(A)I complicate von Naoi-chan ================================================================================ Kapitel 6: Love and Happiness ----------------------------- » Yujis View « „Wo bist du Yu?“ Seijis Stimme drang dunkel durch den Hörer und ich konnte die Besorgnis deutlich heraus hören. Ich blinkte und nahm nun erst den Geräuschpegel in meiner Umgebung richtig war. Es war eine gefühlte Ewigkeit vergangen, die ich nun durch Shibuya geirrt war und immer wieder über Kens Verhalten und seine Worte nachdenken musste. Spürte immer noch seine Yweichen Lippen auf den meinen. Ich fühlte mich elend und hatte mich irgendwann in einem kleinen Café neben dem großen Game Center in der Innenstadt niedergelassen. Das war der siebte Anruf von Seiji in den letzten - ich blinzelte kurz aufs Display - in den letzten 20 Minuten. Ich hatte mich die ersten Male nicht dazu überwinden können, mit ihm zu sprechen. Was hätte ich auch schon sagen sollen? „Yuji.“ Seiji klang nervös. „Sag mir wo du bist. Ich werde dich abholen.“ „Ich...bin in einem Café.“ ich war noch so durcheinander und konnte kaum klar denken. „Am Gamecenter...“ „Game Center?“ „Shibuya...“ stammelte ich leise. „Shibuya?! Was machst - Bleib einfach wo du bist. Ich bin sofort bei dir okay?“ „Ok…“ damit beendet ich das Gespräch und starrte auf das Handy in meinen Händen. Die vergangen Stunden waren der reinste Alptraum gewesen. Ich strich mir über die Lippen und dachte an das irre Kribbeln, was sich durch meinen gesamten Körper gezogen hatte, in dem Augenblick als sich unsere Lippen berührt hatten. Bei dem Gedanken, dass es sich irgendwie gut angefühlt hatte, bekam ich sofort ein schlechtes Gewissen. Wie konnte ich nur so denken? Wie - verdammt nochmal? Ich nahm einen Schluck von dem grünen Tee, den mir die junge Kellnerin vor wenigen Minuten gebracht hatte. Die warme Flüssigkeit glitt sanft meine Kehle hinunter und für wenige Sekunden empfand ich soetwas wie Ruhe und Erleichterrung. Aber das Gefühl hielt nicht sehr lange. Es war absurd. Es war einfach so völlig absurd, was innerhalb der vergangenen Stunden zwischen mir und Ken geschehen war. Immer wieder fragte ich mich, wie ich das hatte all die Jahre ignorieren können. Wie hatte ich nicht bemerken können, dass er - dass er solche Gefühle für mich hegte? Wie sehr es ihn verletzt haben musste, als ich ihm meine Gefühle für Seiji gestanden hatte.    Die Zeit nachdem er nach Tokio gekommen war, machte plötzlich so viel Sinn. Sein Verhalten... seine Reaktionen gegenüber Seiji. Es schien, als würde ein Hunderte Puzzle Teile plötzlich in den ihnen vorbestimmten Positionen fallen.   Ein tiefes Seufzen entfloh meiner Kehle.  „Alles in Ordnung?“ ich blickte auf und sah die brünette Kellnerin wieder vor mir. Sie hatte ein breites Lächeln und ihre freundlichen Augen wanderten kurz über die Tasse in meinen Händen.    Ich wand den Blick ab und nickte wortlos.    Einen Augenblick stand sie stumm an meinem Tisch und musterte mich eindringlich. „Meine Großmutter sagt immer, am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, ist das auch noch nicht das Ende.“ sagte sie schließlich leise.   „Das sind weise Worte…“ murmelte ich nur, dachte aber gleichzeitig daran, dass doch im Grunde, alles eine Frage der Perspektive war. In dieser Situation: wie sollte das alles ausgehen und sowohl Seiji als auch Ken mit einem guten Ende dar stehen? Das war unmöglich.    „Und sie sind wahr.“ sie drückte kurz meine Hand, ehe sie zum nächsten Tisch ging um die Bestellung der etwas ungeduldig drei blickenden Gäste entgegen zu nehmen.    Ich hatte kaum Zeit ihre Worte zu verarbeiten, als mein Handy ein Klingelton von sich gab und das Display eine neue Nachricht anzeigte. Ich griff nach dem kleinen Mobilfunkgerät.     ~~~~   Empfangen: 12:34 Uhr    Von: Ken    Es tut mir leid. Bitte verzeih mir Yu...   ~~~~     Mein Herz klopfte so hart gegen meinen Brustkorb, dass ich schon einen leichten Schmerz spürte.    Verzeihen...    Ich war ihm nicht mal wirklich böse, also was gab es da zu verzeihen? Ich war eigentlich eher verunsichert und einfach so unfassbar verwirrt. Ken war mir wichtig. Aber wie sollte ich mich ihm gegenüber jetzt verhalten? Abstand halten? So tun, als wäre nichts gewesen? All das war unmöglich. Schließlich war es Ken... mein KenKen.   „ Yu.“ eine Hand legte sich auf meine Schulter und ich wäre fast vor Schreck vom Stuhl gefallen. „Was ist passiert?“    Dunkle blaue Seen musterten mich besorgt. Seiji war leicht außer Atem und es schien, als wäre er hier her gerannt. Plötzlich dämmerten mir seine Worte vom Morgen. Mist. 12:00 Uhr am Bahnhof. Ich hatte unsere Verabredung völlig vergessen... Er hatte mich doch extra heute morgen gefragt.   „Ist alles in Ordnung?“ er strich mir mit einer Hand über die Wangen und ich bekam eine Gänsehaut. Seijis Stimme war so voller Sorge und Liebe. Sein Gesicht wurde etwas verschwommen und ich realisierte, dass sich Tränen erfolgreich ihren Weg in meine Augen erkämpft hatten.   Nein. Nichts ist in Ordnung - wollte alles in mir schreien.  Aber ich bekam kein Wort über die Lippen und fiel ihm stattdessen schluchzend um den Hals.    „Yu…“ er schlang sofort seine Arme um mich und strich mir übers Haar. „Was ist los? Sprich mit mir. Ich mache mir Sorgen...“    Ich konnte Seiji nicht sagen, dass Ken mich geküsst hatte und dass dieser eine Kuss mich so sehr berührt hatte, dass ich meine eigenen Gefühle nicht mehr richtig zuordnen konnte. Also schwieg ich. Ich schwieg und lies den Trännen die ich zuvor zurück gehalten hatte, nun endlich freie Bahn.   „Shhhhh…“ Seiji strich mir behutsam über den Rücken und ehe ich wusste, wie mir geschah hob er mich plötzlich mit einem Ruck auf seinen Arm. Ich erschrack leicht, war aber auch froh, da ich nicht wusste, wie lange ich mich noch auf den Beinen hätte halten können. „ Oi Oneesan... hier…“    „oh... Danke.“ das war die Stimme der Kellnerin. Vermutlich hatte Seiji noch für mich bezahlt?      Ich wagte es nicht meinen Blick zu heben und vergrub stattdessen meinen Kopf noch mehr in seiner Halsbeuge. Sein Duft rief in mir Erinnerung, dass wir einander ein Versprechen gegeben hatten... ein Versprechen immer ehrlich zueinander zu sein. Aber wie konnte ich ihm davon erzählen? Seiji würde das niemals verstehen. Wie auch? Was gab es da zu verstehen? Ich wusste nicht mal selbst, weshalb ich plötzlich so unsicher war... alles in meinem Kopf schien so dumpf und viel zu weit weg. Völlig absurd... Ich wusste noch nicht mal, wo er mich hintrug und irgendwie war es mir auch egal. Ich wollte ihn nur so nah wie möglich bei mir spüren, ohne Fragen beantworten zu müssen. Ich vernahm den Geräuschpegel vom Straßenverkehr in Shibuya und wusste nun, dass wir die Hauptstraße entlang gingen. Ich konnte auch leises Gekicher und Flüstern Vernehmen. Es war ja auch selten, dass ein junger Mann, einen anderen Mann wie eine Braut die Straßen Tokios entlang trug. Irgendwann spürte ich ein weiches Polster auf dem ich niedergelassen wurde.    