Diabolique: Fatalité von Lady_Shanaee (La fatalité triomphe dès qu'on croit en elle...) ================================================================================ Prolog: Vorwort: Gefunden am Ende der Welt ------------------------------------------ Diabolique: Fatalité eine Diabolik Lovers - FanFiction von Er hat mich gefunden. Ich hatte mich in ein kleines Wüstendorf in Afrika – gefühlt das Ende der Welt – zurückgezogen, doch er hat mich gefunden. Vielleicht hätte er mich ziehen gelassen oder mich getötet, damit alles weiterhin im Verborgenen passieren kann, was dieser Mann seit mehr als einem Jahrtausend an verrückten Plänen verfolgt. Wenn ich nicht wäre, was ich bin... und wenn nicht geschehen wäre, was geschehen ist... Prolog: - Nächtliche Rückkehr - ------------------------------- Diabolique: Fatalité eine Diabolik Lovers - FanFiction von   »Sugu ni tomete kudasai! – Bitte halten Sie sofort an!«, rief ich dem Taxifahrer zu, sobald ich wieder wusste, wo ich war. Mein Japanisch kam sehr eingerostet über meine Zunge, so als müsste nicht nur mein Kopf nach den Worten suchen, sondern auch mein Kiefer. »Nein. Der Herr hat gesagt, ich soll dich an der Adresse da absetzen, und genau das werd’ ich tun.« Mein Kopf arbeitete schneller, schüttete die vergangenen Tage über mich aus wie einen Eimer kaltes Wasser.   Gestern war ich noch im tiefsten Afrika gewesen, eingewickelt in ein großes, buntes Tuch wie alle Frauen des winzigen Dorfes. Barfuß und mit den Tieren meiner Gastfamilie hatte ich mich täglich in der hügeligen Landschaft auf die Suche nach ausgedörrtem Gras und Wasser gemacht, damit ihre Milch nicht versiegte. Kinder mit Ketten aus bunten Holzperlen um den Hals hatten um mich herum gespielt und getobt, wollten in den wie Nussschalen klickenden Lauten ihrer Sprache eine Geschichte oder Lieder hören, während das Vieh auf dem kargen Boden graste. Die Regenzeit würde bald kommen und alles überfluten, frisches Grün würde aus dem Boden sprießen wie an einer Schnur herausgezogen… aber noch war es nicht soweit. Noch war das Essen kärglich, das Wetter zwar nicht heiß, aber trocken. Ein Kampf um das Mindeste, was man zum Leben brauchte, herrschte hier noch – weitab von allem, was man nach europäischen Maßstäben ›bescheidenen Luxus‹ nennen konnte und wie er an der Ostküste der Provinz geboten wurde… Spät am Nachmittag, als sich der Himmel von der untergehenden Sonne rot färbte, hatten wir uns auf den Rückweg gemacht. Hier wurde es fast schlagartig dunkel und sehr kalt wenn die Sonne untergegangen war, so als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Im Dorf hatte uns mein Gastvater erwartet, neben dem ein hochgewachsener Mann stand. Er hatte mich lächelnd nähergewunken, während die Kinderschar sich zerstreute, nachdem sie Ziegen, Rinder und Hühner in kleine, hölzerne Verschläge gesperrt hatte, damit sie geschützt vor den wilden Tieren waren, die auf der Suche nach Beute manchmal sogar durch das Dorf streiften und töteten. Lautlos. »Sawubona«, begrüßte ich den alten Mann, der mich wie ein geliebtes Kind bei sich aufgenommen hatte, obwohl er mich nicht kannte… und auch dem Fremden nickte ich zum Gruß zu. »Sibuyile, baba. – Wir sind zurück, Papa.« Zulu fiel mir noch immer schwer: Ich kannte zwar die Bedeutung der Worte, doch die richtige Aussprache blieb für mich ein Kunststück. Klicklaute wie in ›icici‹, dem Ohrring, ›umgexo‹, der Halskette oder ›qongqothwane‹, dem Klopfkäfer aus einem traditionellen Hochzeitslied, waren für mich nahezu unaussprechbar und Grund für die Dorfbewohner, mich zu belächeln. Nur mein Gastvater, einer der ältesten, hatte das nie. »Shiboka, meine Tochter«, erwiderte er meinen Gruß und umarmte mich. Seine Stimme war brüchig und leise, verwittert und verlebt wie sein Gesicht. Als er mich dann losließ, musterte er mich mit einem Ausdruck, den ich noch nie bei ihm gesehen hatte. »Du bist vor einiger Zeit zu uns gekommen und hast das Vergessen gesucht.« Ich kannte meinen Gastvater nur als schweigsamen Mann, aber der schlichte Umstand, dass er nun mit einem Fremden an seiner Seite auf mich gewartet hatte, bereitete mir Sorgen. Der Unbekannte war fast zwei Köpfe größer und trug die Kleidung der Tuareg. Er hatte sich so in die teuren, indigoblauen Stoffbahnen gehüllt, dass nur seine Augen zu sehen waren, und ihr Blick klebte an mir, wie eine Horde Bienen an einem Stock mit Honig. Diese Augen hatten dieselbe goldgelbe Farbe, doch genauso ungewöhnlich war die Haut um sie herum: Viel zu hell für einen, der aus der Sahara stammen wollte… Angst kroch meinen Rücken hinauf wie ein Skorpion. Obwohl es immer noch drückend warm war, wurde mir eiskalt. »Ich bin dankbar, in deiner Familie und deinem Haus Zuflucht gefunden zu haben«, antwortete ich langsam und meinte es ernst. »Jetzt ist es Zeit für dich, deinem Schicksal zu folgen«, entgegnete mein Gastvater, und der Mann neben ihm streckte die Hand nach mir aus. »Viens, laisse-nous partir«, sagte er dunkel auf Französisch, und bei mir stellten sich alle Nackenhaare auf. Ich begann zu zittern. Komm, lass’ uns gehen. »Nein«, stieß ich noch hervor, atemlos – dann wurde alles um mich herum schwarz. Der letzte Gedanke hatte mein Gehirn durchzuckt wie ein Blitzschlag: Er hat dich gefunden. Du hättest früher gehen sollen…   Tja… und nun hockte ich in einem Taxi, das in der Nacht auf einer einsamen Straße durch einen so dunklen Wald fuhr, dass die Bäume an den Seiten wie ein pechschwarzes Band wirkten. Außerdem schien der Himmel sich meiner Stimmung anpassen zu wollen und hatte seine Schleusen überschwänglich geöffnet. »Onegai desu… – Bitte…«, versuchte ich es noch einmal verzweifelt. Der Fahrer schüttelte murrend den Kopf. »Ich kann dich hier nich’ rauslassen. Am Ende wirst du noch von wilden Wölfen gefressen.« Die Wölfe würden mein kleinstes Problem sein, wenn ich nicht aus diesem verfluchten Gefährt herauskam. Ich rüttelte am Türgriff – vergeblich. »Dann kehren Sie um und bringen mich bitte zu einem Ryokan«, schlug ich hoffnungsvoll vor und erntete ein erneutes Kopfschütteln. »Hör’ mal, Ojou–san, dein Verlobter hat mir 350.000 Yen bezahlt, damit ich dich gesund zu ihm in dieses Geisterhaus bringe – und genau das werd’ ich tun. Für den Preis liefere ich dich sogar vor den Toren der Hölle ab, wakatta? Verstanden?« Ich hielt mir erschrocken die Hand vor den Mund, um ein erstauntes Aufkeuchen zu unterdrücken: Mei–mein Verlobter?! Wovon redete dieser Kerl? Und wie viel Geld waren 350.000 Yen? In welcher Währung? Für den Mann am Steuer mochte es nur eine Redewendung sein, doch für mich waren seine Worte, als hätte er tatsächlich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Karlheinz verstand es wie eh und je, andere seine Dreckarbeit machen zu lassen. Ich war über 150 Jahre lang fort gewesen. Jetzt zwang mich ein rasendes… Taxi, dessen Türen ein dickköpfiger Fahrer verriegelt hatte, zurückzukehren… Das efeubewachsene Anwesen, dessen Schlichtheit pures Understatement war, wenn man Karlheinz’ Schloss einmal gesehen hatte, kam in Sicht. Die kleine Stadtvilla thronte dunkel auf einem Hügel und war nur über eine Treppe zu erreichen. Mein Widerwille wurde zu Wut, je näher wir der einsam davor leuchtenden Straßenlaterne kamen. Der Fahrer fuhr so schnell, dass ich die Räder auf der nassen Straße durchdrehen hörte, und kam schließlich mit quietschenden Reifen schlitternd zum Stehen. Der Mann sprang heraus, lief hektisch zur Rückseite seines Wagens, öffnete den Kofferraum und zerrte einen großen, dunklen Koffer heraus. Dann erst öffnete er die Verriegelung und mir die Tür. »Sieh’ zu, dass du ins Trockene kommst, der Regen wird immer schlimmer. Hier, dein Gepäck.« War er vorher noch dienstbeflissen und unterwürfig bemüht, seinen Auftrag zu erfüllen, war ihm nun daran gelegen, schleunigst wieder von hier zu verschwinden. Den Koffer kaum unter der altmodischen Laterne abgestellt, sprang er auch schon wieder auf den Fahrersitz. Die Reifen des Autos kreischten, als der Motor aufheulte, noch bevor die Tür geschlossen war. Wenige Augenblicke später sah ich nur noch die Rücklichter die Straße hinunterschweben. Für mehr war es einfach zu dunkel. Dennoch machte ich mich ebenfalls in diese Richtung auf den Weg. Um nichts in der Welt würde ich hierbleiben und dieses Haus betreten, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ…   Es war kalt durch den Regen, der es schaffte, mich innerhalb von Minuten komplett zu durchnässen, doch entschlossen stapfte ich am Waldrand neben der Straße durch Nacht und Matsch. Der Koffer gehörte nicht mir, also ließ ich ihn dort zurück, wo ihn der Taxifahrer abgestellt hatte. Mit etwas Glück fuhr ein anderes Auto vorbei, das mich mitnehmen konnte… Bald klapperten meine Zähne, und meine Füße fühlten sich an wie Eisklumpen. Die Dunkelheit, die Wald und Straße miteinander verschmelzen ließ, zwang mich, von Zeit zu Zeit zum Himmel zu blicken: Sein bleigraues Band war mir wie ein Wegweiser, an dessen Rändern die Baumwipfel wie ungleichmäßige Scherenschnitte aussahen. Ohne diesen minimalen Kontrast wäre ich hoffnungslos im Kreis gelaufen. Kein Tier war zu hören, der Regen übertönte das Rauschen des Windes… oder der Wind übertönte das Rauschen des Regens… Ich verlor das Gespür für Zeit, während ich so vor mich hinmarschierte, und die Nacht schien endlos. Vermutlich hatte ich noch Nachwirkungen von Karlheinz’ der Hypnose, denn die Zeitverschiebung von Afrika nach Japan stahl mir einen halben Tag. Ich hatte schon vieles verloren, aber Tage…? Doch, Tage waren es auch schon gewesen. Vom Zorn auf meine Erinnerungen beflügelt und mit neuer Kraft setzte ich einen Matsch–Eisklumpen vor den anderen. Weiter. Immer weiter. Der nächste Schritt. Und der übernächste. Weiter. Bis zur Stadt. Ich war durch die verdammte Wüste gelaufen und hatte die Hölle überstanden. Das hier war lediglich ein Wald in der Nacht. Wilde Tiere griffen nur an, wenn sie sich oder ihren Nachwuchs bedroht sahen oder auf Beute aus waren, das hatte ich inzwischen gelernt. Dem Vieh, das mich fressen wollte, würde ich die Augen ausstechen und die Nase einschlagen.   - Ende des Prologs - Arc 1: Die heimgesuchte, dunkle Braut - Dark 1: - Alles umsonst - ----------------------------------------------------------------- Diabolique: Fatalité eine Diabolik Lovers - FanFiction von   Schon vor meinem Leben im Süden Afrikas hatte ich ›Lichtverschmutzung‹ scheußlich gefunden. Sie machte die Nacht zum Tag und erhellte die Städte bis hinauf in die Wolken. Als Symbol für die Ängste der Furchtsamen stahl sie ihnen den tiefen, erholsamen Schlaf und beraubte den Himmel seiner Sterne. Das war das erste, was mir in der Nähe der Stadt auffiel, in der sich diese Vampire niedergelassen hatten. Dabei war es nicht die Dunkelheit selbst, die man fürchten sollte, sondern die Kreaturen, die sich in ihr herumtrieben, denn gegen diese half kein noch so helles Licht. Es gab sie auch am Tag, doch da sah man sie nur selten. Leider machte sie das nicht weniger gefährlich… Als der grauschwarze Himmel über den Bäumen allmählich in ein schmutziges Orange überging, wusste ich, die Stadt war nicht mehr weit. Ich würde Schutz vor dem Regen finden, könnte mich ausruhen… vielleicht ein Bad nehmen und mich aufwärmen, etwas essen… Von Zuversicht erfüllt stapfte ich mit klappernden Zähnen weiter. Der Gedanke an heiße Schokolade mit Schlagsahne und ein warmes Bett gaben mir Kraft. »Es entzieht sich meinem Verständnis, warum Menschen stets willens sind, so viel Aufhebens wie möglich um sich zu veranstalten.« Zuerst klang die Stimme wie ein Rauschen in den Bäumen, doch dann stieß ich beinahe mit dem Mann zusammen, der urplötzlich genau vor mir erschien. Aus seiner pechschwarzen Silhouette glühten mir tiefrote Augen entgegen. Wie auf ein geheimes Stichwort schoss eine ebenso schwarze Limousine die Straße hinauf. Ihre Scheinwerfer durchschnitten die Dunkelheit wie zwei Messer, und der Motor dröhnte laut, selbst im Prasseln des Regens. Geblendet von der plötzlichen Lichtquelle kniff ich die Augen zusammen. »Einsteigen«, sagte der Mann und öffnete mit weiß behandschuhter Hand die hintere Tür. »Aber pass auf, dass du nicht alles schmutzig machst.« Immer noch so schlechte Manieren, schoss es mir durch den Kopf. »Nein«, widersprach ich, als mein Blick von jener Hand über den dazugehörigen Arm nach oben wanderte – bis zum Gesicht Reiji Sakamakis. Grauschwarzes Haar, dessen Strähnen ein Stück zu lang in Stirn und Nacken reichten, um als gepflegt zu gelten und schmale Augen in der Farbe von Königspurpur, umrahmt vom rechteckigen Gestell seiner silbernen Brille… weiße Haut und ein Gesichtsausdruck, der die Verachtung für die Welt perfekt widerspiegelte… Verwechslung ausgeschlossen. »Gemeinhin versteht man unter einer Aufforderung ohne das Wort ›bitte‹ einen Befehl, dem man Folge zu leisten hat. Also, steig’ ein.« Mein Kiefer verweigerte vor Zähneklappern den Dienst, also stapfte ich zischend um Reiji herum, weiter meinem Ziel entgegen. Seine Worte waren einfach absurd. »Bekommen wir jetzt eine zweite Opferbraut?«, hörte ich eine Kinderstimme hinter mir, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Ich beschleunigte meine Schritte. »Das muss uns dieser Nichtsnutz sagen, wenn wir wieder zurück sind«, hörte ich Reiji hinter mir, bevor mich jemand am Handgelenk packte und herumwirbelte, bis ich gegen eine männliche Brust taumelte. Arme schlossen sich um mich und hielten mich fest. Als ich erschrocken zur Seite blickte, sah ich in zwei katzenhafte, grüne Augen. Der Junge, zu dem sie gehörten, hatte schulterlanges, tiefrot gelocktes Haar und trug einen dunklen Hut… Laito. Für mich war er schon immer der attraktivste der Drillinge gewesen – doch er war gefährlich und unberechenbar wie eine Klapperschlange. »Maaa… ma«, gurrte er und schenkte mir eines seiner verspielten Lächeln, »wir wollen Reiji doch nicht noch mehr verärgern, als er es ohnehin schon ist. Im Gegensatz zu mir bestrafen einige Leute hier Ungehorsam nämlich ziemlich gern… Obwohl ich schon gerne sehen würde, was für ein Gesicht du dann machst.« Ich hatte nichts gemacht, was eine Strafe verdient hätte und zappelte, als Laito unsere Schritte in Richtung Limousine lenkte, doch seine Umarmung wurde nur umso fester. Dann folgte ein unnachgiebiger Druck auf meinen Kopf und in den Rücken… Wütend biss ich die Zähne zusammen, denn Laito stand so dicht hinter mir, dass ich ihn nicht einmal treten konnte. Seine Hüften schoben mich nach vorn ins Auto, und ich wusste, er würde nicht zögern, mir Genick oder Rückgrat zu brechen, wenn ich jetzt anfing zu schreien und um mich zu schlagen. Angst breitete sich in mir aus, doch ich schwieg. Scheinbar gehorsam und wie von selbst kletterte mein Körper auf die dunklen Ledersitze. »So ein liebes Mädchen«, zwitscherte Laito und setzte sich mit der Geschmeidigkeit einer großen Katze seinem Bruder Kanato gegenüber – genau neben mich. Um ehrlich zu sein, hatte ich ihn für diese eleganten Bewegungen immer bewundert… und tat es immer noch. Gegen ihn war jede Prinzessin ein Trampeltier. Selbst Reiji, die versuchte Verkörperung von Stil und Eleganz, reichte nicht an ihn heran, denn im Vergleich zu Laito ließ er sich buchstäblich in die Polster fallen. Ein Klopfen von ihm an das Wagendach, und die Limousine setzte sich in Bewegung. Das Gesicht halb hinter seinem Teddybären versteckt musterte Kanato mich aufgeregt, und ich fragte mich, ob er mich erkannte. »Sieh mal, Teddy, wie schmutzig sie ist«, wisperte er und drehte sein Plüschtier zu mir herum, bis es mich aus seinem einen, blinden Knopfauge anstarrte. »Sie hätte den Schirm aus dem Koffer nehmen sollen, damit sie nicht nass wird, nicht wahr? Ob sie dumm ist, Teddy?« »Der Koffer gehört mir nicht«, entgegnete ich, bevor ich ihm das Vieh um die Ohren hauen konnte. »Es wäre Unrecht, etwas daraus mitzunehmen.« Reijis beunruhigende Augen richteten sich auf mich. Dass er eine Brille trug, verstärkte ihren skeptischen Ausdruck. »Bedeutet das, dass wir dich irrtümlich in die Residenz bringen und völlig umsonst diese Unannehmlichkeiten auf uns genommen haben?«, fragte er, die Stimme eiskalt. Wasser lief über sein Gesicht und tropfte von seinen Haarspitzen auf seine Schultern, doch im Gegensatz zu mir schien ihm das nicht das Geringste auszumachen. »Ja«, antwortete ich in vollster Überzeugung, dass auch sie mich nicht dort haben wollten. »Nein«, widersprach Laito amüsiert. »Subaru-kun und Ayato-kun haben gesehen, wie ein Taxifahrer sie unter der Laterne vor dem Haus abgesetzt hat.« Reiji hob fragend eine Augenbraue, und Kanatos große, runde Augen wurden noch größer. »Ein Irrtum«, beharrte ich, senkte den Kopf und starrte auf meine zur Faust geballten Hände. Mein Körper wollte vor Kälte und Angst zittern, doch ich wollte absolut nicht, dass es irgendjemand merkte. Ich durfte keinesfalls die Fassung verlieren. Aus den Augenwinkeln erkannte ich, wie Reiji mich mit seinem Blick sezierte. »Der Nichtsnutz wird uns aufklären, sobald wir angekommen sind«, verkündete er schließlich. »Ist es ein Irrtum, werden wir kein weiteres Wort darüber verlieren, und du wirst gehen. – Im anderen Fall wirst du bleiben.« Seine Stimme klang, als sei bereits alles entschieden, und ich trat mich geistig in den Hintern dafür, dass ich meine Spuren nicht gut genug verwischt hatte. Oder war ich tatsächlich so gut versteckt gewesen, dass man mich erst jetzt aufgespürt hatte und nicht schon früher? Tatsache war, dass ich zu lange an demselben Ort verweilt hatte – wie klein und unbedeutend er auf der Landkarte auch gewesen war. Oder hatte Karlheinz mich in Wirklichkeit nie aus den Augen verloren und es genossen, wie ich mich in trügerischer… in falscher Sicherheit wähnte? Wenn das der Fall war… mir wurde flau im Magen und das nicht vor Hunger. »Schau, Teddy, die Frau sieht aus wie ein gehetztes Tier«, flüsterte Kanato. »Ob sie weiß, dass sie unser Abendessen sein wird?« Er kicherte, während er seinem Kuscheltier über den Kopf strich und es liebevoll an sich drückte. Mir stellten sich die Nackenhaare auf, als ich ihn so aus den Augenwinkeln beobachtete. Gewaltsam unterdrückte ich den Impuls, panisch zu versuchen, die Autotür aufzureißen und Kanato mit einem Fußtritt hinauszubefördern, in der törichten Hoffnung, der Aufprall auf der Straße und die Geschwindigkeit brächen ihm das Genick. Doch da hielt der Wagen schon an seinem Ziel und stoppte alle meine Gedanken. Das Haupttor unter dem Balkon auf der linken Seite öffnete sich und ein alter Mann im Anzug trat heraus, spannte einen Schirm auf und kam uns entgegen, um die Limousinentür zu öffnen. »Na dann…« Laito zwinkerte mir zu und stieg aus. Der Butler reichte ihm einen weiteren aufgespannten Schirm, woraufhin er sich zurück zum Wagen drehte und mich am Handgelenk herauszog. Ich wollte mich zwar wehren und hielt dagegen, doch in seiner schmalen Hand steckte so viel Kraft und die Bewegung war so fließend, dass es für Reiji und Kanato aussehen musste, als würde ich freiwillig aussteigen und mich bei ihm einhaken. Schlimmer noch: Laitos freier Arm glitt um meine Taille und hob mich fast vom Boden hoch. Gemeinsam gingen wir in scheinbarer Eintracht die steinerne Treppe hinauf ins Haus.   - Ende Kapitel 1 - Dark 2: - Ein letzter Versuch - ------------------------------- Diabolique: Fatalité eine Diabolik Lovers - FanFiction von   »Hier entlang, bitte.« Ein weiterer Bediensteter in Livree deutete nach rechts, und ich erinnerte mich daran, dass der living room im Erdgeschoss gelegen war. Von Laito geführt ging ich einen schmalen, dunklen Flur entlang, den nur das Mondlicht, das durch die riesigen, dreigeteilten Bogenfenster hineinfiel, notdürftig beleuchtete, und an fest geschlossenen Holztüren vorbei… bis sich eine von ihnen öffnete und den Blick in ein hell erleuchtetes Wohnzimmer freigab. Der Wald und das Innere der Limousine waren dunkel gewesen, jetzt tat das plötzlich im Überfluss vorhandene Licht zweier Kronleuchter meinen Augen weh. Aufstöhnend kniff ich sie zu und legte meine Hand darüber. »Tadaima! Wir sind zurück!«, verkündete Laito fröhlich, ließ mich los und sich fallen. »Habt ihr uns vermisst?« Mit Mühe erkannte ich zwischen meinen Fingern hindurch, dass ich vor einem schwarz gepolsterten, französischen Sessel auf einem beigefarbenen Seidenteppich stand wie bestellt und nicht abgeholt. »Ich hoffe, sie war die Mühe wert«, hörte ich Reiji hinter mir und zuckte erschrocken zusammen. Neben Laitos Sessel stand eine große, dazu passende Couch, auf der jemand lag, der sich jetzt aufrichtete. Schmale, elegante Finger fuhren durch goldblonde Locken, dann wurde mein Blick gefangen in dem unwahrscheinlichsten Blau, das ich je gesehen habe. Sah man in Shuu Sakamakis Augen, sah man in den Himmel. Seine Lippen bewegten sich, und ich stellte erschrocken fest, dass ich nicht zugehört hatte. Shuu stand mit langsamen, trägen Bewegungen auf und kam seufzend zu mir. »Verstehst du, was ich sage?«, fragte er gelangweilt und zog meine Hand von den Augen, in einer Geste, die kraftlos wirkte, aber dennoch kraftvoll war. »Sie beherrscht die japanische Sprache«, antwortete Reiji an meiner statt. »Nicht besonders gut, aber ausreichend.« Dankeschön, dachte ich und unterdrückte ein Zähneknirschen. »Ist das Zimmer vorbereitet?«, fragte Shuu unbeeindruckt, aber ohne mich aus den Augen zu lassen. »Es ist alles bereit«, hörte ich diesmal die Stimme einer jungen Frau hinter mir. »Alles wurde so hergerichtet, wie der Herr es befohlen hat.« Shuu befiehlt? Reiji schnaubte unwirsch, doch Ayato kam ihm ungeduldig zuvor. Er hatte stumm in dem zweiten Sessel gegenüber dem von Laito gesessen, doch zuerst hatten ihn meine Finger und dann Shuus Schultern vor meinem Blick verborgen. »Is’ das jetzt die, wegen der wir nicht essen konnten, weil wir warten mussten, bis sie endlich da ist? «, fragte er. »Ore-sama hat Hunger! … Und wieso ist diese Frau so nass?« Shuu wandte sich ab und machte sich auf den Weg zur Treppe, die auf eine kleine Galerie und damit in den ersten Stock führte. »Sie ist nass, weil es regnet, Dummkopf. Aber der alte Mann sagt, ihr sollt sie gut behandeln: Respektvoll und gastfreundlich.« Damit verschwand er, und ich konnte förmlich hören, wie alle meine Hoffnungen – einer splitternden Glasscheibe gleich – zerbrachen. Im Gegensatz zu den anderen seiner Brüder hatte er mich erkannt. Sofort. »Heee? Wieso das denn?«, fragte Ayato, und auch Laito kicherte. Fieberhaft überlegte ich, wie ich schnellstmöglich wieder aus dem Haus herauskam, doch mein Kopf hatte keine Lösung parat – außer der, auf dem Absatz kehrtzumachen und zu der Tür zu laufen, durch die mich Laito hineingeführt hatte. Ich rannte, riss sie auf – und prallte gegen Shuus Rücken. Wie… kommt er…? Der Rückstoß war so heftig, dass ich nach hinten taumelte und nur der Türknauf in meiner Hand verhinderte, dass ich fiel. Blaues Eis schien mich festnageln zu wollen, als Shuu über seine Schulter hinweg auf mich herunter in meine Augen starrte. »Denk’ nicht mal dran, von hier weglaufen zu wollen«, sagte er dunkel und wirkte plötzlich sehr ernst. »Es würde Konsequenzen nach sich ziehen, die du nicht willst. Ich übrigens auch nicht.« Es war nicht die kalte Nässe meiner Kleidung, die mir eine Gänsehaut am ganzen Körper verursachte, sondern die Sicherheit in seiner Stimme. Sie klang so absolut wie ein in Stein gemeißeltes Gesetz, und sein Blick hielt meinen fest, bis ich buchstäblich zu atmen vergaß. Es dauerte eine Weile, bis ich bemerkte, dass die anderen ebenso überrascht waren wie ich, denn es war totenstill hinter mir. »Ich soll hier wohnen«, sagte ich schließlich so ruhig wie ich konnte, nachdem sich mein bis zum Hals schlagendes Herz langsam wieder etwas beruhigte. »Es wäre demnach sicherlich angebracht, wenn du mir das Zimmer zeigst, das mir zugedacht wurde.« Shuu seufzte und strich sich durch das Haar. »Mendokusai…«, antwortete er. »Was für ein Aufwand… Frag’ Reiji.« Ich hörte ein abfälliges Schnauben hinter mir und vermutete es von dem eben Genannten, doch es war Kanato, der das Thema wechselte. »Hör’ nur, Teddy, wie sie spricht«, murmelte er zärtlich. »Sie weiß nicht, wo ihr Platz ist… Magst du eingebildete Frauen? … Nein, ich auch nicht.« »Sie spricht wie eine Lady, Kanato«, schnurrte Laito und trat zu mir. »Allerdings ist ihre Ausdrucksweise ziemlich altmodisch.« Er beobachtete mein Gesicht, während sein übliches Lächeln einem sehr aufmerksamen, nachdenklichen Ausdruck wich. »Das erinnert mich an jemanden…« »Das weiß ich auch!«, kam es heftig zurück. »Deswegen sagt ja auch Teddy, dass sie nicht weiß, wo ihr Platz ist. Sie ist keine Prinzessin!« Zu gern hätte ich etwas dazu gesagt, doch mir fiel nichts ein, außer einer Rechtfertigung und eine Tirade über Manieren und Sprache. Ich war dazu erzogen worden, dem Ideal einer Dame aus dem 19. Jahrhundert zu entsprechen – auch wenn es inzwischen nicht mehr von Bedeutung war. Ein gewisses Verhalten und der Anspruch auf Höflichkeit mir als Frau von Stand gegenüber waren jedoch tief in mir verwurzelt, denn mein Vater hatte bei seiner Erziehung auch Gewalt nicht gescheut. Ich erinnerte mich an kräftige Schläge auf den Hintern, wenn ich widersprochen hatte und daran, dass Karlheinz genau diese resolute Art gemocht hatte – weswegen mein Vater und er sogar Freude geworden waren. Heute hingegen gab es Länder, wo eine Frau mit solchen Ansichten als naiv oder eingebildet bezeichnet wurde – doch nicht überall. Mir fiel es manchmal schwer, diese beiden Extreme für mich in Einklang zu bringen, denn ich schätzte die Möglichkeiten der modernen Zeit, mein Leben unabhängig von einem Mann führen zu können. »Wie alt bist du überhaupt?«, riss Ayato mich aus den Gedanken an Stockschläge auf den Rücken, damit ich eine gerade Haltung annahm. Ich richtete mich kerzengerade auf und blickte auf den im Sessel sitzenden Jungen. »Ich denke, das ist unwichtig«, antwortete ich kühl. »Einer Lady so eine Frage zu stellen, ist unhöflich, Ayato-kun«, fügte Laito nun wieder schmunzelnd hinzu. Reiji verzog einmal mehr das Gesicht. »Da du nun offensichtlich bei uns leben wirst, würdest du dich uns bitte vorstellen?«, befahl er frostig. Ich wollte antworten, doch so sehr ich auch nachdachte, mein Name fiel mir nicht ein. Das entsetzte mich. Die Dorfkinder hatten mich zwar ›Shosho‹ oder ›Mama‹ genannt, aber dennoch wussten jene, die es anging, zumindest meinen richtigen Vornamen. Den, der mir jetzt partout nicht in den Sinn kommen wollte. Wieso nicht? Hatte ich Angst, ihn zu nennen, weil dann meine Vergangenheit wieder lebendig würde? Oder hatte ich selbst ihn vergessen, weil ich mich so sehr an einen anderen gewöhnt hatte? Ich rieb mir mit den Fingern über die Schläfen, doch außer beginnenden Kopfschmerzen tat sich nichts. »Sie ist so dumm, dass sie nicht einmal ihren eigenen Namen weiß!«, rief Kanato triumphierend. Laitos Gesicht erschien vor meinem, mit einem besorgten Ausdruck in den Augen. Kurz verlor ich mich in diesem strahlenden Grün. Fast hätte ich geglaubt, dass ihm etwas an mir lag… »Dann müssen wir einen finden«, verkündete er und musterte mich von oben bis unten, als würde er durch mein Tuch hindurchsehen. »Iris«, sagte Shuu kurz, »dein Zimmer.« »Hey«, beklagte sich Laito. »Wieso darfst du einen Namen aussuchen und wir nicht?« »Genau!«, stimmte Ayato mit ein. »Ich könnte sie ›Supertitte‹ nennen!« »Oder ›Aschenputtel‹, so schmutzig und nass wie sie ist! Nicht wahr, Teddy?« »Oder…«, setzte Laito anzüglich lächelnd an, wurde aber von Shuu unterbrochen. »Iris oder Shosho.« Ich erstarrte. Woher wusste Shuu diesen Namen? »Shosho, von shosholoza«, fügte er noch hinzu, und ein Kloß bildete sich in meinem Hals. »Der Tyrann, der dieses Haus regiert, meinte, ich solle dir das sagen, damit du die Kinder nicht vergisst.