Wo du Zuhause bist von Xynn ================================================================================ Kapitel 7: Ein Licht im Dunkeln ------------------------------- Keuchend, hob und senkte sich ihr Brustkorb schwer. Unter ihren Stiefeln gab die losgetretene Erde leicht nach, während ihre Klinge immer wieder hart die von Kíli kreuzte und der metallische Klang in ihren Ohren laut widerhallte. Es glich einem Tanz und sie war dabei den Takt zu verlieren. Ihre Arme erzitterten bei der Wucht, die der Zwerg in jeden einzelnen Angriff legte. Und es fiel ihr immer schwerer seine Hiebe zu parieren, wurde dabei weiter zurückgedrängt, bis sie mit ihrem Rücken auf etwas Solides stieß. Sie wusste nicht was es war, doch nahm es ihr jegliche Freiheit. Alles worauf sie sich konzentrierte war Kíli, der ihre missliche Lage sofort ausnutze. Er startete eine Offensive, die sie mit ihrer Klinge vor sich abblockte. Doch all ihre Kraft verließ sie, weshalb sie ihre andere Hand an die stumpfe Klingenseite legte, um dem Druck standzuhalten, den er immer stärker aufbaute. Sie konnte weder zurück, noch vor – er hielt sie zwischen sich und dem hinter ihr gefangen. Es trennte sie nur die Schwerter, die zwischen ihnen ächzend klirrten. Sein heißer, unregelmäßiger Atem traf ihr Gesicht und sie schloss kurz ihre Augen. Sie hatte keine Möglichkeit sich daraus zu befreien – alles was sie jetzt noch konnte war sich ergeben. Doch war es genau das, was Dwalin schon seit Tagen brummte: Sie gab viel zu schnell auf und so würde sie es nie lernen. Würde sie auch so kämpfen, wenn es um ihr Leben ging? War das alles was sie konnte? Aufgeben und allen zeigen, dass sie schwach und unbrauchbar war? Nein. Sie war nicht nutzlos und schwach! Und aus letzter Kraft riss sie aus purer Verzweiflung ihr rechtes Bein hoch, in der Hoffnung ihren Gegner irgendwie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ihr Oberschenkel fand ein Ziel und der Effekt setzte umgehend ein. Erleichtert atmete sie auf als plötzlich der Druck vom Schwert genommen wurde. Doch Kíli stöhnte vor Schmerz auf, ließ sein Schwert achtlos fallen, taumelte einen Schritt zurück, während er auf die Knie ging und sich gekrümmt den Schritt hielt. Erschrocken ließ Anna prompt ihr eigenes Schwert fallen, während unter den Zuschauern lautes Gelächter und Gejohle ausbrach. „Kíli! Kíli! Oh Gott! Es tut mir so leid!“ Panisch kniete sie sich vor ihn in den Dreck als sie versuchte in sein Gesicht zu blicken, jedoch keinen Erfolg hatte, da er seinen Kopf hängen ließ. „ … Alles … gut.“, presste er angestrengt heraus, der Schmerz noch deutlich in seiner Stimme, was ihren Schrecken darüber nur verstärkte. Direkt legte sie ihm sanft ihre Hände auf die Schultern, die sie leicht drückte. „Es tut mir wirklich so leid! I-Ich wollte dir nicht in die Eier treten.“, verließ es hastig ihren Mund. Kíli spannte sich merklich unter ihr an, seine schmerzverzerrten Grunzlaute verschwanden jedoch. „Gut gemacht! Glóin! Du schuldest mir ein Goldstück!“, rief dann die Stimme von Bofur erheitert. Mit rasendem Herzen wagte sie auch einen verängstigen Blick in die Zuschauermenge, die allesamt höchst amüsiert schienen. Selbst Fíli trug ein belustigtes Lächeln auf den Lippen. Keiner war wütend, dass sie dem Prinzen ganz unfair in die Kronjuwelen getreten hatte? Doch ein einziger schien nicht glücklich. Glóin, der Bofur etwas in seinen Bart grummelnd reichte. Als sie sich dann Kíli wieder zuwandte, hatte er bereits seinen Kopf wieder angehoben und musterte sie mit seinen braunen Augen aufmerksam. Keine Spur mehr von dem Schmerz zuvor. Huh? Warum blickte er sie nun so an? Zumindest schien er nicht verärgert zu sein. „Ich mach das nicht nochmal, versprochen.“ Anna schenkte ihm ein unsicheres Lächeln, was nur wuchs als er begann zu lächeln. „Darüber wäre ich sehr dankbar.“, hörte sie ihn tatsächlich leicht amüsiert sagen. Erleichterung machte sich in ihr breit. Ein Glück, dass Kíli nicht nachtragend war. „Nein, Ihr werdet es weiterhin tun.“, durchschnitt die eindringliche Stimme Dwalins laut, sodass sie erschrocken zur Seite sah und von Kíli abließ. Der imposante Krieger stand mit seinen mächtigen Armen vor der Brust gekreuzt neben ihnen und Anna schluckte. Wenn man zu ihm aufsehen musste, wirkte er noch gefährlicher. Doch langsam erreichten sie seine Worte. „Was?“, kam es gleichzeitig. Es war als habe Kíli erst in demselben Moment begriffen was der Krieger sagte. „Ihr habt mich schon richtig gehört, Mädchen. Ihr habt dem Jungen gezeigt, dass man seine Gegner nicht unterschätzen sollte und Ihr habt Einfallsreichtum bewiesen. Entschuldigt Euch nicht für Etwas, was Euer Leben retten könnte.“ Dwalins strenger Ton unterstrich das Ganze perfekt. Doch sie blinzelte irritiert. Auf einer Seite hatte der kampferfahrene Zwerg natürlich völlig recht, doch ihr mitleidiger Blick wanderte zu Kíli, dessen Gesicht eine Maske aus Horror war. Ob es nun daran lag, dass Dwalin ihn kritisierte oder sie dazu anstachelte ihm öfter zwischen die Beine zu treten, wusste sie nicht. Anna lächelte schief. Wahrscheinlich war es beides. Nach dieser hitzigen Trainingsstunde, war sie wie immer vollständig durchgeschwitzt. Ihre Kleidung klebte an ihr und machte auch sonst keinen sauberen Eindruck, da sie von Dreckflecken nur so übersät war. Wie ihr ganzes Erscheinungsbild eigentlich, ganz genau wie die Zwerge, mit denen sie seit vielen Tagen reiste. Wie lange war sie jetzt schon unterwegs? Welcher Wochentag war es überhaupt? Anna hatte ihr Zeitgefühl verloren. Und der Blick in ihren Rucksack sagte ihr etwas ganz Deutliches: Es war wieder an der Zeit Wäsche zu waschen, bevor sie selbst baden konnte, was ihre Stimmung nicht hob. Sie wollte so schnell es ging aus ihren Sachen heraus. „Wieso muss das denn immer so scheiße kalt sein?“, murmelte Anna zu sich selbst, ihre dreckige Wäsche im kalten Wassers des Flusses rubbelnd. Der Gedanke gleich darin baden zu gehen, jagte ihr schon jetzt Schauer über dem Rücken. Mittlerweile reagierte ihr Körper zwar schon besser auf die Eiseskälte, da sie natürlich nach jedem Training baden gegangen war. Trotzdem. Es war kalt und das noch eine Weile danach, selbst wenn sie sich so nah wie möglich ans Lagerfeuer setzte, um zu trocknen. „Und warum muss das so anstrengend sein?“, redete sie vor sich her, ihre Muskeln vom Training ganz müde. Wie hatten das die Frauen nur vor der Erfindung der Waschmaschinen ausgehalten? Man saß praktisch Stunden nur an der Wäsche und die wurde nicht mal richtig sauber, wenn sie sich ihr bisheriges Werk, an ihrer Seite, ansah. Seufzend setzte sie sich auf ihre Füße zurück, hob den Kopf und genoss die letzten angenehm wärmenden Sonnenstrahlen an diesem Abend. Die raschelnden Blätter im lauen Wind, das leise Rauschen des Flusses. Es waren Augenblicke wie diese, die sie kurz alles vergessen ließen. Kein Zwerg, Hobbit oder Zauberer in Hörreichweite, was beinahe den Eindruck machte, sie sei nur auf einem Campingtrip irgendwo allein weit weg. Irgendwo noch in ihrer Welt. Der Gedanke an ihrem Zuhause suchte sie in den letzten Tagen stärker heim. Fast jeden Abend träumte sie von ihren Freunden, ihrem Onkel oder ihrer Tante. Einen ganz besonderen Traum hatte sie erst gestern. Jener war so real gewesen, dass sie beim Aufwachen sogar noch den Duft von Kaffee wahrnehmen konnte, der sich jedoch sofort verflüchtigte als sie Kílis Gesicht erkannte, statt das ihres besten Freundes und WG Bewohners. Der bloße Gedanke an Magnus ließ ihr Herz sinken. Niemand kannte sie besser als er. Niemand konnte besser mit ihr