder Christian zuwendend, sagte sie, etwas weniger unfreundlich: „Ich fürchte, Sie werden mich begleiten müssen, Mister Falken – oder sollte ich besser sagen, Mister Von Falkenhayn? Man kommt da in der letzten Zeit etwas durcheinander, müssen Sie wissen. Sie haben den Tathergang miterlebt?“ „Ja, Ma´am.“ Die Polizistin atmete tief durch. „In Ordnung, Sie steigen zu mir in den Wagen, Mister Von Falkenhayn. Ich brauche Ihre Aussage.“ Mit einem letzten Blick zu Martha Kent und einem kurzen Guten Abend folgte Nancy Adams dem Jungen zum Streifenwagen. Sie war bereits jetzt gespannt darauf, von dem Jungen im Wagen zu erfahren, was sich beim TALON abgespielt hatte. Vor allen Dingen interessierte sie zu erfahren, wie der Junge einen Bewaffneten unschädlich gemacht hatte. Kapitel 5: Resignation ---------------------- 5. RESIGNATION Christian betrat das Büro des Sheriffs und sah sich interessiert um. Bis zu einem gewissen Grad sah es gemütlich aus, etwas, womit der Junge nicht unbedingt gerechnet hatte. Nancy Adams, die seine Blicke auffing erkundigte sich heiser bei ihm: „Hatten Sie ein finsteres, spartanisches Verhörzimmer erwartet?“ „Offen gesagt, ja.“ Christian von Falkenhayn wartete, bis die Polizistin ihre Jacke an einen altmodischen Kleiderständer gehängt und hinter ihren Schreibtisch gegangen war, bevor er, auf eine knappe Geste ihrerseits hin, Platz vor dem wuchtigen Möbelstück nahm. Zunächst ihren Schlagstock auf die Platte des Schreibtisches legend, setzte Nancy Adams ihren Hut ab, legte ihn daneben und setzte sich dem Jungen gegenüber auf die Kante ihres breiten Ledersessels. Vorgebeugt, die Arme auf die Tischplatte gelegt, faltete sie ihre Hände und sah den blonden Jungen eindringlich an. Nancy Adams wusste um die Wirkung dieses Blickes, und so sagte sie einen langen Moment lang gar nichts, bevor sie sich räusperte und fragte: „Sie müssen mir mal erklären, wie Sie es fertigbrachten, einen bewaffneten Mann zu überwältigen, Mister Von Falkenhayn. Oder sollte ich Sie vielleicht doch lieber Chris Falken nennen? In der letzten Zeit kommen ahnungslose Bürger dieser Stadt da etwas durcheinander.“ Christian spürte ein leises Magengrummeln bei dem Tonfall der Polizistin, und begann zögernd davon zu berichten, was sich vor dem TALON ereignet hatte. Wie er dabei den Gangster überwältigt hatte, stellte der Junge dabei wohlweislich etwas anders dar, als es sich tatsächlich zugetragen hatte. Nachdem er geendet hatte, sah ihn Nancy Adams forschend in die Augen. Dann lehnte sie sich abrupt im Sessel zurück, legte ihre Hände auf die Sessellehnen und meinte verdrießlich: „Sie und Clark Kent. Wenn ich es nicht besser wüsste, Mister Von Falkenhayn, dann könnte ich glatt vermuten, Sie beide seien Brüder. Denn egal was hier in Smallville schief geht: Einer von Ihnen scheint immer in der Nähe zu sein.“ Christian war überrascht von dieser Eröffnung. Doch er schwieg beharrlich. Die Polizistin wechselte abrupt das Thema. „Wissen Sie: Letztes Jahr, bei dem Überfall auf Alicia Sterling in der verlassenen Gießerei, da hatte ich nachher den Eindruck, dass mir Clark Kent nicht die ganze Geschichte erzählt hat. Vielleicht können ja Sie Licht in das Dunkel der damaligen Ereignisse bringen?“ Christians Erstaunen war nicht gespielt, als er entgegnete: „Wie kommen Sie darauf?“ Nancy Adams lächelte humorlos. „Nun, Mister, damals fanden meine Leute ein Messer am Tatort. Es befand sich Blut am Messer. Mister Kent und Miss Sterling wiesen keine Verletzungen auf, die von einem Messer herrührten, und die Blutgruppe passte zu keinem der drei Täter, die ich damals verhaftet hatte. Die Waffe konnte damals auch nicht seit längerer Zeit am Tatort gelegen habe, denn das Blut an der Klinge war noch feucht. Es war eine ziemliche Menge Blut. Muss sehr schmerzhaft gewesen sein.“ Unbewusst griff sich Christian mit der linken Hand an seine rechte Schulter. Als er es merkte ließ er die Hand schnell wieder sinken. Sheriff Adams´ Blicke sprachen Bände, als sie, etwas breiter lächelnd hinzufügte: „Die Blutgruppe des Blutes am Messer ist übrigens selten. Es handelte sich um Blut der Gruppe AB-Negativ. Ach - welche Blutgruppe besitzen Sie, Mister Von Falkenhayn?“ Der Junge schloss kurz die Augen und seine Hände verkrampften sich um die Lehnen des Stuhls, auf dem er saß. Sie wusste Bescheid, das war ihm klar, doch die Tatsache, dass sie nie deshalb bei ihm aufgetaucht war ließ tief blicken. Christian traf eine Entscheidung, als er seine Augen wieder öffnete: „Ich war dort, und ich war es, der Alicia gerettet hat. Doch zum damaligen Zeitpunkt konnte ich nicht riskieren durch eine solche Tat aufzufallen, Sheriff. Darum bat ich Clark Kent darum, dass er die Rettung auf seine Kappe nimmt.“ Nancy Adams nickte in Gedanken, so als habe sie mit einer ähnlichen Darstellung der Ereignisse gerechnet. Sie ging jedoch zunächst nicht weiter auf dieses Thema ein, sondern fragte den Jungen überraschend: „Wissen Sie, wie oft der Stellvertretende Oberstaatsanwalt von Metropolis schon in meinem Büro war?“ Der Junge sah die Polizistin fragend an und zuckte mit den Schultern. Nancy Adams grinste schief. „Genau einmal, Mister Von Falkenhayn. Sehen Sie, ich bin vielleicht eine Polizistin, die auf dem Land ihren Dienst versieht, aber ich lasse mich nicht für Dumm verkaufen. Also fing ich damals an zu recherchieren. So überprüfte ich, aufgrund des Messerfundes, auch alle umliegenden Krankenhäuser, und Sie können sich sicherlich meine Überraschung vorstellen, dass Ihr Name auftauchte, als ich im EDGE-CITY-MEMORIAL nachfragte. Da der hiesigen Polizei keine Daten über Sie vorlagen fragte ich einen Freund, beim FBI, ob er mir Informationen geben kann. Bereits einen Tag später war der Stellvertretende Oberstaatsanwalt in meinem Büro, und mein Junge, eins kann ich Ihnen sagen: Ich habe schon einige Male erlebt, dass gemauert wird, aber nicht so schnell und so nachhaltig mahnend. Ihre Familie verfügt über gute Verbindungen, so wie es scheint.“ Sich unwohl in seiner Haut fühlend wich Christian dem Blick der Frau aus. „Es tut mir leid, dass dieses Täuschungsmanöver nötig war, Misses Adams. Hätten die Dinge damals anders gelegen, dann...“ „Das glaube ich Ihnen“, würgte die Frau seine Beteuerung ab. „Sie stehen hier auch nicht unter Anklage, sonst wären sie längst wirklich in einem unserer spartanischen Verhörräume, so viel ist sicher.“ Fast erleichtert wirkend beugte sich Nancy Adams wieder vor und senkte ihre Stimme ab. „Sie haben damals das Richtige getan, und deshalb verfolge ich diese Angelegenheit auch nicht weiter. Aber eins lassen Sie sich sagen: Wenn ich Sie dabei erwischen sollte, dass Sie hier den Rambo herauslassen, dann wird unser nächstes Zusammentreffen kein Vergnügen.“ Christian nickte, aufrichtig zerknirscht. „Das werde ich nicht.“ „Dann sind wir hier fertig, Mister Von Falkenhayn. Übrigens: Mein herzliches Beileid, zu Ihrem kürzlichen Verlust. Ich habe es durch die Nachrichten erfahren.“ Die Frau dankbar ansehend lächelte der Junge schwach. „Wie kommen Sie nun zum Krankenhaus?“, erkundigte sich Nancy Adams unvermittelt. „Ich nehme an, sie wollen wissen, wie es Samantha Collins geht?“ „Ja. Ich denke, ich werde ein Taxi nehmen.“ Die Frau erhob sich aus ihrem Sessel. „Unsinn, ich werde Sie hin fahren. Ich möchte ohnehin mit dem behandelnden Arzt sprechen, und außerdem selbst erfahren, wie es dem Mädchen geht.“ „Danke, Sheriff.“ Die Polizistin zog sich ihre Jacke an, steckte den Schlagstock wieder in den Gürtel und setzte ihren Hut auf. „Na, dann kommen Sie mit, junger Mann.