Dämonenkind von Miana ================================================================================ Kapitel 6: Der Knochenmann -------------------------- Per Losverfahren wurde entschieden, wer Ruffy bei der Expedition auf das Geisterschiff begleiten soll. Und so schippert er nun mit einem genervten Sanji und einer vor Angst zitternden, nicht sehr begeisterten Nami zu dem ächzenden Schiff. Lysop entscheidet sich indessen seine Gesiterabwehrausrüstung anzulegen und läuft nun nervös auf dem Deck auf und ab, bekleidet mit einem blauen Cape, einem übergroßen Hut, einer Kette aus Knoblauchknollen um den Hals und einem Kreuz fest umklammert in seiner Hand. Auch Chopper bibbert vor Angst und macht sich Sorgen um seine Freunde, die geradewegs dem Tod entgegenpaddeln. Robin hingegen ist von der ganzen Situation sichtlich unbeeindruckt und widmet sich entspannt dem Gießen der Blumen, während Franky angespannt in Richtung des Schiffes blickt. Auch der Schwertkämpfer wirkt unruhig, seit er das Skelett an der Reling gesehen hat. „Du hast dich im Kampf zurückgehalten“, werfe ich ihm vor und geselle mich neben ihn, ohne ihn dabei anzusehen. „Warum?“, frage ich nach meiner Feststellung. Meine Aussage scheint ihn zu überraschen. Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht er mich an. Es macht mich wütend, wenn ich an den Kampf zurückdenke. Als wäre das die Leistung eines Piraten gewesen, auf dessen Kopf 120 Millionen Berry ausgesetzt sind. Mit vor Zorn verzerrtem Gesicht wandert mein Blick seitlich zu Zorro, ohne dabei meinen Kopf zu drehen. Nach kurzer Bedenkzeit verzieht er seine Mundwinkel zu einem gequälten Lächeln. „Ich habe dich wohl gewaltig unterschätzt.“ Doch statt der erwarteten Zufriedenstellung, die ich durch seine Antwort erhofft habe, reagiere ich nur noch verärgerter und verschränke die Arme vor der Brust. „Das ist der größte Fehler, den du nur machen kannst – einen Gegner zu unterschätzen. Das ist dir doch klar, oder?“ Ich versuche nach außen hin ruhig zu bleiben. „Ja“, antwortet er einsichtig. Auf seinen Lippen liegt ein wehmütiges Lächeln. „Es ist nur…“, fügt er zögerlich hinzu. „Unser Kampf hat mich ein wenig an meine Kämpfe mit meiner Kindheitsfreundin erinnert.“ Mit einem nostalgischen Ausdruck im Gesicht legt er seinen Kopf in den Nacken. Ich beobachte ihn aus den Augenwinkeln heraus. „Kuina. Ich gab ihr ein Versprechen, weißt du?“, er dreht sich leicht in meine Richtung. Schweigend lausche ich seiner Geschichte. „Wir haben uns damals versprochen, dass einer von uns beiden einmal der beste Schwertkämpfer der Welt werden würde.“ „Da scheint sie meines Erachtens bessere Chancen zu haben“, erwidere ich harsch und verschränke meine Hände hinter dem Kopf. „Sie ist tot.“ Die Traurigkeit in Zorros Stimme löst ein unangenehmes Gefühl in mir aus und jagt eine Gänsehaut über meinen Körper. Sofort löse ich meine entspannte Haltung. „Das tut mir leid“, sage ich mit vollem Ernst. Zorro weicht meinem Blick aus. Eine unangenehme Stille macht sich zwischen uns breit. Eine drückende Stille, die gebrochen werden will. „Dann hast du ja noch ein ganzes Stück Arbeit vor dir“, ergreife ich zuerst das Wort. „Um der beste Schwertkämpfer der Welt zu werden, musst du Mihawk besiegen. Das wird nicht leicht.“ „Bist du Falkenauge denn schon mal begegnet?“ Verwundert sieht er mich an. In seinem Blick liegt ernsthaftes Interesse. Kurz überlege ich. „Ja, das könnte man so sagen.“ Mein Blick weicht dem seinen aus. „Wirklich? Ich habe auch mal gegen ihn gekämpft“, fährt er fort. Neugierig beäuge ich ihn aus den Augenwinkeln. „Ich hatte keine Chance. Er ist unglaublich stark. Ihm verdanke ich diese Narbe hier.