Und den Fluch im Kielwasser... von Tsutsumi ================================================================================ Kapitel 8: Theorie vom Sterben ------------------------------ ...Und den Fluch im Kielwasser... Teil: 8/? Titel: Theorie vom Sterben Autor: Tsutsumi Disclaimer: Nichts aus dieser Welt gehört mir, sondern zu Disney und all denen, derer da fürderhin sind. Ebenso steht es mir auch nicht zu, für diese Mär Geld zu verlangen.^^ Warnung: Slash, OOC (besonders bei Jack Sparrow, auch wenn ich mir größte Mühe gebe, dass er eben nicht OOC wird), sappy, bisschen darkfic Pairing: Jack Sparrow x Will Turner Kommentar: Ja, es hat wieder gedauert, ich weiß^^"" Und es ist wieder kürzer als die anderen Teile, aber ich versuche, den nächsten wieder länger zu schreiben^^ *vielSpaßbeimLesenwünscht* Verzeihung im Vorraus für Rechtschreib- und Sinnfehler! Feedback: Immer gern gesehen^^ Wie groß die Welt doch sein konnte, wenn man sich alleine fühlte. Verloren zwischen Steppen und Wüsten, Ozeanen und Wäldern, die man mit dem Auge nicht vollständig erfassen konnte, war man nutzlos, klein... Von der Welt produziert und doch nur ein kleines Molekül im Universum. Wie klein die Welt doch sein konnte, wenn man nach Freiheit suchte. Auf den Brettern, die die Welt bedeuteten, war meist kein Platz, um sich entfalten zu können, war kein Platz um allein sein zu können. Im Moment jedenfalls war diese Welt weder groß noch klein. Sie hatte ihn einfach nur verraten. Jack half ihm auf das Schiff zurück, doch als Will sich umdrehte und zurückblickte auf die vulkanistische, in Rauch verhüllte Insel, musste er sich übergeben. Über die Reling hinweg spieh er alles aus, alles was seit Tagen wohl in ihm gewesen sein musste. Als Magensäure seinen Hals passierte, alles in ihm verkrampfen ließ, kamen die Tränen zurück und süßlich brannte die Honigsalbe auf seinen Lippen. Und hustend taumelte er zurück, während sich alles um ihn herum drehte, während die Menschen um ihn herum verschwammen wie hinter Milchglas. Vergessen war der allzusüße Moment des Trostes. Vorbei diese Zärtlichkeiten. Will wusste, dass er ohne sie nicht mehr funktionieren konnte, und das machte ihm Angst. Seine Augen mussten sich nach innen gedreht haben, denn alles war schwarz geworden, wie von einem plötzlichen Vorhang verdunkelt und dann war da plötzlich eine sanfte, rauhe Stimme an seinem Ohr. "Ganz ruhig...Will...Einfach atmen, nur atmen!" Verzweifelt wusste er nicht, wo seine Füße waren- standen sie noch auf den Schiffsplanken oder hingen sie in der Luft, wurde er festgehalten oder nur gestützt? Wo war sein Herzschlag hin? Wohin...wohin? "Ich kann nicht atmen!" "Was hat der Bengel denn?" "Was verschluckt?" "Käpt'n, was is' denn passiert?" Die Stimmen jaulten in den Ohren des jungen Mannes, vermischten sich zu einem hörbaren Schwarz, wie sich alle Farben dieser Welt wohl auch zu einem Schwarz vermischen mochten. Der eigene Magensaft lief ihm aus dem Mund, als er ihn verzweifelt aufriss, um Luft zu holen. Doch wieder schien da diese dicke Brühe des Fluches zu sein, schien das Greuel seine Lungenflügel aufzureißen und auszufüllen. Luftmoleküle vermochten es nicht, durch diesen Urschlamm hindurchzudringen. "Natürlich kannst du!" raunte Jack hastig und dann spürte Will ihn wieder. Er hing in den Armen des Piraten, schlaff und kraftlos, wie ein Blinder, denn er sah noch immer nichts. "Nein...nein...!" Nur einmal diesen Körper nochmal spüren, diese kraftvolle Präsenz ganz nahe haben. Den feinen Rumatem riechen... Will versuchte, seine Lungen mit Luft zu füllen, doch immer wieder drängte die braune Suppe des Fluches sie hinaus. Seine Fingerspitzen