Meine Tränen waren verebbt und ich strich mir über die Augen um nun endlich meine Umgebung wahr zu nehmen. Sitzpolster - Mini Bar - getönte Fensterscheiben... das Innere einer Limousine - schlußfolgerte ich und fühlte mich sofort an den Moment mit Ken erinnert. Ich versuchte den Gedanken zu verdrängen.   „Möchtest du darüber reden?“ durchbrach Seiji die Stille und seine dunklen Augen fixierten mich wieder nachdenklich.   Ich schüttelte hastig den Kopf und klammerte mich an ihn wie ein Ertrinkender. „Nein.“    Einen Augenblick schwieg er und seine Hände glitten sanft über meinen Arm. „Bist du sicher…?“ Ich nickte und drückte mich noch etwas näher an ihn. Wollte ihn unbedingt das Gefühl geben, dass nicht mal ein Blatt Papier zwischen uns passte. „Ich habe eine Überraschung für dich, aber wenn du nicht in Stimmung bist, können wir einfach nach Hause fahren.“ sagte er dann zögerlich.   Nach Hause fahren und ständig an diesen einen absurden Moment denken?  „Nein... ich möchte nicht nach Hause. Es ist alles gut...“ murmelte ich und schmieg meinen Kopf an seine Schulter.   „ Bist du wirklich sicher Yu?“ Seiji schob mich von sich und ich hatte das Gefühl, als würde er mich mit seinem Blick völlig durchdringen. Als würde er versuchen, in mein tiefstes Inneres zu blicken. Warum verursachte das eine Panik in mir? Warum hatte ich solche Angst davor, dass er sehen könnte was gerade in mir vor sich ging?   “Ja.“ flüsterte ich leise und senkte den Blick. „Ich möchte nicht allein sein Sei... zeig mir deine Überraschung. Bitte. “ Einige Sekunden schien er zu überlegen und musterte mich eindringlich. Wir hatten in den vergangenen zwei Jahren, selten einen wirklichen Streit gehabt. Und wenn, war oft er der jenige gewesen, der es wieder in Ordnung gebracht hatte zwischen uns. Seiji hatte schon immer genau gewusst, mit welchen Worten, er mich aufmuntern konnte... aber heute hatte ich das Gefühl, dass jegliche Silbe vergebens sein würde. Schließlich seufzte er tief und wand sich an den Fahrer der Limousine. „Zum Treffpunkt...“ „Hai.“ . . . Als die Limousine schließlich zum Stehen kam, war ich schon fast neben Seiji weg geschlummert. Selten hatte sich ein Geburtstag so wenig nach meinem Tag angefühlt wie heute. Ich hatte nicht mal Kraft mir Gedanken darüber zu machen, was für eine Überraschung er wohl für mich geplant hatte, aber wir waren eine gefühlte Ewigkeit gefahren. „Da wären wir...“ Seiji schien plötzlich etwas nervös. Ich blinzelte ihn an und rieb mir die Erschöpfung aus den Augen. Er lächelte leicht und drückte meine Hand, ehe er die Tür öffnete. Ich wurde so vom Tageslicht geblendet, dass ich zunächst nichts sehen konnte. Also stolperte ich hinter dem dunkelhaarigen her. Kaum hatten meinen Füße das Fahrzeug verlassen und den Asphalt berührt, vernahm ich ein lautes Gekreische und verstand nur langsam das Wort was alle riefen: „ÜBERRASCHUNG.“ Ich zuckte kurz zusammen und nach und nach wurden menschliche Silhoutten deutlicher. Ehe ich wusste, was genau geschah, sah ich mich dunklen braunen Augen gegenüber, die mich freudig anfunkelten. Fumihiro. Er war einer unserer engsten Freunde aus Chiba, der mich nun breit angrinste und hier - mitten in Tokio - einen roten Ballon in den Händen hielt. Ich blintzelte ungläubig und rieb mir wieder über die Augen. War das real, oder verabschiedete sich mein Verstand nun vollkommen? „Yu-Chan!