reden. Niemand verstand sie so gut. Er war wie ihr Zwilling. Was wohl aus ihr geworden wäre, wenn sie ihn nicht schon seit ihrer Kindheit kannte? Er hatte sie immer aufgebaut und Mut zugesprochen. Ohne ihn hätte sie niemals so früh ihre Eltern verlassen können. Anna atmete langsam aus. Sie vermisste Magnus. Sie vermisste ihren Alltag. Und der Traum zeigte nicht mehr als das. Etwas, das sie gewohnt war, nichts Besonderes. Doch genau diese Normalität fehlte ihr entsetzlich. Alles an Zuhause fehlte ihr. Der Kaffee am Morgen, das Unterrichten am Mittag, ihre Sendungen am Abend, das Buch im Bett, bevor sie mit diesem in den Händen einschlief. Würde sie ihr Zuhause wiedersehen? Sie würde es vielleicht, wenn sie sich dazu entschied zu kämpfen. Genau wie die Zwerge, die bereit dafür waren ihr Leben zu geben. Alles was sie wollten war ihre alte Heimat, wie sie. Zerknirscht presste sie ihre Lippen aufeinander. Und das Gold. Was sie sofort auf das Thema Thorin brachte. Konnte sie die Drachenkrankheit verhindern? Was würde das ändern? Davon abgesehen, dass sie soweit noch lange nicht war. Wäre Thorin nur nicht so ein starrsinniger, gemeiner Stinkstiefel... Im Unterholz knackte es hinter ihr, was gleich sämtliche Gedanken fortjagte. Prompt wandte sie ihren Oberkörper um und ihre Augen weiteten sich überrascht. Es war Fíli, der zielstrebig auf sie zukam. Schnell legte sie die nasse Kleidung auf den kleinen Stapel zu ihrer Seite, stand auf, erwartete seine ersten Worte als er vor ihr zum Stehen kam. Was wollte er? Und das noch ohne seinen Bruder? Kíli war nirgends zu entdecken, was einen eigenartigen Druck in ihrer Brust auslöste. Hatte sie gehofft ihn zu sehen? Nach der Trainingsstunde würde es sie aber nicht wundern, wenn er erst mal Ruhe vor ihr haben wollte. Nichtsdestotrotz erfreute sie der Anblick des blonden Prinzen, da er ihre dunklen Gedanken verbannte. „Fíli? Ganz allein? Was würde nur dein Onkel dazu sagen, wenn er dich hier alleine mit mir erwischt?“, witzelte sie. „Wahrscheinlich nichts Gutes.“, erwiderte er mit einem ungenierten Lächeln, das sie in letzter Zeit öfter von ihm zu sehen bekam. Seit sie ihm angeboten hatte sich zu duzen, war er viel offener. Ja, geradezu als ob das die Mauer zwischen ihnen brach. Obwohl sie das Gefühl hatte, das noch etwas Anderes dahinter steckte. „Das glaube ich auch. Nachher unterstellt er mir noch ich würde heimlich versuchen den Kronprinzen zu erdolchen.“ Fíli lachte leise, während er amüsiert den Kopf schüttelte. „Ich fürchte, ohne Dolch wird das wohl kaum möglich sein.“ Anna schmunzelte. Das stimmte auch wieder. Auch wenn sie nur schwer daran glaubte, dass sie es selbst mit einem Dolch schaffte. „Also? Was gibts?“, fragte sie gleich interessiert. Es gab sicher einen guten Grund, wieso er allein zu ihr kam, obwohl sein Onkel es strickt untersagte. Der blonde Zwerg griff unter seinen mit Fell besetzten braunen Ledermantel und zog dann Etwas hervor, das sie mit Entsetzen anstarrte. Ein Messer, welches er dann an die Scheide fasste und es ihr reichte, sodass sie es am Heft greifen konnte. Er gab ihr jetzt nicht wirklich ein Messer? Das gerade war ein Scherz gewesen, was sie ihm auch sagen wollte, der Zwerg jedoch schneller war. „Du solltest Etwas haben, um dich zu schützen. Denn wie du vorhin selbst festgestellt hast, könnte ein Dolch dabei entscheidend sein, wenn dein Gegner so nah kommt.“ Anna blickte vom Messer hinauf in seine hellblauen Augen, die jeglichen Witz verloren hatten. Er meinte es vollkommen ernst, verwundert blinzelte sie. „Oh … Dann hoffe ich mal, ich komme nicht dazu es benutzen zu müssen.“, sagte sie beeindruckt, nahm Fíli die Waffe ab, die deutlich schwerer war als sie aussah. Interessiert musterte sie die vielen, kleinen eckigen Verzierungen, die am Knauf vorgenommen wurden. Es erinnerte sie an nordische Runen, die sie einmal in einem Buch gesehen hatte. Wirklich hübsch. Es musste die Sprache der Zwerge sein. Wie hieß sie noch einmal? Khuzdûl? Und was es wohl sagte? „Das hoffe ich auch.“, hörte sie die tiefe, sehr ehrliche Stimme von Fíli vor sich und in diesem Moment schlug ihr Herz bis zum Hals. Langsam hob sie ihren Kopf, nur um auf seinen Lippen ein zartes Lächeln zu entdecken. Sprachlos starrte sie ihm ins Gesicht, das von seiner Aufrichtigkeit gezeichnet war. Es rührte sie, was dieser Satz und seine Geste überhaupt ausdrückten. Das hieße doch, er sorgte sich um sie. Wenn er sich Gedanken um ihre Sicherheit machte, konnte es nicht anders sein. Und, dass er den Befehl Thorins missachtete, um ihr die Waffe zu geben. Ja, der blonde Zwerg mochte sie. Und es fühlte sich beinahe wie Erleichterung an. Wie eine Last, die ihr genommen wurde. Irgendwie war es ihr wichtig, dass dieser Zwerg sie mochte. Warum? „Danke... Fíli. Das ist sehr nett von dir.“, verließ es sanft ihre Lippen, weiterhin in seine blaue Augen blickend, die ihr plötzlich so vertraut vorkamen. In diesem winzigen Moment wurde es ihr klar. Ohne auch nur eine Vorwarnung, hob sie ihre Arme, legte sie vorsichtig um seinen Nacken, das Messer sicher im Griff, sodass sie ihn nicht verletzte und vergrub ihr Gesicht in das weiche Fell an seiner Schulter. Fíli trat einen Schritt zurück, stieß dabei erschrocken die Luft aus. Er hatte ganz eindeutig nicht mit einer Umarmung von ihr gerechnet. Aber sie hatte nicht anders gekonnt. Zu groß war der Drang ihn umarmen zu wollen. „Warum macht ihr mir das immer schwerer?“, murmelte sie ohne Zusammenhang in seine goldene Mähne, die einen Großteil das Fell bedeckten. Fíli wusste natürlich nicht, was sie damit meinte und die Worte überkamen sie einfach – doch änderte es nichts an der Tatsache. Wie konnte sie Fíli und Kíli wissend in den Tod schicken? Sie waren beide ihre Freunde. Keiner der Beiden hatte es verdient so früh aus dem Leben gerissen zu werden. Der blonde Zwerg schien sich aus der Starre zu fangen, da sie spürte wie er seine starken Arme behutsam um ihren Rücken legte. Anna seufzte mit geschlossenen Augen auf. Ja, Fíli hatte sie an Magnus erinnert, weshalb sie ihn noch fester an sich drückte. Warum war ihr das nicht schon viel früher aufgefallen? Magnus... Anna wusste nicht wie lange sie dort mit Fíli stand, doch er zeigte keine Anzeichen die Umarmung brechen zu wollen. Insgeheim brachte sie das zum Lächeln. Wenn es nach ihr ginge, würde sie auch noch eine Weile so verharren, doch irgendwann musste es ein Ende finden. Und sollte Thorin sie so sehen, dachte er wahrscheinlich sonst einen Schwachsinn. Nachher wollte sie Fíli nicht nur erdolchen, sondern noch verführen. Daher schlug sie ihre Augen wieder auf und sah in jenen der Realität. Oder viel mehr denen von Kíli, der dort regungslos stand. Sein Gesicht vollkommen ausdruckslos, seinen Mund einen Spalt geöffnet. „Oh! Hey, Kíli!“, rief sie ihm dann freudestrahlend zu und löste sich vom blonden Zwerg, der sich zu seinem Bruder umwandte. Breit lächelnd ging sie auf ihren Beschützer zu, hielt das Messer fest in ihren Händen. Er kam eigentlich genau richtig. Schließlich war er auch ihr Trainer. „Was meinst du? Vielleicht kannst du mir damit ein paar Tricks zeigen?“ Sie hielt ihm gleich das Messer entgegen, das er nach einem Zögern betrachtete. Seine Augenlider weiteten sich erst überrascht, machte dann jedoch für ein bedrohliches Funkeln platz. Wut entbrannt blickte er vom Messer über ihre Schulter. Kíli riss ihr dann wortlos das Messer aus der Hand, was sie erschrocken glucksen ließ. „Das braucht sie nicht.