« Mein Körper wurde taub, und ich wäre gefallen, wenn Laito nicht so nah bei mir gestanden hätte, dass ich ihm wie in einem alten Roman in die Arme sank. Tränen stiegen mir in die Augen und stürzten meine Wangen hinunter, bevor ich sie aufhalten konnte: Karlheinz hatte die Kleinen, nein, alle Bewohner des Dorfes, das mir in der Vergangenheit ein Zuhause gewesen war, als Geisel genommen! Das Atmen fiel mir immer schwerer, und dann wurde erneut an diesem verfluchten Tag alles um mich herum schwarz. Ich hätte KwaZulu-Natal wirklich viel früher verlassen müssen… - Ende Kapitel 2 - Dark 3: - Unwissenheit und... - ------------------------------- Diabolique: Fatalité eine Diabolik Lovers - FanFiction von Die Frau liegt in einem Meer rot blühender Rosen, doch die weißen Blüten am Ausschnitt ihres Abendkleids werden von dem Blut rot gefärbt, das von ihrer Kehle über das Schlüsselbein hinab auf ihr Dekolleté rinnt. Ein hochgewachsener Mann in einem schwarzen Mantel kommt hinzu und hockt sich neben sie. ›Cordelia!‹, spricht er sie an. ›Was hat dich so verletzt? Wer hat dir das angetan?‹ Die Frau lächelt als sie ihn erkennt, doch als sie spricht, bricht ihre Stimme. ›Richter… ich habe eine Bitte…‹ Sie keucht auf, und der Mann beugt sich hinunter, um ihre schwarz behandschuhte Hand an seine Wange zu heben. Seine Augen sind so rot wie der Mond am Himmel und die Rosen des Gartens, der Ausdruck in ihnen voll unausgesprochener Gefühle. Er ist wie einer jener tragischen Helden, die für die Frau ihres Herzens unvergleichlich Heldenhaftes und bisweilen außergewöhnlich Törrichtes tun. Einer jener Männer, für die es nur eine einzige Liebe im Leben gibt, selbst wenn dieses Leben ewig dauert und eine unendliche Qual ist. ›Mein Körper… ist nicht mehr zu retten‹, fährt die Frau fort. ›Bitte schneide mein Herz heraus… und gib es in den Körper einer anderen… Durch sie kann ich wieder zu dir zurückkehren…‹ Wieder keucht sie auf und ringt sich ein weiteres Lächeln ab, als ob sie den Schrecken ihrer Worte für ihren Geliebten abmildern will. Obwohl der Himmel seine Schleusen öffnet, um den Regen schwer auf die beiden im Garten niederprasseln zu lassen, scheint die Zeit stillzustehen. Der Ausdruck im Gesicht der Frau wird plötzlich panisch. Ihre Augen sind weit aufgerissen und starren in einen unbarmherzig kalten Himmel ohne Sterne. Sie erkennt, dass der Mann, auf den sie so sehr gehofft hat, auch heute nicht kommen wird. Nicht einmal ihren Tod wird er betrauern. Was für ein kaltherziger Mann… ›Richter‹, fleht sie, nun mit Verzweiflung in ihrer Stimme, ›du musst dich beeilen! Dieses Kind… es kommt, um meinen Körper zu verbrennen…! Schnell!‹ Zögernd… und doch von ihrem Drängen ermutigt, ergreift der Mann das Schwert, das er unter seinem Mantel verborgen am Körper trägt. Die silbern glänzende Klinge durchstößt das Brustbein und bricht den linken Rippenbogen auf, aus dem der Verliebte das noch schlagende Herz holt. Der dunkelblaue Samt des Abendkleids der Frau färbt sich schwarz, getränkt von noch mehr Blut. In ihrer Brust bleibt ein klaffendes Loch zurück, umrahmt von Rosen. ›Ich verspreche dir, dass ich dich auf jeden Fall wiedererwecken werde!‹, schwört der Mann mit rauer Stimme und schaut vom Herz in seiner Hand hinab auf die Tote mit den langen, veilchenfarbenen Haaren, den katzenhaften, grünen Augen und der mondweißen Haut, um die er einst mit seinem Bruder gekämpft hat und deren Blick nun gebrochen ist, wie der jener, deren Leben seine Rasse schon so oft genommen hat. ›Bis dahin ist dies ein Abschied.‹ Sein Gesicht nimmt einen kalten, steinernen Ausdruck an, als er sich erhebt und den prachtvollen Rosengarten verlässt. Er weiß, Eile ist geboten, denn er muss schnell einen Körper finden, oder diese Frau, Segen und Fluch seines unsterblichen Lebens, ist für immer verloren… Grauen und Furcht, Entsetzen und… etwas, für das ich keine Worte fand, überfluteten mich mit einer Intensität, die meinen ganzen Körper zittern ließ. Ich wollte fliehen, mich verstecken – doch fand ich mich unfähig zu auch nur der kleinsten Bewegung. Nicht einmal in der Lage zu schreien… unbeschreiblich. Mein eigenes Herz schlug so heftig in meiner Brust, dass es schmerzte, und ich konnte sein Klopfen hören – genauso wie ich das Herz der Frau hatte hören können. Selbst dann noch, als es der Mann in der Hand gehalten hatte… Es verschlug mir den Atem, wenn ich an die Bestimmung dachte, die in seinen Augen gestanden hatte – völlige Hingabe, einem Wahnsinn gleich. Was war das gerade?, schoss es mir durch den Kopf. Ein Trugbild, ein Alptraum? Fragen stürzten auf mich ein wie Eimer von kaltem Wasser, zerrten an jedem Winkel meines Verstandes – doch anstatt Antworten preiszugeben, gewährte mir dieser lediglich einen stechenden Schmerz in meinen Schläfen. Allerdings waren Träume nie so wirklichkeitsnah, dass ich den Geruch von Regen, nassem Gras und Blut noch beim Aufwachen in der Nase hatte. Eine Vorahnung? Aber diese sind nie so... metaphorisch... Würde ich ebenfalls so enden wie die Frau im Rosengarten, wenn ich nicht von hier entkam? Von welchem Kind hatte sie gesprochen? Was hatte all das mit diesem Haus zu tun? Woher wusste ich, dass die Frau auf Karlheinz gewartet hatte, in dieser – ihrer letzten – Vollmondnacht? Wieso sah ausgerechnet ich das alles… und spürte so viel, obwohl es nicht meine eigenen Empfindungen waren? Die Dunkelheit um mich herum war bodenlos und undurchdringlich. Geradezu lichtlos, zu dunkel, um nur eine Nacht zu sein. Kurz blitzte in mir die schreckliche Vermutung auf, dass ich womöglich erblindet war, und in meiner wachsenden Verzweiflung krallten sich meine Finger noch fester in etwas seltsam Flauschiges, das mir und meinen rasenden Gedanken einen letzten Halt gewährte. Ich riss die Augen auf, doch noch immer war da nichts als Schwärze um mich herum… getränkt von diesem überwältigenden Duft nach Rosen. Er schien mich ersticken zu wollen, und es schien, als ob er selbst meine Haut zu durchdringen versuchte. In Todesangst versuchte ich mit der anderen Hand in sinnlosen Bemühen eine imaginäre Fessel um meinen Hals zu lösen, die mich zu erwürgen drohte. »Teddy sagt, du sollst bitte endlich sein Bein loslassen! Du tust ihm weh!« Der schrille Klang dieser Stimme riss mich unmittelbar in die Gegenwart und meine schmerzhaft verkrampfte Hand von Kanatos widerlichem Plüschtier, als hätte ich mich daran verbrannt. Plötzlich war der Bann gebrochen. Die neue Realität – nicht minder furchteinflößend als das, was ich eben noch gesehen hatte – brach über mich herein, aber ein stummes Entsetzen blieb, wie wenn man glaubt, aus einem Alptraum zu erwachen, obwohl man immer noch darin gefangen ist. Keuchend rang ich nach Luft und seufzte gleich darauf vor Erleichterung auf: Endlich. Luft, die nach alten Holzdielen und Leinen, dem Lavendel von Mottenkugeln und Rosen, nach Blut und Seife roch. Ich konnte wieder atmen. Die Anspannung verließ mich, und… da erst merkte ich, dass ich weich lag. Nicht hart und kalt, wie der Steinboden im Wohnzimmer hätte sein müssen. Überall um mich herum bemerkte ich nun leises Flüstern und Raunen, Stoff raschelte neben mir… Erschrocken fuhr ich zusammen, als ich merkte, wie etwas näherkam und blinzelte, als mein Kopf schmerzhaft dagegen rebellierte, dass die Dunkelheit um mich herum dem leichten Gelbton von künstlichem Licht wich. »Entschuldige bitte, Teddy-san«, kam es wie von selbst über meine Lippen, gepresst und leise wie ein Hauch. »Oi, wolltest du ore-sama verarschen?«, erklang es drohend von meiner rechten Seite. - Ende Kapitel 3 - Dark 4: ... Nostalgie --------------------- Diabolique: Fatalité eine Diabolik Lovers - FanFiction von Ayato! Reflexartig richtete ich mich auf und zog die Füße an, doch mein Körper kommentierte die hektischen Bewegungen mit Übelkeit und einem unangenehmen Schwindelgefühl. Blitzende Punkte flirrten von meinen Augen, und der Raum kippte zur Seite. Also zwang ich mich, ruhig zu atmen, um nicht erneut ohnmächtig zu werden: In einem Haus voller Vampire konnte dies einem Todesurteil gleichkommen, besonders, wenn man einem der Drillinge so nahe war wie ich im Moment. Unauffällig – so hoffte ich – schaute ich mich um: Ich befand mich in einem Himmelbett, dessen Baldachin und Vorhänge aus mit silbernen Kordeln gesäumtem, blauem Samt waren. Ein schwerer, dunkler Stoff, der sich in den Vorhängen an der Fensterfront links von mir und in dem halb aufgeschlagenen Überzug des Bettes wiederfand. Der Geruch von Lavendel allerdings kam von dem mit weißem Leinen bezogenen Kopfkissen und der dünnen Bettdecke, die ich mir nun bis unter die Achseln hochzog, um nicht so verwundbar zu sein, wie ich mich fühlte. Es war eine lächerliche Illusion von Sicherheit: Mit dem Kopfteil des Bettes und der Wand des Zimmers hinter mir, Ayato rechts und Kanato links auf dem Bett – beide nicht einmal eine Armlänge von mir entfernt – und Laito unten am Fußende, hatten sie mich eingekreist wie ein Tier in der Falle – was vermutlich sogar beabsichtigt war. Die Aufdringlichkeit der Drei war etwas, das sich offenbar nicht geändert hatte. Ein zierliches Mädchen mit hellem Haar stand unweit von Kanato und arrangierte verlegen weiße Rosen in einer Vase auf einer Kommode aus Eichenholz mit muschelartigen Goldintarsien. Von ihr kam der Rosenduft... Subaru hatte allen den Rücken zugewandt und stand unweit von ihr an den deckenhohen Fenstern, wo