waren taub geworden und so krallte er sich verzweifelt fest an Sparrow. Öffnete verzweifelt und panisch den Mund immer wieder und schloss ihn wie ein Fisch an Land. Wo war die Luft...? "Verdammt, natürlich kannst du das, Will!" In diesem Moment riss ihn Jack ein wenig hoch- er musste gerutscht sein in den Armen des Piraten- und Wills Augen drehten sich wieder dem Tageslicht zu. Wie ein Ertrinkender vor dem Tod noch einmal aus dem Wasser hochkommt, sich aufbäumt...das letzte Mal den Himmel ansieht. "Jetzt reiß dich zusammen und atme! Immerhin ist das das erste, was ein Mensch im Allgemeinen tut, wenn er aus dem Fleisch seiner Mutter kriecht; also bekommst selbst du das hin!" Da war er wieder! Will spürte seinen Herzschlag wieder- und wünschte sich zugleich, ihn nie vermisst zu haben, denn hart hämmerte er los, ließ das Organ wie einen Stein gegen den Brustkorb krachen. Turner starrte den Piraten mit weit ausgerissenen Augen an. Jack war wütend! Auf ihn wütend! Und alles in ihm begann zu zerfließen. Mit einem Mal wurden seine Knie so weich wie frischer Ziegenkäse. Mit einem Mal drehten sich Magen und Darm einmal um sich selbst und es tat verdammt weh. "Wie is' das räudig, wenn man sich im eigenen Mist wälzt!" sagte Jack mit leiser Stimme und Will spürte, wie der Mann ihn ein Stück weiterschleifte, über die sonnenerhitzten Planken. "Wenn du dich verkriechen willst in dir selbst, bittesehr, Mr. Turner!" Der silberne aztekisch anmutende Haarschmuck klimperte. "Wenn du endlich sterben willst- bittesehr! Du bist ja hier genau richtig, wir meuchelmorden vorzüglich! Und wenn du willst, dass man dich einfach vergisst- auch gut! Dann habe ich endlich mein ganzes Bett wieder!" Ab diesem Zeitpunkt spürte Will wieder seine Feinde in den Augen brennen. Die Sonne blendete ihn- und das hieß, dass diese Tränen wie Edelsteine glitzern mussten. Diese Seelenverräter! Denn es tat so weh, von Jack geschimpft zu werden, als sei man ein kleines Kind, das nicht zu lernen Lust hatte. "Also, was wünschst du, Mr. Turner?" Die dunklen, harten Augen sahen ihn kurz an. "In welche Ecke möchtest du zum Vergammeln gelegt werden?" Er wollte ihn nicht. Nicht im Geringsten. Will blinzelte hilflos in die Sonne hinein, spürte wie einer seiner stummen Feinde über die Wange lief und salzig brannte. Jack Sparrow wollte ihn nicht- Natürlich nicht, denn was wollte ein freier Pirat mit einem verfluchten kleinen Hündchen, das ihm winselnd zu Füßen lag? Was wollte ein so stolzer Freibeuter, der eh nur sich selbst treu war, mit ihm? Was wollte Captain Jack Sparrow mit ihm? Mit jedem Blinzeln wurde das Bild unschärfer, wurde der Geräuschbrei immer konfuser, verstreuten sich Gedanken und Tränen immer mehr, um schließlich bald im Schwarz einer Ohnmacht zu entschwinden und auf einer anderen Seelenwelle weiterzugleiten. Will spürte es geradezu. "Jack..." murmelte er noch, spürte, wie er sich mit aller Kraft an diesen warmen, weichen Körper klammerte und sich an ihm halten wollte. Dieser Mann roch nach Freiheit und Salzwasser, nach Sehnsucht... nach allem, was er wollte...nach allem, was er nicht sein konnte. Und dann trat Will ab. Was du bist, dem steh ich so weit. Nicht du, nicht ich- Nicht Zweisamkeit. Das sanfte Rauschen der See war es gerade, was ihn wieder weckte. Ebenso zärtlich schien die Pearl dazu zu schaukeln. Will spürte Kopfweh und die Verdrießlichkeit, immer Wasser rauschen zu hören, wenn seine Ohren ihre Verbindung zur Außenwelt aufnahmen, nervte ihn. Über sich spürte er Schatten, unter sich etwas halbhartes. Sanft strich ihm der Karibikwind über die Wange, doch irgendwo tief in sich wusste er, dass die Tränen geblieben