“, verließ es harsch seine Lippen und sie sah verstört zu ihrer Seite, wo nun Fíli stand, dem der Todesblick galt. Er schien ebenso von dem Verhalten seines Bruders verwundert. „Es ist besser sie hat Etwas, womit sie sich im äußersten Notfall verteidigen kann.“, erwiderte der blonde Prinz unbeeindruckt. „Ich bin ihr Beschützer. Das wird sie nicht brauchen.“, beharrte Kíli und tat einen Schritt auf seinen Bruder zu. Sofort griff Anna ein, indem sie sich zwischen die Beiden stellte und ihre Hände auf den Oberkörper Kílis legte, auf den sie leichten Druck ausübte. Der braunhaarige Prinz zog stark seine Augenbrauen zusammen, blickte an sich hinunter und hielt urplötzlich inne. „Stopp. Kein Grund wütend zu werden.“ Kaum hatten diese Worte ihren Mund verlassen, fing sie seine braunen Augen auf, die nun viel sanfter als zuvor schimmerten. „Alles ist okay, ja? Fíli hat es ja nur gut gemeint. Damit wollte er ganz sicher nicht sagen, dass er dich für unfähig hält. Man kann nie -“ „Warum hielt mein Bruder dich in seinen Armen?“, stellte er dann eine Frage, die sie völlig überrumpelte. Was war das denn für eine Frage? Anna zog verstört ihre Stirn in Falten. „Uh... Warum nicht?“ Das war offenbar die falsche Antwort, da Kílis Blick sich wieder verfinsterte und sie mit Schrecken an Thorin erinnerte. So kannte sie ihn ja gar nicht. Was sollte das hier? Mal wieder so eine 'Ich-hab-zu-viel-Testosteron' Geschichte? Männer prügelten sich schon mal gern. Einfach so. Und das hier waren immerhin Zwerge. Das Abbild der Männlichkeit. Außerdem hatte sie in der Zeit oft mitbekommen, wie sie lauter wurden. Glóin ließ sogar einmal seine Fäuste bei Nori sprechen. Thorin hatte dem zwar sofort ein Ende bereitet, aber ihr Punkt blieb. „Ich habe ihn umarmt, weil ich dankbar war, Kíli. Ich mag ihn und wollte ihn umarmen? Was ist daran verkehrt? ... Ist doch nichts ... passiert? Oder?“, versuchte sie es zuletzt selbst irritiert, weil sie nicht wusste, was er hören wollte. Das schien ihn alles nur weiter zu verwirren, ganz als verstand er sie und dann doch nicht. Was ging in seinem Kopf vor? Dann, ohne ein Wort, machte er kehrt, ließ sie und Fíli einfach dort stehen. Extrem konfus starrte sie noch auf die Stelle an der er hinter einem Baum verschwunden war. „Äh?“, machte sie ihre Gedanken laut und hörte wie sich Fíli in Bewegung setzte. Dieser warf ihr dann im Vorbeigehen einen kurzen undefinierbaren Blick zu, ehe er auch sie dort stehen ließ. Was zur Hölle war denn plötzlich los? Hatte sie was Verbotenes gemacht? War umarmen ein unverzeihliches Verbrechen? Wieso interessierte ihn das überhaupt? Anna stöhnte entnervt auf. Männer. „Kíli... Kíli!“ Fíli packte seinen Bruder fest am Arm, um ihn davon abzuhalten ein weiteres Mal auf den Baumstamm einzuprügeln. Für einen Moment kämpfte er gegen seinen harten Griff an, ehe seine Schultern absackten und er sich mit der Stirn an jenen Baum vor sich lehnte. Er hatte irgendwie seinen Bruder verärgert, doch Fíli verstand nicht womit. „Warum?“, kam es dann so leise, dass Fíli genauer hinhören musste. Sogleich ließ er den Arm seines Bruder los, welcher leblos an dessen Seite fiel. „Warum was?“ „Es hat mich wütend gemacht. Warum?“ Der blonde Zwerg runzelte stark die Stirn. Das wüsste er auch gern und es hinterließ ein unangenehmes Gefühl der Hilflosigkeit. Bisher hatte er seinen Bruder immer verstanden. Ganz gleich was es war. „Ich weiß es nicht.“, antwortete er ehrlich. Da musste er an die Worte Annas denken, so fuhr er fort. „Du weißt, dass ich dich nicht für unfähig halte?“ Als keine Erwiderung folgte, fasste er seinem Bruder an die linke Schulter und drehte ihn, sodass er Angesicht zu Angesicht stand. Was er dann in den Augen seines kleinen Bruders fand, schockte ihn. Es war Unsicherheit. „Kii.“, begann Fíli und legte seine Stirn an die seines Bruders, sowie seine Hände auf seine Schultern, die er fest drückte. Wie konnte sein Bruder nur zweifeln? Kíli war die wichtigste Person seines Lebens. Er würde ihn immer unterstützen, ganz gleich was es war oder bedeutete. „Es schmerzt mich, wenn du auch nur einen Moment daran zweifelst.“ Er hörte ihn schwer die Luft ausstoßen, sagte jedoch nichts. „Niemand glaubt mehr an dein Können als ich. Ich habe ihr das Messer nur aus einem Grund gegeben und du kennst ihn gut. Niemand kann an allen Stellen gleichzeitig kämpfen. Wenn uns eine Übermacht gegenüber steht, wird sie keiner retten können. Selbst Dwalin würde es nicht können. Also wird sie es selbst müssen. Darum trainierst du sie erst.“, wirkte er mit sachter Stimme auf seinen Bruder ein, das Wirkung zeigte. Kíli nickte deutlich spürbar an seiner Stirn, ehe er sich wieder gerade hinstellte. Auf seinen Lippen wieder ein kleines Lächeln. Das war wieder sein Bruder, wie er ihn seit jeher kannte, weshalb er begann selbst zu lächeln. „Ich sollte ihr dann besser das Messer zurückgeben.“ Fíli nickte daraufhin zustimmend, ehe er grinste. „Und vielleicht, wenn du dich benimmst, bekommst du auch eine Umarmung.“, setzte Fíli nach und erwartete eine schnelle und unbekümmerte Antwort seines Bruders. Stattdessen jedoch wich er seinem Blick aus und verlor den Fokus in seinen Augen. „Hm“, kam es dann nur unschlüssig von seinem Bruder, während er das Messer in seiner Hand betrachtete. Nachdenklich musterte Fíli ihn. Was, wenn die Wut nicht an dem Zweifel seines Könnens lag, sondern an etwas Anderem? Was könnte es sein, dass Kíli so beschäftigte? In Zukunft würde er ein besonderes Auge auf seinen kleinen Bruder werfen. Anna schlotterte sprichwörtlich. Ihr ganzer Körper bebte von der Kälte und ihre feuchte Kleidung, leider aufgrund Handtuchmangels, machte es nicht besser. Nachdem sie ihre Wäsche gewaschen hatte, war sie schnell in den Fluss gehüpft. Im Grunde unterschied sich das nicht von den Vortagen, allerdings schienen die Temperaturen gesunken zu sein. Wenn sie nicht im Kampf irgendwo umkam, dann holte sie ganz sicher die Kälte. Demnach ging sie gebückt, mit beiden Armen fest vor ihrem Bauch, mit einem Bündel voller nasser Wäsche und ihrem Shampoo in ihrer Hand, Richtung Lagerfeuer. Sie hörte schon die erheiterten Stimmen der Zwerge als hinter dem nächsten Baum Kíli auftauchte, der sobald er sie entdeckte begann über beide Ohren zu strahlen. Unweigerlich stimmte sie mit ein. Ganz offensichtlich hatte er sich wieder beruhigt. Er kam unverzüglich zu ihr gelaufen. „Hier, das gehört dir.“, rückte er dann heraus, wie auch das, was er meinte. Das Messer, das ihr Fíli vorhin gegeben hatte. Verblüfft blinzelte sie. „Du bist nicht mehr böse?“, fragte sie vorsichtshalber nach, während sie sich nun mit der freien Hand den Oberarm rieb, um etwas Wärme zu erzeugen. Kíli schüttelte seinen Kopf, ehe seine Augenbrauen langsam hoch wanderten. „Was ist los?“, fragte er dann besorgt, das sie mit einer Handbewegung abtat. „Mir ist nur kalt. Das wird gleich am Feuer wieder. Aber danke. Für das Messer.“ Anna lächelte mit Mühe, da ihre Lippen stark zu zittern begannen. „Würdest du es – Was machst du da?“ Ihre Augen weiteten sich ungesund als sie dabei zusah, wie Kíli seinen Ledermantel eilig von sich streifte. „Dir meinen Mantel geben.“ Kaum war das gesagt, trat er einen weiteren Schritt auf sie zu und legte jenen um ihre Schultern. Innerhalb von Sekunden hüllte sie die angenehme Wärme vollkommen ein, ebenso wie Kílis eigener Geruch, mit dem sie ihre Lungen füllte. Eine flüchtige Berührung seiner Hände an ihren Oberarmen und ihr Herz setzte für einen Schlag aus. Kurz erschauderte sie, während sich ein offenes Lächeln auf seinen Lippen ausbreitete, die so plötzlich einen gefährlichen Wunsch in ihr weckten, dass sie vergaß zu atmen. Anna versuchte umgehend ihre verräterischen Gedanken zu beruhigen. Schließlich leckte sie sich plötzlich nervös ihre Lippen, öffnete jene und brachte nicht mehr als ein Krächzen darüber. „Danke...