er durch eine halb geöffnete Glastür nach draußen blickte. Vermutlich hatte man eine wunderbare Aussicht, wenn man sich in einem der beiden Sessel niederließ, die nahe dieser Tür um einen eleganten Teetisch gruppiert waren. Seine Tischplatte bestand aus Glas, doch sein Fuß war mit verspielten, goldenen Blumenornamenten verziert, die sich in den schmalen Armlehnen und Beinen der Sessel wiederfanden, während die Polster von Sitzfläche und Lehne mit glänzendem, himmelblauem Damast bezogen waren. Ich fragte mich kurz, ob es echte Antiquitäten aus dem Rokoko waren, so wie es den Anschein erweckte. An der dem Bett gegenüberliegenden Wand befanden sich zwei schmale Türen, die wie ein Rahmen für den Marmorkamin zwischen ihnen wirkten. Mit der ebenfalls im Stil der Sessel gehaltenen Chaiselongue davor lud dieser Platz zum Verweilen und entspanntem Plaudern ein. Zu meiner Rechten an der Wand stand ein verschlossener, schwarz lackierter Schreibsekretär mit Einlegearbeiten aus Perlmutt, der sich von der seidig schimmernden Tapete und dem cremefarbenen Teppich abhob und das Prunkstück im Raum bildete. Neben ihm lehnte Shuu mit geschlossenen Augen scheinbar in die Musik aus seinen Kopfhörern versunken am Türrahmen und hatte seine Hände in den Hosentaschen vergraben. Reiji stand mit verschränkten Armen und steif aufgerichtetem Rücken am Fußende des Bettes unter einem funkelnden Kristallkronleuchter, dessen Licht die Tapete glitzern ließ wie frischer Schnee. Durch seine Brille musterte er mich mit einer Mischung aus Aufmerksamkeit, Misstrauen und Neugier. Auf den ersten Blick konnte man erkennen, dass sich hier jemand Mühe mit der Einrichtung gegeben hatte. Jemand, der mein Faible für Blautöne kannte und wusste, wie sehr ich solche Stilmöbel liebte, weil sie selbst in kleinen Räumen wie diesem elegant wirkten. Damals in England hatte ich mein privates Boudoir selbst einrichten dürfen und neben ähnlichen Teppichen sowie heller Tapisserie die gleichen Möbel wie hier ausgewählt. Es hatte meinen Vater amüsiert, dass ich dabei einen Geschmack an den Tag legte, der zur Mädchenzeit seiner grand-mère in Mode gewesen war. Ich runzelte die Stirn und schaute genauer hin, erkannte plötzlich kleine, unverwechselbare Eigenheiten und Gebrauchsspuren... Das Zimmer war mit meinen alten Möbeln eingerichtet worden! Sogar die drei Blumenaquarelle an der Wand über dem Sekretär hatte ich selbst gemalt! Inzwischen waren sie vergilbt und blass, aber dennoch unverkennbar meine. Vor meinem inneren Auge erschien das lachende Gesicht meines Bruders Maurice, während ich die Pinsel ausgewaschen hatte und noch voller Stolz auf meine vermeintlichen Meisterwerke gewesen war. ›Das ist doch keine Amaryllis, sondern eine blühende Gemüsezwiebel, ma chère soeur. Du malst ein Bild von unserem Essen und nennst es Kunst?‹ ›Wenn ich das ›Gemüse‹ um Nymphen herum drapieren würde, hättest Du sicher weniger dagegen einzuwenden, mon cher frère.‹ ›Natürlich nicht. Die weibliche Schönheit ist immer etwas, das es zu bewundern gilt. Ob mit den schönsten Blumen im Haar oder schnöden Gemüsezwiebeln in der Hand.‹ ›Komm aber nicht auf die Idee, deiner derzeitigen Favoritin das nächste Mal Gemüsezwiebeln anstatt Blumen mitzubringen...‹ Viele, fast vergessene Erinnerungen drängten plötzlich an die Oberfläche wie Luftblasen in einem See... und machten mir bewusst, dass ich in einem Alptraum gefangen war. Zweifelsohne ein Alptraum. Alles würde sich wiederholen... wie ein Fluch. Ohne es zu verstehen oder verhindern zu können, stieg Zorn in mir auf. »Guten Abend. Es freut mich, dich kennenzulernen«, wisperte das Mädchen, verbeugte sich sittsam und riss mich damit aus dem Schock, der mich gefangenhielt. »Ich bin Komori Yui.« Sie ist ein Mensch, stellte ich erstaunt fest. Plötzlich empfand ich Bedauern für sie. Ganz allein mit diesen sechs Vampiren... das war wie ein Rudel Wildkatzen mit einem Vogelküken. Mir gelangen ein höfliches Lächeln und ein Nicken, obwohl mein Kopf sich immer noch weigerte, diesen Abend als Tatsache zu akzeptieren und versuchte, alles wieder in die Untiefen zu stopfen, aus denen mein bisheriges Leben emporquellen wollte. »Es freut mich ebenso, dich kennenzulernen, Komori-san...« Meine eigene Stimme klang seltsam in meinen Ohren, doch dem Mädchen schien das nicht aufzufallen. Es lächelte einfach zurück und hielt den Kopf dabei ein wenig schief. Sein Gesicht mit den großen dunklen Augen sah dabei so unschuldig aus, dass sie jünger wirkte, als sie vermutlich war... »Maaa, Bitch-chan bekommt ein Lächeln, wir nur Misstrauen!«, beklagte sich Laito und ließ sich theatralisch auf den Bauch fallen, direkt vor meine Füße, die ich hastig noch näher an meinen Schoss zog. »L-laito-kun!« Dem Mädchen stieg Röte in die Wangen, und es ballte entrüstet die Hände zu Fäusten – doch der Gescholtene ignorierte es. Ach, Laito, du und deine Spitznamen... Manche Dinge ändern sich wohl nie. Aber wehe, man gibt dir einen, den du nicht magst, nicht wahr? Obwohl ›kleine Schlampe‹ der Schlimmste war, den ich bisher von ihm gehört hatte, musste ich leider zugeben, dass er damit auch oft den Nagel auf den Kopf traf. Er konnte seine Gegenüber viel zu gut einschätzen und so einfach durchschauen, als wäre ihr Wesen aus Glas... ganz gleich ob der Betroffene sich das eingestand oder nicht. Den Folterkeller gab es sicherlich noch in diesem Haus... Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter und ballte sich in meinem Bauch zu einem Übelkeit erregenden Knoten. »Kein Grund, schüchtern zu sein, Bitch-chan«, entgegnete er über das ganze Gesicht zufrieden grinsend. »Weißt du, Shosho«, raunte er mir dann in verschwörerischem Ton zu, »es erregt sie, wenn wir unsere Fänge in sie schlagen und ihr Blut trinken... Sie ist eine ganz Schlimme.« Er beobachtete mich, während er sprach: Seine grünen Augen fingen meinen Blick ein und ließen ihn nicht mehr los. Ein gefährlicher Mann... das war Laito schon immer gewesen. In mehr als einer Hinsicht. »Da-das ist nicht wahr!«, warf das Mädchen entrüstet und mit hochrotem Kopf ein, aber Laito zu reizen und ihm zu widersprechen waren zwei Dinge, die man besser nicht tat... Im nächsten Moment stand er neben ihr, und warf sie an Ayato vorbei, direkt vor meine Füße, wodurch die Überdecke auf den Boden rutschte. Bevor einer von uns Protest erheben konnte, kauerte er über ihr und zog ihren rosafarbenen Pullover herunter: Nacken und rechte Schulter waren mit Bisswunden übersät... Kurz erhaschte ich den Ausdruck auf Laitos Gesicht und erschauderte vor der Eiseskälte darauf, bevor er die Zähne in die helle Haut schlug. Das Mädchen gab nach, und die Hände, die es erheben wollte, um ihn von sich zu stoßen, sanken kraftlos auf das Bett. Während Laito trank, entwich seinem Opfer ein sehnsüchtiges Seufzen. »Es nützt dir nichts, die Unschuldige zu spielen, denn wir alle wissen, was für eine lüsterne Frau Bitch-chan ist«, flüsterte er dann mit dunkler Stimme gegen das schmale Schlüsselbein, und mir stellten sich die Nackenhaare auf. »Und jetzt weiß es Shosho auch.« »Oi, Laito!« Ayato stieß seinen Bruder beiseite und zog die Wehrlose wie eine Stoffpuppe an sich. »Chichinashi gehört ore-sama! Ich hab‘ sie zuerst gesehen!« Noch ein Spitzname, diesmal eindeutig auf ihre kaum vorhandenen weiblichen Rundungen bezogen, wie es bei Ayato nicht anders zu erwarten war. Das zierliche Mädchen schien einen großen Eindruck bei den Rotschöpfen hinterlassen zu haben... Laito richtete sich auf, doch seine Hand verschwand unter der Bettdecke und griff nach meinem rechten Knöchel. Ich versuchte dagegenzuhalten, doch er zog meinen Fuß trotzdem mühelos zu sich an den Mund, um nahe der Ferse über die Achillessehne zu lecken, ohne mich aus den Augen zu lassen. Diese verfluchten, wunderschönen, grünen Augen... »Ich frage mich, ob du auch so hingebungsvoll reagierst, wenn ich meine Fänge in dich schlage.« Vor Schreck über die Berührung trat ich ihm reflexartig ins Gesicht, nutzte das Überraschungsmoment und entriss meinen Fuß angewidert seinem Griff, um diesen buchstäblich wieder unter der Decke zu verstecken... und mir verstohlen die feuchte Spur abzuwischen. Es kostete mich Mühe, mich nicht auch noch vor Ekel zu schütteln. Dark 5: Klare Worte ------------------- Diabolique: Fatalité eine Diabolik Lovers - FanFiction von »Das scheint deine Frage zu beantworten, hentai«, kommentierte Shuu trocken, während Ayato in Gelächter und Kanato in Kichern ausbrach. Der Blick, den Laito mir zuwarf, war schärfer als ein Dolch, bevor er seinen Hut zurechtrückte und sich mit einem Grinsen, das seine Augen nicht erreichte, aufsetzte. »Willst du sterben?