Glücksmomente von tournesol ================================================================================ Kapitel 1: Hatsukoi ------------------- Für Yuuri war Yuuko schon immer das hübscheste Mädchen auf der großen weiten Welt gewesen. Mit ihren schokoladenbraunen Augen und dem fröhlichen Lächeln auf ihren Lippen, brachte sie sein Herz regelmäßig dazu einen Takt schneller zu schlagen. Er liebte es wie sie sich elegant auf dem Eis bewegte, wie sie sich in der Musik verlor und wie ein Engel über das Eis glitt. Natürlich war er davon überzeugt, dass sie irgendwann eine Eisprinzessin werden würde. Sie würde in ferne Länder reisen, Medaillen gewinnen und sie würden sicherlich auf ewig zusammen trainieren, vielleicht sogar irgendwann gemeinsam beim Paarlauf antreten? Allein der Gedanke ließ Yuuri fröhlich glucksen. Er mochte die Vorstellung, dass Yuuko immer ein Teil seines Lebens sein würde. Doch war da dann auch noch Takeshi. Zwar bezeichnete dieser ihn nicht mehr als Pummelchen und war inzwischen eher zu einem Freund als etwas anderem geworden. Doch mochte Yuuri nicht wie nahe sich Yuuko und er standen. Viel zu oft erzählte Takeshi einen Witz, den Yuuri im Gegenteil zu Yuuko nicht verstand. Die beiden lachten zusammen und irgendwann stimmte er in das Lachen ein. Doch wollte das Gefühl außen vor zu sein, ihn nie gänzlich verlassen. Yuuri hasste es. (Noch mehr hasste er allerdings, dass er wann immer solch eine Situation vor dem Training stattfand, ihm der dreifache Loop, an dem er im Moment arbeitete, nicht mehr gelingen wollte.) Es war zunehmend frustrierend, welch eine Auswirkung seine Emotionen auf seine Eislaufperformance hatten. Er wollte doch einfach nur Yuuko nicht verlieren, sondern für immer mit ihr Eiskunstlaufen. Aber genau das war wahrscheinlich das Problem, für das eine Lösung gefunden werden musste. Während Yuuri nun also auf dem Spielplatz darauf wartete, dass seine Trainingsgefährten vom Eiscreme kaufen aus dem nahen Supermarkt zurückkamen, schob der 11 Jährige Eiskunstläufer seine Lippe nachdenklich vor. Seine Augenbrauen hatte er zusammen gezogen und die Brille war durch diese selten komische Grimasse etwas nach oben geschoben worden. Eine Idee wollte ihm leider nicht kommen. Frustriert zog er seine Beine enger an seinen kleinen Körper und begann mit seiner Hand an dem Gras zu zupfen. Die Grashalme wurden fortgeworfen, abgerissene Blüten folgten und schließlich musste er niesen. „Dumme Blumen!“, schimpfte er auf die unschuldigen Pflanzen. Er riss eine weitere Blume ab, betrachtete diese eingeschnappt, als wäre sie für seine Misere verantwortlich. Plötzlich kam ihm eine Idee. „Yuuri!!“, gut gelaunt winkte ihm Yuuko zu. Takeshi und sie hatten beide ein Eis in der Hand. Yuuko war sogar so nett gewesen ihm ein Eis aus dem Supermarkt mitzubringen. Es bestärkte ihn nur noch mehr in seinem Vorhaben. Als seine beiden Freunde langsam näher kamen, trat er schüchtern lächelnd von einem Bein auf das andere. „Alles in Ordnung? Du siehst echt komisch aus!“, fragte Takeshi offen heraus. Yuuri wurde nervöser, sah zu Yuuko. Diese lächelte ihn nur an. Sie verstand ihn eben und wusste, dass es ihm gut ging. So irgendwie. Ein Lächeln formte sich auf seinen Lippen. Er atmete tief ein und aus. Yuuri holte seine Hand hinter dem Rücken hervor, hielt Yuuko einen unförmigen, aus Blumen zusammen geknoteten Ring entgegen. „Willst du mich heiraten und für immer und ewig mit mir zusammen sein?