“ Sein bezauberndes Lächeln wuchs. Seit diesem eigenartigen Zusammentreffen vor wenigen Minuten mit Kíli, saß sie gedankenverloren am Feuer. Keiner hatte etwas dazu gesagt, dass sie den Mantel von Kíli trug. Nur kurze überraschte und neugierige Blicke. Vielleicht dachten sie es sich schon warum sie ihn trug, den sie bei einem Luftzug enger um sich zog. Doch viel mehr versuchte sie zu verstehen, was das eben zu bedeuten hatte. Nein, was viel mehr dieser Wunsch zu bedeuten hatte, der sie aus dem Nichts überfiel. „Hier, Fräulein Schubert. Ihr seht ganz blass aus.“, durchschnitt die fürsorgliche Stimme Doris ihre Gedanken und reichte ihr einen kleinen Becher, aus dem heißer Dampf hochstieg. Seit wann saß er neben ihr? Anna lächelte schwach. „Danke. Das ist sehr nett.“ Als sie ihm den Becher abnahm, wurde ihre Hand gleich ganz warm. Dem Geruch nach zu urteilen, musste es Kamillentee sein. „Wenn Euch noch zu kalt sein sollte, bringe ich Euch eine Decke.“, schlug er freundlich vor, doch sie schüttelte leicht ihren Kopf, während sie den ersten vorsichtigen Schluck nahm. Ihr war dank dem Feuer und vor allem dem Mantel warm genug. Kurz musterte sie den grauhaarigen Zwerg, welcher ihr gütig entgegen blickte, ehe er sich dem Nähen eines kaputten Hemdes zuwandte. Seine vielen und aufwendigen geflochtenen Zöpfe in Haar, sowie Bart, vermittelte schon vom ersten Tag ein sehr peniblen und sauberen Eindruck. Ohnehin hatte Anna über die Zeit immer mehr gelernt, was für eine Rolle Dori in der Gruppe hatte. Er kümmerte sich aufmerksam um die Zwerge. Wenn etwas gerissen war, nähte er es umgehend. War einem unwohl, bereitete er gleich einen wohltuenden Tee zu. Besonders Ori wurde herzlich umsorgt, obwohl es bei ihm eher wie ein Bemuttern war und Ori deshalb oft die Augen verdrehte. Bei dem Gedanken an Ori, ließ sie ihren Blick zu jenem wandern. Er saß bei seinem anderen Bruder, Nori, der irgendetwas belustigt erzählte, während der Schreiber seiner zweiten Leidenschaft nachging – dem Stricken. Und darin war er auch sehr geschickt, was der Schal um seinen Hals bewies. Oder der von Bofur, sowie seine Handschuhe, wie sie nach einer Frage herausgefunden hatte. Anscheinend kannten sich die Zwerge schon sehr lange. Ja, wenn sie sich so umsah, waren alle miteinander gut befreundet, was sie mittlerweile nach vielen Tagen des Reisens offen zeigten. Am Anfang war es noch spürbar gewesen, wie misstrauisch jeder Zwerg gegenüber den Nichtzwergen war. Die Gespräche waren zu Beginn leise und zurückhaltend. Jetzt störten sie sich nicht mehr an ihre oder Bilbos Anwesenheit. Akzeptiert fühlte sie sich zwar immer noch nicht von Allen, und das würde sie wohl auch nie richtig sein, aber es lag nicht mehr diese Feindseligkeit in der Luft – ausgenommen Thorin, der sofort mit einem harten Starren konterte wann immer sie ihn ansah, als ob er es riechen konnte. Weshalb sie ihn mit ihrem Blick gerne übersprang und ihr Augenmerk auf Fíli fiel, der neben Thorin saß. Er rauchte in aller Ruhe, während er den ausgelassenen Worten Bofurs mit einem Grinsen folgte. Das war der Moment, in dem sie ohne einen Gedanken ihren Blick weiter nach links schweifen ließ. Ein großer Fehler. Fast wäre ihr der Becher aus den Händen gefallen. Kílis dunkle Augen ruhten allein auf ihr. Und als habe er nur darauf gewartet von ihr bemerkt zu werden, schenkte er ihr ein zartes Lächeln, das im tanzenden Licht des Feuers beinahe geheimnisvoll wirkte. Chancenlos ergab sie sich dem wilden Pochen in ihrer Brust. Vollkommen gefangen, war ihr Kopf wie leer gefegt. Und mit jeder weiteren Sekunde, schlug ihr Herz höher. Abrupt endete dieser Moment jedoch als Kíli von Bofur zur Seite gedrückt wurde, der sich dann zwischen ihn und Fíli drängte. Anna riss ihren Blick los und traf auf ein anderes Paar Augen, das sie abermals inne halten ließ, doch aus völlig anderen Gründen. Ihr gefror wortwörtlich das Blut in den Adern. Thorin starrte sie an, sodass ihr der Atem stockte. Wie lange tat er das schon? Hatte er etwas mitbekommen? Entsetzt wandte sie sich ab. Nein, das war unmöglich. Völlig in ihren Vermutungen und Ängsten vertieft, nahm sie den nächsten Schluck ihres zu heißen Kamillentees. Fluchend riss sie den Becher von ihrem Mund, streckte ihre verbrannte Zunge heraus und hörte kaum später das tiefe Lachen einiger Zwerge im Hintergrund. Der folgende Tag brach wie der vorherige an. Der einzige Unterschied war, dass sie diese Nacht viel besser geschlafen hatte. Was sicher an dem Mantel lag, den Kíli den ganzen Abend nicht zurückgefordert hatte. Somit war ihr zur Abwechslung einmal auch in der Nacht wohlig warm, ganz davon abgesehen, dass sein Geruch ihr ein starkes Gefühl von Sicherheit gab. Worüber sie sich besser keine Gedanken machte. Doch irgendwann musste es enden und sie gab ihm seinen Ledermantel mit einem Danke zurück, den er jedoch hastig anziehen musste, da Thorin nach ihm rief. Anna konnte sich nicht helfen und sie sah ihm mit einem Lächeln nach, das starb als sie bemerkte, wie er im Gehen seine linke Schulter hochzog und seine Nase beinahe in den Mantel drückte. Oh Gott, hoffentlich stank der Mantel jetzt nicht zu sehr nach ihr. Nachher lieh er ihn nicht noch einmal aus. Halt. Wieso sollte sie das wollen? Schnell riss sie ihren Blick von Kílis Rücken los und traf dabei auf den von Bofur, welcher ihr plötzlich vergnügt entgegen funkelte. Reiten gestaltete sich mit der Zeit schwieriger und die Bäume lichteten sich. Sie waren an einer Art Klippe, an der ein steiniger Weg hinab führte. Und als sie spätestes an der Klippe am Abend halt machten, erkannte sie diesen Ort wider. Hier würde Balin am Abend von Azog erzählen und da es relativ wenig Platz gab, hielt Kíli es für besser nicht zu trainieren. Worüber sie unendlich dankbar war. Hier gab es keinen Fluss, oder See, in dem sie sich danach waschen können. Und ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie bei der Vorstellung, seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu haben, auf Einfälle kam, die sie besser nicht zu Ende dachte. Es war ihr schon den Tag über schwer gefallen ihn nicht ständig anzustarren, ganz besonders als er versuchte mit ihr zu reden. Ein Hoch auf ihre Beherrschung. Zumindest hoffte sie, nicht all zu sehr jene verloren zu haben. Anna seufzte schwer auf, indessen sie ihre langen, blonden Haare kämmte. Warum musste das auch noch passieren? Reichte die Reise nicht allein? Musste sie auch noch anfangen für jemanden zu schwärmen? Sie fühlte sich schon den ganzen Tag betrogen – von sich selbst. Denn eindeutig spielten ihre weiblichen Hormone verrückt. „Liegt Euch etwas auf dem Herzen, Frau Anna?“ Die sanfte Stimme Bilbos ließ sie zusammenzucken. Der Hobbit stand mit einem besorgten Ausdruck neben ihr am Stein, auf dem sie saß. Sie hatte ihn nicht kommen gehört. Halbherzig lächelte sie. Wie denn auch? Er war kein schwerfälliger Zwerg, der mit seinen Schuhen herum stampfte als gehörte ihm der Boden auf dem er lief. „Nein...“, sagte sie schwach lächelnd, doch bemerkte nicht nur sie selbst ihre schlechte Lüge, sondern auch Bilbo, dessen Stirn sich runzelte. Wieso war sie nur so eine miserable Lügnern? „Ja, schon. Aber ich möchte lieber nicht darüber reden.“, sagte sie ihm dann offen ins Gesicht, das sich wieder in Besorgnis wandelte. „Es ist nicht böse gemeint, es ist nur...“ Anna atmete lange aus und ließ ihre Bürste sinken. „Es ist kompliziert.