“ Er deutet auf die Stelle auf seiner Brust, die eine gewaltige Narbe zeichnet. Sie scheint von einem einzigen Schwerthieb ausgegangen zu sein. Wehmütig denke ich an meine Trainingskämpfe mit Mihawk zurück. Er war immer streng mit mir, nahm keine Rücksicht auf mich oder darauf, dass ich ein Mädchen war. Aber er war auch sehr geduldig. Umso mehr ärgert mich noch immer der Kampf gegen Zorro. Er gab mir das Gefühl, dass man ein Mädchen im Kampf nicht ernst nehmen müsste. Es war die reinste Demütigung. Umso mehr genoss ich in diesem Moment meinen Sieg und noch viel mehr seine Niederlage. In seinen Augen sah ich die Blamage, die er hat einstecken müssen, und es gab mir ein Gefühl der Genugtuung. „Hast du deine Narbe auch aus einem Kampf mit ihm?“ Zorros neugierige Stimme holt mich zurück in die Gegenwart. Ich folge seinem Blick, der zu meinem Bauch führt. Die lange Narbe, die sich von meinem Bauchnabel bis knapp unter mein Herz auf meiner Haut abzeichnet, ist durch das bauchfreie Top gut zu erkennen. „Nein. Die ist nicht von ihm“, antworte ich ihm nur knapp, ohne näher darauf einzugehen. Auch wenn das Training mit Mihawk hart war und ich viele Wunden einstecken musste, so verletzte er mich nie lebensbedrohlich. Ich vermisse ihn. Mein wehmütiger Blick bohrt sich in das dunkle Meer und die ruhigen Wellen, die zwischen den zwei Schiffen hin und her schwappen. „Verstehe. Du redest auch nicht gern über Vergangenes“, stellt Zorro fest und fragt nicht weiter nach. Ich bin ihm dankbar dafür, auch wenn ich das niemals zugeben würde. Gedanken an meine Vergangenheit schmerzen mir. Noch immer. Gedanken an meine Zukunft bereiten mir Sorgen. Ich habe so viel Wichtigeres zu tun, als mit diesen Kindern hier Pirat zu spielen. Meine Fingernägel bohren sich in meine zur Faust geformten Hand. Ein lauter Schrei reißt mich aus meinen Gedanken. Er kommt von dem Geisterschiff und es klang sehr nach Nami. Jedoch nicht nach einer ängstlichen Nami. Viel mehr nach einer wütenden Nami. Nur kurze Zeit darauf, kehrt der kleine Erkundungstrupp vom Geisterschiff zurück. Auch das Skelett, das wir zuvor auf dem Schiff haben stehen sehen, kommt an Bord. Sofort herrscht Unruhe. Lysop und Chopper verfallen in sofortige Panik und versuchen das hochgewachsene Skelett mit Lysops Kreuz auf Distanz zu halten. Der Knochenmann hingegen gibt sich gelassen und verbeugt sich höflich vor uns. „Hallo“, sagt er zur Begrüßung. „Es kann sprechen!“ Lysop klingt als bekäme er gleich einen Herzinfarkt. „Vielen Dank für die freundliche Einladung. Ich habe schon ewig keine Menschen mehr gesehen“, fährt der Knochenmann fort. „Du wurdest nicht eingeladen“, protestiert Lysop lautstark. Erst jetzt unterbricht Ruffy sein heiteres Lachen. „Doch. Von mir.“ „Das war ja klar“, seufzt Franky, während Robin nur amüsiert auflacht. Interessiert blickt das Skelett zu Robin und tritt näher auf sie zu. „Oh. Da ist ja noch eine hübsche Frau in eurer Crew. Verzeihung, aber… Würdest du mir dein Höschen zeigen?“ Verdutzt blickt Robin ihn an. Noch bevor sie ihm antworten kann, fliegt plötzlich Namis Schuh an den Kopf des Skeletts. Der Flugbahn folgend erkenne ich eine äußerst wütende Navigatorin. Offensichtlich wurde sie auf dem Schiff bereits dasselbe gefragt. Das würde erklären, weshalb sie auch ihren anderen Schuh nicht mehr an den Füßen trägt. „Verzeihung, aber wenn meine Augen eine solche Schönheit erblicken, kann ich nicht anders. Dabei habe ich ja gar keine Augen. Yohohohohoh!