“ rief er und kam auf mich zu. Es schien so real... aber wie war das möglich? Er lief mir eilig entgegen, gefolgt von vielen anderen, mir bekannten Gesichtern und ein breites Lächeln schlich sich nun wie von selbst auf meine Lippen, als ich mich langsam mit dem Gedanken anfreundete, dass dies kein Traum oder eine Halluzination war. Ehe ich wusste, wie mir geschah wurde ich in eine warme Umarmung gezogen und nahm nur aus den Augenwinkeln den Banner in roter Schrift war: HAPPY BIRTHDAY YU - CHAN Trännen strömten über mein Gesicht, als ich realisierte, dass all das wirklich geschah und mich Mamoprou schließlich von sich weg drückte um mich zu betrachten. „Yu-Chan...“ er grinste. Ich war nicht fähig, etwas zu erwidern. Ich hatte ihn schon zwei Jahre nicht mehr gesehen. Die wenigen Male die ich in Chiba gewesen war, seit ich in Tokio lebte, hatte Fu keine Zeit gehabt... oder wenn ich wirklich ehrlich war, hatte ich Angst gehabt, Ihm, Jo oder irgendeinen von den anderen zu begegnen, seit ich mit Seiji zusammen war. Hatte doch irgendwie immer das Gefühl gehabt, dass jede Sekunde ohne Seiji zu erwähnen, eine Lüge gewesen wäre. Seiji... Ich sah mich panisch nach ihm um. Er stand neben Suri und begegnete meinem Blick aus sanften und neugierigen Augen. Ein kaum merkliches Lächeln lag auf seinen Lippen, als er sich schließlich meinem blonden Mitbewohner zuwand, der neben ihm zum Halten kam und Seiji ein Tablett reichte. Erst jetzt konnte ich die Umgebung richtig wahrnehmen. Wir standen im Mitten vom englischen Garten Tokios und neben den blühenden Blumenbeeten, hingen überall wunderschöne Laternen, die diesem Ort etwas noch viel magischeres verliehen. Ein glückliches Seufzen entkam meiner Kehle. Seiji und ich waren zu einem unserer ersten Dates hier gewesen - genau genommen war es das dritte Date gewesen. Das See Haus, war unfassbar schön und durch die ganzen Lichterketten die nun aufgehängt wurden waren, noch schöner als in meiner Erinnerung. „Happy Birthday Yu.“ Suri kam auf mich zu gerannt und zog mich lachend in eine feste Unarmung. „Das war alles Sei-kuns Idee.“ sie sah in seine Richtung. „Freust du dich?“ Seiji verteilte gerade zusammen mit Yaten Sekt - Gläser an alle Gäste. Ich war noch immer sprachlos, während ich nach und nach in unzählige Umarmungen von Kommilitonen und Freunden die ich in den letzten zwei Jahren in Tokio zu schätzen gelernt hatte, aber auch alten Bekannten und Freunden aus Chiba gezogen wurde. Wann und wie hatte Seiji all das vorbereiten können? . . . „Oi Yu-Chan.“ Fumihiro legte eine Hand auf meine Schulter. „Wo ist Ken-kun?“ Mein Herz verkrampfte sich sofort bei dem Klang seines Namens. Die Party war im vollen Gange und die ersten tanzten bereits ausgelassen zu der Westlichen Musik, die nun seit einigen Minuten die elektronischen koreanischen Beats abgelöst hatten. Ganz davon abgesehen, dass ich noch nie einen meiner Geburtstage groß gefeiert hatte, war dies mit Abstand die beste Party auf der ich je gewesen war. Ich hätte der glücklichste Mensch überhaupt sein müssen, aber irgendetwas fühlte sich verdammt falsch an... Ich stand mit Fu, Yohji und Jo bei den Getränken und starrte ihn aufgrund der Frage stumm an. „Ehm...