“ Und wie es das war. Als wäre sie nicht schon so genug in Schwierigkeiten. Eine Schwärmerei machte es um ein Vielfaches schlimmer. Und verflucht sei sie, wenn sie mehr darin sehen würde. Das ging vorbei. Wie mit jeder Schwärmerei für einen unerreichbaren Schauspieler oder Musiker. Denn genau das war Kíli – unerreichbar. Da würde niemals mehr mit ihm laufen als harmlose Flirts. Was dachte sie da eigentlich gerade? Der Hobbit nickte langsam, ganz als ob er sie verstehen würde, während sie begann ihre Haare zu flechten. „Solltet Ihr Euch umentscheiden, Ihr wisst wo Ihr mich findet.“, gab er mit solch einer liebevollen Stimme von sich, dass sie ihm unweigerlich zulächelte musste. Er war ein richtig netter kleiner Kerl. „Danke, Bilbo.“ Der Hobbit streckte seine Brust heraus, nickte ihr nochmals zu, ehe er sicheren Schrittes davon ging. Aber wenn Bilbo ihr so offensichtlich die Sorge ansah, wie war es dann bei den Anderen? Und als hätte sie es damit heraufbeschworen, kam Bofur auf sie zu, breit lächelnd und mit beiden Händen verdächtig hinter seinem Rücken. „Hätte die Dame einen Augenblick Zeit?“, kam es geradezu mysteriös von dem Zwerg, was sie zum Schmunzeln brachte. „Wenn der Herr Zwerg darauf besteht.“ „Unbedingt“, grinste er mit voller Kraft und er holte seine Hände hinter dem Rücken hervor. Sofort stand ihr der Mund offen, ihre Hände an ihrem Haar pausierten, während sie das musterte, was er ihr praktisch vor dem Gesicht hielt. Ein kleiner bunter Strauß Wildblumen. „Ihr saht den Tag über so nachdenklich aus. Ich dachte, diese Blumen könnten Euch gefallen.“ Er schenkte ihr Blumen. Das hatte noch nie jemand getan. Und sie wusste nicht warum, aber ihr sprangen die Tränen in die Augen. Das der Zwerg allerdings falsch zu verstehen schien. Er zog seine Stirn in tiefe Falten, blickte ihr erschrocken entgegen. „Gefällt es Euch nicht? Ich kann -“ „Nein! Bofur! Das ist wundervoll.“ Ihr halb geflochtenes Haar vergessend, nahm sie den Strauß vorsichtig an sich und roch einmal daran. Ihre Nase füllte sich mit dem Duft des Frühlings, der für einen Moment alles viel leichter machte. Lächelnd wandte sie sich ihm zu. „Ich habe noch nie Blumen geschenkt bekommen.“ Bofur grinste breit, nahm seinen Hut vom Kopf und verneigte sich. „Dann bin ich geehrt der Erste sein zu dürfen, meine Dame.“ Anna kicherte als er sich dann wieder erhob und ihr zuzwinkerte. „Und wenn Ihr öfter so wundervoll lächelt, werde ich auch nicht der Einzige bleiben.“ Ein wissendes Lächeln brach aus ihm heraus, ganz als kannte er ein Geheimnis. „Ich wüsste einen, der - “ „Bofur.“, unterbrach die strenge Stimme Thorins, sodass der Zwerg die Augen weitete. Anna warf daraufhin einen Blick über die Schulter Bofurs und erkannte einen nicht amüsierten Thorin, der sie mit Argusaugen beobachtete. „Entschuldigt.“, hörte sie Bofur hastig plappern und er ließ sie zurück, woraufhin sie leise mit den Zähnen knirschte. Wenn Thorin sprach, sprangen alle sofort. König musste man sein. Ein tiefes verhaltenes Lachen ertönte dann neben ihr, was sie aufschrecken ließ. Verstört blickte sie einem lächelnden Fíli ins Gesicht, an dessen Mundwinkeln seine beiden Zöpfe baumelten. „Wie ich sehe, bekommst du jetzt schon Blumen geschenkt.“, merkte er an, seine Stimme voller Belustigung. „Ja. Neidisch?“ Fíli schüttelte seinen Kopf. „Nein, von Bofur möchte ich keine Blumen geschenkt bekommen.“ „Wäre auch irgendwie schräg...“, kommentierte sie, bei der bloßen Vorstellung kurz lachend, ehe sie die Blumen neben sich auf den Stein legte. Mit gefasster Stimme fuhr sie fort, den Blick auf die Blumen fixierend. „Es ist aber eine sehr nette Geste von ihm. Mir hat noch nie jemand Blumen geschenkt. Normalerweise schenkt ein Mann einer Frau Blumen zum Liebesbeweis. Zumindest ist das bei uns in der Welt so.“ Fíli hustete plötzlich laut, ehe er sich räusperte. Sofort sah sie hinauf in sein Gesicht und was sie dort fand, ließ sie erstaunt blinzeln. Fíli war ein wenig rot um seine Nase geworden, was keinen Zweifel daran ließ, dass er tatsächlich verlegen war. Das war mal was Neues und irgendwie wahnsinnig niedlich. „Was?“, fragte sie neugierig. „In unserer Kultur gibt es nur eine Bedeutung und sie kommt von der Frau. Nanug amrul.“, sagte Fíli und sie bekam nur größere Augen. Nicht nur teilte er etwas so Privates aus seiner Kultur mit ihr, sondern sprach noch in Khuzdûl. „Was heißt... nanug amrul?“ Anna hatte einige Schwierigkeiten diese Worte zu wiederholen und sie klangen nicht halb so schön wie aus Fílis Mund. An dieser Stelle schlich sich ein freches Grinsen auf seine Lippen und sie wusste, was er sagen würde. „Das bleibt ein Geheimnis.“ Entnervt seufzte sie. Das kannte sie irgendwoher. „Du bist genauso fies wie dein Bruder.“ Fíli lachte auf und sie zog eine Schnute. „Aber mindestens doppelt so gutaussehend, wie wir uns bereits geeinigt haben.“, setzte er nach und sie konnte ein Lachen nicht mehr unterdrücken. Das schon wieder. „Ich erinnere mich da an etwas ganz anderes, Mr. sexy Dwarf.“, antwortete sie schmunzelnd. Fíli hob neugierig seine Augenbrauen. „Was bedeutet das Letzte?“ Anna begann teuflisch zu grinsen. „Das bleibt ein Geheimnis.“, äffte sie ihm nach, das ihm ein tiefes, kehliges Lachen entlockte. „Worüber lacht ihr?“, tauchte die Stimme Kílis hinter Fíli auf, woraufhin sich beide nach ihm drehten. Sein Blick wanderte von ihr zu Fíli und wieder zurück. Anna lächelte amüsiert. „Dein Bruder will mich wieder davon überzeugen, dass er der besser Aussehende von euch beiden ist.“ Augenblicklich sprangen Kílis Augenbrauen hoch. „Und?“, wollte er neugierig wissen. „Schwer zu sagen...“, begann sie nachdenklich, während sie ihren Kopf schief legte und die Brüder kritisch betrachtete, ihre Augen jedoch einen Ticken länger an den braunhaarigen Prinzen hängen blieben. Fíli grinste, Kíli verzog unzufrieden seinen Mund, ganz nach dem Motto warum sie denn noch nachdenken müsste. Musste sie auch tatsächlich nicht. Aber es gab keinen Grund das Kíli auf die Nase zu binden. „... wenn ihr beiden so viel obenrum anhabt.“, endete sie und synchron weiteten sich vor Überraschung die Augen der Brüder. Es dauerte eine Sekunde, aber dann nickte Kíli plötzlich. Ihr Herz überschlug sich heftig in ihrer Brust als sie sah, wie er mit einem Grinsen an sein Hemd griff; bereit zu beweisen, dass er der besser Aussehende war. Er zog sich jetzt nicht ernsthaft aus? So einfach war das? Weit kam der braunhaarige Zwerg jedoch nicht, da Fíli hastig seinen Mund öffnete. „Kíli! Wenn Thorin das sieht...“, zischte er und blickte sich schnell um, um sicherzugehen, dass niemand die Szene beobachtete. „Du hast Recht.“, stimmte Kíli zu und ließ zu ihrer tiefen Enttäuschung von den Schnüren an seinem Hemd ab. Der blonde Zwerg atmete auf, der braunhaarige jedoch sah entschlossener denn je aus. „Hier gibt es sicher irgendwo ein abgeschiedenes Plätzchen.“, schlug Kíli dann ernsthaft vor, sodass sie sich fast an ihrer Spucke verschluckte. Der blonde Prinz warf seinem Bruder einen Blick zu als ob er dessen geistige Gesundheit in Frage stellte. „Was?“, fragte der Braunhaarige unschuldig, nicht wissend, warum Fíli zögerte. „Manchmal frage ich mich, ob du wirklich nur so tust.“ Das verärgerte Kíli sofort sichtlich „Du hast doch nur Angst zu verlieren.“, stichelte Kíli. „Sei nicht kindisch. Das könnte uns in echte Schwierigkeiten bringen. Außerdem ist es höchst unangemessen.“ Anna presste ihre Lippen fest aufeinander, um nicht breit grinsen zu müssen. Die Tatsache schien Kíli anscheinend nicht zu stören. Sie hätte den braunhaarigen Prinzen bestimmt nicht aufgehalten. Dann wandte er sich ihr mit einem frechen Grinsen zu. „Anna scheint es nicht zu stören.