“ Sie verließen das Departement und der Junge war erleichtert, als sie zum Streifenwagen schritten. Zugleich kehrte jetzt, da etwas Ruhe einkehrte, die Sorge um das Leben von Samantha wieder zurück. Besorgt fragte er sich, was mit dem ungeborenen Kind war, und sein Magen begann sich scheinbar zu drehen. Es dauerte nicht lange, bis sie das SMALLVILLE-MEDICAL-CENTER erreicht hatten. Neben einander betraten sie das Krankenhaus, und Nancy Adams erkundigte sich nach dem Mädchen. Erst jetzt erahnte der Junge, warum die Polizistin wirklich mitgekommen war. Er selbst war kein Angehöriger der Familie, und man hätte ihm möglicherweise gar keine Auskünfte gegeben. Nur am Rande bekam Christian mit, dass Samantha noch immer operiert wurde, und eine eisige Hand schien nach seinem Herzen zu greifen. Ihm wurde schlecht, bei dem Gedanken daran, dass es Samantha vielleicht nicht schaffen würde. Was dann? Dem Jungen schwindelte bei diesem Gedanken. Zumal ihm Alicia, in diesem Fall, ganz bestimmt bittere Vorwürfe machen würde, weil er Samantha nicht hatte beschützen können. Diese Vorwürfe machte er sich ja selbst bereits. Doch viel wichtiger war: Samantha durfte einfach nicht sterben. Innerhalb des letzten Jahres war sie zu einer guten Freundin geworden. Eine gute Freundin, an deren Freundschaft ihm sehr viel lag. Er hatte nie Geschwister gehabt, und Samantha war für ihn so etwas, wie die Schwester, die er nie hatte. Im Wartebereich der zweiten Etage trafen Nancy Adams und Christian von Falkenhayn auf Clark Kent. Während die Polizistin dem Schwarzhaarigen lediglich zu nickte und ihn prüfend musterte, schritt Christian schnell zu dem Freund und fragte: „Weißt du schon etwas?“ Clark Kent schritt mit Christian, außer Hörweite des Sheriffs, zum Fenster und zupfte sich bedeutungsvoll am Ohrläppchen. „Ich bekam eben mit, dass Samantha offensichtlich außer Lebensgefahr ist. Mehr habe ich bisher nicht mithören können. Ich habe bereits telefonisch ihre Eltern informiert. Sie waren wohl in Granville.“ Christian schluckte und nickte nur unmerklich, damit Sheriff Nancy Adams nicht am Ende aufmerksam wurde. Laut sagte er: „Ich hoffe, dass die Ärzte alles in ihrer Macht stehende für Samantha und das Kind tun werden.“ Clark nickte mit traurigem Blick. „Ja, das hoffe ich auch. Im Moment können wir nur abwarten, und das beste hoffen, Chris.“ * * * Nur wenige Minuten nachdem Christian mit Nancy Adams im Krankenhaus eingetroffen war, erschienen die Eltern von Samantha im Krankenhaus. Beide begaben sich direkt zu Christian und Samanthas Vater fragte erregt: „Wie konnte das passieren? Wer hat das meiner Tochter angetan, Chris?“ Christian, der bereits ein paar mal, zusammen mit Alicia und Neil, bei den Eltern von Samantha gewesen war, schluckte und berichtete davon, was sich vor dem TALON zugetragen hatte. Gleichzeitig kam Nancy Adams hinzu und stellte sich zu Carol Collins, die sich mit einem Taschentuch die Nase schnäuzte. Dabei sagte die Polizistin rau: „Ihre Tochter wurde sehr schnell ins Krankenhaus eingeliefert. Das bedeutet, dass die Chancen für Ihre Tochter sehr gut stehen. Wäre sie allein unterwegs gewesen, dann hätte es schlechter ausgesehen.“ Christian blickte Nancy Adams dankbar an. Während es die Polizistin nun übernahm mit den Eltern von Samantha zu reden, fragte Christian Clark leise: „Hast du auch Alicia verständigt?“ „Nein, ich dachte das würdest du erledigen.“ Christian schloss kurz seine Augen. Das hatte ich in der Aufregung, und nach der Befragung durch Nancy Adams, ganz vergessen. Ach, und Clark: Der Sheriff weiß, dass ich es war, der Alicia damals gerettet hat, in der alten Gießerei. Nur, falls Sie dich darauf ansprechen sollte. Sie fand damals das Messer, mit dem mich einer der Gangster verletzte.“ Als Clark ihn erschrocken ansah, fügte Christian schnell hinzu: „Sie will das Ganze nicht weiter verfolgen, Clark. Ich denke, sie ist froh, dass die drei Kerle damals aufgehalten wurden, egal ob nun von dir oder von mir.“ Clark Kent nickte in Gedanken. „Sonst wäre sie vermutlich längst aktiv geworden.“ Christian atmete tief durch und begann nach seinem Handy zu kramen. „Das denke ich auch, Clark.“ Dem Deutschen schlug das Herz bis zum Hals, als er die Kurzwahltaste für Alicias Handy drückte. Unruhig wartete er ab und die Zeit schien sich bis in die Ewigkeit auszudehnen, bevor nach dem vierten Klingelton eine wohlvertraute Stimme fragte: „Was gibt es Chris?“ „Es geht um Samantha. Sie befindet sich momentan im SMALLVILLE-MEDICAL-CENTER und wird operiert.“ Am anderen Ende der Verbindung blieb es für einen langen Moment still, bevor Alicia fragte: „Was ist denn passiert? Wie geht es Samantha und dem Kind?“ „Komm bitte ins Krankenhaus, dann erkläre ich dir, was passiert ist. Das möchte ich nicht so unpersönlich, über das Handy, erledigen.“ Es dauerte erneut einen Moment, bis Alicia sagte: „Ich bin unterwegs.“ * * * Christian hatte sich etwas von den übrigen Anwesenden abgesondert, als sich die Türen des Aufzugs öffneten und Alicia die Kabine verließ. Mit raschen Schritten kam das Mädchen, für das sein Herz noch immer unvermindert heftig schlug, auf ihn zu. Als sie ihn erreichte blieb sie stehen und fragte: „Was ist mit Sam? Der Junge überlegte, wie er Alicia erklären sollte, was passiert war. Dabei wappnete er sich gleichzeitig gegen die Vorwürfe, die sie ihm fraglos machen würde. „Samantha und ich trafen uns heute Abend, gemeinsam mit Lana und Chloe zum Lernen im TALON. Als Sam und ich, als Letzte, das TALON verließen wurden wir von einem bewaffneten Gangster überfallen. Wir wollten ihm unser Geld geben, doch dann drehte der Typ plötzlich durch und fing an zu schießen. Er traf Sam in den Bauch.“ Christian verstummte und wartete auf das, was nun folgen würde, doch zu seiner Überraschung reagierte Alicia anders, als erwartet. Das Mädchen blickte ihn erschrocken an und flüsterte: „Mein Gott, wie geht es Samantha und dem Kind? Werden sie überleben?“ „Die Ärzte haben uns noch nichts gesagt, Alicia. Aber ich glaube fest daran, dass sie es überstehen werden. Ich hätte das verhindern müssen.“ Alicia sah Christian an und echte Verwunderung spiegelte sich in ihren dunklen Augen. „Wie hättest du einen Mann mit einer Waffe denn daran hindern sollen zu schießen?“ Es dauerte einen langen Moment, bis Christian den vollen Sinn der Frage begriff. Alicia hatte nicht nur die Erinnerung an ihr Zusammensein vergessen. Sie wusste auch nichts mehr von seinen Fähigkeiten. Innerlich aufatmend erwiderte er: „Ja sicher, vielleicht hast du Recht. Aber ich mache mir trotzdem Vorwürfe.“ In einer beruhigenden Geste legte Alicia ihre Rechte kurz auf den Oberarm des Jungen und versicherte ihm: „Du konntest bestimmt nichts dafür, Chris.“ Ohne zu wissen, was sie mit dieser kurzen Geste innerlich bei Christian auslöste, zog sie ihre Hand zurück und deutete auf die Gruppe der Wartenden. „Komm, lass uns zu den Anderen gehen.“ Christian schluckte. „Ja, klar.“ Niedergeschlagen folgte der Junge Alicia. Nichts, als dieser kurze Moment, hätte ihm deutlicher sagen können, dass das Mädchen wirklich ihre Gefühle für ihn vergessen hatte. Er hatte sich in den letzten Wochen geweigert, sich dies, mit allen damit verbundenen Konsequenzen, einzugestehen. Er hatte sich standhaft geweigert, nach vorn zu sehen. Doch ihm würde letztlich nichts anderes übrig bleiben, das wurde ihm in diesem Moment klar. Sie erreichten die Gruppe, als einer der Ärzte den Bereich verließ, der nur dem medizinischen Personal vorbehalten war. Langsam trat er auf sie zu und blickte sich ernst um. Zu Samanthas Eltern tretend erkundigte er sich: „Sie sind die Eltern des Mädchens?“ Samanthas Vater nickte und fragte mit vibrierender Stimme: „Wie geht es meiner Tochter, Doc?“ Der Arzt räusperte sich. „Ihre Tochter ist außer Lebensgefahr, obwohl sie viel Blut verloren hat. Doch für das Kind, dass sie erwartete, konnten wir leider nichts mehr tun. Es war vermutlich bereits tot, als Ihre Tochter hier eingeliefert wurde.