“ nervös strich ich mir einige Haare aus dem Gesicht. Fu grinste. „Hey... ich weiß wir haben euch das Leben schwer gemacht.“ er kratzte sich verlegen am Kopf. „Tut mir leid... Damals hatten wir keine Ahnung.“ „Was meinst du?“ ich schenkte uns jeweils ein Glas der Bowle ein und mied nun seinen Blick. „Du und Ken… wir wussten halt nicht, wie wir damit umgehen sollten. Wir wollten dich bestimmt nicht verletzen...“ er nahm einen der Gläser an sich und nippte auch gleich davon. „Es waren einfach dumme Sprüche... Schieben wir es auf unsere Jugend?“ er legte den Kopf schief und sah mich fragend an. „Aber Ken war schon immer nachtragender als Yuji.“ ein amüsiertes Lachen ertönte und Yohji nahm nun ebenfalls einen Schluck von der fruchtigen Flüssigkeit. Ich verzog die Augenbrauen. „Womit umgehen?“ Yohji und Jo warfen sich gegenseitig einen nervösen Blick zu und eine leichte Röte lag auf ihren Wangen. In Chiba waren wir vier zusammen mit Ken soetwas wie eine unzertrennliche Clique gewesen. Wir waren seit der Grundschule in einer Klasse gegangen und kannten uns somit ziemlich gut. Während Ken und Fumahiro sich ständig um den inoffiziellen Posten des Anführers duelliert hatten, waren Jo und ich eher die zurückhaltenden. Yohji hingegen war eigentlich der Älteste von uns und er hatte alle Hände voll zu tun gehabt, Ken und Fu von ihren all zu verrückten Ideen abzubringen. Er hatte immer etwas von einem großen Bruder an sich gehabt und sich liebevoll um uns alle gekümmert. Es war eine schöne Zeit gewesen. Und dennoch hatte ich nie das Gefühl gehabt, ich selbst sein zu können. Seit ich wusste, dass ich Männer bevorzugte, hatte ich immer geglaubt gehabt, mich verstecken zu müssen - eine Lüge zu leben. Besonders vor diesen vier Menschen, obwohl sie doch eigentlich meine engsten Freunden gewesen waren. Fumahiro legte seinen Arm um mich: „Haha... Yu-Chan. Du tust wieder so unschuldig.“ er kniff mir in die Wange. „Also wo ist Ken?“ Ich zuckte hilflos mit den Schultern. Und da dämmerte es mir. Das war es, was sich die ganze Zeit über so falsch angefühlt hatte.... warum war Ken nicht hier? Er war mein bester Freund. Im vergangenen Jahr war er in Süd Korea auf Tour gewesen. Da hatte ich verstehen können, dass er nicht an meinem Geburtstag bei mir sein konnte. Aber heute? Heute wusste ich, dass er in Tokio war und trotzdem konnten wir nicht zusammen sein? Warum versetzte der Gedanke mir so einen unfassbaren Stich? Ich tat alles, um dagegen anzukämpfen, aber ich spürte zum wiederholten Mal am heutigen Tag Tränen aufkommen. „Yu...?!“ Fumahiro verzog sein Gesicht irritiert. Eine gewisse Sorge lag in seinen dunklen Augen. „Was ist los?“ Jo legte besorgt eine Hand auf meinen Arm und sah mich aus hell braunen Tiefen an. „Warum weinst du?“ Ich strich mir über die Wangen. „Gomen...“ ich versuchte hastig mein Gesicht zu verstecken und konnte nicht fassen, dass ich ausgerechnet jetzt anfangen musste zu heulen. Jo zögerte kurz, ehe er mir über die Wangen strich. „Habt ihr Streit?“ Ich zuckte wieder hilflos mit den Schultern und konzentrierte mich auf das Glas in meinen Händen, mit der rot-braunen Flüssigkeit. „Egal was es ist... das wird wieder.“ vernahm ich Yohjis freundliche Stimme. Fumahiro räusperte sich und hob mein Kin. Zwang mich somit ihn anzusehen. „Als Ken uns alle angerufen hat, waren wir erst überrascht...“ Ken hatte sie alle angerufen? „Er sprach von diesem Seiji, der eine Party für dich plant...