Smallville-Expanded - 06 von ulimann644 (Divergence) ================================================================================ Kapitel 2: Neue Bekanntschaften ------------------------------- 2. NEUE BEKANNTSCHAFTEN Der Abend, an dem in Star-City die Wohltätigkeitsgala stattfinden sollte, kam näher. Für einige Tage hatte Christian von Falkenhayn ernsthaft überlegt abzusagen, doch sich dann dagegen entschieden. Immerhin hatte Oliver Queen ihn höchst selbst eingeladen, und es wäre ein nicht wiedergutzumachender Fauxpas gewesen, nicht zu erscheinen. Also hatte er schriftlich sein Erscheinen zugesagt. Außerdem hatte er vor, einen Scheck, mit einer größeren Summe als Spende abzugeben. Natürlich hätte es dafür eine schnellere und weniger bürokratische Lösung gegeben, doch Amerikaner liebten die Symbolik - und die Show. Das Geld hatte sein Vater zur Verfügung gestellt, als Christian ihm, bei dessen letzten Besuch in Smallville, davon erzählt hatte. Übermorgen war es so weit. Er hatte sich darauf gefreut, doch jetzt, da er ohne Begleiterin erscheinen würde, sah er nurmehr eine Pflicht darin dort aufzutauchen. Er würde sich wohl daran gewöhnen müssen, dass Pflichten dieser Art in der nächsten Zeit eher zunehmen würden, als abnehmen. Heute, am Donnerstag, fuhr er, nach der Schule zur Falken-Farm. Er hatte Jason und Mary seit dem vorletzten Wochenende nicht mehr gesehen und die beiden würden ihn bestimmt etwas aufheitern. Er hupte einige Male, als er fast das Farmhaus erreicht hatte. Als er anhielt und ausstieg trat seine Tante vor die Tür. Sonst immer in helle freundliche Sachen gekleidet, trug sie heute ein schwarzes Kostüm. Außerdem hatte sie, entgegen ihrer sonstigen Gewohnheiten, ihr langes, schwarzes Haar, mit einer farblich zum Kostüm passenden Schleife, zurückgebunden, was ihr ein zu ernstes Aussehen verlieh, wie der Junge befand. Freudig schritt Christian auf sie zu. Beim Näherkommen bemerkte er ihre ernste Miene. „Hallo, Tante Mary. Was ist denn los?“ In den eisgrauen Augen der einundvierzigjährigen Frau lag ein trauriger Zug. „Ich wollte gerade zu dir fahren, Chris. Diane Bennings hat vor knapp einer Stunde angerufen. Beim letzten Besuch bei Annette habe ich ihr unsere Nummer gegeben und sie darum gebeten nicht zuerst bei dir anzurufen, wenn...“ Mary Falken schluckte und wischte sich eine Träne von der Wange. Es dauerte einen Moment, bis Christian verstand und leise fragte: „Sie ist tot?“ Mary Falken nickte und schritt auf Christian zu. Ihn sacht in die Arme nehmend antwortete sie mit erstickter Stimme: „Diane sagte, dass sie sanft eingeschlafen ist und keine Schmerzen gehabt hat.“ Über die Schulter seiner Tante hinweg in die Ferne starrend fragte sich Christian, wie viele Schicksalsschläge ein Mensch, innerhalb weniger Tage verkraften konnte. Zuerst der Vorfall mit Alicia, und nun das. Mary Falken wartete eine angemessene Zeit ab bevor sie leise sagte: „Wir müssen sofort nach Metropolis, Chris. Ich schlage vor, wir nehmen deinen Wagen. Wenn du möchtest, dann fahre ich.“ „Ich glaube nicht, dass...“ „Du hast keine Wahl, Christian. Denn in diesem Fall geht es nicht nur um dich, oder um uns, sondern um mehr. Das habe ich erst durch den Anruf von Diane erfahren. Du musst dich jetzt zusammen nehmen, auch wenn es schwer fällt. Ich fahre dich nach Hause und du ziehst dich um. Den guten Zwirn, wie dein Vater es ausdrücken würde.“ Der bestimmte Ton seiner Tante verwunderte den Jungen etwas. Er spürte, dass es da etwas gab, von dem sie ihm bisher noch nichts erzählt hatte. „Was ist denn...“ „Nicht jetzt, Chris. Ich erkläre es dir während der Fahrt. Beeile dich jetzt lieber, wir haben es nämlich sehr eilig.