“, kommentierte er und sie schüttelte kräftig ihren Kopf. Nein, ganz bestimmt nicht. Vielleicht sollte sie dann mit dem Rest ihres Akkus noch ein oder zwei, oder gleich ganz viele Fotos schießen. Natürlich nur aus rein ästhetischen Gründen. So ein fantastisch gut gebauter Körper eignete sich doch immer als ein super Motiv. Ganz unschuldig, selbstverständlich. Fíli stöhnte gepeinigt auf, rieb sich die Stirn. „Ihr zwei werdet noch großen Ärger bekommen. Zieht mich da bloß nicht mit rein.“ „Aber dann ist es doch nur halb so lustig.“, klagte Anna mit einem gespielt traurigen Gesicht. Von Kíli folgte ein Zwinkern in ihre Richtung, das eine klare Bereitschaft für jedwede Schandtat sendete. Anna lachte, Fíli seufzte erneut schwer. „Ohne mich. Macht das unter euch aus.“ „Spaßbremse.“, meinte sie und Kíli nickte zustimmend als wüsste er genau was sie meinte, wandte sich dann jedoch mit einem fragenden Gesichtsausdruck an sie. „Was ist das? Spaßbremse?“ „Hey, Bombur.“, rief Bofur seinem Bruder zu, der von dem großen Kessel über dem Feuer aufsah. Ein verschwörerisches Grinsen formte Bofurs Lippen als er ganz nah an den Koch heran trat, sodass keiner in der Lage war zu hören was er nun sagen würde. „Interessiert an einer Wette?“, wandte er sich leise an den rothaarigen Zwerg, der auf der Stelle interessiert schien. „Kommt darauf an.“ Bofur blickte sich kurz um, um noch einmal sicher zu gehen, erkannte aber wie sein Cousin näher trat. Unbeirrt von Bifur, öffnete Bofur erneut seinen Mund. „Passt auf. Das muss aber unter uns drei bleiben.“ Bombur nickte eifrig, Bifur wartete geduldig, ehe Bofur seine Wette vorschlug. Was er unterbreitete, schockte seinen Bruder bis aufs Mark, Bifur allerdings schien ganz auf seiner Seite. Ja, sein Cousin war schon immer ein sehr aufmerksamer Geselle gewesen. Fasziniert beobachtete Anna die Motten, die mit jedem Atemstoß aus Bomburs Mund flogen und mit jedem Atemzug wieder eingesogen wurden. Diese Szene fand sie schon im Film wahnsinnig lustig, doch es mitanzusehen war ein neues Level. Als dann Bilbo seinen Lockenkopf ruckartig emporschießen ließ, sein verärgerter Ausdruck allen offen zur Schau stellte, grinste sie. Was legte der Hobbit sich auch so nahe bei Bombur hin. Er wusste schon seit Beginn der Reise, dass man besser weit, sehr weit, weg von dem Zwerg schlief. Gähnend zog sie ihren Umhang fester um sich. Sie war wirklich sehr müde, doch unter keinen Umständen wollte sie die Geschichte Balins verpassen, weshalb sie geduldig Bilbo beobachtete, wie er sich streckte und zu den Ponys ging – nur um seinem heimlich einen Apfel zuzuschieben. Kurz huschten ihre Augen zu den Brüdern, die unter dem Felsvorsprung am Feuer saßen. Fíli rauchend, Kíli Pfeife reinigend. Sie hatte vorsichtshalber ein wenig Abseits ihre Bettrolle ausgelegt, um einen besseren Überblick zu haben. Außerdem wollte sie keine Unterhaltung am Feuer starten, die vielleicht die ganze Szene vermieste. Und so wartete sie, beobachtete die Umgebung genau. Dann durchzog die Nacht ein hohes Kreischen und sie schaute wie alle übrigen auf. Besonders Kíli. „Was war das?“, fragte Bilbo umgehend gedämpft und kam schnell heran getreten. Der braunhaarige Prinz sah in die Ferne, sein Gesicht vollkommen ernst. „Orks.“, erwiderte er und sie sah, wie Fíli hinter seinem Bruder überrascht von seiner Pfeife abließ. „Orks?“ Dieses Wort schreckte Thorin aus seinem Nickerchen, was er am Stein gelehnt, gehalten hatte. „Halsschlitzer. Dutzende sind da draußen. In den leeren Landen wimmelt es von ihnen.“, stieg Fíli dramatisch mit ein. „Sie schlagen kurz vor Morgengrauen zu, wenn alles schläft. Schnell und leise, niemand schreit. Nur sehr viel Blut.“, fuhr Kíli fort und verzog dabei keine Mine. Bilbo blickte sich sichtlich nervös und verängstigt um. Kíli, der vollen Erfolg mit seinem kleinen Spaß hatte, lachte leise und Fíli stieg mit ein. „Haltet ihr das für lustig?“, kam dann die harsche Stimme Thorins, der jegliche Aufmerksamkeit auf sich zog. „Haltet ihr einen Orkangriff bei Nacht für einen Scherz?“ Kíli blickte direkt schuldig zu seinem Onkel. „Wir haben uns nichts dabei gedacht.“, sagte er leise. „Nein, habt ihr nicht. Ihr wisst nichts von der Welt.“ Thorin ging mit harten Schritten zur Klippe, zeigte ihnen allen seinen breiten Rücken. Balin tauchte daraufhin beim Felsvorsprung auf, lehnte sich schwer dagegen und holte tief Luft. „Nimms ihm nicht übel, mein Junge. Thorin hat mehr Grund als die Meisten, die Orks zu hassen.“, begann er und Anna horchte gespannt auf. „Nachdem der Drache den Einsamen Berg an sich gerissen hatte, forderte König Thrór das uralte Zwergenreich Moria zurück.“, sagte Balin mit tiefer Stimme, ganz in seinen Erinnerungen versunken. „Doch unser Feind war bereits dort.“ In ihrem inneren Auge tauchten plötzlich all die Bilder auf, von denen der alte Zwerg sprechen würde. „Moria war von Orkscharen eingenommen worden, angeführt vom abscheulichsten ihres gesamten Volkes. Azog, der Schänder. Der riesige Gundabad Ork hatte geschworen, Durins Geschlecht auszulöschen. Als Erstes … enthauptete er den König. Thráin, Thorins Vater, trieb der Kummer in den Wahnsinn. Er verschwand. Ob gefangen oder getötet, niemand wusste es.“ Anna zog scharf die Luft ein. Nein. Thráin war nicht tot oder gefangen! Zumindest nicht in dieser Version der Geschichte. Ob sie Gandalf davon Bescheid geben sollte? Was, wenn sie dafür sorgte, dass Thráin wieder mit seinem Sohn vereint werden würde? Aber vor allem wann? Das würde einfach alles verändern. Wäre Thorin dann überhaupt König? Zuerst müsste der Logik nach dann Thráin den Thron besteigen. Vielleicht würde Thorin die Goldlust gar nicht befallen? Oder was, wenn Thráin kam, wenn sein Sohn von dem Gold wahnsinnig war. Konnte er ihn zur Vernunft bringen? Sie musste den Zauberer bei nächster Gelegenheit unter vier Augen sprechen. Unterdessen war Balin bereits weiter als sie wieder seinen Worten lauschte, während sie in ihren Augenwinkeln bemerkte, wie bereits einige Zwerge aufstanden. „Allein, trat er diesem schrecklichen Widersacher entgegen. Mit zerfetzter Rüstung, nichts als einen Eichenast als Schild in den Händen. Azog, der Schänder, bekam an jenem Tag zu spüren, dass das Geschlecht Durins, nicht so leicht zu bezwingen ist. Unsere Truppen sammelten sich und drängten die Orks zurück. Unser Feind war besiegt. Doch kein Fest feierten wir, und keine Lieder sagen wir in dieser Nacht, denn zu viele Tote hatten wir zu beklagen. Nur wenige von uns hatten überlebt. Damals sagte ich mir. Diesem einen, will ich folgen. Diesen einen, kann ich König nennen.“ Balin endete und hinterließ ein schweres Schweigen, in der jeder einzelne Zwerg die Bewunderung ins Gesicht geschrieben stand. Thorin drehte sich herum, durchschritt die sich ihm öffnende Schneise seiner Gefolgsleute. „Und der bleiche Ork?“, fragte dann Bilbo vorsichtig an Balin gerichtet, jener resigniert wirkte. „Was ist aus ihm geworden?“ Es war nicht der alte Zwerg, der dem Hobbit antwortete, sondern Thorin. „Er kroch in das Loch zurück, aus dem er gekommen war. Dieser Abschaum ist vor Langem an seinen Wunden verreckt.