“ er lachte kurz. „Du weißt selbst wie besitzergreifend Ken sein kann... es fällt ihm verdammt schwer andere in deiner Nähe zu akzeptieren. Deshalb waren wir so überrascht, dass er sich solche Mühe gegeben hat für diesen Seiji...“ War ich denn der einzige, der es all die Jahre nicht gesehen hatte? „Ist dieser Seiji, der Grund warum Ken heute nicht hier ist?“ Jo war schon immer der klügste von uns allen gewesen und konnte aus allen Möglichen Anhaltspunkten exzellent und Punkt genau schlussfolgern. Er studierte Jura und wir waren alle sicher, dass er mal ein sehr erfolgreicher Anwalt werden würde. Ich sah meine Freunde eine Weile wortlos an. Antwort genug für den dunkel haarigen Jo und er lächelte verständnisvoll. „Er scheint eigentlich ganz nett...“ murmelte Yohji nachdenklich und strich sich seine dunkel blonden Haare aus dem Gesicht, während sein Blick Richtung Seiji wanderte, der gerade mit Clio den Grill anwarf. „Er hat uns alle vom Bahnhof abholen lassen und sich um eine Unterkunft gekümmert.“ „Hm...“ Jo stutzte. „Trotzdem schade mit Ken... Ich hatte mich schon so gefreut, dass wir endlich mal wieder alle zusammen sein würden.“ „Ah Jo-kun... wieder so sentimental? Amy - Chan hat dich noch weicher gemacht.“ Fumahiro zog den etwas Kleineren an sich und strubelte ihm grinsend durchs Haar. „Oiiii“ Jo schob ihn mit einem verärgerten Gesichtsausdruck von sich. „Idiot... wer ist hier weich geworden?“ Amy war seit der Oberstufe Jos Freundin und eine bekennende Romantikerin. Sie sah in alles und jedem das Gute und sprach immer von einem Happy End. Egal in welcher Angelegenheit. Eigentlich waren die beiden das einzige Pärchen, was mir einen Hauch Hoffnung gegeben hatte, dass so etwas wie wahre Liebe existiert. Ein leichtes Lächeln huschte über meine Lippen. Es war fast wie früher - nur besser, da ich nicht mehr das Gefühl hatte mich verstecken zu müssen. Das einzige was fehlte, war Ken... Ich hatte nur wenige Sekunden, diese vertraute Nähe zu genießen, als eine dunkle Stimme uns unterbrach: „Hey Yu!“ Sowohl mein Blick, als auch der meiner langjährigen Freunde glitt zu einem großgewachsenen Mann, der gerade auf uns zu kam. Ich erkannte ihn in der Sekunde, als ich in die dunklen grünen Seen tauchte. „Rey-San...“ Er hatte sein typisches, warmes Lächeln aufgelegt und Fumahiro neben mir gab ein merkwürdiges Geräusch von sich. Rey und Fu hatten sich noch nie sonderlich verstanden. Warum wusste keiner von uns so genau... Rey strich sich durch seine lange Mähne und zog mich sofort, Fumahiro ignorierend, in eine warme Umarmung. „Nochmal alles Gute...“ deutlich leiser und scheinbar nur für meine Ohren bestimmt, flüsterte er: „Tut mir leid Yu...“ Ich spürte, wie sich meine Augenbrauen kräuselten. Aber ehe ich ihm etwas erwiedern konnte, erspähte ich den halb Chinesen neben ihn, der mich abschätzend musterte. Liam, war mir und Ken vom ersten Tag unserer Begegnung sympathisch gewesen. Er und Rey hatten sich nie offiziell als Paar vorgestellt, aber es war zu offensichtlich... allein die Art wie sie sich ansahen und miteinander sprachen. Doch in diesem Augenblick hatte ich das erste mal das Gefühl gehabt, dass eine Art Ablehnung in seinen Augen lag. Kens älteres Abbild, nickte nun Fumahiro und Yohji eher höflich, als freundlich zu, ehe er Jo in eine herzliche Umarmung zog. Die beiden hatten sich merkwürdiger Weise, schon immer sehr gut verstanden. „Rey-Sama…“ Jo strahlte übers ganze Gesicht. „Es ist so schön dich zu sehen...