“ Christian gab sich vorerst damit zufrieden. Wie in Trance stieg er in seinen Pickup, gab seiner Tante die Schlüssel und ließ sich von ihr bis zu seinem Haus fahren. Er beeilte sich mit dem Umziehen und war zehn Minuten später wieder bei seiner Tante, im schwarzen Anzug und mit einer schwarzen Krawatte in der Hand. Als sie unterwegs waren, und Christian Anstalten machte, sich die Krawatte um den Hals zu hängen, sagte Mary Falken rasch: „Lass sie solange ab. Kurz vor Metropolis werden wir anhalten und dann werde ich dir das Ding ordentlich binden.“ Christian sah Mary Falken neugierig von der Seite an. „Gehört das auch zu dem, worüber wir, während der Fahrt, sprechen werden?“ „In gewisse Weise ja“, gab Mary Falken trocken zurück. Die Frau an Christians Seite beschleunigte den Pickup. Erst nach einer Weile fuhr sie fort, und meinte: „Okay, dann halte dich jetzt mal gut fest. Wie du weißt war Annette Falken die Inhaberin und Leiterin von Falken-Industries. Natürlich ist dieses Großunternehmen börsennotiert. Du bist der Sohn eines Geschäftsmannes, also muss ich dir nicht sagen, was der Tod von Annette, in Hinsicht auf den Aktienkurs des Unternehmens, bedeutet.“ Christian nickte zustimmend. „Nein, ganz bestimmt nicht. Aber was hat denn das Alles mit mir zu tun, Tante Mary?“ Mary Falken atmete tief durch und erklärte, so ruhig wie möglich: „Diane Bennings unterrichtete mich, vorhin am Telefon, davon, dass deine Tante, vor zwei Wochen erst, eine Schenkung ihres Unternehmens und ihres gesamten Privatvermögens, zu deinen Gunsten vorgenommen hat. So, wie es scheint, bist du seit zwei Wochen der Eigentümer von Falken-Industries, und Neo-Milliardär. Ihr Stab von Anwälten hat diese Schenkung juristisch geprüft und danach abgewickelt. Sie hatte verfügt, dass du davon erst nach ihrem Tod erfahren sollst. Vermutlich hat sie das getan, um den Aktienkurs der Firma nicht einbrechen zu lassen, durch eine zu lange, ungeklärte Nachfolge, nach ihrem Tod. Bestimmt nicht wegen der finanziellen Seite, sondern vor allen Dingen, weil davon Arbeitsplätze, sprich Menschen, abhängig sind. Das alles passt zu Annette, doch es hätte wohl niemand damit gerechnet, wem sie das Unternehmen in die Hände legen würde.“ Für einen Moment saß der Junge, wie betäubt da. Dann meinte er tonlos: „Aber wie soll denn ich so ein Unternehmen leiten?“ Beinahe heiter erwiderte seine Tante: „Gar nicht. Dafür gibt es Top-Manager. Einen solchen hat deine verstorbene Tante bereits vor einigen Monaten gefunden, wie ich von Diane Bennings erfuhr. Neben Diane war er wohl als Einziger eingeweiht, was die Schenkung betrifft. Ein erfahrender Mann übrigens, der sich international einen guten Ruf erworben hat. Das ist das Eine. Das Andere ist, dass die Öffentlichkeit zunächst einmal nicht primär ihn sehen will, sondern den neuen Inhaber des Unternehmens. Also dich.“ „Sprichst du da jetzt etwa von der Presse und dem Fernsehen?“ „Mit allem Zipp und Zapp, um es auf deine blumige Teenager-Sprache zu sagen.“ Mary Falken hörte das leise Stöhnen des Jungen und erklärte eindringlich: „Keine Bange, Jason und ich werden dir zur Seite stehen. Dein Onkel weiß, was Geschäftsleute hören wollen, und was nicht. Also kein Stress. Die Leute von der Presse werden vermutlich ohnehin zunächst eher persönliche Fragen stellen. Sprich über das, was du preisgeben willst, und ansonsten sage: Kein Kommentar. Noch irgendwelche Fragen?“ „Kein Kommentar“, knurrte Christian prompt. „Na bitte, es geht doch“, gab Mary Falken zurück. „Nutze den Rest der Fahrt, um dich etwas zu sammeln, in weniger als einer Stunde wird es nämlich ernst werden.“ * * * Als Christian von Falkenhayn, am späten Abend, in der Villa seiner verstorbenen Tante, mit Mary Falken, Jason Falken und Annette Bennings, im Salon, beisammen saß, sagte er in die Runde: „Ich komme mir immer noch vor, wie in einem Traum. Ich bin euch allen wirklich dankbar, dass ihr bei mir wart.