«, fragte er in zuckersüßem Ton – doch seine Ausstrahlung in diesem Moment erinnerte mich an eine Kobra, kurz bevor sie zubiss, als er langsam mit geschmeidigen Bewegungen näherkam. »Nein«, gab ich trocken zurück, darum bemüht, unbeeindruckt dreinzuschauen, obwohl mir mein Herz am liebsten aus der Kehle gesprungen und geflohen wäre. Es kostete mich viel, nicht zurück in die Kissen unter ihn zu sinken, als Laito sich auf meinen angewinkelten Knien abstützte, bevor er sich so nah zu mir beugte, dass ich seinen Atem an meiner Wange spüren konnte. Seine Hände waren so kalt, dass ich es durch die Decke spüren konnte. »Dann sei ein liebes Mädchen und tu, was ich dir sage«, schnurrte er mir ins Ohr und leckte sich über die Lippen, an denen immer noch das Blut des Mädchens haftete. Das hättest du wohl gerne, schoss es mir durch den Kopf, doch ich presste die Lippen fest aufeinander, damit dieser Gedanke in mir verschlossen blieb. Ich hätte ihm am liebsten noch einmal ins Gesicht getreten – diesmal mit einem Stiefel. Shuu seufzte, nahm seine Kopfhörer aus dem Ohr und rieb sich den Nacken, als ob er Kopfschmerzen hätte oder wir alle nur dafür da waren, um ihm das Leben absichtlich schwerzumachen. »Dieser Mann hat gesagt, die Frau würde ab jetzt bei uns leben. Wir sollen sie gastfreundlich und respektvoll behandeln«, stellte er gelangweilt klar, was wohl alle bewegte. »Haaa? Das ist doch die gleiche Scheiße, die du bei Chichinashi erzählt hast!«, wandte Ayato mürrisch ein, und sowohl Kanato, als auch Reiji nickten. »In der Tat«, pflichtete letzterer seinem jüngeren Bruder bei und rückte seine Brille zurecht. »Bekommen wir nun etwa eine weitere Braut? Das wäre ungewöhnlich für unseren Herrn Vater.« Auf seinen durchbohrenden Blick hin streckte sich Shuu müde. Die Augen aller richteten sich auf den Blondschopf, der nun unwillig die Stirn runzelte. Wollte man einen bestimmten Charakterzug des Ältesten der Brüder wohlwollend beschreiben, so könnte man sagen, dass er ein Mann von Verschwiegenheit war. Weniger wohlwollend und mit einer Redewendung ausgedrückt, musste man ihm ›alles aus der Nase ziehen‹, wenn man etwas von ihm erfahren wollte. In meiner momentanen Situation wusste ich nicht, wofür ich mich entscheiden sollte – doch ich kannte sowohl ihn als auch seinen Vater gut genug, um zu wissen, dass immer mehr hinter dem steckte, als das, was man letztlich erfuhr... »Mendokusai«, murmelte Shuu. »Sie ist keine neue Braut, das ist nur diese Frau da.« Er wies mit einem Kopfnicken auf das Mädchen, das sich vergeblich aus Ayatos Armen zu befreien suchte. »Klar? ›Ihr werdet sie mit Respekt behandeln und ihr nicht ein Haar krümmen, denn sie ist mein persönlicher Gast in eurer Obhut‹, waren seine Worte. Das heißt, ihr werdet sie einfach in Ruhe lassen und nicht den Scheiß mit ihr abziehen, den ihr immer mit den anderen Bräuten macht.« Der einzige, dessen Kiefer nicht gen Boden fiel, war Laito, der nun misstrauisch die Stirn runzelte. Noch immer war er mir viel zu nah... Wie viele dieser ›Bräute‹ hatten bereits die Erfahrung machen dürfen, dass die Sakamaki-Söhne offensichtlich etwas anderes unter ›gastfreundlich und respektvoll‹ verstanden, als ihr Vater? Selbst bei Karlheinz hatten Worte immer einen Unterton, der ihrer eigentlichen Bedeutung nicht unbedingt entsprach. Ich hatte gelernt, doppelzüngige Leute zu verabscheuen... »Irgendwas ist hier faul...«, murmelte Laito und starrte mich an. »Was auch immer im Kopf von diesem alten Kerl vorgeht... Andererseits«, und nun schenkte er mir eines seiner strahlendsten Lächeln, »ist mir ziemlich egal, was der senile Spinner sagt. Ich werde diese Frau langsam töten und... wenn sie ihm so wichtig ist, werde ich ihn dabei zusehen lassen.« Ich muss so schnell wie möglich von hier weg! »Oh, das klingt interessant«, pflichtete Kanato ihm bei. »Dürfen Teddy und ich dir auch dabei zusehen?« Meine Gedanken rasten, doch das Gespräch ging weiter, als wären es nicht mein Leben und mein weiteres Schicksal, die hier auf dem Spiel standen. Wilde Tiere durfte man nicht reizen, und was ich in der Wildnis gelernt hatte, verhinderte, dass ich in hysterisches Geschrei ausbrach. »Ich wiederhole das jetzt zum letzen Mal«, knurrte Shuu und ballte eine Hand zur Faust, während sein Blick mich an Ort und Stelle festzunageln schien. »Der Mann hat diese Frau – ›eine besondere Lady‹, wie er sagte – höchstpersönlich aus Afrika abgeholt. Seine eigenen tsukaima haben dieses Zimmer hier...«, er machte eine Geste, die den Raum mit einschloss, »extra für sie hergerichtet. Sie wird von nun an bei uns leben, und ihr wird nichts passieren, denn er will sich persönlich von ihrem Wohlergehen bei uns überzeugen. Und ich will keinen Stress wegen einem von euch!« Das war es also: Ich war eine ihm anvertraute ›Schutzbefohlene‹, im wahrsten Sinne des Wortes. Meine bloße Anwesenheit änderte den alltäglichen Ablauf in diesem Haus und sorgte schon jetzt für Unruhe unter den Brüdern, und damit für ungewollten Aufwand. Diese Sonderstellung verursachte mir Unbehagen, darum legte ich beide Handflächen unter der Decke auf meinen Bauch, in der Hoffnung, das flaue Gefühl und die Übelkeit würden endlich verschwinden. In meinem Kopf drehte sich wieder alles, und die Kopfschmerzen wurden schlimmer. »Sie sieht gar nicht aus, als ob sie etwas Besonderes wäre«, stellte Kanato fest und kam näher, um mich genau in Augenschein zu nehmen, woraufhin Laito zu meiner Erleichterung ein Stück zurückwich. »Was will Vater denn mit so einem hässlichen, schmutzigen Aschenputtel?« Obwohl ein waschechter Prinz, hatte Kanato auf mich immer wie das Klischee einer bösen Stiefschwester gewirkt: Eitel, selbstsüchtig und hysterisch, wenn es nicht nach ihrem – seinem – Willen ging. Uneinsichtig und skrupellos. Die Heldinnen in Märchen erduldeten viel, wenn es darum ging, ihre Prinzen für sich zu gewinnen... doch für keinen Mann auf der Welt würde ich mich entstellen oder gar verstümmeln lassen, wie es in diesen Geschichten oft notwendig zu sein schien. »Aber Kanato-kun«, warf Laito in gespielter Entrüstung ein, »Aschenputtel war doch in Wirklichkeit die wunderschöne Tochter eines Edelmanns...« »Tch, der alte Bastard«, fiel Ayato ihm ins Wort. »Ore-sama lässt sich doch von niemandem was vorschreiben, der nich’ mal da is’! Wenn ore-sama Hunger hat, dann trinkt er... auch von der da!« Er streckte seine Hand nach meinem Hals aus, doch etwas Glitzerndes prallte gegen sie, fiel in meinen Schoß und Ayato hielt mitten in der Bewegung inne. Ich zuckte vor Schreck so sehr zusammen, dass mein Gesicht seine kalten Finger streifte. Als ich nach unten sah, erkannte ich den Schlüssel des Sekretärs. »Ich will nicht, dass der Kerl hier auftaucht und mir wegen irgendwas die Hölle heiß macht!«, fauchte Shuu mit blitzenden Augen. »Ich will auch nicht wieder deinen Dreck wegmachen, Ayato! Sie ist der Gast vom Alten, nicht unserer! Wenn dir das nicht gefällt, dann bequatsch das mit ihm, nicht mit mir!« Während er gesprochen hatte, war Shuus Stimme nicht wirklich lauter geworden, doch sie hatte einen herausfordernden, scharfen Unterton bekommen, bei dem alle meine Sinne nach Flucht schrien. Der Blondschopf hatte jedoch seine Kopfhörer bereits wieder in die Ohren steckt und blickte seinen Bruder noch kurz missmutig an, bevor sein Gesicht den üblichen, gelangweilt wirkenden Ausdruck annahm. Ayato war nicht der einzige, der ihn mit großen Augen anstarrte, doch vor allem Reijis Gesicht drückte eine Mischung aus Unglauben und Fassungslosigkeit aus. »Dann ist diese Frau also unseres Herrn Vaters...«, begann dieser, doch Subaru unterbrach ihn mit einem Knurren. »Soll das heißen, wir spielen hier Babysitter, weil der alte Sack was Neues zum Ficken braucht? Ich kotz‘ gleich!« Im nächsten Moment splitterte Glas, dann hatte Subaru mich an meinem Tuch samt der Bettdecke auf Augenhöhe mit ihm gezogen. »Mir is’ egal, was dieser Bigamist mit dir vorhat, genau wie Shuu. Aber wenn du mich ansprichst, bist du tot! Hast du das verstanden?« Was gab es daran misszuverstehen? Dark 6: Eine passende Antwort ----------------------------- Diabolique: Fatalité eine Diabolik Lovers - FanFiction von ›La vie ne fait pas de cadeaux, ma petite‹, kamen mir da die Worte meines Vaters in den Sinn, ›das Leben macht keine Geschenke, meine Kleine. Deshalb musst du dein Ziel immer im Blick haben und darfst nie vergessen, wer du bist.‹ Mein Vater neigte dazu, solche recht tiefgründig klingenden Weisheiten von sich zu geben, wenn er ein wenig zu viel von seinem Cognac getrunken hatte... in jener Mischung aus Englisch und Französisch, die meine Maman so ›charming‹ an ihm fand. ›Sieh dir deine Mutter an: Als mir klar wurde, dass sie die einzige sein würde, mit der ich alt werden wollte, musste ich sie zu der Meinen machen. Sie hätte hässlich sein können wie die Nacht oder dumm wie Bohnenstroh; es hätte nichts geändert. Ich wollte deine Mutter und sonst keine – obwohl die Engländer teesaufende Idioten sind, die nichts von Eleganz und gutem Essen verstehen...‹ Ich war noch ein Kind gewesen, als wir dieses Gespräch geführt hatten... und so fragte ich, was wohl jede Zehnjährige gefragt hätte. ›Warum leben wir dann nicht Frankreich, Papa?‹ ›Weil dieser verrückte Korse eine noch viel größere Plage ist! ... Jede Meinung wird von Gefühlen beeinflusst und dadurch beeinflusst dieses Gefühl auch das, was man will und deswegen tut, comprends-tu? – Verstehst du?