“ Samanthas Mutter gab einen erstickten Laut von sich und schmiegte sich in die Arme ihres Mannes, der sie zu trösten versuchte. Auch Christian stand wie betäubt da während sich der Sinn des Gesagten langsam in sein Verständnis fraß. Samantha hatte das Kind verloren. Es war zwar ungewollt gewesen, doch in der letzten Zeit schien sich Samantha mit dem Gedanken daran, Mutter zu werden, abgefunden zu haben. Mehr noch. Sie schien sich darauf gefreut zu haben, Mutter zu werden. So zumindest hatte es Christian empfunden. Es dauerte eine geraume Weile, bis ihm bewusst wurde, dass sich Alicia an seinen linken Arm geklammert hatte. Mit Tränen in den Augen sah sie zu ihm auf. Erst dann bemerkte sie ihr Handeln und löste sich langsam von ihm. Christian wollte etwas sagen, doch Alicia schüttelte sacht ihren Kopf und entfernte sich dann von ihm in Richtung von Samanthas Eltern. Deprimiert zu Boden blickend, wandte sich der Junge schließlich ab und schritt in Richtung des Treppenhauses davon. Er wollte nur noch weg von diesem Ort. Als er den Ausgang fast erreicht hatte, bemerkte Christian, dass Clark ihn einholte und verzweifelt sah er den Schwarzhaarigen an. „Ich habe gezögert, Clark. Weil ich nicht wollte, dass Samantha etwas von meinen Fähigkeiten erfährt. Ich befand mich in dem Wahn, die Situation auch so kontrollieren zu können, und nun liegt Samantha hier im Krankenhaus, und das Kind ist tot.“ Clark Kent sah den Freund mitfühlend an und erwiderte eindringlich: „Es war nicht deine Schuld, Chris.“ „Widerspruch loderte für einen Moment lang in den blauen Augen des Deutschen. Dann nickte er nur. Sich versichernd, dass Niemand in der Nähe war, der ihn hören konnte, außer Clark, fragte er leise: „Wie schaffst du das, Clark? Ich meine, du hast schon viel öfter mit solchen Verbrechern zu tun gehabt. Findet man sich irgendwann damit ab, dass man manchmal nichts tun kann, oder einfach nur falsch reagiert?“ Trauer lag im Blick des Angesprochenen. „Nein, Chris. Aber gib dir nicht die Schuld an dem, was passiert ist. Du kannst nicht wissen, was passiert wäre, wenn du deine Kräfte eingesetzt hättest. Der Schuss hätte sich trotzdem lösen können, und möglicherweise wären dann jetzt das Kind und Samantha tot. Möglicherweise hast du ein Leben gerettet, weil du nicht überstürzt gehandelt hast.“ Christian sah zu dem Freund und erwiderte rau: „Danke, Clark. „Soll ich dich begleiten?“ Christian machte einen verneinende Geste. „Ich möchte jetzt für eine Weile allein sein, Clark. Wir sehen uns morgen. Vielleicht können wir nach der Schule reden.“ Clark Kent nickte. „Ich werde für dich da sein.“ Für einen kurzen Augenblick war sich der Schwarzhaarige nicht sicher, ob er seine nächste Frage stellen sollte, doch vielleicht kam Christian dadurch auf andere Gedanken, und so erkundigte er sich, als sie vor dem Eingang, auf dem Bürgersteig anhielten: „Alicia und du, ihr geht wieder normal mit einander um? Denkst du, dass eure Beziehung vielleicht doch noch zu retten ist?“ Christian schluckte. „Nein, Clark. Ich habe sie vorhin in der Schule mit Deion gesehen. Sie knutschten so heftig miteinander, dass sie nicht mal bemerkten, wie ich an ihnen vorbei gegangen bin.“ „Das tut mir leid, Chris.“ Clark deutete auf den schwarzen Pickup des Freundes. „Soll ich dich wirklich nicht noch etwas begleiten?“ Christian sah Clark dankbar an. „Nein, ich brauche jetzt wirklich Zeit zum Nachdenken. Aber morgen, nach der Schule, werden wir ganz bestimmt darüber reden.“ „Ja, natürlich.“ Christian nickte dem Freund zu und überquerte die Straße. Er wollte jetzt einfach nur noch nach Hause und vergessen, was passiert war, auch wenn ihm vollkommen klar war, dass ihm Letzteres nicht gelingen würde. Kapitel 6: Total verhext ------------------------ 6. TOTAL VERHEXT Es hatte gutgetan, am Dienstagabend mit Clark Kent zu reden, doch Christian fühlte sich danach immer noch, bis zu einem gewissen Grad, mitschuldig an dem, was Samantha passiert war. Das war auch der Grund dafür, dass er Samantha Collins bisher nicht im Krankenhaus besucht hatte, weshalb er sich, an diesem Freitagnachmittag noch schlechter fühlte, als nach seinem Gespräch mit Clark. Er sagte sich, dass es so nicht weitergehen konnte, und deshalb beschloss er, nach der Schule zum Krankenhaus zu fahren. Er glaubte zwar, Hornissen im Magen zu haben, weil er nicht wusste, wie Samantha auf sein Erscheinen reagieren würde, doch er musste sie besuchen. Das war das Mindeste. Gestern hatte er mit Neil Fender, dem Freund von Samantha, telefoniert. Chris hatte ihn an dem Abend, als Samantha angeschossen worden war, nicht mehr erreicht. So hatte er ihn erst am nächsten Tag sprechen und informieren können. Auch Neil hatte ihn beruhigt, und ihn am Ende des Gesprächs gebeten, Samantha endlich zu besuchen. In Gedanken erreichte er seinen Pickup, als er hinter sich schnelle Schritt vernahm, und eine leicht kratzige, irgendwie misstönende Mädchenstimme. „Hey, Moment mal!“ Ahnungsvoll drehte sich Christian von Falkenhayn um und er erkannte, wie erwartet, Chloe Sullivan, die sich ihm schnell näherte. Das blonde Mädchen trug, an diesem sonnig-warmen Märztag, eine der üblichen Schlabberhosen, heute in schwarz, und eine modische Jacke. Sie war nur im mittleren Bereich zu einem Teil geschlossen und ließ ein bauchfreies Top erkennen, dass Chloe darunter trug. Ihr Bauchnabel blitzte neckisch zwischen den unteren Jackenhälften hervor. Etwas überrascht von diesem Look, da sie sonst eher hochgeschlossene Kleidung bevorzugte, meinte Christian schmunzelnd: „Hi, Chloe. Für wen hast du dich denn heute so herausgeputzt?“ „Für dich, aber in der Beziehung bist du ja blind, auf beiden Augen“, konterte die Blondine mit leicht gereiztem Tonfall. Im nächsten Moment wurde ihre Stimme um eine Spur weicher und sie erklärte: „Ich wollte dich fragen, ob du heute Abend zu meiner Geburtstagsfeier kommst, die meine Cousine seit vier Wochen vorbereitet.“ Mit verblüffter Miene sah der Junge sie an. „Aber das ist doch...“ „Geheim?“ Das Mädchen lachte trocken. „Ha, du vergisst anscheinend, dass ich die Star-Reporterin der TORCH bin. Da bleibt nichts geheim.“ Christian grinste breit. „Offensichtlich nicht.“ „Bringst du noch jemanden mit?“ Christian sah in die blau-grünen Augen des Mädchens. „Nein, das mit Alicia und mir hat sich offensichtlich erledigt, da sie ganz offen mit Deion herummacht.“ Das Bedauern in Chloes Augen wirkte echt. „Tut mir leid, Chris. Aber vielleicht solltest du nach vorne schauen. Hey, vielleicht triffst du ja auf der Fete ein nettes Mädchen, mit dem du...“ „Danke, dass du mich aufmuntern willst, Chloe“, unterbrach Christian den Redeschwall der Blondine. „Aber im Moment kommt das nicht in Frage.“ Chloe nickte betreten. „Oh… Verstehe. Ich wollte nicht unsensibel sein.“ Christian nickte. „Ich weiß. Es war sicherlich nett gemeint, doch im Moment habe ich die Trennung von Alicia noch nicht ganz verdaut.“ Chloe legte impulsiv ihre Rechte auf seinen Arm. „Aber zur Party kommst du doch?“ Christian nickte flüchtig lächelnd und legte unbedacht seine Hand auf die des Mädchens. „Ja, sehr gerne, Chloe.“ Für einen Moment sahen sich beide an, bevor Christian bemerkte, was er getan hatte. Entschuldigend lächelnd nahm er seine Hand von der des Mädchens. „Ich war auf dem Weg zu Samantha. Möchtest du mitkommen?“ „Nein, Lois und Lana wollen sich gleich mit mir treffen.“ Christian nickte. „Grüß die beiden von mir. Hast du auch schon herausgefunden, wo und wann es losgehen soll?“ Chloe verdrehte ihre Augen. „Oh Mann, das hätte ich fast vergessen, dir zu sagen. Lois hat heute Morgen bestimmt Clark überfallen und ihn damit konfrontiert, dass sie die Party in der Scheune der Kent-Farm ausrichten will. Das Ganze soll gegen acht Uhr heute Abend losgehen. Also sehen wir uns dann.