“ Der Junge fing einen auffordernden Blick seiner Tante auf. Sie hatte mit ihm, zum Ende der Fahrt nach Metropolis, über etwas gesprochen, das er fast vergessen hätte. Zu Diane Bennings sehend meinte er: „Diane, ich würde verstehen, wenn Sie ablehnen, doch ich möchte sie herzlich bitten, auch zukünftig hier wohnen zu bleiben. Sehen Sie, ich werde zwar bis zum Sommer in Smallville bleiben, doch spätestens, wenn ich, nach der High-School, mein Studium in Metropolis beginne, werde ich wohl hauptsächlich hier wohnen. Und dann werde ich, wie meine Tante, Jemanden als meinen persönlichen Assistenten, oder eben Assistentin, brauchen. Tante Annette hat Ihnen vertraut, darum wäre ich glücklich darüber, wenn sie zukünftig für mich arbeiten würden. Natürlich zu denselben Konditionen.“ Etwas überrascht sah die hagere Frau zu dem Jungen. „Das ist sehr großzügig, aber ich weiß im Moment nicht, ob ich das annehmen kann.“ Christian nickte verstehend. „Sie müssen das nicht sofort entscheiden. Bleiben Sie vorerst erst einmal hier und überlegen es sich. Sie müssen sich auch nicht auf eine bestimmte Dauer des Arbeitsverhältnisses festlegen. Wenn Sie annehmen, aber dann irgendwann merken sollten, dass es nicht geht, so werde ich Ihnen keine Steine, für einen Ausstieg nach Ihren Wünschen, in den Weg legen. Das versichere ich Ihnen.“ Diane Bennings lächelte dankbar. „Ich werde es mir überlegen. Wenn Sie drei mich nun entschuldigen, der Tag war sehr anstrengend.“ Nachdem die hagere Frau allen eine Gute Nacht gewünscht, und sich zurückgezogen, hatte, sah Christian, erleichtert, dass dieser Tag herum war, zu Mary und Jason Falken und seufzte schwach: „Diese Presse-Fritzen waren die Hölle. Habt ihr mitbekommen, was die alles von mir wissen wollten?“ „Live und in Farbe“, erwiderte sein Onkel mitfühlend. „Aber es passiert nicht alle Tage, dass ein so junger Mann, wie du, zu einem der reichsten Personen Amerikas aufsteigt. Da ist das Interesse der Öffentlichkeit entsprechend groß. Du hast das im Übrigen sehr gut gemacht. Geduldig und sachlich. Bleib dabei.“ Christian nickte nachdenklich. „Dieser Manager, Fynn Everett Specter, den Tante Annette eingestellt hat, machte einen sehr sympathischen Eindruck auf mich. Doch ich glaube gespürt zu haben, dass der auch ganz anders kann, wenn es sein muss. Irgendwie erinnert er mich an Paps. Apropos: Ich bin froh, dass Paps vorhin anrief. Er kommt mit Tante Christina schon nächsten Dienstag in Metropolis an. Zur Beerdigung von Tante Annette sind sie da. Ach ja, Danke nochmal dafür, dass ihr mit dem Direktor der Smallville-High gesprochen habt. Er hat mich für die nächste Woche freigestellt. Die werde ich bestimmt auch brauchen, um mir einen ersten Eindruck von dem zu verschaffen, was Tante Annette da, ohne mein Wissen, auf den Weg gebracht hat.“ „Wie lange willst du Christina eigentlich noch Tante nennen“, fragte Mary Falken mit hochgezogenen Augenbrauen ablenkend. „Immerhin sind sie und dein Vater, seit Weihnachten, offiziell mit einander verlobt. Mittlerweile kenne ich dich gut genug, um erkannt zu haben, dass du diese Tatsache mit gemischten Gefühlen aufgenommen hast.“ Der Junge machte ein wenig geistreiches Gesicht. „Du hast Recht, und offen gestanden, ich habe keine Ahnung, wie ich sie zukünftig überhaupt nennen soll. Mutter werde ich sie nicht nennen, denn so habe ich nur eine Frau genannt, und daran wird sich auch vorerst nichts ändern. Aber Tante fällt spätestens dann flach, wenn beide verheiratet sind.“ „Bis dahin fällt dir bestimmt noch etwas ein“, munterte sein Onkel ihn auf. Er gähnte herzhaft, erhob sich und zog seine Frau von der Couch hoch. „Wir werden uns jetzt auch in das Gästezimmer, dass Diane für uns vorbereitet hat, zurückziehen. Gute Nacht, Chris, und bleib nicht zu lange wach.“ Christian nickte. „Gute Nacht.