waren. Es war, als hätten Jacks Worte ihm eine Wunde von Kopf bis Fuß beigebracht, so hart und scharf, dass keines seiner je geschmiedeten Schwerter mithalten konnte. Manchmal war Fleisch und Blut weitaus verheerender als bloßes Waffeneisen. Langsam öffnete Will die Augen, blinzelte. Salz war es, was er auf den Lippen schmeckte. Verdammtes Salz, das ihn verfolgte. Er lag im Schatten des großen Segels, unter sich zwei Lagen Planen. Der weiche Wind spielte mit dünnen Strähnen seines dunklen Haares, fuhr schmeichelnd über seine Haut. Sofort hatte Turner wieder den fruchtigen Meergeruch in der Nase.Und immer klarer wurden seine Ohren, wurde das Gehör für das Kreischen der Meeresvögel, die das Schiff zu begleiten schienen. Dazwischen polterte es ab und zu auf dem Schiffsholz, doch ansonsten war es still. Wahrscheinlich lag die halbe Crew im Mittagsschlaf. Will beschloss, sich nicht zu rühren. Diese schwere, unsichtbare Wunde schmerzte...sie schmerzte so furchtbar, dass er das Gefühl hatte, wieder weinen zu müssen. Jede Pore seines tat dies- er schwitzte. Sein Magen trauerte- er war verkrampft und ewiglich schien Wills Kopf zu brummen. Er schloss die Augen wieder. "...bis du weinst für ewig..." Ein Flüstern für die Wellen. Verdammt, er weinte doch schon! Nicht sichtbar, aber doch immer schon. Vielleicht war das das Schicksal der Menschen, vielleicht weinten ihre Seelen schon am Anfang, seit ihrer Geburt. Vielleicht war dieser riesige, salzige Ozean so entstanden- aus den Tränen der Menschheit. Vielleicht würde die Welt bald überflutet sein... In diesem Moment polterte es leicht und rhythmisch auf dem Holz. Fast aufgeschreckt riss Turner die Augen wieder auf, nur um dem Bereiter seiner Seelenschmerzen in die Augen zu schauen. Er zuckte zusammen. Jack hatte leicht geöffnete Lippen. Aber im Gegensatz zu vorhin waren die nicht mehr brüchig und aufgerissen. Diese verdammte Bienenhonigsalbe schien tatsächlich zu helfen. Wie gebannt starrte Will den Mann an, starrte diese Lippen an. Diese Lippen, die ihn vorhin...geküsst hatten. Diese Lippen, die ihn vorhin aufgeschlitzt hatten. Ruhig betrachtete der Captain den jungen Mann, kniete sich mit konzentriert-nachdenklichem Blick herunter. Will spürte, wie eine warme Hand sanft seine Stirn berührte, und in diesem Moment schossen ihm tausend Blitze vom Kopf ins Herz. Als würde er ein Gewitter erden. "Geht's dir besser?" raunte die dunkle Stimme. Will drehte den Kopf weg. Über ihnen kreischten wieder Vögel. Groß und weiß, er konnte sie nicht zuordnen. "Das ist doch nicht dein Ernst." zischte er leise und schloss die Augen. Und schon wieder brannten Tränen in den Augen. Verflucht... "Du magst wohl etwas zu lachen haben, bevor ich tot bin." "Will, ich weiß wirklich nich', worüber du dich so aufregst!" schnaufte Jack. "Du lässt mich ständig wissen, wie sehr du sterben willst. Weißt du noch? Sterben für dich, sterben für mich, sterben für die Liebe!" Der Mann legte spöttisch Betonung in den letzten Satz und Will tat dies noch mehr weh. "Aber sobald ich diesen Kurs einschlage, bist du beleidigt und drehst dich weg! Du bist tatsächlich mehr Zicklein als alle Dirnen, die ich je gesehen habe- und das mag bei mir schon was heißen!" "Du weißt nicht, wie ich mich fühle." gab Will kraftlos zurück. "Das kann wahrscheinlich niemand. Und so wie ich jetzt bin, bin ich sowieso nutzlos für alle." Im nächsten Augenblick spürte er eine Hand, die seinen Kopf auf die andere Seite drehte und seine braunen, versalzenen Augen schauten direkt in Jacks. "Verflucht, wozu sollst du denn nutzen?!" Der Wind ließ das Segel über den beiden kurz flattern, als würde er verschwinden, als