“ „Ja“, bestätigte der Junge und schmunzelte bei der strahlenden Miene des Mädchens. Dabei dachte er: Wenigstens eine, die sich über meine Nähe freut. Dann stieg er in seinen Pickup und fuhr zum SMALLVILLE-MEDICAL-CENTER. * * * Vor dem Krankenzimmer angekommen, in dem Samantha lag, atmete Christian tief durch, bevor er an die Tür klopfte und sie öffnete. Beim Eintreten stellte er zu seiner Erleichterung fest, dass Samantha im Moment keinen Besuch hatte. Nervös den Blumenstrauß, den er unterwegs besorgt hatte, von einer Hand in die andere nehmend näherte er sich dem Fußende des Bettes und sah abwartend in das Gesicht des Mädchens. Samantha, die bisher etwas gelangweilt aus dem Fenster gesehen hatte, sah zu ihm, und ihr Gesicht hellte sich merklich auf. „Hi, Chris“, begrüßte sie ihn mit leiser Stimme. „Warum bist du denn erst heute hergekommen?“ Mit einer Mischung aus Erleichterung und Schuldbewusstsein erwiderte der Junge ihren Blick und antwortete: „Ich war mir nicht sicher, ob du mich wirklich sehen willst, nach dem, was passiert ist.“ Irritiert sah Samantha den Jungen an. „Was meinst du denn damit. Du gibst dir doch hoffentlich nicht die Schuld an dem, was passiert ist?“ Christian wich ihrem Blick aus und stellte die Blumen in eine der Vasen. Sich zu dem Mädchen ans Bett setzend sagte er schließlich: „Ich habe mich immer wieder gefragt, ob ich nicht etwas hätte tun können, um das alles zu verhindern.“ „Oh, ja sicher!“, gab Samantha ironisch zurück. „Du hättest deine verdammten Jedi-Kräfte einsetzen können, um mich zu retten!“ Christian sah noch völlig überrascht zu Samantha, als diese fortfuhr: „Du beherrscht eine Kampfsportart, Chris, aber das macht dich verdammt noch mal nicht zu einem Superhelden, klar? Du konntest rein gar nichts tun, also mach dich gefälligst nicht verrückt.“ Der Schrecken, der dem Jungen bei den ersten Sätzen des Mädchens in die Glieder gefahren war, ebbte schnell wieder ab und schließlich antwortete er zögerlich: „Mag sein, dass du Recht hast, doch es fühlt sich irgendwie anders an.“ Samantha nickte. „Du hast dich zu Beginn vor mich gestellt, so viel weiß ich noch. Es war dieser Verbrecher, der auf uns geschossen, und Schuld an Allem hat. Also Schluss jetzt mit den sinnlosen Vorwürfen, klar?“ „Okay“, stimmte Christian zu und schluckte, bevor er sich erkundigte: „Wie geht es dir denn, Samantha? Was sagen die Ärzte, wann du hier wieder heraus kannst?“ Tränen traten in die Augen des Mädchens. „In etwa einer Woche.“ Christian sah, dass ihre Hand nach seiner tastete und beruhigend legte er seine Hand auf ihre, als sie etwas leiser meinte: „Chris, es ist verrückt. Zuerst war ich total unglücklich, weil ich schwanger war. Doch in der letzten Zeit hatte ich mich an den Gedanken gewöhnt, und sogar angefangen, mich auf das Baby zu freuen. Und jetzt...“ Christian setzte sich spontan zu Samantha auf die Bettkante und nahm sie in die Arme, während sie ihrem Kummer nachgab. Hilflos das schluchzende Mädchen in den Armen haltend bettete er Samanthas Kopf sacht an seine Schulter. Dabei zerriss es ihn beinahe innerlich, als sie sich, wie eine Ertrinkende an ihn klammerte, und er spürte, dass auch ihm selbst Tränen über die Wangen liefen. Ein imaginärer Kloß schien in seinem Hals zu stecken und ihm die Luft abzuschnüren. Genau dies war der Moment, vor dem es ihm die gesamte Woche über gegraust hatte. Doch in diesem Moment für Samantha da zu sein schien ihm das einzig Richtige zu sein, das er tun konnte. Sich über die Wangen wischend bemerkte Christian schließlich erleichtert, dass sich Samantha wieder zu beruhigen schien. Erst, als er spürte, dass Samantha ihren Kopf von seiner Schulter nahm, löste er seine Umarmung und sah in die geröteten Augen des Mädchens. „Ich schäme mich, dass ich erst heute gekommen bin, Samantha.“ Sie legte beruhigend ihre Rechte auf seine Wange. „Du bist hier, das ist die Hauptsache, Chris. Ich freue mich, dass du gekommen bist. Weißt du, ich hatte bereits lange Gespräche mit meinen Eltern und mit Neil geführt. Alicia war auch einige Male hier. Doch bis eben schien irgendetwas zu verhindern, dass ich meinen Schmerz herauslasse. Ich wollte die ganze Zeit über schon weinen, doch es ging irgendwie nicht. Bis gerade eben.“ Mühsam ihrem traurigen Blick standhaltend schluckte Christian. Sacht ihren Rücken streichelnd stand er auf und setzte sich wieder auf den Stuhl. Schließlich fragte er rau: „Wie hat Neil denn das Alles aufgenommen?“ Ein Lächeln überflog das Gesicht des Mädchens. „Neil ist toll. Er ist total lieb und hat sich unheimlich bemüht, in der letzten Woche. Das hat uns einander noch näher gebracht, und ich habe gemerkt, dass ich ihn wirklich liebe, Chris.“ Samantha bemerkte die bisher unausgesprochene Frage in den Augen des Jungen und leise fügte sie hinzu: „Die Ärzte sagen, dass ich wieder ganz gesund werde, und dass ich immer noch Kinder bekommen kann.“ „Das klingt doch sehr positiv.“ Samantha nickte und schniefte leise. „Das ist es. Ich habe schon mit Neil darüber gesprochen, und wir sind uns einig, dass wir irgendwann Kinder haben wollen. Allerdings haben wir beschlossen damit zu warten, bis wir unsere Ausbildung beendet haben. Stell dir vor, der verrückte Kerl wollte mir danach, ganz spontan, einen Heiratsantrag machen, doch das habe ich unterbunden. Dafür ist es noch zu früh. Gefreut hat es mich aber trotzdem.“ Christian atmete tief durch und lächelte unsicher. „So ist er eben. Ich finde es großartig, denn er wollte dir damit etwas sagen.“ „Ja, und ich denke, ich habe ihn verstanden.“ Samantha lächelte schwach. „Aber jetzt will ich wissen, was mit dir ist. Von Alicia weiß ich ja, dass sie nun fest mit Deion Grafton zusammen ist. Glaubst du wirklich, das ist etwas, das auf Dauer funktioniert?“ Christian erwiderte den fragenden Blick des Mädchens ernst. „Ich denke schon. Es nützt nichts, mir noch länger etwas vorzumachen, Samantha. Es ist vorbei.“ „Diese dumme Ziege!“ Christian grinste schief. „Das war auch mein erster Gedanke, Samantha. Doch irgendwie kann ich Alicia verstehen. Wenn sie sich nicht mehr an das erinnern kann, was gewesen ist, dann bin ich ein völlig Unbekannter für sie. Ich habe versucht, mir vorzustellen, wie ich an ihrer Stelle gehandelt hätte. Vielleicht ebenso.“ Samantha machte ein zweifelndes Gesicht. „Ich war letzte Woche zweimal drauf und dran ihr zu erzählen, wie ihr beide euch kennengelernt habt, aber das willst du ja nicht.“ „Ja, und du weißt warum.“ „Schon“, gab Samantha missmutig zurück. „Aber das muss mir nicht passen.“ Bevor Christian etwas darauf erwidern konnte öffnete sich die Tür des Zimmers, und Alicia trat ein. Entschuldigend zu Samantha sehend, sagte er leise: „Ich muss ohnehin jetzt fort. Wäre es okay für dich, wenn ich dich morgen Nachmittag besuche?“ „Darüber würde ich mich sehr freuen.“ Christian erhob sich von dem Stuhl, erwiderte den neutralen Gruß seiner Ex-Freundin und verließ das Krankenzimmer, mit gemischten Gefühlen. Doch die Erleichterung darüber, dass Samantha ihm nichts vorgeworfen hatte überwog dabei. Sich besser fühlend, als noch am Morgen dachte er an die Einladung von Chloe und er spürte, dass er sich über die willkommene Abwechselung zu freuen begann. * * * Für Chloe Sullivan hatte der Freitag hingegen ganz anders begonnen. Zunächst war sie am Vormittag mit ihrer Cousine, Lois Lane, bei Lana Lang gewesen, die mit ihr hatte shoppen gehen sollen. Ausgedacht hatte sich dies Lois, um freie Bahn zu haben, für die letzten Vorbereitungen ihrer Geburtstagsfete. Lana hatte sich an diesem Morgen sehr merkwürdig verhalten, und Lois stand zwischenzeitlich kurz davor zu explodieren, weil Lana sich nicht an den ausgemachten Plan gehalten hatte, mit ihr shoppen zu gehen, um Chloe für die letzten Feten-Vorbereitungen aus dem Weg zu haben. Shoppen war Chloe dann letztlich trotzdem gewesen, allerdings mit Lois. Ihre Cousine hatte lediglich wissend ihre Augenbrauen gehoben, als sie ihr erzählte, dass sie Christian von Falkenhayn auch zur Fete geladen hatte. Wobei Chloe diese Reaktion irgendwie unangenehmer war, als hätte Lois einen bissigen Kommentar dazu losgelassen. Gegen 19:30 Uhr hatte Lana Lang sie dann angerufen und, unter ziemlich mysteriösen Andeutungen, zu einer abgelegenen Brücke, am Rand eines kleinen Waldes, bestellt. Als sie sich kurze Zeit später Lana Lang näherten, lief Lois Chloe voraus und fragte unterdrückt: „Okay, Lana, was sollen wir hier im Wald? Chloe ist direkt hinter mir, und der Ausflug bei Vollmond lässt sie schon etwas ahnen.