“ Als er allein war, schloss der Junge seine Augen und fragte sich für einen Moment, ob das alles gerade wirklich passierte, oder ob er träumte und jeden Moment erwachen würde. Er kniff sich in den Arm und verzog schmerzhaft das Gesicht. Wenn das ein Traum war, dann aber ein sehr intensiver. Für einen Augenblick lang dachte er an den Ball in Star-City, in zwei Tagen, und fast froh über diese Ablenkung seufzte er leise. * * * Die nächsten zwei Tage vergingen wie im Flug und schneller, als gedacht, war der Abend herangekommen, an dem er nach Star-City flog, um an dem, von Oliver Queen gegebenen Wohltätigkeitsball teilzunehmen. Dabei würde er im Laufe des Abends den neuen Scheck, den er bei sich trug, medienwirksam in einen gläsernen Behälter fallen lassen. Seit seinem ersten Auftritt vor den Medien, in Metropolis, kam dieser Aktion eine weit größere Bedeutung bei, als es noch vor einer Woche der Fall gewesen wäre. Das war auch der Grund dafür, dass er den zunächst vorgesehenen Scheck zerrissen, und einen neuen, mit einer Null mehr darauf, ausgestellt hatte. Mit der Zustimmung seines Vaters, der das Geld auf sein Konto überwiesen hatte. Christians Versicherung, das Geld innerhalb der nächsten vierzehn Tage zurück zu überweisen, hatte seinem Vater einen ziemlich sarkastischen Kommentar, in Bezug auf das Verhalten von sogenannten Neureichen, entlockt. Als der Junge, kurz vor der Landung, auf einem Laptop die aktuellen Börsendaten studierte und sich dabei erwischte, wie er erleichtert aufatmete bei der Feststellung, dass die Aktien von Falken-Industries, nach einem anfänglichem Wertverlust von 2,4% stabilisiert hatten, und bereits wieder eine leichte Tendenz nach oben zeigten, schüttelte verwundert über sich selbst den Kopf. Bisher hatte ihn der Wirtschaftsteil nie sonderlich interessiert, und nun diese Entwicklung. Erstaunlich, wie schnell so etwas doch gehen konnte. Als der Firmenjet von Falken-Industries zur Landung ansetzte, und das Zeichen zum Anschnallen kam, schloss Christian den Laptop. Er wusste, dass Star-City im Bundesstaat Massachusetts, an der Atlantikküste, lag. Beinahe gleich weit entfernt von Boston und Plymouth. Etwa fünf Millionen Menschen leben in dieser Großstadt, deren Kriminalitätsrate, laut Oliver Queen, deutlich hinter der von anderen amerikanischen Großstädten, wie Metropolis, lag. Nachdem der Jet ausgerollt war, erhob sich Christian und wartete, bis der Co-Pilot zu ihm in die Passagierkabine kam, um die Tür zu öffnen. Draußen wurde er von dem Chauffeur der Limousine erwartet, die auf Oliver Queens Konto ging. In einem Anfall von Humor fragte sich der Junge, ob Irgendwer den CEO von Queen-Industries damit beauftragt hatte, ihn schon mal auf das vorzubereiten, was ihn in der nächsten Zeit erwartete. Er verwarf diesen Gedanken, als er in den Fond des Wagens einstieg, und der Fahrer die Tür hinter ihm schloss. Doch das Leben, vor dem er geglaubt hatte fliehen zu können, hatte ihn schlussendlich eingeholt, das stand für ihn fest. Christian von Falkenhayn versuchte sich auf andere Gedanken zu bringen, während der schwarze Wagen durch die Straßen von Star-City fuhr. Er hatte ohnehin immer gewusst, dass das einfache Leben in Smallville nicht auf ewig so weitergehen konnte. Doch nun war er von den aktuellen Entwicklungen etwas überrollt worden. Etwas sehr überrollt worden. Der Junge überlegte, was seine Tante, die er gerade erst wieder näher kennengelernt hatte, dazu bewogen haben mochte, ihm nicht einfach nur testamentarisch einige Millionen Dollar zu hinterlassen, um ihm etwas Gutes zu tun, sondern ihm ihr gesamtes Privatvermögen, dass sich im mittleren, zweistelligen Milliardenbereich bewegte, und das Unternehmen zu schenken. Nach Abzug aller Steuern war er immer noch einer der reichsten Menschen dieses Planeten, und das, mit gerade einmal achtzehn Jahren. Bisher hatte er noch nicht allzu viel Zeit gehabt darüber nachzudenken, was als Folge davon noch alles auf ihn zukommen mochte, doch das würde wohl schon noch früh genug über ihn hereinbrechen. Christian schreckte aus seinen Gedanken auf, als sie vor der Jennifer-Allenby-Hall, am Rand des Star-City-Parks, der quasi das Zentrum von Star-City bildete, anhielten. Seinem Namen entsprechend besaß der riesige Park die Form eines fünfzackigen Sterns. Ein Bediensteter von Queen öffnete den Wagenschlag und Christian von Falkenhayn verließ den Fond der Limousine. „Guten Abend, Mister Von Falkenhayn“, begrüßte ihn der breitschultrige Mann freundlich. „Mister Queen hat mich beauftragt, Sie zu ihm zu bringen. Bitte folgen Sie mir.