“ Das schrille Lachen des Skeletts durchdringt meine Ohren. Sollte das etwa lustig sein? Was ist das bloß für ein Typ? „Hey, Ruffy. Was soll das? Wer ist der Kerl?“ Zorros Stimme nach zu urteilen, findet auch er diese Szene sehr skurril. Doch Ruffys breites Grinsen verheißt nichts Gutes. „Das ist Brook. Er wird ein neues Mitglied unserer Bande!“ Für einen kurzen Moment herrscht eisige Stille unter den Anwesenden. Diese wird kurz darauf von lauten Schreien, kräftigen Protesten seitens Lysop und Chopper und skeptischen Blicken der anderen Crew-Mitgliedern unterbrochen. Mir kann es ja eigentlich egal sein, wen ihr Captain da alles in seiner Crew haben will. Auf der nächsten Insel bin ich diese Verrückten wieder los, denke ich und verschränke gelassen die Arme vor der Brust. „Ich traue meinen Augen nicht. Dabei habe ich ja gar keine Augen“, höre ich die Stimme des Skelettmannes neben mir, der mich gebannt anstarrt. „Es gibt ja noch eine hübsche Frau auf diesem Schiff!“ Gelangweilt ziehe ich meine Augenbrauen nach oben. „Sag, würdest du mir dein Höschen zeigen?“ Für einen kurzen Moment blende ich das Chaos um mich herum aus und beäuge den Knochenmann von oben bis unten. Ich warte kurz, um zu sehen ob nicht gleich noch einer von Namis Schuhen geflogen kommt. Dann seufze ich und zucke mit den Schultern. „Wieso nicht?“, gebe ich nach und beginne damit meinen Nietengürtel zu öffnen. Dieser arme Knochenhaufen hat schon jahrelang keine Menschen mehr gesehen. Frauen vermutlich noch länger nicht. Und was sollte er mir schon groß weggucken. Er hat ja noch nicht einmal Augen, wie er selbst mehrfach erwähnt hat. Außerdem trainiere ich ja auch nur leicht bekleidet. Es stört mich nicht, mich freizügig zu zeigen. Wir sind alle nur Menschen und nackte Haut ist etwas völlig Natürliches. Ich wüsste nicht, wovor man sich schämen müsste. Diese Hemmungen habe ich schon sehr früh abgelegt. Ich löse den Knopf an meiner Jeans und lasse meine Hände zum Hosenbund gleiten. Plötzlich liegt aller Aufmerksamkeit auf mir, was mich in meiner Bewegung kurz stoppen lässt, um mich umzusehen. Gelassen fahre ich fort. „Was zur Hölle machst du da?!“, brüllt Nami mich an, stürmt auf mich zu und versucht mich daran zu hindern, mich zu entblößen. Dabei lässt sie es sich nicht nehmen, auf dem Weg zu mir im Sprung Brook noch einen Tritt für seine unanständige Bitte zu verpassen. „Du kannst dich doch nicht einfach so ausziehen!“, brüllt sie weiter und zieht mich an, wie eine Mutter ihr Kind anzieht. „Doch, kann ich“, antworte ich gelassen, ohne dass es mich weiter interessiert, was Nami vor mir keift. Wieder kichert Robin in sich hinein und die Stimmung an Deck wirkt deutlich entspannter. Beinahe haben sie vergessen, dass sich ein lebendes Skelett unter ihnen befindet. „Wie wäre es, wenn wir erst einmal reingehen und etwas Herzhaftes essen und uns ein wenig besser kennen lernen. Ich habe schon seit Ewigkeiten nichts mehr in den Magen bekommen. Da fällt mir ein, ich habe ja gar keinen Magen! Yohohohohoh!“, schlägt Brook vor. „Oh, super! ESSEN!