“ Lana Lang drehte sich mit einem Funkeln in den Augen zu Lois. In ihrer linken Hand hielt sie eine Karaffe, gefüllt mit einer roten Flüssigkeit. Mit einem dunkleren Tonfall in der Stimme, als üblich, sagte sie: „Ich wollte nur mit euch anstoßen, bevor die Party losgeht.“ In diesem Moment war Chloe Sullivan bereits heran. Sie hatte die Worte Lanas mitbekommen und erkundigte sich neugierig: „Welche Party?“ Hitzig fuhr Lois Lana an: „Du hast die Überraschung versaut!“ Chloe hingegen sah lediglich schmunzelnd zu ihrer Cousine und platzte heraus: „Ach, du meinst die Party, die du schon seit einem Monat vorbereitest?“ Lois wirkte perplex. „Du wusstest davon?“ „Oh. Hallo? Ich bin leidenschaftliche Reporterin. Mir bleibt nichts verborgen.“ Ihr Gesichtsausdruck nahm einen fragenden Zug an. „Abgesehen davon, warum wir hier draußen Waldnymphen spielen, während woanders ´ne Party für mich steigt.“ „Dann sollten wir uns beeilen“, mischte sich Lana ein und lächelte dabei hintergründig. Sie drehte sich zur Seite und förderte drei Weingläser aus einem Korb, den sie bei ihrer Ankunft auf den Boden gestellt hatte. Von dem seltsamen Hexenritual, dass sie davor hier abgehalten hatte, erzählte sie den beiden Mädchen nichts, denn es war nicht Lana, die diesen Körper momentan beherrschte. Am Abend zuvor hatte Lana den Fehler gemacht, ein altes Buch, das sie im Internet ersteigert hatte, genau auf der Seite aufzuschlagen, auf der im Jahr 1604 Gräfin Margaret Isobel Thoreaux ihr Blut auf drei magischen Zeichen gespien hatte, kurz bevor man sie verbrannte. Und nun kontrollierte sie, Gräfin Margaret Isobel Thoreaux, Lanas Körper. Bereits im Spätsommer des Jahres war es zu einem kurzen Kontakt zwischen ihnen beiden gekommen, als Lana Lang, ihre Nachfahrin in direkter Blutlinie, ihr Grab berührte. In einer Pariser Kathedrale. Damals war der Kontakt jedoch zeitlich begrenzt gewesen, aber den Grundstein für das, was gestern Abend geschehen war, hatte sie dabei legen können. Jetzt war es an der Zeit, durch den Trank, den sie den gesamten Tag über bereits zusammengebraut hatte, die Seelen ihre Freundinnen, Madelyn De Ypere und Beatrice Merceaux, die man gemeinsam mit ihr verbrannte, ebenfalls ins Leben zurückzurufen. Lana verteilte die Gläser und Lois, die einem guten Tropfen nie abgeneigt war, erwiderte begeistert: „Sehr gut! Das klingt schon besser.“ Die Gräfin Thoreaux, in Lana Langs Körper, schenkte den Wein in die Gläser ein und antwortete dabei: „Wie viel Zeit auch vergehen mag. Alte Freundinnen vergisst man nie.“ Chloe lachte vergnügt. „Darauf trinke ich.“ Sie stießen miteinander an und sowohl Chloe, als auch Lois, leerten das Glas in einem Zug, während die Gräfin nur das Glas mit den Lippen von Lana lang berührte. Interessiert beobachtete die Hexe dabei, welche signifikante Veränderung mit den beiden Mädchen vor sich ging. Kaum hatten beide Mädchen ausgetrunken, das veränderte sich die Farbe ihrer Augen zu einem leuchtenden Violett, und ihre Körper bogen sich, von unsichtbaren Kräften gehalten, nach hinten durch. Blitze schossen dabei über den finsteren Abendhimmel. Es dauerte nur einen Moment, bis sich die Haltung von Lois und Chloe wieder normalisierte, und sie sich etwas desorientiert umsahen. Margaret strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah zu Chloe. „Madelyn?“ Dann wandte sie sich Lois zu. „Beatrice? Willkommen im einundzwanzigsten Jahrhundert.“ Es war Madelyn De Ypere, im Körper von Chloe Sullivan, die zuerst das Schweigen brach und sich erkundigte: „Aber - wie kommen wir hierher?“ „Es war der letzte Schwur, den ich auf dem Scheiterhaufen abgelegt habe“, gab Margaret Isobel Thoreaux, durch Lanas Stimme, Auskunft. „Mein Blut, das ich auf die Seite meines Buches spuckte, nachdem mir der verdammte Magistrat brutal ins Gesicht geschlagen hatte, hat sich mit den magischen Symbolen vereinigt, und das hat meine Nachfahrin gerufen. Als sie es schließlich gestern Abend berührt hat, konnte ich ihren Körper in Besitz nehmen, und dann habe ich euch geholt.“ Beatrice Merceaux blickte an sich hinunter und rief begeistert aus: „Ich bin wunderschön!“ Damit hob sie mit den Händen gleichzeitig ihre schwellenden, straffen Brüste an und jauchzte: „Sieh dir die an!“ Margaret verzog ironisch das Gesicht, hatte sie doch mit einer etwas anderen Reaktion gerechnet, nach all der Zeit. Etwas genervt gab sie zurück: „Ja, die sind sehr schön.“ Madelyn, im Körper von Chloe, atmete tief durch und seufzte zufrieden: „Ah – ein französischer Wald. Das habe ich sofort erkannt.“ Irritiert sah Margaret zu der Freundin und beschied ihr, immer noch gereizt: „Wir sind in Kansas, Madelyn.“ Fragend wandte sich Beatrice zu Margaret. „Wo?“ „In Amerika. Ich weiß nicht genau, warum ich hier wiederauferstehen musste. Es war nicht beabsichtigt, aber...“ „Das Buch!“, warf Madelyn ein, als sei ihr erst jetzt wieder eingefallen, was Margaret eingangs erklärt hatte. „Besitzt du es?“ Mit einem beinahe verschmitzten Grinsen wandte sich Margaret etwas zur Seite, so dass ihre Freundinnen einen Blick auf den Inhalt des Korbes werfen konnten. Dabei entgegnete sie vielsagend: „Es gehört wieder uns, und wir können auch wieder zaubern. Deshalb werden wir unsere Suche nach den drei Steinen der Macht fortsetzen.“ Unangenehm berührt wandte Madelyn ein: „Oh. Äh, meinst du die Suche, die uns auf den Scheiterhaufen gebracht hat?“ „Das war unerfreulich“, gab Beatrice mit düsterer Miene ihre Meinung dazu ab. „Ein winziges Opfer auf dem Weg zur Herrschaft über das Schicksal“, wischte Margaret die Einwände der Freundinnen zur Seite. „Ihr verfügt über das Wissen von Chloe und Lois, und ihr werdet es für uns einsetzen. Diese Beiden werden uns helfen, endlich die Steine der Macht zu erringen.“ Madelyn und Beatrice warfen sich begeisterte Blicke zu und ein beinahe diabolischen Lachen überflog die Gesichter der beiden Mädchen. * * * Bunte Lampions und lange Lichterketten hingen in der Scheune der Kent-Farm und verwandelten sie, an diesem Abend, in einen stimmigen Festsaal. Außerdem gab es reichlich zu essen, zu naschen, und eine große Auswahl an alkoholfreien Getränken. Musik angesagter Interpreten und Gruppen drang aus einem gewaltigen Ghettoblaster und erfüllte die Scheune. Christian, der sich mit verschiedenen Freunden und Mitschülern unterhielt, beobachtete Clark Kent dabei, dass er, zum wiederholten Mal sein Handy bemühte. Vermutlich versuchte er Lana, Lois und Chloe zu erreichen, denn alle drei Mädchen verspäteten sich, und zu einer Geburtstagsparty gehörte normalerweise das Geburtstagskind. Nur wenige Augenblicke später öffnete sich das Haupttor der Farm, und wie Schemen traten drei weibliche Gestalten, aus der Dunkelheit, in die Mitte der Scheune. Aber waren das wirklich Chloe, Lois und Lana? Christian sah etwas ungläubig, in welche scharfen, überwiegend schwarzen Outfits sich die drei Mädchen geworfen hatten. Lediglich der Rock von Lana Lang wies einen blutroten Farbton auf. Sie wirkten alle drei ziemlich sexy. Auf ihn. Gerade von Chloe, die allgemein eher den Schlabber-Look bevorzugte, war er so etwas nicht gewohnt. Die drei Neuankömmlinge wurden von den Gästen mit großem Hallo empfangen, und auch Christian schritt näher heran, um sie anzusehen. Clark Kent steuerte auf Lois zu und zog sie zur Seite, während sich Jason Teague, der vor kurzer Zeit erst als Co-Trainer der Smallville-Crows gefeuert worden war, zu Lana begab. Es war irgendwie zum Direktor der Schule durchgesickert, dass Teague eine intime Beziehung mit Lana führte, und man munkelte, dass Clark es dem Direktor gesteckt hatte. Doch das glaubte Christian nicht so recht, denn dafür war Clark nicht der Typ. Chloe ihrerseits wandte sich hingegen dem Buffet zu. Christian überlegte eine