“ Der Junge dankte verbindlich und schritt, hinter dem Mann, die breite Freitreppe hinauf. Diese Location war, weit über Star-City hinaus, bekannt dafür, dass Events wie dieses hier abgehalten wurden. Als sie endlich die eigentliche Festhalle erreichten, erwartete den Jungen ein überwältigender Anblick. Männer und Frauen in teuren Anzügen und Abendkleidern verteilten sich auf drei Galerien, die sich über drei Etagen erstreckten. Plasma-Bildschirme, auf denen in regelmäßigem Wechsel Kunstwerke aus aller Welt eingeblendet wurden, säumten die Innenwände, während breite Balustraden die Galerien vom Innenbereich abgrenzten, über den sich eine ovale, an der schmalsten Stelle mehr als zwanzig Meter durchmessende, Glaskuppel spannte. Unter ihr lag der Hauptsaal mit einer Tanzfläche an deren einem Ende eine Empore erhob. Dort erkannte Christian den Glaskasten, in den später die Schecks der Spender landen würden. Über die große Treppe, die von der untersten der drei Galerien zum inneren Bereich führte, schritten Christian von Falkenhayn, und sein Begleiter, hinunter. Unten angekommen bahnten sie sich einen Weg durch die Menge. Dabei fragte sich der Junge, ob Oliver Queen auch für die weibliche Garderobe einen Dress-Code ausgegeben haben mochte, denn alle Damen trugen entweder schwarze, rote oder weiße Kleider. Endlich erkannte Christian, dass er sich dem Ziel näherte. Unweit von ihm stand der bekannte, blonde Milliardär zusammen mit einem Mann, der Oliver Queen um gut zwei Finger breit überragte. Christian schätzte ihn auf etwas unter 1,90 Metern Körpergröße. Dieser, ihm bisher unbekannte, Mann wirkte sportlich durchtrainiert und war in den Schultern deutlich breiter, als Oliver Queen, oder er selbst. Im Gegensatz zu ihnen besaß der Mann neben Oliver Queen tief schwarzes Haar. Sein etwas kantig wirkendes Gesicht wirkte gleichzeitig auf jene besondere Art männlich, die Frauen instinktiv anzog. Der Blick seiner durchscheinend blauen Augen ähnelte auffällig dem von Oliver Queen. Er schien in etwa demselben Alter zu sein, wie der Mann neben ihm. Vielleicht kannten sie sich von Schulzeiten her. Als Christian und sein Begleiter die beiden Männer erreicht hatten, zog sich der Bedienstete unauffällig zurück. Oliver Queen trat zu Christian von und reichte ihm die Hand. „Willkommen bei unserer kleinen Gala, Chris. Ich habe vom Tod deiner Verwandten gehört und ich rechne dir hoch an, dass du dennoch hierher gekommen bist. Mein herzliches Beileid.“ Christian erwiderte den festen Händedruck. In den braunen Augen seines Gegenübers erkannte er aufrichtiges Mitgefühl, und flüchtig lächelnd erwiderte er: „Danke, Oliver. Einerseits ist es nicht leicht, doch andererseits lenkt es etwas von dem ab, was gerade um mich herum passiert.“ „Ja, ich hörte bereits davon. Willkommen im Club.“ Christian wusste, worauf Oliver Queen anspielte und verzog etwas das Gesicht. Der CEO von Queen-Industries lächelte wissend und wandte sich etwas zur Seite. Dabei sagte er zu Christian gewandt: „Ich nehme an, ihr zwei kennt euch noch nicht. Das hier ist mein Freund, Bruce Wayne. Er stammt aus Gotham.“ „Sehr angenehm“, erwiderte Christian unbekümmert und reichte dem markant aussehenden, Schwarzhaarigen die Hand. „Sie sehen aus, als würden Sie ihr Geld als Profisportler verdienen.