‹ Ich hatte voll kindlichem Ernst genickt – aber es sollte Jahre dauern, bis ich tatsächlich und in vollem Umfang verstanden hatte, was mein Vater mir an jenem Abend hatte sagen wollen... Heute, in dieser Nacht, war bereits so viel passiert, dass mir der Kopf schwirrte, wie man zu sagen pflegt. So versuchte ich nun, mir darüber klar zu werden, was ich fühlte... um herauszufinden, wie ich mich am besten verhalten sollte: Denn wenn ich jetzt einen Fehler machte, konnte es passieren, dass Subaru mir das Genick brach. Allerdings war ich weder so dumm noch fatalistisch genug, es darauf ankommen zu lassen, indem ich meinem ersten Impuls – ihm entweder eine Ohrfeige oder eine zu seinem Wortlaut passende Erwiderung zu geben – nachgab. Es war in so kurzer Zeit so viel geschehen, was mich innerlich aufwühlte: Dass Karlheinz und seine Söhne wie selbstverständlich über mich verfügten, als gehörte ich ihnen und war nicht mehr wert als ein Schmuck- oder Möbelstück, machte mich unsagbar wütend. Subarus Worte kränkten mich zutiefst, denn das Interesse seines Vaters war das Letzte, was ich wollte. Kanatos Verhalten widerte mich seit jeher einfach nur an. Shuu, der zweifelsohne wusste, wie seine Brüder dachten und handeln würden, hatte mich schutzlos bei ihnen zurückgelassen, obwohl nur er ihnen im Ernstfall Einhalt gebieten konnte. Die Erkenntnis, so unbedeutend zu sein... tat weh. Ayatos besitzergreifendes Auftreten allem und jedem gegenüber – mit der Rechtfertigung ›der einzig wahre Familienerbe‹ zu sein – hatte mich damals schlichtweg genervt, und das tat es immer noch: Er ähnelte meinem Oheim, der nichts im Leben zustande bekommen hatte, als großspurige Reden zu schwingen und sich zu ruinieren, indem er ein riesiges Vermögen beim Pferderennen verspielte. Laito dagegen... »Was starrst du mich so an, he?«, durchbrach Subarus Stimme meine Gedanken. Er wollte mir Angst machen, furchterregend wirken... doch das schlug fehl, denn vor ihm fürchtete ich mich am allerwenigsten. War ich verrückt, dass mir seine Kraft und die breiten Schultern, die fast alles in meinem Gesichtsfeld ausblendeten, beinahe wie ein Schutzwall vorkamen? Ich beschloss, mutig zu sein. »Dafür, dass ich dir nicht zu nahe kommen soll, kommst du mir aber... ziemlich nah.« »Was?!« Er schüttelte mich wie ein Glockenseil, bevor er mich in die Kissen rammte und sich zu mir herunterbeugte. »Soll ich dich zerquetschen...?«, zischte er, und seine Faust drückte schmerzhaft auf mein Brustbein. Ich blickte einfach nur stumm zurück in diese zornfunkelnden, roten Augen, während mir Subarus weiße Locken auf die Stirn fielen und sein Atem meine Wange streifte. »Oder bist du einfach nur zu dumm, um Angst zu haben?« »Subaru-kuuun, du siehst grade aus, wie der Prinz, der Dornröschen wachküssen will...«, erklang da Laitos Stimme hörbar amüsiert. »Obwohl... im Originalmärchen ist es ja nicht nur bei einem Kuss geblieben. Soll ich dir erzählen, was der Prinz sonst noch gemacht hat?« Es war tatsächlich möglich, dass sich Subarus Gesicht noch mehr verfinsterte. Er brannte vor Zorn, so sehr, dass sich nun sogar seine Wangen rot verfärbten. »Schnauze!«, brüllte er nach hinten und ließ mich los. »Ich bin nicht so ein perverses Stück Scheiße wie du!« Er kletterte umständlich vom Bett und stapfte dann in Richtung Zimmertür. Am liebsten hätte ich nach seiner Hand gegriffen, denn auch wenn seine Knöchel mir wehgetan hatten – und ich von ihrem Druck vermutlich blaue Flecken zurückbehalten würde – fühlte ich mich nun wieder wie... die Hauptspeise eines Banketts: Viel zu nahe waren jene, von denen ich die vergangenen Jahrzehnte die meisten und schlimmsten Alpträume gehabt hatte. »Subaru-kun, mäßige...« »Ach, halt’ die Fresse, Reiji«, fiel dieser ihm ins Wort. »Schieb’ deinen Arsch in die Küche! Ich hab’ Hunger!« Als der Angesprochene keine Anstalten machte, dieser Aufforderung nachzukommen, fügte Subaru mit einem niederträchtigen Grinsen über seine Schulter hinweg hinzu: »Komm’ schon, oder soll ich deine Geschirrsammlung diesmal samt Schrank aus dem Fenster werfen?« Er schlug mit der Faust gegen den Türrahmen und verschwand. »Das ist ein Kabinett«, setzte Reiji noch zu einer Berichtigung an, wurde aber von Kanato unterbrochen. »Ich will Pudding!«, kreischte dieser und eilte Subaru nach, seinen Bären fest an sich gepresst. »Vorher will ore-sama aber Takoyaki!« Ayato zerrte das Mädchen wie eine Stoffpuppe mit sich aus dem Zimmer. In einem Winkel meines Kopfes wunderte ich mich, warum sie das alles mit sich machen ließ. »Hmm...«, schnurrte Laito und warf mir vom Fußende des Bettes aus ein abschätzendes Lächeln zu, das sich anfühlte, als wäre es nicht nur sein Blick, der über mich glitt, »da dieser Mann Shosho für sich beansprucht, bin ich neugierig, ob ihr Blut mit ein paar Macarons genauso gut schmeckt wie das von Bitch-chan. Was meinst du, Reiji-kun?« Dieser überging die Bemerkung ebenso wie die Tatsache, dass Laito daraufhin mit einem vielsagenden Grinsen schlagartig ebenfalls verschwand. Seufzend setzte ich mich auf und rieb mir kurz über den verspannten Nacken, bevor ich mir die feuchten Haare aus dem Gesicht nach hinten strich. Ich vermutete, dass nun auch Reiji das Zimmer verlassen würde, um den Wünschen seiner Brüder nachzukommen – doch er ging nicht: Trotz aller Forderungen blieb er, wo er war und musterte mich mit gerunzelten Brauen durch seine Brille. So wartete ich schweigend auf die Erklärung für sein Zögern und beobachtete ihn meinerseits. »Wie ich sehe, erwartest du etwas von mir«, begann Reiji schließlich. Wer um alles in der Welt würde denn bloß auf die Idee kommen, von einem Mann, der sich kleidet wie ein Butler, etwas zu erwarten? Dark 7: Ansprüche und Eitelkeiten --------------------------------- Diabolique: Fatalité eine Diabolik Lovers - FanFiction von   »Aber falls du glaubst, Vampire würden dich in diesem Hause bedienen...« Er brach verblüfft ab, doch ich bemerkte mein Lächeln erst, als ich mich sprechen hörte: »Das wäre mir nie in den Sinn gekommen.« Klangen meine Worte so ironisch, wie es mir vorkam? Reijis Miene jedenfalls verzog sich zu einem Ausdruck von Anerkennung – gemischt mit Herablassung. »Was für eine angenehme Überraschung, einem Menschen mit Vernunft zu begegnen.« Ich überlegte, ob ich ihn mit etwas bewusstlos schlagen konnte, um zu fliehen. Vielleicht mit der Vase auf der Kommode, in der die Rosen standen... Ich würde mit dem Bettlaken über den Balkon nach unten gelangen und durch den Wald laufen, abseits von Straßen bleiben müssen, damit die anderen es nicht zu schnell bemerkten. Der Regen würde meine Spuren verwischen und meinen Geruch aus der Luft waschen. Vermutlich würde es nie wieder eine bessere Gelegenheit geben, außer einer Regennacht mit Blutmond, so wie damals. Aber war es nicht dumm, ein Raubtier zur Jagd aufzufordern? Ich hörte den Regen nicht mehr… Reiji räusperte sich und riss mich damit aus meinen Gedanken. Offenbar war er derjenige, der etwas erwartete. Aber was? »Subaru scheint nicht gerade der Geduldigste zu sein«, verpackte ich meine Frage in eine beiläufige Bemerkung. »Solltest du deswegen nicht schnell in die Küche gehen? Er hat doch gedroht, dein Kabinett aus dem Fenster zu werfen.« »Auf Anordnung unseres Herrn Vaters essen meine Brüder und ich einmal im Monat gemeinsam zu Abend. Es ist eine lästige Tradition, von der keiner weiß, was er sich dabei gedacht hat. Aber es ist bereits alles vorbereitet, und somit besteht kein Grund, den Extrawünschen der anderen Folge zu leisten.« Wenn Menschen überall auf der Welt eines gemeinsam hatten, dann wohl die Tatsache, dass es am Tag eine Mahlzeit gab, die eine Familie gemeinsam aß, ganz gleich, wie zerstritten man sonst war. Wieso also hatte Karlheinz etwas derart Alltägliches erst ›anordnen‹ müssen? Wie seltsam... »Ich stelle sicher, dass dein Erscheinungsbild der heutigen Veranstaltung angemessen ist«, erklärte Reiji huldvoll, während er mich prüfend anstarrte, als wollte er mich maßnehmen. »Das ist überflüssig«, entgegnete ich. »Was überflüssig ist, entscheidest nicht du.« Ich glaubte fast, ich hätte mich verhört – doch als wäre es nichts, fügte er hinzu: »Entledige dich nun umgehend dieses abscheulichen Tuchs.« Es kostete mich Mühe, ihn aussprechen zu lassen, anstatt ihm etwas an den Kopf zu werfen, was nicht nur Worte waren – den Sekretärschlüssel von Shuu zum Beispiel. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie ich nach ihm gegriffen hatte. Erst jetzt fiel es mir auf, weil ich meine Faust so heftig ballte, dass der Bart des Schlüssels mir in die Finger stach. »Mein ›abscheuliches Tuch‹ war für euren Vater völlig ausreichend, als er mich hierher verschleppt hat!« »Nun aber nicht mehr.« »Ça suffit, maintenant! – Es reicht jetzt!« »Meine Güte, Menschen scheinen nie zu begreifen, wo ihr Platz ist...«, stöhnte Reiji und fasste sich an die Stirn, als bekäme er Kopfschmerzen. »In dem Moment, als du dich dieser Familie angeschlossen hast, war in Stein gemeißelt, dass du zu unseren Bedingungen hier leben würdest«, dozierte er, als wäre ich ein dummes, unmündiges Kind. »Menschen können nicht mehr als Diener für uns sein, also wirst du tun, was dir gesagt wird. Richte dich nun rasch her, dein Anblick ist eine Schande und dieser Familie nicht würdig.« Ich meißele dir auch gleich etwas...! Ich schlug denselben hochmütigen Ton an wie er: »Ich werde dennoch nicht an diesem Essen teilnehmen, weder jetzt noch in Zukunft. Was du für ›in Stein gemeißelt‹ hältst, bedeutet mir nichts... Und ganz sicher werde ich mich nicht vor dir ausziehen!« »Fürchtest du, du wärst der Hauptgang?«, fragte Reiji mit einem spöttischen Grinsen, doch gleich darauf hatte er sich wieder unter Kontrolle. »Sei nicht so eitel. Es gibt Coq au Vin de Bourgogne.« »Wirklich coq? Oder nur poule?