Weile, ob er hingehen, und sie ansprechen sollte. Vielleicht würde er in Erfahrung bringen, weshalb sie sich heute so sexy zurecht gemacht hatte, und für wen. Schließlich begab sich Christian langsam hinüber zum Buffet, doch noch bevor er es erreicht hatte, schritten Lana und Lois zu ihr und die drei entfernten sich ein Stück von seiner Position. Leise miteinander tuschelnd wandten sie sich um, streckten ihre Arme nach vorne und für einen Augenblick glaubte Christian ein violettes Licht zwischen den Fingern der drei Mädchen zu erkennen. Doch das konnte nur eine Täuschung sein. Einen Moment später wurde er eines Besseren belehrt, denn das Licht schien zu explodieren, und mit Christian ging eine erstaunliche Veränderung vor sich. Eben hatte er noch einen schnellen Seitenblick zu Alicia und Deion geworfen, die ebenfalls hier waren, und Kummer empfunden. Jetzt war plötzlich nichts mehr davon zu bemerken. Im Gegenteil: Er fühlte sich geradezu seltsam beschwingt und guter Dinge. Und seine Aufmerksamkeit galt nicht mehr Alicia, sondern viel mehr Chloe, die ihn erkannt zu haben schien, denn sie zwinkerte ihm auffordernd zu. Magisch angezogen schritt Christian auf Chloe zu, wobei er anerkennend bemerkte, dass das durchbrochene, enge Spitzenkleid ihre Figur betonte, wie er es bislang kaum für möglich gehalten hatte. Der übliche Look des Mädchen hatte bisher kaschiert, dass sie im Grunde eine sehr vorteilhafte Figur besaß. Zwar war sie nicht so gertenschlank, wie Lana, und besaß auch nicht so üppige Brüste, wie ihre Cousine, doch ihr ebenmäßiges, hübsches Gesicht wirkte sehr ansprechend, und sie war hoch intelligent dazu. Ein Mädchen, in das man sich durchaus verlieben konnte, wie Christian in diesem Moment feststellte. An einigen Stellen wirkte das Kleid halb transparent. Die schwarzen, spitz zulaufenden Stiefel, die sie zu dem Kleid trug, taten ein Übriges, um den Jungen, der nun, wie alle anderen Anwesenden, unter dem Bann dreier Hexen stand, für sie einzunehmen. Nur wenige Minuten später fand er sich, eng mit ihr tanzend, oben auf der Galerie der Scheune wieder, dort wo Clark Kents eigentliches Refugium lag. Nur unterbewusst nahm er dabei zur Kenntnis, dass sich Lana Lang mit Clark vergnügte, während sich Lois einen muskulösen Abwehrspieler der Crows als Tanzpartner geangelt hatte. Beide Jungs tanzten mit freiem Oberkörper, so wie viele der anwesenden Jungen und Mädchen ebenfalls. Zuerst fiel es ihm kaum auf, doch dann bemerkte Christian, dass ihn Chloe beim Tanzen mit ihm unmerklich immer weiter zur Seite der Galerie drängte. Schließlich nahm sie ihn kurzentschlossen an die Hand und zog ihn mit sich. Nachdem sie Christian hinter sich her, zwischen einigen Strohballen-Haufen hindurch außer Sicht der übrigen Anwesenden gezogen hatte, schubste sie ihn rücklings auf einen flach da liegenden Strohballen. Im nächsten Moment saß sie rittlings auf seinem Bauch und öffnete zielstrebig die Knöpfe seines Hemdes. Obwohl Christian die Situation etwas surreal schien wehrte er sich nicht. Ganz im Gegenteil, er genoss das Verhalten und die Nähe des Mädchens. Lachend fuhren Chloes Hände über seinen straffen Körper und über seinen Waschbrettbauch tiefer. Als sie den Gürtel seiner Jeans geöffnet hatte, half Christian ihr dabei, ihm die Jeans auszuziehen, indem er seinen Unterkörper anhob. Es schien ihm auch vollkommen normal zu sein, dass ihre Fingerspitzen die einzige Stelle seines Körpers berührten, die noch bekleidet war. Christian genoss es. Vor seinen Augen erhob sich die Blondine, mit lasziven Bewegungen und öffnete dabei, ganz ohne Hemmungen, die Verschlüsse ihres Kleides. Im nächsten Moment rutschte es an ihren hellen Schultern hinab, und nur noch in Stiefeln und einem knappen roten String-Tanga stand sie vor Christian. Dessen Reaktion auf diesen Anblick, war nur allzu deutlich für Chloe, alias Madelyn De Ypere, unter dem Slip des Jungen zu erkennen, und in gespannter Vorfreude spürte sie den Körper des Mädchens, den sie übernommen hatte, in Wollust erzittern. Vierhundert Jahre ohne Mann, befand die Hexe dabei, das war einfach zu viel. Schnell auch aus dem roten Tanga schlüpfend schob Chloe ihren Körper über den von Christian und ihre Finger schoben sich unter den Bund seines Slips. Fordernd schob sie ihn immer weiter nach unten und zog ihn ihm aus. Christians Hände schienen wie ferngesteuert zu agieren. Sie streichelten Chloe am gesamten Körper, während sich ihre Lippen dabei immer wieder zu kurzen, heftigen Küssen fanden, die zunehmend länger ausfielen. Dabei spürte der Junge, dass eine der Hände des Mädchens sich schließlich zwischen seine Beine verirrte. Im nächsten Moment vereinigten sie sich, und Chloe warf ihren Oberkörper wild zurück, was der Junge nutzte um ihre nackten Brüste zu küssen und mit seiner Zungenspitze ihre festen Knospen zu liebkosen. Einen Moment später drängte sich Chloe wieder eng gegen den Jungen und ihre Lippen fanden erneut zu einem heißen, lang anhaltenden Kuss zusammen, wobei sie ihm ins Ohr hauchte: „Nimm mich.“ Immer schneller wurde der Rhythmus in dem sie sich bewegten, und als beide endlich Entspannung fanden, da verschloss Christian mit einem Kuss den Mund des Mädchens, so dass nur sehr leise, unterdrückte und spitze Töne hervordrangen, welche von der lauten Musik übertönt wurden. Christian konnte nicht sagen, wie lange sie beide erschöpft und zufrieden lächelnd, Arm in Arm, so da gelegen hatten. Sich eine Weile sanft streichelnd und dabei küssend spürte der Junge das auf und ab Bewegen ihres Körpers, bevor Chloe sich zurück streckte, und zufrieden lächelnd gurrte: „Komm, lass uns wieder tanzen gehen.“ Christian, dessen Finger zuerst den knallroten Tanga des Mädchens ertasteten, spannte den String über seinen rechten Daumen und schnippte ihn übermütig über einen der umgebenden Haufen von Heuballen, in Richtung der Couch, auf der er, im Körper von Clark, bereits einmal eine ähnliche, wenn auch weit weniger intensive, Erfahrung mit diesem Mädchen gemacht hatte. Fassungslos blickte Chloe ihrem String-Tanga hinterher. Dann jedoch winkte sie lachend ab und meinte nur grinsend: „Wer braucht den schon.“ Wenige Minuten später waren beide wieder bekleidet und stürzten sich erneut ins festliche Getümmel. Dabei sah Christian wie Deion Alicia umschlang und küsste, und diesmal störte es ihn nicht die Spur. Kapitel 7: Erinnerungen ----------------------- 7. ERINNERUNGEN Alicia Sterling hatte, mehr aus Neugier heraus, als aus ernsthaftem Interesse, beobachtet, wie Christian von Falkenhayn und Chloe Sullivan, hinter den Strohballen verschwunden waren. Als sie die beiden, mit gleichfalls geröteten Wangen, etwa eine Stunde später wieder zum Vorschein kommen sah, da machte sie sich ihren Reim darauf und ein schwaches Schmunzeln überflog ihre Lippen. Bereits im nächsten Moment konzentrierte sie sich wieder ganz auf ihren neuen Freund. Deion war sportlich, so wie Chris. Außerdem sah er gut aus und er besaß einen etwas schrägen Humor, der ihr gut gefiel. Doch irgendwo, tief in ihrem Innern pochte es, eine Frage, deren Antwort sie nicht kannte. Was hatte sie und Chris so sehr verbunden, dass sie ein Jahr lang zusammen gewesen waren? Wenn sie sich doch nur hätte erinnern können. Diese Frage wurde immer stärker, seit sie in dieses seltsame violette Licht gesehen, das scheinbar aus den Händen von Lana, Lois und Chloe explodiert war. Irgendetwas hatte dieses Licht ausgelöst, aber was? Alicia schob diese Gedanken schließlich fort und erwiderte die sanften Zärtlichkeiten des Jungen, der sie in seinen Armen hielt. „Lass uns zu mir gehen, meine Eltern sind über das Wochenende weg“, flüsterte er schließlich in ihr Ohr, und Alicia stimmte willig zu. Die Fahrt zu Deions Elternhaus dauerte nicht lang und zwischen zahllosen Küssen schafften sie es nach geraumer Weile, sein Zimmer zu erreichen, wo sie endlich auf das Bett sanken – eng umschlungen. Dabei wusste Alicia, was Deion von ihr wollte, und sie wollte es ebenso, wie er. Sie ließen sich Zeit damit, sich gegenseitig zu entkleiden, und die Dunkelheit im Zimmer wurde nur von gelegentlichen Blitzen des Gewitters aufgehellt, das über Smallville hinweg zog. Zwischen zwei Küssen sah Alicia Deion fragend an, und der Junge flüsterte beruhigend: „Keine Sorge, an Verhütung habe ich gedacht.