würde er das Meer alleine lassen. Warme Sonnenstrahlen drangen an Turners Körper, stachen wie tausend kleine Nadeln auf seiner gereizten, kalten Haut und fraßen sich bis in sein Innerstes. Es war nicht unangenehm. "Ist das etwa deine Daseinsberechtigung? Wenn du etwas nützt? William, ich weiß nicht, ob dir das schon aufgefallen ist, aber du bist ein Mensch..." Immer leiser war der Mann geworden, immer langsamer hatte er gesprochen. Und nun fuhr seine rechte Hand leicht und flüchtig über die Wange des Liegenden, als würde er das, was er ausgesprochen hatte, durch die Berührung untermalen wollen. "...und kein Ding..." Wie fühlte sich diese fremde Haut rauh- und zugleich federweich an. Wie konnte es sein, dass Will die Augen schloss und nicht mehr fähig war, ein Wort zu sprechen? Sein Herz klopfte, so ganz einfach und befreit in diesem süßen Moment. Als hätte man in ihm einen Schalter umgelegt. "Ich wünschte, das wäre wahr, was du da von dir gibst." flüsterte er leise. "Denn im Gegensatz zu Menschen schimpft man Dinge schneller..." Die braunen Augen waren verklärt, als sie sich öffneten. Und diesmal waren sie es, die den Gegenüber am liebsten durchbohrt hätten. Diesmal klagten sie den Piraten richtiggehend an. Und wie erschlagen lag der junge Mann da, auf der doppelten Plane, die ihn halbweich bettete. Jack Sparrow verlagerte sein Gewicht, ließ sich ganz nieder, während er ein Bein anwinkelte und das andere aufstellte vor seiner Brust. Die dunklen, schwarz umrandeten Augen wirkten mit einem Mal unendlich weit weg. Als wären sie hinter die Sterne weit weg gewandert und würden der Zeit nachjagen, als würden sie sich in den Nebeln aus Gedanken und einer Art diffusen Erinnerung verlieren. Seltsam kurz währte dieses an- dann, mit einem Mal wurden die dunkelbraunen Augen wieder klar. "Es hat dir wehgetan vorhin..." wisperte Jack und legte ganz langsam den Kopf schief. Nur ein wenig. Dann blies der Wind wieder in das große, weiße Segel und trieb die Pearl erneut an. Die Sonnenstrahlen wichen ängstlich seinem Schatten. Jack schaute Turner nicht in die Augen. Ruhig atmete er dahin. Das sah Will an der Art, wie sich der Brustkorb des Mannes ausdehnte und wieder etwas schmaler wurde. Doch solche Ruhe...solche Nachdenklichkeit. Das war er nicht gewohnt von Sparrow. Ganz und gar nicht. "Das tut mir leid..." flüsterte der Pirat. Und erst jetzt sah er Will wieder an. Die Welt stand so still. Als würden die Tröpfchen der sprühenden Gischt gefrieren in der Luft, als würde sich das Segel im Stillstand der Zeit weiterblähen, als würde der Wind das Schiff sanft umarmen. Will starrte wie in Trance in die tiefdunklen Augen über sich, sah wie der andere Mann verlegen den Kopf zur Seite neigte. Nicht gänzlich unerkannt, doch trotzdem seltsam verstrich der Moment und die beiden regten sich kaum. Nur der Wind bewegte das Leben weiter, zog sanft an ihren Haaren, an ihren Wimpern und schickte ihnen warme Sonne zu, als das Segel leicht flatterte. Nur ein wenig. "Wenigstens wusste ich endlich...woran ich bei dir war." sagte Turner leise und seine Lippen spannten sich zu einem kleinen Lächeln an. "Ist das so?" entgegnete der Pirat nach kurzem Zögern. "Dann wird es Zeit, mich wieder zum Phantom zu machen..." Langsam wanderte die rechte Hand des Piraten vom Boden nach oben, gemächlich, bis sie nach der Pistole griff, die in Jacks Gürtel steckte. "...und für dich den Schleier zu senken. Denn bekanntlich interessiert sich der Mensch für das, was er nicht versteht...nicht wahr?" Ein bekanntes, leichtes Lächeln umspielte die Lippen Sparrows, als er piratisch die Oberlippe hochzog und seine Goldzähne entblößte. Im