“, ruft Ruffy freudig heraus. Sanji krempelt bereits seine Ärmel nach oben – bereit die Kochlöffel zu schwingen. Nach dem herzhaften Essen, das Sanji dem ungeduldigen Gast und dem ebenso ungeduldigen Captain versprochen hat, erzählt Brook von seinem ehemaligen Leben als Pirat und von seiner Teufelskraft, der Totenreich-Frucht. Diese holte ihn damals ins Leben zurück, als er gemeinsam mit seinen Freunden starb. Da jedoch der Nebel, in dem wir derzeit ebenfalls feststecken, so dicht war, fand seine Seele seinen Körper erst nach einem Jahr wieder. In dieser Zeit war Brooks Körper allerdings bereits verwest und so wandelt er nun als lebendes Skelett umher. Lediglich sein Afro sei ihm wegen seiner starken Haarwurzeln geblieben. Seit diesem Tag schippert er völlig alleine auf dem Schiff durch die dichten Nebelschwaden. Geplättet von einer solchen Geschichte verschränke ich stumm meine Finger vor meinem Gesicht und stütze meine Ellbogen auf dem bereits aufgeräumten Tisch ab. Er war also lange Zeit ganz allein. Genau wie ich, denke ich beinahe schon mitfühlend. Schnell vertreibe ich die Sentimentalität aus meinem Kopf. „Das heißt, du bist kein Geist. Aber auch kein richtiger Mensch“, stellt Lysop grübelnd fest. „Was? Ein Geist? Wenn ich einen echten Geist sehen würde, würde ich schreiend davonlaufen!“, gesteht der Knochenmann. „Hm? Hast du eigentlich schon mal in den Spiegel geschaut?“, sagt Nami ungläubig und streckt ihm einen kleinen Handspiegel entgegen. Doch zum Entsetzen aller spiegelt sich das Skelett darin nicht. Erneut entsteht Panik. Lysop stellt außerdem erschrocken fest, dass Brook keinen Schatten besitzt. Brook setzt sich wieder auf seinen Stuhl und beginnt die Situation mit ruhiger Stimme zu erklären. „Das ist so. Während meiner Reise, wurde mir der Schatten gestohlen.“ „Gestohlen?“, unterbricht ihn Ruffy neugierig. Das Skelett nickt. „Ja. Wenn einem der Schatten gestohlen wird, kann man sich nicht mehr frei im Sonnenlicht bewegen. Sobald einen die Sonnenstrahlen treffen, verbrennt man. Ich musste es mit meinen eigenen Augen mit ansehen.“ Obwohl er keine Augen mehr hat, die seine Gefühle reflektieren könnten, merkt man ihm seine Wehmut und Trauer deutlich an. Plötzlich beginnt er zu schluchzen. „Es… es ist so schön, Menschen getroffen zu haben! Ich war so einsam. Ich habe sogar an den Tod gedacht. Doch jetzt bin ich froh, dass ich noch lebe. Danke, dass ihr so nett zu mir ward! Aber ich kann euer Angebot nicht annehmen. Ich werde kein Teil eurer Bande. Ich würde da draußen nicht lange überleben“, erklärt der Knochenmann. Ruffys Blick wird ernst. „Blödsinn! Sag uns, wer deinen Schatten gestohlen hat. Wir holen ihn dir zurück!“ Siegessicher ballt er die Hände zu Fäusten. Doch Brook lehnt ab. Er fürchtet um unser Leben und ist der Überzeugung, dass es niemand mit dem Kerl aufnehmen kann, der seinen Schatten gestohlen hat. Seltsamerweise kommt mir diese Schatten-Geschichte irgendwoher bekannt vor. Nachdenklich reibe ich mir das Kinn. Brook zückt währenddessen eine Geige und beginnt eine altbekannte Melodie zu spielen – Bink’s Rum. „Wisst ihr, ich bin Musiker“, gesteht er und gibt sich ganz dem Klang seiner Violine hin. Just in diesem Moment schwebt ein Geist an der Decke des Speisesaals umher. Für einen kurzen Moment ist es totenstill, bevor Chopper, Lysop, Nami und auch Brook das Schreien anfangen. Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen und meine Hand liegt bereits auf dem Griff meines einen Katana. Doch so schnell wie der Geist aufgetaucht ist, so schnell verschwindet er auch wieder durch die Wand. Brook stürmt hastig nach draußen, gefolgt von der gesamten Crew. Er blickt in den Nebel, der langsam etwas offenbart, das vorher nicht zu sehen war. „Sagt mal… Habt ihr in letzter Zeit etwa ein Fass aus dem Meer gefischt?“, fragt er mit zitternder Stimme. Als ein Teil der Mannschaft nickt, fährt er fort. „Dann ist dieses Schiff schon seit längerer Zeit unter Beobachtung. Das da vorne ist die umhertreibende Geisterinsel Thriller Bark.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)