“ Erleichtert gab sich das Mädchen wieder seinen Liebkosungen hin, und als er sich schließlich mit zittrigen Fingern ein Kondom überstreifte, und anschließend in sie eindrang, da bäumte sich das athletische Mädchen leicht auf, ohne zu ahnen, dass sie unter einem Bann stand, der auch hier noch auf sie wirkte. Etwas überrascht flüsterte Deion: „Hey, du bist ja wirklich nicht mehr...“ „Nein, aber das habe ich dir gesagt, oder?“ „Schon. Ich dachte nur...“ Alicia kicherte leise. „Falsch gedacht. Schluss jetzt damit, ich möchte deine Zärtlichkeiten jetzt einfach nur genießen, okay?“ „Du hast Recht“, flüsterte Deion in ihr Ohr und küsste sie im nächsten Moment sehr lang und leidenschaftlich. Sie waren so erregt, dass es nicht sehr lange dauerte, bis sie beide, fast gleichzeitig, kamen und als sich ihre Körper schließlich entspannten, da kuschelte sich Alicia an die Brust des Jungen, ohne zu ahnen, wie oft sie das bereits bei einem anderen Jungen getan hatte. Außer dem Herzschlag von Deion war für Alicia nur ihr Atmen, und das leise Trommeln der Regentropfen an den Fensterscheiben des Zimmers zu vernehmen. Das Mädchen zuckte zusammen, als es draußen für einen Herzschlag lang gleißend hell wurde. Gleich darauf erfolgte ein krachender Donner. Der Blitz schien ganz in der Nähe eingeschlagen zu haben, und Alicia glaubte für einen Moment lang, die Elektrizität des Blitzes auf ihrer Haut kribbeln zu spüren. Doch noch etwas anderes geschah in diesem Moment. Etwas, das sich Alicia ganz eindeutig nicht einbildete. Wie Wochen zuvor, als sie in den seltsamen Kristall gesehen hatte, spielte sich vor ihrem Inneren Auge ein imaginärer Film ab. Diesmal allerdings nicht rückwärts, sondern, beginnend mit dem Abend an dem sie in der Nähe der verlassenen Gießerei überfallen worden war, wieder vorwärts. Im nächsten Moment weiteten sich ihre Augen und mit entsetzter Miene sah sie zu Deion, der sie fragend musterte. Ihren Oberkörper leicht anhebend hauchte Alicia: „Oh, mein Gott.“ Tränen rannen über die Wangen des Mädchens, und Deion, der sich keinen Reim auf den Vorgang machen konnte, fragte besorgt: „Alicia, was hast du denn. Du zitterst ja am gesamten Körper. Geht es dir nicht gut?“ Alicia schüttelte so heftig den Kopf, so dass ihre Haare hin und her flogen. „Nein, es geht mir überhaupt nicht gut, Deion. Ich… ich erinnere mich plötzlich wieder – und zwar an Alles, verstehst du?“ Der Junge schluckte und nickte deprimiert, in der Dunkelheit. „Ich denke schon, Alicia. Sag, möchtest du, dass ich dich nach Hause fahre?“ Alicia sah ihn dankbar an. „Ja, das will ich.“ Damit schlüpfte sie rasch aus dem Bett, suchte ihre Sachen zusammen und kleidete sich in Windeseile an. Deion Grafton benötigte etwas länger, nachdem er kurz im Bad verschwunden war. Endlich fertig angekleidet, fragte er unsicher: „Du bedauerst was passiert ist?“ „Deion, ich weiß es nicht“, schluchzte Alicia leise. „Ich weiß momentan einfach gar nichts mehr. Bitte fahr mich heim.“ „In Ordnung.“ Sie verließen das Haus, und Deion fuhr Alicia bis zum Tor der Sterling-Farm. Als Alicia Anstalten machte, die Beifahrertür zu öffnen, legte er schnell seine Hand auf ihren linken Oberarm und sagte, mit flackerndem Blick: „Ich bedauere keine Sekunde, die ich mit dir verbringen durfte, Alicia. Das sollst du nur wissen, bevor du gehst.“ Alicia ging sein trauriger Blick, der dem von Chris, als sie ihm sagte, dass sie die Beziehung mit ihm nicht fortsetzen könne, so ähnlich war, durch und durch. Sie nickte nur wortlos. Dann stieg das Mädchen eilig aus und rannte zur Veranda. Alicia verschwand im Haus, ohne sich nochmal zu im umzudrehen, was dem Jungen einen Stich versetzte. Niedergeschlagen wendete er den Wagen und fuhr den Weg zurück, den er gekommen war. * * * Christian erging es beinahe ähnlich, in dieser Nacht. Eben hatte er sich noch, heftig mit Chloe vor der Scheune der Kents knutschend, beschwingt von dem Mädchen verabschiedet. Doch kaum zu Hause angekommen ließ die Wirkung des Bannes nach, und deprimiert wurde Christian bewusst, dass er Alicia hintergangen hatte. Dieses Gefühl blieb auch, nachdem er sich gesagt hatte, dass diese Sichtweise verkehrt war, da er und Alicia im Grunde gar nicht mehr zusammen waren, seit sie sich für Deion entschieden hatte. Andererseits hatten sie einander aber auch nie wirklich gesagt, dass es aus sei. Durch das gesamte Haus wandernd, von einem Zimmer in das andere, fluchte er bei diesem Gedanken unbeherrscht. Unabhängig davon, wie auch immer die moralische Sachlage aussehen mochte, es fühlte sich, tief in ihm, einfach verkehrt an. Sowohl, dass er mit Chloe geschlafen hatte, als auch die Tatsache, dass Alicia mit diesem Deion Grafton herummachte. Nichts schien mehr richtig zu sein, seit jenem verhängnisvollen Nachmittag, an dem Alicia ihr Gedächtnis verloren hatte. Nichts ergab mehr irgendeinen vernünftigen Sinn. Aber dafür hatte er nun ein weiteres Problem. Im Grunde eher zwei. Er liebte Chloe nicht, dessen war er sich sicher, doch er hatte mit ihr geschlafen, und Chloe würde danach sicherlich etwas andere Erwartungen an ihn haben, als er an sie. Er würde ihr die Wahrheit sagen müssen, und das bedeutete, sie tief zu verletzen. Die Hände gegen seine Stirn pressend lief er die Treppe zum Obergeschoss halb hinauf, bevor er kehrt machte und wieder hinunter schritt. Denn ihm war eben siedend heiß eingefallen, dass er und Chloe vollkommen ungeschützt miteinander geschlafen hatten. Was, wenn sie von ihm schwanger geworden war, in dieser Nacht. Bei dieser Überlegung stöhnte er in ohnmächtiger Hilflosigkeit: „Verdammt, ich krieg´ noch ´ne Macke.“ Unentschlossen wanderte vom Wohnraum zur Küche und wieder zurück. Sich endlich in einen Sessel fallen lassend schloss er seine Augen. Er musste etwas unternehmen, gleich am nächsten Morgen, oder er würde unzweifelhaft noch wahnsinnig werden. Mit diesem Gedanken schritt er schließlich zu seinem Schlafzimmer hinauf, doch Ruhe fand er, noch lange nachdem er zu Bett gegangen war, nicht. Zu sehr quälten ihn die Erinnerungen daran, was bei Chloes Geburtstags-Fete vor sich gegangen war, und die Frage, ob Alicia und Deion vielleicht längst dasselbe getan hatten, wie Chloe und er vorhin. * * * Als Alicia Sterling am frühen Samstagmorgen erwachte, da drehten sich ihre Gedanken fast augenblicklich wieder darum, was am Abend zuvor passiert war. Was wir getan haben, verbesserte sie sich in Gedanken, und ballte die schlanken Hände zu Fäuste, die sie sich schließlich gegen die Schläfen presste. Sie versuchte, noch einmal einzuschlafen, um vielleicht für eine weitere Stunde nicht an all das denken zu müssen, doch der ersehnte Schlaf stellte sich nicht ein. Zu sehr hielten all die Erinnerungen, die plötzlich wieder mit Macht über sie hereinbrachen, sie munter. Sie erinnerte sich wieder an das, was Chris und sie verbunden hatte, und mehr noch. All die Gefühle für ihn, die sie für immer verloren zu haben geglaubt hatte, waren mit Urgewalt wieder in ihr erwacht. Doch da waren auch jene neuen Gefühle, für einen Jungen namens Deion, der für all das Chaos nicht das Geringste konnte. Aufrichtige Gefühle, die sie nicht verleugnen konnte. Es war genau dieser Punkt, der sie in jenes Dilemma brachte, das ihr den Schlaf raubte. Das, was sie für Christian fühlte, und das, was sie für Deion Grafton empfand, war von derselben wahren Natur. Tränen rannen bei dieser Erkenntnis über ihre Wangen und trotzig wischte sie sich über das Gesicht, als sie aus dem Bett aufstand, um sich erst einmal ein Bad einzulassen. Vielleicht