nächsten Augenblick hatte er die Pistole gezogen. Will blinzelte, spürte wie sich das Eisen der Waffe auf ihn richtete, noch bevor er es sah. Für einen Lidschlag lang versuchte er sich dieses Bild von außerhalb vorzustellen. Er, am Boden liegend, schlaff...und über ihm Jack Sparrow, ihn bedrohend. Und dazwischen Welten der zwei Paare klarer Augen. Noch einmal blinzelte Turner und schaute genau hin. In die schwarze Öffnung der Pistole, in der Tod, Flucht, Angst und Zeit zu gähnen schienen. Unheimlich und verschluckend starrte ihn der Lauf an, schien unsichtbar nach ihm zu greifen. Die Leidenschaft des Todes... Jacks Hand hatte sich ungemein angespannt. Und mit jeder Sekunde, die verging, kam sein Gesicht näher, wurden seine Augen heller, konnte Will immer besser in sie hineinsehen. "Nun sag's mir, Will!" raunte die dunkle, angenehme Stimme. Weiter hinten brüllte Mr. Gibbs herum. Turner verstand es nicht. "Möchtest du das? Ist es das, was du willst?" Wie ein Strudel war das Schwarz in der Öffnung der Waffe, wie etwas, was weit weg und geheimnisvoll war. Da saß etwas, was zerstören wollte...etwas das Leben nehmen wollte. Wie ein Leichengeruch strömte es auf den jungen Mann ein, entzog ihm Körperwärme und jagte ihm kalte Gänsehaut den Rücken hinunter. Plötzlich war es, als würde der Fluch, der bis eben in ihm gedöst hatte, erwachen und anfangen zu leben. Er hatte sein Gegenstück gefunden. Jacks Hand entspannte sich etwas und der harte Ausdruck in seinem Blick wich sanft dahin. Wie seltsam es doch war... Diese dunklen Augen, die so groß und zärtlich aussahen mit einem Mal... "Zuerst erschreckst du dich...und du denkst, dass die Kugel vielleicht danebengegangen ist..." sagte Jack langsam. Er beugte sich noch weiter herunter, so weit, bis sein Gesicht ganz groß geworden war im Blickfeld des Liegenden. Sanft hauchte der obstige Rumatem an Turners Wangen entlang. "...doch dann fängt es an. Wie ein Ziehen, aus dem ein Brennen wird, immer stärker und heißer und ehe du dich's versiehst, reißt dich der Schmerz auseinander." Der Schatten lag in den dunklen Augen. "Du bist nichts weiter als Schmerz inmitten deines eigenen Blutes, deines eigenen Fleisches, deines eigenen Seins... Und ein Teil von dir beginnt, sich zu fragen, wie lange noch? Wie lange noch bis dies endlich zuende ist? Während deine andere Hälfte verzweifelt versucht, sich an das Leben zu hängen, an das bisschen Dasein auf Mutter Erde. Es ist ein Kampf zwischen so mächtigen Gewalten. Und dabei hast du gar keine Kraft mehr zum Kämpfen." Der Pirat ließ die Pistole sinken. So langsam, dass Will es müde wurde, ihr mit den Augen zu folgen und Jack ansah. Und Sparrow schaute ihn ernst an, seine Haare flatterten leicht unter dem Piratenhut, schwarz und glänzend. Der Schatten in seinen Augen wurde größer und größer, bis er sie schließlich ganz ausfüllte. "Ist es wirklich das, was du willst?" "Ich will nicht mehr so weiterleben..." sagte Will leise. Seine braunen Augen fühlten sich kalt und leergeweint an. Für immer und ewig. "Das ist, was ich will. Das und nichts anderes." Er schmiegte sich in die wiederkehrende Piratenhand, die unablässlich begann, seine Wange zu liebkosen, seine Haut zu streicheln. Wie schüchtern, und doch schien diese Hand genau zu wissen, was und wohin sie wollte. "Der Freitod ist nur eine Seelennot, Jack." William konnte den Wind spüren, der an seinen Haaren riss, der ihm winzige Strähnchen desselben über die Stirn pustete und zurücksinken ließ. Der dieses Haar dreckig glänzen ließ. "Schon allein weil du zu wissen scheinst, wie es ist, wenn man gegen ihn kämpft." Die schwarzen, schattenerfüllten Augen blinzelten wie