“, fand Yuuri den Mut die Worte schnell herunter zu rattern. Takeshi sah ihn schockiert an – sein Eis fiel zu Boden. Yuuko errötete, strahlte ihn an und hielt ihm ihren Finger entgegen. Yuuri war nie glücklicher gewesen.   Kapitel 2: Kanashimi -------------------- Tap Tap.   In einem schnellen Tempo erklomm Yuuri die Treppenstufen, die zu dem Tempelgelände von Hasetsu hinauf führten. Es war schon recht spät und langsam setzte die Abenddämmerung ein. Für einen Märzabend war es heute überraschend frisch. Da Yuuri sich aber in Bewegung hielt, musste er sich keine Sorgen machen, dass ihm kalt werden würde. Solche Gedanken schossen ihm eher bei dem Anblick einer einzelnen Figur auf den weiter oben gelegenen Stufen durch den Kopf. Als er näher kam erkannte er, dass es sich bei dieser Person um keine andere als Yuuko handelte. Yuuri verlangsamte sein Tempo und kam schließlich bei ihr zum Stehen. Da er nicht wusste, wie lange er hier verweilen würde, dehnte er kurz seine beanspruchten Muskeln und ließ sich schließlich schweigend neben ihr nieder. Einen weiteren – scheinbar endlosen Moment – sagte keiner von ihnen etwas. „Solltest du nicht zu Hause sein? Immerhin ist Morgen doch der große Tag“ Seine Stimme erklang ihm so fremd. „Hmn“, war ihre kurze Antwort, „Ich musste mal raus“ Ein weiterer Moment des Schweigens. „Alles in Ordnung, Yuuko-san?“ Er suchte ihren Blick. Sie schwieg, sah Gedankenverloren in die Ferne. „Ich frage mich nur…“, sie verstummte einen Moment, „Denkst du mein Leben hätte anders verlaufen können?“ Yuuri sah überrascht über diese Frage zu der jungen Frau neben ihm. Sie war heute so anders als sonst. Er kannte Yuuko als eine aufgeweckte und lebensfrohe Frau. Sie war immer voller Energie und wenn sie lachte schien sie der Sonne Konkurrenz zu machen. Doch nun schienen irgendwelche Zweifel an ihr zu nagen. Besorgt betrachtete er die Ältere. „Wünschst du dir denn, dass etwas in deinem Leben anders gewesen wäre?“, fragte er schließlich. „Ich weiß es nicht“, murmelte sie. Yuuri wandte seinen Blick von ihr ab, schaute die Treppe hinunter zu der sich langsam herabsenkenden Sonne. „In einem anderen Leben wärst du vielleicht nun professionelle Eiskunstläuferin.“, überlegte er. In einem anderen Leben hätte sie sich dann aber nicht in Takeshi verliebt. Sie hätte sich nicht Hals über Kopf in eine Beziehung mit ihm gestürzt und 3 wunderschöne Kinder bekommen. Sie hätte das professionelle Eiskunstlaufen nicht aufgeben und wäre vielleicht nun in Kanada. Er selber wäre ihr dorthin gefolgt und sie wären vielleicht wirklich ein Paar geworden, wie er es sich in seinen Kindestagen gewünscht hatte. „Hmn…“ Yuuko schloss ihre Augen, schien sich diese Zukunft auszumalen. Wenige Momente später schüttelte sie ihren Kopf. „Nein, ich denke meine jetzige Zukunft passt besser zu mir.“ Sie rutschte sich zu Yuuri hinüber, lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter. „Ein Leben ohne meine Mädels kann ich mir nicht vorstellen…“ Sie waren eben ein Teil von ihr. Einen Moment beobachteten sie Beide nur die untergehende Sonne, lauschten dem Klang der Vögel um sie herum. „Außerdem… Eine Karriere als Eisläufer war immer dein Schicksal.