“ Bruce Wayne, der die Hand des Jungen ergriffen hatte, blickte halb amüsiert, halb ratlos wirkend, zu Oliver Queen, der sich keine Mühe machte, seine Heiterkeit zu verbergen. „Bruce Wayne, der CEO von Wayne-Enterprise“, erklärte Queen, breit grinsend und weidete sich an dem peinlich berührten Blick des Teenagers. Natürlich kannte Christian von Falkenhayn dieses Unternehmen, er hatte sich den Inhaber nur etwas anders vorgestellt. Erst jetzt erkannte der Junge auch vollständig, wie die Bemerkung Willkommen im Club tatsächlich gemeint gewesen war, denn wie Oliver Queen und ihm selbst, so war auch Bruce Wayne Multimilliardär, und zwar mit Abstand der reichste von ihnen Dreien. „Das war ja jetzt mal so gar nicht peinlich“, entfuhr es Christian, und er spürte dabei gleichzeitig, wie sich die Epidermis-Durchblutung seiner Gesichtshaut eindeutig erhöhte. „Ich fand das ganz amüsant“, warf Oliver Queen, immer noch schelmisch grinsend, ein und zwinkerte Christian dabei zu. „Ja, aber reden wir nie wieder davon“, gab Christian schnell zurück. „Ich habe einen ziemlich trockenen Hals und könnte was zu trinken vertragen.“ „Die Bar ist da drüben.“ Oliver Queen deutete bei seinen Worten zur Linken. „Aber denk daran, dass du noch keine einundzwanzig Jahre alt bist. Also nur Alkoholfreies, oder der Skandal ist vorprogrammiert, und du findest deinen Namen, in ganz großen Lettern, in der Klatschpresse wieder, mein Freund.“ Christian von Falkenhayn hob seine Augenbrauen. „Ich hoffe, du sprichst da nicht aus eigener Erfahrung. Aber keine Sorge, Alkohol ist ohnehin nicht mein Fall. Ich hoffe, Bitter-Lemon ist okay?“ Sowohl Oliver Queen, als auch Bruce Wayne grinsten breit bei dieser Frage und der Schwarzhaarige gab grinsend zurück: „Aber so was von.“ „Dann sehen wir uns später“, meinte Christian und entfernte sich. Als er ging wurden die beiden jungen Männer ernster und Oliver Queen wandte sich zu seinem Freund. „Er besitzt noch diese gewisse Unbekümmertheit. Ich hoffe nur, dass sie ihm nicht zu schnell abhanden kommen wird.“ Sein Begleiter nickte düster. „Ja, aber du weißt selbst, wie die Chancen dafür stehen.“ Im nächsten Moment sah Bruce Wayne über den sich entfernenden Christian von Falkenhayn hinweg und meinte verschmitzt grinsend: Apropos Chancen. Diese junge Dame dort drüben hat gute Chancen, mich in weniger als einer Minute kennenzulernen.“ „Du meinst die im weißen Kleid, mit den langen, roten Haaren?“ „Genau die!“ Noch bevor Bruce Wayne sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte war Christian auf einer Höhe mit ihr. Gleichzeitig rempelte ihn einer der Gäste an, und er stieß mit der jungen Frau zusammen, die ihr Weinglas nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte. Die beiden Freunde beobachteten, wie die rothaarige Frau den Deutschen zuerst unwillig musterte. Nachdem sie einige Worte miteinander gewechselt hatten wurden ihre zunächst angespannten Gesichtszüge jedoch weicher. Schließlich bot Christian ihr galant seinen Arm an, und gemeinsam entfernten sie sich in Richtung der Bar. Sich geradezu köstlich amüsierend sah Oliver Queen seinen Freund, der etwas konsterniert wirkte, von der Seite an, und feixte: „Hast dich ihr nicht mal vorgestellt.“ Langsam sammelte sich Bruce Wayne wieder und er erwiderte grimmig: „Abwarten, mein Freund. Du weißt doch: Man sieht sich immer zweimal, im Leben.“ „Du hast Recht, vielleicht wird es ja ein anderes Mal was, mit dieser hübschen Rothaarigen, Bruce. Komm, lass uns sehen, welche interessanten Frauen sonst noch hier sind, und sich langweilen, mein Freund.“ * * * Als Christian unerwartet mit einer jungen Frau, gekleidet in ein weißes Trägerkleid, das ihre sportliche Figur perfekt zur Geltung brachte, zusammenstieß, da fielen ihm zuerst ihre funkelnden, grünen Augen auf. Gereizt, weil sie einen Gutteil ihres Weißweins über das Kleid vergossen hatte, blickte sie den jungen Mann an, mit dem sie so unverhofft kollidiert war, und fragte: „Wer, zum Teufel, sind denn Sie, sie Katastrophenmensch?“ Bedauernd sah Christian in die faszinierenden Augen der jungen Frau. „Entschuldigen Sie bitte, Miss, es kam auch für mich überraschend. Mein Name ist Christian von Falkenhayn. Zum Glück geben Flecken keinen Weißwein. Äh… umgekehrt, natürlich.