“, gab Thorin voller Hass von sich. Und sie konnte es verstehen. Azog war für so viel Tod und Grausamkeit verantwortlich, dass man sich fragte, warum die Götter oder was auch immer nichts dagegen unternahmen. Ohnehin? Warum sollten sie nur sie allein schicken, anstatt ihren Zorn direkt regnen zu lassen? Es war ungerecht. In ihrer Welt konnte sie es nachvollziehen. Gab es Gott wirklich? Anna war nie zu dieser Überzeugung gelangt. Hatte sie weder eine Eingebung, eine Vision oder Rettung erlebt. So etwas wie Magie existierte nicht, oder andere seltsame Kreaturen. Doch hier war es etwas vollkommen Anderes. Wieso also passierte nichts? Sie könnten dem Allem so leicht ein Ende machen – stattdessen saß sie hier. Das war wirklich ein schlechter Scherz. Der nächste Tag brach an und der Himmel war voller dunkler und schwerer Wolken. Es war der Nieselregen, der allen prompt aufs Gemüt schlug. Nur Anna blickte mit einem Lächeln auf. Regen war etwas, das sie bisher immer entspannen ließ. Es hatte etwas Poetisches an sich, wie das Wasser Altes fortspülte und Neues hinterließ. Außerdem war es das perfekte Wetter zum Lesen. „Wie könnt Ihr bei diesem Wetter lächeln?“, grummelte Dori neben ihr, das sie überrascht zu jenen blicken ließ. „Ja, es wird alles so nass...“, mischte sich Ori unzufrieden ein. „Vor allem die Haare!“, kam es dann von Nori, der auch mit Abstand die Aufwendigsten hatte. Anna lachte leise. „Lasst sie doch, Jungs.“, rief Bofur dazwischen und zwinkerte ihr zu. „Sie wird ihre Gründe haben.“ Die Ri-Brüder grummelten gemeinsam laut in ihre Bärte, während sie begannen auf ihre Ponys zu steigen. Grinsend zog sie ihre Kapuze auf und bestieg, dank Hilfe eines großen Steins, ihr Pferd. Doch auch sie musste mit der Zeit feststellen, dass der Regen auf Dauer sehr unangenehm war – spätestens als die Kleidung immer schwerer und vor allem feuchter wurde. Der Umhang brachte wenig Schutz und sie war sich sicher, wenn es nicht bald aufhörte zu regnen, schwammen sie nach Erebor. Vom Platschen der Hufe im Matsch, dem Nörgeln und Grummeln der Zwerge und vom Prasseln des Regens begleitet, hing sie mit den Gedanken an Zuhause. Dort, wo es schön warm und trocken war. Und erst ihr kuscheliges Bett mit ihren vielen weichen Kissen und der großen Decke auf sie wartete. Wenn sie wieder Zuhause war, würde sie sich als erstes darin einrollen und eine Woche nicht aufstehen. „Warum die gute Laune?“ Überrascht wandte sie ihren Kopf in Richtung der bekannten Stimme. Kíli blickte ihr neugierig unter seiner blauen Kapuze entgegen. „Der Gedanke an Zuhause.“, entgegnete sie und sie spürte, wie ein Lächeln aus ihr herausbrach. Kíli nickte verstehend, ehe er mit seiner rechten Hand in sein Hemd griff. Hervor holte er den dunklen Stein, den sie bereits aus dem Film kannte. Mit einem verträumten Gesichtsausdruck betrachtete er ihn, auf dem sie Runen ausmachen konnte. „Meine Mutter gab ihn mir.“, begann er und es wäre beinahe im Rauschen des Regens untergegangen, hätte sie nicht hingehört. Natürlich wusste sie das schon, aber das konnte sie ihm schlecht sagen. Aber jetzt konnte sie ihre eigenen Fragen dazu stellen. „Wie ist deine Mutter so?“ Kíli hob daraufhin wieder seinen Blick, auf seinen Lippen ein kleines Lächeln, das fast gequält wirkte. „Streng.“, gab er zurück, was sie zum Kichern brachte. „Verstehe. Du bist eben ein Unruhestifter, da muss sie auch streng sein, sonst würdest du ihr nur auf der Nase herum tanzen.“, meinte Anna überzeugt und Kíli grinste breit. „Bin ich das?“ „Oh ja. Man sieht es dir sofort an. Schon als du den ersten Fuß ins Hobbithaus gesetzt hast, wusste ich, du machst Ärger.“, meinte sie amüsiert, gedanklich bei jenem Abend, der jetzt so lange her war. „Ich bin dir also sofort aufgefallen?“, fragte er nun mit einem Grinsen, das von Ohr zu Ohr ging und sie gluckste auf. „Sicher. So wie du deine schlechten Manieren offen zur Schau gestellt hast, ging das nicht anders.“, konterte sie und sein Gesicht fiel. „Ja, du hast an der Aussteuertruhe von Bilbos Mutter deine Schuhe abgetreten. Nicht nett.“ Kíli verzog seinen Mund und Anna musste loslachen. „Das hast du gesehen?“ Mehr als einmal, aber nicht mit eigenen Augen. Schließlich saß sie im Sessel als die Brüder auf der Matte standen. „Anscheinend? Woher wüsste ich sonst davon?“ Kíli zog seine Augenbrauen an und überdachte ihre Worte. Doch ehe er dazu eine weitere Frage stellen konnte, zeigte sie auf den Stein, den er noch immer in einer Hand hielt. „Darf ich den vielleicht mal sehen?“ Verwundert folgte er ihrer Geste, ehe sein Blick auf den Stein in seiner Hand fiel. Es vergingen einige Sekunden und Anna war sich sicher, dass er ihr ihn nicht geben würde. Warum sollte er auch? Er war von seiner Mutter und etwas Besonderes. Wieso hatte sie nur danach gefragt? Aber es versetzte ihr einen leichten Stich, weshalb sie ihre Lippen aufeinander presste und wieder nach vorn sah. Sie war enttäuscht. Doch wovon? Dass er ihr nicht genug vertraute? Oder von sich selbst, weil sie so bescheuert war zu denken, er würde es tun? „Sicher, hier, nimm ihn.“, hörte sie dann die gefestigte Stimme Kílis, sodass sie sich umwandte und in ein freundliches Gesicht sah. Stumm hielt er ihr den Stein entgegen und fegte so all ihre negativen Gedanken von eben fort. Er vertraute ihr also doch und es hinterließ ein wohliges Gefühl in ihrem Bauch. Langsam streckte sie ihre Hand nach seiner aus, nahm den Stein an sich, jedoch nicht ohne seine Hand einmal flüchtig zu berühren. Sie war so angenehm warm, das sie eine Gänsehaut bekam. Vorsichtig wandte sie dann den glatten Stein in ihren kalten, nassen Händen. Von weitem hatte der Stein vollkommen schwarz ausgesehen, doch von der Nähe schimmerte er deutlich blau. Mit Sorgfalt strich sie mit ihrem Daumen über die Runen, die darin groß und breit eingraviert waren. Ob sie fragen sollte, was dort stand? Vom Film her kannte sie die Bedeutung, aber nicht den Wortlaut. Außerdem faszinierte sie nach wie vor die Sprache. „Was steht hier?“, fragte sie, ohne ihr Augenmerk vom Stein zu lösen. „Inik dê. Kehre zu mir zurück.“, verließ es Kíli mit einer Sanftheit in seiner Stimme, die ihr für einen Moment den Atem nahm. Vorsichtig blickte sie zu ihm, nur um das schönste Lächeln auf seinen Lippen zu entdecken, das er jemals offenbart hatte. Und dieser Moment besiegelte es. Ihre Zweifel verflogen, auch wenn ihre Angst tief in ihr blieb. „... Das wirst du, Kíli. Deine Mutter wird dich wiedersehen. Das verspreche ich dir.“ Auf ihre Worte hin wuchs sein hinreißendes Lächeln. Anna seufzte in einer Mischung aus Entzückung und Machtlosigkeit. Sie hatten kein Glück. Nirgendwo war eine Höhle, oder ein Vorsprung zu finden, wo sie hätten Unterschlupf finden können. Das schlug sich nur weiter auf die ohnehin schlechte Laune nieder. Óin und Glóin hatten große Schwierigkeiten ein Feuer zu machen und nicht einmal die Bäume konnten den Massen an Wasser trotzen, sodass das Blätterdach über ihnen laut knackte, während es vom schweren Regen nachgab. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus. War das alles normal? Es glich einer Sintflut und es war beängstigend. „Sorgt Euch nicht, Liebes.“, hörte sie neben sich die milde Stimme Gandalfs, hielt ihren Blick jedoch nach oben gerichtet. Sie musste schwer blinzeln, da einige Tropfen in ihr Gesicht fielen. „Ich weiß nicht. Es ist, als würde die Welt untergehen. Ist das normal?“ „Aber ja. Es liegt an dem Nebelgebirge, dem wir immer näherkommen. In dieser Jahreszeit sammeln sich hier in diesem Landstrich viele Wolken.