kam sie ja dabei auf andere Gedanken. Nachdem sie sich entkleidet hatte, stieg sie in das heiße Wasser und sie war froh darüber, dass ihre Eltern offensichtlich an diesem Morgen etwas länger schliefen. Gestern Abend hatte sie kaum ein Wort mit ihren Eltern gewechselt, und sie konnte nur hoffen, dass sie ihren Zustand auf die Amnesie zurückführten. Schweiß trat aus ihren Poren und die Tränen, die erneut über ihre Wangen rannen vermischten sich mit ihm. Sie rannen an ihrem Hals hinab, zwischen ihre straffen Brüste, die zur Hälfte von Wasser und Schaum verdeckt waren. Für eine Weile ließ sie ihren Gefühlen einfach freien Lauf, bevor sie sich wieder etwas beruhigte, und mit dem Handrücken ihrer Linken die Tränen weg wischte. Dabei rief sie sich in Erinnerung, an was sie sich noch erinnern konnte. Was war, am gestrigen Abend, noch alles passiert? Sie erinnerte sich daran, dass Christian auch auf Chloes Geburtstags-Fete gewesen war. Ja, richtig. Er hatte mit Chloe getanzt. Den gesamten Abend über. Aber da war noch etwas gewesen. Zwischendurch waren sie für bestimmt eine Stunde unauffindbar gewesen. Wenn nicht noch länger. Alicia erinnerte sich ebenfalls daran, sie auf der Galerie gesehen zu haben, Hand in Hand, als sie zwischen einem Haufen von Strohballen auftauchten. Mit geröteten Wangen, und irgendwie zufriedenen und sehr entspannten Mienen. Die Erkenntnis durchzuckte Alicia, wie der gestrige Blitz. Die beiden hatten… „Oh, mein Gott!“, entfuhr es ihr, und erschrocken schlug sie die Hände vor den Mund, wobei sie dachte: Chris - und Chloe? Alicia spürte einen imaginären Eisklumpen in ihrem Magen. Bisher hatte sie angenommen, sich entscheiden zu müssen, zwischen Christian und Deion. Was aber, wenn es gar nichts mehr zu entscheiden gab? Vielleicht hatte Christian resigniert - sie aufgegeben. Zu verdenken wäre es ihm nicht. Bei diesem Gedanken begann sie, trotz des heißen Wassers, in dem sie lag, zu zittern. Dabei bat sie flüsternd: „Oh, Gott, bitte lass das nicht wahr sein.“ Nur einen Augenblick später wurde ihr bewusst, wie irrational das im Grunde war, denn im Moment wusste sie gar nicht, wie sie sich selbst entscheiden sollte. Vielleicht wollte sie nur selbst die Möglichkeit haben, zu entscheiden, und nicht machtlos eine Entscheidung aufgezwungen bekommen. Unentschlossen seifte sich Alicia nachdenklich ein. Erst als das Wasser nur noch lauwarm war, kam sie endlich zu einem Entschluss. Sie musste mit Christian reden, und das so schnell wie nur irgend möglich. Mit diesem Vorsatz stieg das nackte Mädchen aus der Wanne und wickelte ihren sportlichen, dunklen Körper in ein flauschiges, weißes Badetuch. Sich damit beeilend, ihre restliche Morgentoilette zu erledigen, zog sie sich schließlich an, wobei sie unbewusst genau die Sachen wählte, die sie getragen hatte, als sie zum ersten Mal Händchen gehalten hatten. Vor fast genau einem Jahr, bei einem Spiel der SMALLVILLE-CROWS. Sich noch rasch eine warme Jacke überwerfend, an diesem windigen Märzmorgen, lief sie schnell, und ohne zu frühstücken, aus dem Haus. Sie würde ohnehin keinen Bissen herunter kriegen. Da sie Nachbarn waren, dauerte es nicht lange, bis der Vorgarten von Christians Haus in Sicht kam. Sie erkannte, dass auch er heute offensichtlich zeitig aufgestanden war, denn seine unverkennbare Gestalt näherte sich dem Fahnenmast, der immer noch unbenutzt in seinem Garten aufragte. Doch das schien er gerade ändern zu wollen. Alicia verhielt den Schritt, als sie noch etwa einhundert Meter von dem Haus entfernt war, und näherte sich nun langsam, mit kleiner werdenden Schritten, wobei sie interessiert den Blonden beobachtete. In dessen Händen erkannte sie undeutlich etwas Schwarz-Rot-Goldenes flattern. Mehr konnte sie, auf diese Entfernung, nicht ausmachen. Dabei erinnerte sie sich unwillkürlich, an die Unterhaltung zwischen ihnen, als sie in Metropolis gewesen waren. Hoffentlich war das, was sie sah, kein schlechtes Omen. Christian schien sie noch nicht bemerkt zu haben, denn unbeirrt machte er sich an dem Stahlseil für die Flagge zu schaffen. Schließlich hatte er das, was er in seinen Händen hielt, daran befestigt, und er begann an dem Seil zu ziehen. Unwillkürlich folgte Alicias Blick dem bunten Stoff an dem Seil, bis Christian ihn bis zur Spitze des Fahnenmastes gehisst hatte. Dabei erfüllte sie ein unbestimmtes Gefühl der Erleichterung, denn über der Deutschen Flagge seines Vaters flatterte, beinahe majestätisch wirkend, das Star-Spangled-Banner, dass sie selbst ihm zum Geburtstag geschenkt hatte. Alicia wusste nicht, wie lange sie zu den beiden Flaggen hinauf gesehen hatte, doch als sich ihr Blick wieder senkte, da erkannte sie, dass Christian unverwandt in ihre Richtung sah. Sie schritt zögerlich auf den Holzzaun zu, der das Grundstück der kleinen Farm umgab. Als sie ihn erreichte bemerkte sie, dass Christian übernächtigt wirkte. Etwas traurig, aber hauptsächlich deprimiert wirkend, sahen sein blauen Augen in ihre. Nervös umklammerten die Hände des Mädchens die obere Holzlatte des Zauns. „Hi, Chris. Wie geht es dir?“ Ungewohnt unsicher wirkend, erwiderte der Blonde: „Ich bin okay, Alicia. Was ist mit dir? Wie geht es dir?“ Alicia schluckte und sie spürte einen Schwarm Hummeln in ihrem Magen. Wenn die verdammten Biester doch wenigsten in Formation fliegen würden. Mit kratziger Stimme erwiderte sie: „Nicht so toll, Chris. Ich… Ich würde gerne mit dir reden.“ Christian, der nicht wusste, wie er reagieren sollte, fragte, um Zeit zu gewinnen: „Worüber denn?“ „Über uns, Chris. Weißt du: Gestern, nachdem ich mit Deion die Geburtstags-Fete von Chloe verlassen hatte, da kehrte die Erinnerung plötzlich zurück. Ich kann mich wieder erinnern, Chris. An alles.“ Alicia machte eine kleine Pause und atmete tief durch. Als der Junge keinerlei Anstalten machte etwas zu sagen, da fuhr sie fort: „Ich habe dich gestern auf der Fete gesehen, Chris. Dich und Chloe.“ Langsam etwas näher zum Zaun kommend, gab Christian leise zurück: „Ich habe dich dort ebenfalls gesehen. Zusammen mit Deion. Was ist nun zwischen euch beiden?“ Alicia wollte etwas erwidern. Christian einfach sagen, was geschehen war, doch sie wusste nicht genau wie. Dabei füllten sich ihre Augen unaufhaltsam mit Tränen, und langsam wachsendes Verstehen spiegelte sich in den blauen Augen ihres Gegenübers. Christian blieb stehen. Fast heiser meinte er dann: „So ist das also.“ Dabei spürte der Junge eine namenlose Wut in sich aufsteigen. Doch gleichzeitig erinnerte er sich daran, was zwischen Chloe und ihm selbst passiert war, am gestrigen Abend, in der Scheune der Kent-Farm. Er hatte kein Anrecht darauf, wütend zu sein, auch wenn diese Erkenntnis nur schwer zu akzeptieren war. Er sammelte sich innerlich, bevor er in die Augen des Mädchens sah und nickend erklärte: „Du hast Recht, Alicia. Wir müssen reden. Doch nicht heute. Lass uns das bitte erst morgen in Angriff nehmen, okay? Alicia nickte und fragte fast unhörbar. „Wo und wann treffen wir uns morgen?“ Christian überlegte kurz. „Sagen wir, bei mir? Gleich morgen früh, gegen zehn?“ Alicia gab sich Mühe, tapfer zu lächeln. „In Ordnung, Chris. Dann sehen wir uns morgen früh. Bis dann.“ Alicia wandte sich ab und schritt eilig davon, wobei ihr Christian mit einem wehen Gefühl in der Magengegend nachsah. Das, was sie ihm nicht gesagt hatte, aber deutlich in ihren Augen gestanden hatte, das musste er erst einmal verdauen. Und ihm graute bereits jetzt davor, selbst für Alicia eine ähnliche Nachricht zu haben. Er hatte es ihr eben schon sagen wollen, doch er konnte es nicht. Noch nicht. Zuerst wollte er ein Gespräch mit einem anderen Mädchen hinter sich bringen. Ein Gespräch mit Chloe Sullivan. Nachdenklich blickte er zu den beiden flatternden Fahnen hinauf, bevor er, beinahe wie in einem furchtbaren Albtraum gefangen, zurück zum Haus schritt. TO BE CONTINUED... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)