“ Die in Weiß gekleidete Frau konnte ein Schmunzeln nicht ganz unterdrücken, bei den überhasteten Beteuerungen des gut aussehenden Jungen. Außerdem entspannten sich ihre Züge deutlich, nachdem er sich ihr vorgestellt hatte. „Dann sind Sie also der junge Mann, von dem momentan landesweit gesprochen wird“, stellte die schlanke Frau fest. „Mein Name ist Victoria Vale, aber meine Freunde nennen mich schlicht Vicki.“ „Ich möchte Sie nochmal um Entschuldigung bitten, Vicki. Irgendwer hat mich angerempelt, und da ist das Malheur passiert. Ihnen selbst ist hoffentlich nichts passiert.“ Vicki Vale schenkte ihrem Gegenüber ein freundliches Lächeln. „Nein, ich bin okay, aber mein Wein hatte nicht so viel Glück.“ Der Blonde sah die Frau fragend an. „Dann lade ich Sie am besten zu einem Drink ein. Ich selbst werde es bei etwas nicht-alkoholischem belassen.“ Christian bot ihr seinen Arm an und Vicki Vale hakte sich vergnügt bei ihm unter. „Da sage ich nicht nein, denn es trifft mit Oliver Queen ja keinen Armen. Außerdem könnten Sie mir, sagen wir als eine Art Wiedergutmachung, ein Exklusivinterview für einen der nächsten Tage versprechen, Christian.“ Die Gesichtszüge des Jungen wurden um eine Spur angespannter. „Jetzt sagen Sie nur nicht, dass Sie zu diesen Hyänen gehören, die mich vorgestern, in Metropolis, in die Mangel genommen haben.“ „He, keine Panik“, beruhigte die junge Frau ihn und warf dabei ihr langes Haar zurück. „Noch studiere ich Journalismus und Publizistik. Abseits davon arbeite ich, als freie Mitarbeiterin, in der Lokalredaktion der GOTHAM GAZETTE.“ „Sehr tüchtig.“ Christian von Falkenhayn bestellte für sich und seine Begleiterin die Getränke, als sie die Bar erreicht hatten. Während sie darauf warteten, meinte er nachdenklich: „Wir könnten über ein Interview reden, Vicki, doch nur unter der Prämisse, dass Sie ausschließlich das veröffentlichen, was tatsächlich gesagt wird. In Bezug auf meinen Vater habe ich leider nur zu oft erfahren müssen, dass Dinge, die er in Interviews sagte, später vollkommen aus dem Kontext heraus wiedergegeben wurden. Andere Dinge wurden von, um es vorsichtig zu formulieren, sehr kreativen Leuten völlig verändert. Außerdem behalte ich mir vor, nicht auf allzu private Fragen zu antworten. Was sagen Sie dazu?“ Vicki Vale nahm ihr Glas Weißwein in Empfang, nippte an dem Getränk und sagte dann eindringlich: „Ich verstehe Ihre Vorsicht, Christian, doch ich versichere Ihnen, dass ich nicht zu den Schwarzen Schafen gehöre, die meinen Berufsstand ein ums andere Mal in Verruf bringen. Ich gebe offen zu, dass ein Interview mit Ihnen mich bei der GAZETTE ein gutes Stück nach vorne bringen würde.“ „Nennen Sie mich bitte Chris, das machen alle Leute, hier in Amerika.“ Der Blonde nahm einen Schluck von seinem Bitter-Lemon und nickte anerkennend. Dann erklärte er: „Also gut, dann sind wir uns, was die Art eines potenziellen Interviews betrifft, einig. Sind Sie bei der GOTHAM GAZETTE erreichbar?“ „Immer Samstags“, lächelte die Rothaarige, kramte kurz in ihrer Handtasche und reichte Christian schließlich eine Visitenkarte. „Na, das ist jetzt wirklich peinlich, denn ich habe gar keine Visitenkarte für Sie“, meinte Christian humorvoll. „Aber ich verspreche Ihnen, dass ich mich bei Ihnen melden werde. Ganz bestimmt, Vicki.“ „Ich verlasse mich darauf.“ * * * Vicki Vale und Christian von Falkenhayn verbrachten die meiste Zeit des Abends miteinander. Nachdem der Höhepunkt des Abends, das Einsammeln der Schecks, hinter ihnen lag, und wieder Tanzmusik gespielt wurde, wandte sich die Frau an ihren Begleiter. „Ich würde gerne tanzen, Chris. Sie können doch tanzen?“ „Meine Eltern bestanden darauf, dass ich es lerne, als ich Sechzehn war“, gab Christian Auskunft. „Sie meinten, das würde zu den nötigen Kenntnissen eines Adeligen gehören. Etwas verstaubte Ansichten, wenn Sie mich fragen.“ „Ihre Eltern hatten Recht.