“ Anna sah nun zu ihrer Linken und erkannte ein kleines Schmunzeln auf dem trockenen Gesicht des Zauberers. Der Regen perlte von seinem Hut, wie von einem Regenschirm, der ihn gut schützte. Seufzend zog sie ihre nasse Kapuze tiefer ins Gesicht. Hätte sie mal einen Regenschirm eingepackt. Oder gleich ein wasserabweisendes Zelt, denn der Gedanke in dieser Nässe zu schlafen, war mehr als ungemütlich. Die Ponys waren unruhig. Nein, unruhig war das falsche Wort. Sie waren panisch. Und sollte man dem Instinkt der Tiere nicht immer folgen? Anna blickte sich im stillen Lager um, erkannte jedoch nur wenig. Nach vielen vergeblichen Versuchen, gelang es den beiden Zwergen nicht ein Feuer zu machen und die Nacht war dunkler als jemals zuvor. Selbst das spärliche Licht des Mondes drang nicht durch die dichten, tiefhängenden Wolken. Ein Geräusch, als würde in der Ferne ein Baum niedergerissen, der krachend durchs Geäst zu Boden fiel, ließ sie dann von ihrer Bettrolle hochfahren und sie erkannte, dass sie nicht die einzige Person war, die darauf aufmerksam wurde. Thorin erhob sich von seinem Platz, wie auch Balin neben ihm. Ihre Gesichter konnte sie nicht erkennen, aber ihre Posen machten deutlich, dass sie Ausschau hielten. „Was war das?“, flüsterte Bilbo neben ihr unter dem Rauschen des Regens erschrocken. „Ich weiß nicht. Aber das klang gar nicht gut...“, erwiderte sie ebenso leise, indessen sie wie Thorin in die Dunkelheit des Waldes spähte. Spätestens als Gandalf aufstand und zu Thorin hinüber ging, wusste sie, das etwas ganz und gar nicht stimmte. Die Beiden unterhielten sich, oder tauschten eher hitzige Worte, aber sie konnte leider nichts hören. Dann drehte sich Thorin um. „Aufstehen! Sofort!“, brüllte er ins Lager und es dauerte keine Sekunde, ehe alle aus ihrem Schlaf hochschrecken und nach ihren Waffen griffen. Anna war gerade dabei aufzustehen als ihr eine Hand dargeboten wurde. Überrascht blickte sie erst darauf und dann hinauf, nur um festzustellen, dass es Kíli war, der jedoch mit den Augen wachsam in die Nacht blickte als zu ihr hinunter. Zögernd packte sie seine Hand und er zog sie auf ihre Füße. „Bleib dicht bei mir.“, verließ es bitterernst seinen Mund und eine neue Art Panik überkam sie. War das ein Überfall? Orks? Das wurde aber nicht im Film gezeigt! Oder im Buch geschrieben! Was sollte sie jetzt tun? Nur hier bei ihm rumstehen?! Anna bückte sich nach ihrem Bogen, doch Kíli fasste sie an den Oberarm, sodass sie ihm ins Gesicht blickte. „Du wirst in dieser Dunkelheit dein Ziel zu spät sehen. Hast du das Messer von Fíli griffbereit?“ Hastig nickte sie, während sie ihm mit weit aufgerissenen Augen entgegen starrte. Dann fiel ihr etwas Wichtiges ein. „Warte! Ich hab da was in meinem Rucksack.“ Kíli nickte, ließ von ihrem Arm ab und spähte wieder in den finsteren Wald, der plötzlich viel bedrohlicher auf sie wirkte. Anna riss ihren Rucksack auf, durchwühlte mit zittrigen Händen den Inhalt, bis sie das fand, wonach sie suchte. Heraus zog sie ihre Taschenlampe, die sie kräftig schüttelte, um sie aufzuladen. Das klackernde Geräusch ging unter dem prasselnden Regen verloren und schließlich schaltete sie die Lampe an. Als sie mit dem Licht die Dunkelheit davon jagte und in die Gruppe leuchtete, erkannte sie entgeisterte Gesichter. „Ihr überrascht mich immer wieder, Liebes.“, kommentierte Gandalf halb amüsiert. „Konzentriert euch!“, unterbrach Thorin gleich und jeder fokussierte sich wieder auf das Unbekannte, das im Wald lauerte. Die Zwerge bildeten einen schützenden Kreis, in dem sie von Kíli in die Mitte gedrückt wurde und auf Bilbo stieß. Das Knacken und Knarren der Bäume wurde lauter, der Regen rauschte heftiger, die Ponys wieherten schrill und ihr Herz hämmerte hart gegen ihre Brust, während sie mit erhobener Hand über Kílis Schulter in die Nacht leuchtete. Doch niemand erkannte eine Gefahr. Nur die vielen Baumstämme und Büsche weit und breit. Ihre Finger in Kílis Mantel festigten sich, ohne dass sie überhaupt wusste danach gegriffen zu haben. Dann ging alles ganz schnell. „Was ist das?“, hörte sie dann Ori laut fragen. „Eine Flut!“, schrie dann plötzlich Bilbo und Anna leuchtete auf den Boden, der langsam von Wasser überschwemmt wurde. Die Zwerge brachen in einer solchen Eile aus, dass Anna für einen Moment wie versteinert stehen blieb und mitansah wie sie übereilt alles zusammen stopften. Dann setzte sich ihr Körper ebenfalls ganz automatisch in Bewegung. „Fíli, Kíli, Nori, Bofur! Die Ponys!“, rief dann Thorin durch das Chaos, die von ihren Sachen abließen und zu den Tieren hasteten. Der Wasserpegel stieg rasant an, sodass es schon zu ihrem Knöchel stand als sie irgendjemand am Rucksack packte und mit sich zog, ungeachtet ob sie noch etwas zurückließ. Die Ponys waren kaum zu bändigen, während nun alle halfen die Sättel auf deren Rücken zu heben. Keiner kümmerte sich darum ob es fest saß, sondern zogen die Tiere an ihren Zügeln mit den losen Sätteln auf dem Rücken davon. Doch sie hatte Probleme. Khal Drogo zog so panisch an den Zügeln und bäumte sich auf, sodass sie ihr aus der Hand gerissen wurden. Der schwarze Hengst schrie, setzte mit einem heftigen Sprung nach vorn, riss sie zu Boden und verschwand galoppierend in den Wald. Mit einem lauten Platsch landete sie im ansteigenden Wasser, das sofort ihre Lungen füllte, sodass sie heftig husten musste, während sie wieder am Rucksack gepackt und ruckartig auf die Beine gestellt wurde. Es drehte sich alles und für einen Moment hustete sie weiter, ehe sie einen wackligen Schritt vor dem nächsten tat, das durch das viele Wasser immer schwieriger wurde. „Kíli!“, schrie dann Fíli irgendwo in der Nähe, sodass sie mit ihrer Taschenlampe nach jenem suchte und sie sah noch wie Kíli einem schwer beladenen Pony hinterher rannte, das sich ebenfalls losgerissen hatte. Kíli verschwand in der Schwärze und wenige Sekunden später Fíli, der ohne Zögern seinem Bruder nachsetzte. Es war der durchdringende Ruf Thorins nach seinen Neffen, der ihre Panik auf den Höhepunkt trieb. Dwalin hielt Thorin zurück. „Du kannst jetzt nicht umkehren!“, rief der Krieger durch das ohrenbetäubende Rauschen des Wassers. „Es ist zu gefährlich!“ Erneut krachte ein Baum durchs Geäst, doch dieses Mal viel näher als zuvor und das Wasser stieg plötzlich so hoch, dass sie beinahe umgerissen wurde. „Da Vorn! Es geht bergauf! Eine Erhöhung!“, rief Bilbo. Alle um sie herum folgten der Stimme Bilbos, doch sie blieb weiterhin stehen, das Licht auf die Stelle gerichtet, wohin die Brüder verschwunden waren. Nein, sie konnte sie nicht zurücklassen! Sie musste ihnen nach! Doch als sie den ersten Schritt zurück tat, blieb sie plötzlich stehen. Am Ende des Lichtstrahls tauchten die zwei Figuren auf und noch nie war ihr ein größerer Stein vom Herzen gefallen, wie in diesem einen Moment. Sie stampften schwerfällig durch das Wasser zurück, zielstrebig auf sie zu und sie wurde unsanft an die Schulter gepackt. Als sie sich umdrehte sah sie das Gesicht Bofurs. „Komm.“, drängte er. Mit noch einem kleinen prüfenden Blick in Richtung der Brüder, folgte sie dann Bofur hinauf. Oben angekommen, sah sie wie erschöpft und durchnässt die Zwerge teilweise saßen und standen. Die Ponys traten wild von einem Huf auf den anderen, doch das Wasser floss sicher an der Erhöhung vorbei. Wie eine Insel im weiten, offenen Meer. Und nach dieser Nacht würde sie Regen ganz sicher nicht mehr so mögen. Anna lächelte wie irrsinnig, wandte sich um und beobachtete wie die Brüder der Insel näher kamen, welchen sie den Weg mit der Taschenlampe zeigte. Doch dann passierte es. Plötzlich. Unvorhergesehen. Nur knapp hinter den beiden stürzte ein Baum in die reißende Flut und peitschte eine riesige Welle hoch. Annas Herz setzte aus. Hinter ihr riefen die Zwerge verzweifelt, unter ihnen Thorin aus voller Kraft. Und sie alle mussten mitansehen, wie Fíli und Kíli von der Welle mitgerissen wurden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)