“ Als Ken und ich noch klein waren, hatte Rey oft auf uns aufgepasst. Er war schon immer soetwas wie der coole ältere Bruder für uns gewesen und wir hatten ihn bewundert. Er war derjenige, der uns die erste Zigarette besorgt hatte und war Zeuge gewesen, wie wir uns danach die Seele aus dem Leib brachen und schwören, nie wieder unsere Lungen damit zu verseuchen. Er war es auch, der uns den ersten Alkohol besorgt hatte - Sake natürlich - und ein schadenfrohes Grinsen auf den Lippen, als er Ken die Haare zurück halten musste weil er übertrieben hatte und die Flüssigkeit wieder los werden musste. „Ein Sonnenschein wie eh und je...“ murmelte Rey lächelnd und kniff dem dunkelhaarigen in die Wangen. Eine leichte Röte zierte Jos Wangen, woraufhin Liams Aufmerksamkeit für einen kurzen Augenblick auf ihm ruhte. Ich versuchte Liams unangenehmen Blick zu ignorieren. „Danke fürs Kommen Oji-san.“ Kaum hatte ich es ausgesprochen, wurde mir bewusst, dass ich ihn schon ewig nicht mehr so genannt hatte. Rey lächelte nickend. „Ich kann nicht lange bleiben... wir fliegen heute Nacht nach Shanghai. Aber ich hoffe du hast ein fantastisches Jahr.“ Er wand sich Liam zu, nahm ihm etwas aus der Hand und drückte mir schließlich zwei Päckchen entgegen. Ehe ich realisierte was geschah, nahm er mein Gesicht vorsichtig in beide Hände. Einen Moment starrte er mich an, ehe er leise flüsterte:. „Er liebt dich Yu... wenn du das nicht erwidern kannst, lass ihn gehen.“ ich hatte ihn gerade so verstanden. Ich kannte Rey seit über zehn Jahren, aber hatte noch nie so sehr das Gfühl gehabt, dass er mich und Ken um jeden Preis beschützen wollte, wie in diesem Augenblick... Aber ihn gehen lassen? . . . Leichte Wellen erreichten meinen Füße... das Wasser in diesem See war sehr ruhig und die Sonne spiegelte sich auf der dunklen Oberfläche. Ich vernahm die Musik, die nun wieder zu japanischen Pop Beats gewechselt hatte und sowohl Fuma als auch Yohji hatten sich inzwischen unter meine Komilitonen gemischt und tanzten auf der Terrasse des See Hauses,während Jin sich mit Yaten unterhielt. Ich hatte mich auf den Steg des Hauses zurück gezogen und hielt mein Handy in den Händen. » Bitte verzeih mir Yu... « Ich hatte ihm noch nicht geantwortet und wusste auch immer noch nicht was ich darauf antworten konnte. Schritte näherten sich und ließen das alte Holz etwas knarren. „Was machst du hier alleine?“ hallte eine mir nur zu vertraute Stimme durch die Nacht und Seiji nahm neben mir Platz, während er mir fast zeitgleich ein Glas reichte. Ich wand ihm mein Gsicht zu und nahm das Getränk dankend entgegen. Es war bereits relativ spät geworden und der Pegel vom einen oder anderen ins unermessliche gestiegen. Sie lachten fröhlich und es hatte kaum noch jemanden gegeben, der sich nicht zum Takt der Musik bewegte. „Danke für alles...“ flüsterte ich lächelnd. Seiji grinste und strich sich durch die Haare. „Ich würde alles tun, um dich glücklich zu machen.“ Ich wand meinen Blick ab, aber spürte dass er etwas näher rutschte. „Bist du es Yu?“ er lies mir wenige Sekunden zum Antworten, die ich allerdings nicht nutzen konnte. „Bist du glücklich?“ hakte er dann noch mal nach. Ich wand mich ihm wieder zu und war nicht überrascht, dass unsere Gesichter nur wenige Zentimeter trennten. „Ich bin sehr glücklich dass du alle meine Freunde aus Chiba eingeladen hast, dass du hier bist und überhaupt...