“ Damit nahm Vicki Vale den Jungen zwanglos an die Hand und zog ihn nachdrücklich mit sich auf die Tanzfläche. Christian legte seine Rechte auf ihren Rücken und nahm die rechte Hand der jungen Frau in seine Linke. Dabei raunte er ihr zu: „Walzer war nie mein Lieblingstanz. Außerdem habe ich, was das Tanzen betrifft, zwei linke Füße fürchte ich, also entschuldigen Sie bitte das, was Sie gleich erleben werden.“ „Sie schaffen das schon“, lachte Vicki Vale amüsiert und ließ sich von ihm führen. Nach den ersten paar Drehungen klappte es ganz gut und die grünen Augen der jungen Frau musterten das Gesicht ihres Tanzpartners forschend, während sie sagte: „Vorhin, als Sie den Scheck einwarfen, da hatte ich den Eindruck, dass Sie in diesem Moment etwas weniger trübsinnig waren, als den gesamten Abend über.“ Christian erwiderte den Blick der Frau, während er sich gleichzeitig auf das Tanzen konzentrierte. „Vielleicht. Wissen Sie, meine verstorbene Mom war Krankenschwester und sie hat sich, besonders auch nach ihrer Hochzeit mit meinem Vater, sehr für soziale Projekte engagiert. Ich denke, sie würde sich darüber freuen, wenn sie wüsste, dass ich das fortsetze.“ „Aber Sie machen das doch hoffentlich nicht nur für sie, Chris?“ Christian kam für einen Moment aus dem Takt. Nachdem er sich wieder gefangen hatte, antwortete er mit fester Stimme: „Nein, ich engagiere mich gerne dafür. Weil mir die Menschen, denen es nicht so gut geht, wie Ihnen oder mir, am Herzen liegen.“ Für einige Herzschläge senkte Vicki Vale den Blick. Als sie wieder zu dem Jungen auf sah, erwiderte sie mit entschuldigendem Unterton: „Entschuldigen Sie diese blöde Frage. Manchmal geht das Journalisten-Blut mit mir durch. Darf ich fragen, woran Ihre Mutter gestorben ist?“ „Ja, aber Sie versprechen mir, dass das nicht in die Zeitung kommt.“ Vicki Vale nickte zustimmend. „Ja, worüber wir heute Abend miteinander reden bleibt ganz unter uns, versprochen.“ Christian atmete erleichtert auf. Danach begann er damit, Vicki Vale zu erzählen, was vor einem guten Jahr passiert war. Dabei nutzte er gleichzeitig die Gelegenheit, seine Tanzpartnerin genauer zu betrachten. Erst jetzt fiel ihm ihre ebenmäßige, wenn auch etwas blasse Haut auf, das beinahe katzenhafte Grün ihrer Augen, der Schwung ihrer roten Lippen und der intensive Kupferschimmer ihres Haars, den auch ihre Augenbrauen aufwiesen. Sie hatte sich nur ganz dezent geschminkt, was ihre natürliche Schönheit noch unterstrich. Dabei fragte sich der Junge für einen Moment lang, warum ihm die ganze Zeit vorher nicht aufgefallen war, was für eine Schönheit sich da, nun den gesamten Abend über bereits, in seiner Begleitung befand. Vicki Vale spürte, während Christian ihr von den Umständen des Todes seiner Mutter erzählte, eine starke Traurigkeit in dem Jungen. Deshalb fragte sie ablenkend: „Sie erzählten mir vorhin von einem Mädchen, mit dem Sie zusammen sind. Wie ist sie denn so?“ Christians bedrücktes Gesicht, bei ihrer Frage, irritierte die Frau für einen Augenblick, bis er schließlich antwortete: „Momentan erinnert sie sich nicht mehr an mich. Sie leidet seit einigen Tagen an einer Amnesie. Fast ein Jahr lang bin ich mit ihr zusammen, und plötzlich ist auf ihrer Seite nichts mehr davon da. Ihre Nähe und ihre Liebe fehlen mir.“ Vicki Vale presste die Lippen zusammen und sagte schließlich frustriert darüber, dass sie an diesem Abend ein heißes Eisen nach dem anderen angefasst hatte: „Wissen Sie was, Chris? Ich höre jetzt einfach auf Fragen zu stellen. Dann tappe ich hoffentlich, heute Abend, in kein weiteres Fettnäpfchen mehr.“ Christian lächelte gezwungen. „Sie konnten das doch nicht wissen, Vicki. Es summiert sich in der letzten Zeit bei mir, aber das wird schon wieder anders werden. Lassen Sie uns einfach tanzen, dann muss ich nicht darüber nachgrübeln.“ Vicki Vale nickte grimmig, noch immer etwas wütend auf sich selbst. „Weil Sie Ihre ganze Konzentration zum Tanzen benötigen, stimmt´s?“ Christian lachte unterdrückt. „Ja, das trifft den Kern der Sache. „Na, dann geben Sie sich jetzt mal Mühe.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)