«, murmelte ich halblaut vor mich hin, während ich zum Rand des klammen Betts kroch und die Nässe meiner Kleidung sich in Kälte verwandelte, die mich frieren ließ. »Wie bitte?« Ich überging seine Frage. »Es ist ein Familienessen, und ich habe nicht die Absicht, Teil dieser Familie zu werden. Zudem bin ich völlig durchnässt und friere, aber keiner von euch hat daran gedacht, mir wenigstens ein Handtuch oder auch nur etwas Warmes zu trinken anzubieten. Dass du selbst nach Ansage bei einer so elementaren Kleinigkeit versagst, macht alle deine Forderungen an mich gegenstandslos.« Ich hüllte mich in die Bettdecke, die ich eilig bis an mein Kinn zog, obwohl sie feucht war. Sie bot nur einen geringen Schutz gegen die Kälte und wenn ich weiterhin meine Zeit mit Reiji verschwendete, würde ich vermutlich ernsthaft krank werden. Das durfte ich keinesfalls zulassen, denn natürlich hatte auch niemand daran gedacht, den Kamin im Zimmer zu entzünden. »Außerdem bin ich nicht eitel, nur weil ich mich vor einem Mann wie dir nicht ausziehe. Mich zu begutachten steht dir nicht zu, denn ich bin weder wegen dir noch für dich hier.« »Ich schätze Frauen mit einem angemessenen Maß von Anstand und Bescheidenheit«, entgegnete Reiji vollkommen unbeeindruckt und begutachtete mich ein weiteres Mal wie eine Zuchtstute. »Dennoch löst dein Körper keinerlei Begierde in mir aus, sondern ich urteile völlig sachlich: Du bist nass, schmutzig und ungepflegt, also eine Schande für dieses Haus.« Noch während er sprach, war ich vor Wut zitternd auf ihn zugegangen. Ich wollte ihm eine Ohrfeige geben, hatte die Hand schon erhoben – entschied mich aber im letzten Moment dagegen. Gemessen an seinem nahezu tadellosem Aufzug musste ich wahrhaftig einen heruntergekommenen Eindruck machen, aber ich erinnerte mich an die Worte meiner Maman, als wir bei einem Parkspaziergang von einem Regenschauer überrascht worden waren: ›Eine Lady bleibt immer eine Lady, egal was sie trägt.‹ Das bedeutete jedoch auch, dass ich mich auf Reijis Niveau nicht herunterbegeben durfte. »Ich würde dir jetzt am liebsten in Gesicht spucken«, zischte ich, »so sehr widert mich dein Verhalten gerade an. Aber du bist es nicht Wert, dass ich mich so weit erniedrige, gegenüber einem Jüngling, der sich aufspielt, um seinen Vater zu gefallen. Die Manieren von dir und deinen Brüdern sind so marode wie dieses Haus! Das ist eine Schande, nicht mein Erscheinungsbild! Ich hätte mich längst hergerichtet – du selbst bist es, der mich davon abhält!« Reiji missbilligte etwas, das ganz gewöhnliche Stammeskleidung war... aber vom Zustand des Anwesens und den Manieren seiner Bewohner einmal abgesehen, war Subarus Kleidung zerrissen, und Ayato hatte nicht einmal seine rote Krawatte richtig gebunden oder wenigstens sein Hemd zugeknöpft. Was sollte dieses eine hochgekrempelte Hosenbein? Selbst Shuu hatte in seinem lose geknöpften Hemd und dem halboffenen Cardigan ausgesehen, als habe man ihn bei der Morgentoilette unterbrochen... Mit steinerner Miene starrte Reiji mich an. Doch obwohl in meinem Kopf alle Alarmglocken auf einmal läuteten, senkte ich weder meinen Blick, noch trat ich von ihm zurück. Ich war einfach mit meiner Geduld am Ende und zu wütend, um noch Angst zu haben. »Was meinst du damit?«, fragte er jetzt leise, doch ich hörte die Drohung hinter seinen Worten wie ein Donnergrollen. Unter anderem, dass du jetzt endlich gehen sollst. »Was weiß denn ein Mensch über dieses Haus und Manieren?«, forderte Reiji diesmal etwas lauter, als ich nicht sofort antwortete. »Sprich!« Wenn ich ihm jetzt nicht – um seine Worte zu gebrauchen ›völlig sachlich‹ – aufzählte, was mir aufgefallen war, würde ich mich im nächsten Moment in irgendeinem Folterkeller an die Wand gekettet wiederfinden und ausgepeitscht werden, bis er sich an mir abreagiert hatte. »Residenzen spiegeln stets die Persönlichkeiten ihrer Bewohner wider. Was also sagt die Tatsache, dass die Dielen im Flur und im Wohnzimmer morsch und die Polster von Sessel und Couch durchgesessen sind? Die Scharniere des Tors und die der Haustür quietschen. Efeu frisst sich ins Gemäuer und höhlt es aus. Die Portraits im Flur sind vergilbt. Alles ist so heruntergekommen und verwahrlost wie das Verhalten, was ihr alle eben an den Tag gelegt habt... und das ist alles nur ein flüchtiger, erster Eindruck. Würde dein Vater jetzt zu Besuch kommen, was würde er vorfinden?« Reijis Gesicht hatte sich mit jedem Wort, das ich gesagt hatte, weiter verfinstert, wie der Himmel bevor ein Unwetter losbrach. Er verbarg es zwar, doch ich konnte spüren, wie seine kühle Fassade Risse bekam. »Subarus Verhalten war in jeder Hinsicht völlig inakzeptabel, genauso wie das von Laito und Ayato. Doch anstatt auch nur einen deiner Bruder zu maßregeln, stehst du hier, beleidigst mich und willst mir Befehle erteilen. Wieso? Hast du geglaubt, ich würde mich peinlich berührt entschuldigen und kleinlaut fragen, ob ich euer Bad benutzen darf?« »Das wäre in der Tat ein angemessenes Verhalten gewesen...« In einer anderen Umgebung hätte ich mich tatsächlich schuldig gefühlt und sogar geschämt. Nicht aber hier und nach allem, was geschehen war. Schon gar nicht bei einem Mann, der einen Gast mit einem Diener verwechselte und sich Rechte herausnahm, die nur ein Herr einem Leibeigenen gegenüber innehatte. In diesem Haus läuft so viel falsch... »Mein Aussehen ist für Karlheinz nicht erwähnenswert gewesen. Vielleicht, weil es ihm nichts bedeutet oder weil er wusste, dass ich ganz genau weiß, wie man sich dem Anlass entsprechend kleidet. Aber weil es dir, dem Sohn, nicht gefällt, nimmst du dir die Freiheit, mich zu bevormunden? Mit welchem Recht? Stellst du dich jetzt schon über deinen Vater?« Ich wollte noch hinzufügen ›Was glaubst du, wer du bist?‹ ... unterließ es jedoch. »Nichts von dem, was ich bin und was ich tue, geht euch etwas an. Also haltet euch von mir fern und lasst mich gewähren.« Ich konnte zum ersten Mal sehen, dass auch ein Vampir blass vor Wut werden konnte. Reiji biss die Zähne zusammen und ballte seine Hände so fest zu Fäusten, dass ich den schneeweißen Stoff seiner Handschuhe knirschen hörte. Ja, ich war gerade arrogant. Aber es musste sein. Reiji hatte schließlich gefragt... »Jemand mit deinen Ansprüchen und Kenntnissen sollte wissen, dass die Art der Gastfreundschaft die Visitenkarte eines Haushalts ist«, fuhr ich fort. »Du stellst mich als unzivilisierte und deshalb in deinen Augen unmündige Wilde dar. Ich wurde von allen außer Shuu und Komori-san beleidigt, belästigt und bedroht. Aber so behandelt man niemanden, ganz gleich, wer es ist... Das ist einem Haus wie dem, für das du dieses hältst, einfach nur unwürdig.« »Außer... Shuu?«   Reiji atmete die Worte buchstäblich aus. Das ist sein Problem? ... Shuu? »Nun ja, auch sein Verhalten ist verbesserungswürdig, aber als stellvertretender Hausherr hat er deutlich gemacht, was zu tun und zu lassen ist«, antwortete ich. Meine Wut legte sich allmählich, vielleicht weil mein Gegenüber zumindest den Anschein erweckte, als ob er mir zuhörte, obwohl ich ihn gerade wirklich bis aufs Blut reizte. »So wie ich es eben erleben durfte, bist du derjenige, dem das gesellschaftliche Ansehen dieser Familie am wichtigsten ist. Vermutlich siehst du dich sogar als den Majordomus des Hauses... doch das würde auch bedeuten, du trägst hier die Verantwortung. Gleichzeitig aber zeigt das Verhalten deiner kleinen Brüder, der Zustand ihrer Kleidung und der des Anwesens, dass du der Aufgabe nicht gewachsen bist. Ich weiß ganz genau, wo mein Platz sein soll – auch wenn er mir nicht zusagt. Diejenigen, die nichts verstehen, seid ihr.« »Was haben wir nicht verstanden?«, fragte Reiji lauernd. Gleich bricht die Hölle los... »Dass in diesem Haus die Regeln eures Vaters auch in seiner Abwesenheit gelten, weil er für euren Unterhalt sorgt«, antwortete ich schlicht. »So wie ihr alle ausseht, geht nämlich keiner von euch arbeiten.« Ich zuckte erschrocken zusammen, als Reiji in lautes Gelächter ausbrach. »Glaubst du, jemand wie du könnte mich erpressen?«, fragte er und konnte gar nicht mehr aufhören. Für einen Moment machte ich diese Schlussfolgerung sprachlos, als ich erkannte, dass man hier mit Argumenten nicht weiterkam. Ein Vergleich mit Darwins ›Fressen oder gefressen werden‹ kam mir in den Sinn, doch ich ärgerte mich maßlos darüber, dass ich von Reiji etwas anderes erwartet hatte. Wozu hatte ich so viel geredet, wenn doch nur blanke Gewalt half? »Nein. Ich dachte, du besäßest Verstand«, erwiderte ich eisig und wandte mich ab. »Du wendest mir den Rücken zu? Was für eine Respektlosigkeit von dir, mir gegenüber...«, kam es leise, doch dieses Spiel beherrschte ich auch. »Respektlosigkeit? Davon spricht ausgerechnet der Mann, der uneingeladen im Boudoir einer Frau Hand an sie legen wollte«, entgegnete ich mit einem Blick über meine Schulter. »Ich habe dich bereits vor geraumer Zeit indirekt darum gebeten, dass du gehen sollst.  Mein Abwenden ist ebenso ein unausgesprochenes Zeichen dafür, dass unser Gespräch beendet ist... Aber da du eine Wortwahl wie Ayatos oder Subarus besser zu verstehen scheinst und ich dich nicht prügeln will, wie einen Hund: ›Du hast mir gar nichts zu sagen. Also verpiss dich.‹ War das jetzt deutlich genug?« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)