“ Yuuri schielte verwirrt zu ihr hinüber: „Eh?“ „Hmn…“ Yuuko legte einen Finger gegen ihre Lippen, schien nach den perfekten Worten zu suchen. „Immerhin liebt hier niemand das Eis so wie du. Die Person, die du mindestens genauso sehr lieben kannst, wie das Eislaufen, kannst du dementsprechend nur da draußen finden. Und nicht hier in Hasetsu!“ Yuuri betrachtete die untergehende Sonne. Er hatte nie eine Chance bei Yuuko gehabt. Aber er hatte das Eislaufen. Kapitel 3: Akai Ito ------------------- „Solltest du nicht bei Viktor-san sein?“ Yuuri sah von seinem Platz auf der Gartenveranda seines Elternhauses auf zu seiner längsten Freundin. „Yuuko-san!“ Sie warf ihm einen strafenden Blick zu, stemmte ihre Arm an die Hüfte. „Yuu-chan?“, verbesserte Yuuri sich kleinlaut. Yuuko nickte zufrieden und ließ sich neben ihm nieder. „Also… Was bringt dich dazu deinen Ehemann heute alleine zu lassen?“ Yuuko sah zu Yuuri hinunter, konnte nun beobachten wie seine Wangen eine rötliche Färbung annahmen. „Er ist nicht mein Ehemann…“, murmelte Yuuri. „Wenn man es genau nimmt.“ Eine Tatsache. Denn auch wenn Yuuri und Viktor als Folge zu Yuuris Gewinn einer Goldmedaille beim Grand Prix Finale ihre Ringe nun an der linken Hand trugen, konnten sie rechtlich keine eheliche Partnerschaft eingehen. Dennochhatten sie es sich nicht nehmen lassen, ihre Verbindung in dem örtlichen Tempel in Hasetsu segnen zu lassen. Dies war an diesem Nachmittag in der Anwesenheit von engen Freunden und ihren Familien geschehen. Wenn man darüber nachdachte wie viele Jahre er Viktor auf seinem Lebensweg nachgefolgt war, konnte Yuuri noch immer nicht fassen, dass eben dieser Viktor Nikiforov ihm vor wenigen Stunden hochfeierlich die Treue geschworen hatte. Yuuri legte seinen Kopf in den Nacken und betrachtete nachdenklich den Sternenhimmel über ihnen. Yuuko beobachtete ihn kurz, ließ sich dann neben ihrem Kindheitsfreund nieder. „Aber er hat zumindest einen Ring aus Gold und nicht aus Blumen bekommen!“, neckte Yuuko und stieß Yuuri mit der Schulter an. Aus den Augenwinkeln konnte sie voller Genugtuung erkennen, wie sich Yuuris Ohren ebenfalls verfärbten. „Wann reist ihr eigentlich wieder ab?“ Yuuri wandte seinen Blick zu ihr. „Wahrscheinlich am kommenden Wochenende.“ „Und dann geht’s auf Hochzeitsreise?“, grinste Yuuko. Yuuri lächelte schweigend. „Hmn~ Aber übertreib es nicht! Weder mit dem Alkohol oder… sonstigen Dingen!“ Sie pikste Yuuri mit ihrem Ellenbogen in die Seite. „Yuuko-san!!“, empörte sich Yuuri. Seine Gesichtsfarbe hatte nun ein dunkleres Rot angenommen. Für seinen Geschmack genoss Yuuko es gerade viel zu sehr ihn aufzuziehen. Er wandte seinen Blick ab, sagte vorerst lieber nichts mehr. „Yuuri?“, unterbrach sie nach einer gefühlten Ewigkeit die aufgekommene Stille. Er schaute zu ihr, sah sie fragend an. „Hmn?“ „Ich bin froh, dass du Viktor-san gefunden hast.“ „…?“ Er antwortete nicht, sah sie nur etwas irritiert an. „Immerhin ist er doch die Person, die du mehr als das Eiskunstlaufen liebst!“ Yuuri erinnerte sich plötzlich an ein Gespräch, dass sie vor Jahren geführt hatten. „Manchmal braucht es eben etwas länger, bis der rote Faden einen zusammenführt!“, überlegte Yuuko. Yuuri lachte auf. So dumm es auch klang. Yuuko hatte mal wieder Recht. Wie so oft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)