“ Er schien etwas erleichtert und sein Lächeln wurde entspannter, während er sich zu mir herunter beugte und einen kurzen Kuss auf meine Lippen hauchte. Eine Weile schwiegen wir und blickten beide auf den See. Ich hatte mich schon ewig nicht mehr so hin und her gerissen gefühlt... so rastlos... dennoch hatte es etwas Beruhigendes mit Seiji so dar zu sitzen. ~~ Sore o tadashiku suru - Make it right. ~~ Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich zuckte leicht zusammen, als ich die mir vertraute Stimme durch die Boxen vernahm. Kens dunkle Stimme zu hören versetzte mir einen Stich. Ich vernahm leichtes Jubeln von unseren Gästen im Haus und war mir sicher, dass ich besonders laut Suris begeisterten Schrei vernommen hatte. Seiji neben mir schien ebenso überrascht wie ich, als er seine Stimme erkannte, dennoch wagte es keiner von uns, etwas zu sagen. Wie eine schwere aber unsichtbare Last, legten sich seine Worte über uns. ~~ Iam gonna make it right for you Iam gonna love you, So dont worry baby Iam gonna Protect you no matter what, So please just trust me baby And when I kiss you, Iam gonna make it Right ~~ Sofort dachte ich an den Moment, als sich unsere Lippen berrührt hatten und instinktiv lies ich einen Finger über meine Lippen gleiten. Dachte daran, wie weich sich seine Lippen angefühlt hatten... Mein Herz schlug so hart gegen meinen Brustkorb, dass ich fürchtete, es würde jeden Moment herausspringen. Dieser Kuss hatte sich so anders angefühlt, als Seijis Küsse. Seiji... Plötzlich wurde ich am Arm gepackt und blickte in dunkle blaue Sapfire. Seijis Blick war eine Mischung aus Furcht, Wut und Verzweiflung, während sein Blick auf meinem Finger glitt, der noch immer auf meinen Lippen ruhte. Ich blinkte ihn an und lies ihn sofort sinken, woraufhin eine seiner Augenbrauen in die Höhe schnallte. „Yu...“ Ich spürte eine Art Verzweiflung aufkommen. Die Art, wie Seiji mich an sah und gleichzeitig Kens Stimme zu hören, war bedrückend. Ich fühlte mich wie ein Lügner und Betrüger. Was zur Hölle tat ich hier? Ehe ich wusste, wie mir geschah schossen mir wieder Tränen in die Augen. Ich hatte vermutlich mein ganzes Leben nicht so oft geweint, wie heute an diesem einzigen Tag. Ausgerechnet an meinem Geburtstag. Seijis Blick wurde wieder weicher. „Hat...hat er -“ „Bitte stell mir nicht diese Frage.“ flüsterte ich schluchzend und wusste genau, worauf er hinaus wollte. Er stockte und musterte mich eine Weile nachdenklich. Erst als die Melodie von Kens Song endlich verebbt war, fand Seiji seine Worte wieder. „Du bist nicht wirklich glücklich oder?“ Ich lehnte mich an ihn und hatte längst beschlossen, ihm eine Antwort schuldig zu bleiben. Wusste selbst nicht, was ich dazu sagen sollte oder was wohl in einer solchen Situation die richtigen Worte waren. Gab es die überhaupt? Ich war glücklich meine Freunde wieder zu sehen. Ich war glücklich, dass Seiji sich solche Mühe gegeben hatte. Ich war glücklich meinen Geburtstag an diesem wundervollen Ort mit all diesen Menschen verbringen zu dürfen. Ich war glücklich... sollte es auch sein... und doch war ich es einfach nicht. Mein Herz tat so unfassbar weh, dass es mir falsch schien. Jedes Wort an ihn wäre entweder eine Lüge gewesen, oder hätte ihn verletzt. Und das war das Letzte was ich wollte. . . .   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)