erschreckt, und doch hörten sie nicht auf, würdevoll zu wirken. Mächtig und erhaben über all die Gefühle, die in ihnen wohnten und ihnen wahrscheinlich androhten, herauszuexplodieren mit all ihrer vernichtenden Kraft. "Schon allein deswegen werde ich ihn nicht preisen wie meinen letzten Ausgang aus diesem Leben." flüsterte Turner, hob die eigene Hand. Ja, da war die Angst. Die Angst davor, Jack nun wieder in Sparrow, dem Untreuen, dem Unberechenbaren, dem Albernden vor sich zu haben, war unerträglich. Doch diesmal nicht. Diesmal blieb sie unbegründet, diese Angst. Gefühle zu zeigen und sich zu offenbaren, so etwas war ein Fehler auf See, wenn man mit denen segelte, die einem im Schlaf den Dolch in die Brust stachen, die meuterten und einen aussetzten...zum Sterben...zum Tod. Jack hatte diese Lektion vor langer Zeit lernen müssen und trotzdem wich er nicht zurück in seine Taktik wie sonst... Kein Wunder. Will wusste, dass er diese Ausstrahlung, durch und durch unschuldig zu sein, aussenden musste. Durch und durch ungefährlich. Und so berührte er vorsichtig den Bart des anderen Mannes, ließ die Finger hochwandern zur braungebrannten Wange Sparrows, fasste diese Haut an und spürte wieder heiße Tränen in sich brennen. Nur dass er wieder nicht wusste, wieso er weinen musste. Er wusste nur, dass dies gut so war. Es war gut, hier zu sein. Kein Fehler. "Der Tod ist der Ausgang eines Lebens, das es nicht wert ist, beendet zu werden. Vom Moment des ersten Atemzugs an bin ich viel zu wertoll um einfach dahinzuscheiden und alles in das schwarze Loch des Vergessen-seins zu werfen..." Nachdenklich versanken Wills Augen in Jacks. Vorichtig. "...aber wenn ich vergessen will, ist dieser Wert nicht mehr, was er einst erschien." Das Herz des jungen Mannes wurde weich vor Aufregung, vor Gefühl, als Jack sich gänzlich herunterbeugte. Begann, sanft zu lächeln. "Mach dir keine Sorgen." wisperte der Captain mit rauher Stimme und seine Hand wich nicht hinweg von Wills Wange, nicht eine Sekunde. Sie blieb da, wärmte, beruhigte. "Der Wert an sich vergisst sich nicht. Du musst ihn nur wiederfinden..." Herrlich süß schmeckte das Leben in diesem kurzen Moment des Herzschlages. Wie tausend Gläser Honigbalsam...nur aus Honig. Als Will die feuchten Lippen spürte, vergaß er die Welt, vergaß, daran zu denken, wo er war und warum er war. Sondern er war ganz und gänzlich. Zartsanft berührten Finger sein Gesicht, zogen sich seine Wangen herunter, strömten nebelgleich durch seine Haare, krallten sich halb dain fest. Es tat nicht weh. Seltsame Geräusche entstanden, wenn sich die fremden Lippen lösten und sich wieder mit einem vollen, warmen Schwall aus Aufregung und Hitze auf Wills Mund legten, sich liebkosend andrückten, dabei ein wenig öffneten. Die Ecke der Plane flatterte im Wind. Leicht säuselnd. Das karibische Meer gluckerte seine süße Melodie. Turner spürte, wie seine Lippen so leicht, fast gar nicht benetzt waren, spürte wie sich sein Herz immer und immer wieder überschlug, wenn Jack ihn wieder fühlen ließ. Sein Atem hatte sich irgendwo im Rumgeruch des anderen Mannes verworren und der junge Mann suchte ihn nicht. Was er bisher nur Elizabeth geschenkt hatte, ließ er sich vom Piraten mit offenen Armen gern rauben. Es fühlte sich fantastisch an. Der ganze, warme Leib des Fremden an ihm. Geheimnisvolle Gegenwart. Dies war soviel mehr, als wenn Jack des nachts nur seine Hand gehalten hatte. Dies war alles. Die Welt, zwischen zwei Lippenpaaren. "Ich wollte, wäre früher gekommen." hauchte Will, so leise, dass die Worte beinahe nur aus seinem sich verformenden Mund verständlich waren. Jack verschloss ihn dem Liegenden erneut. "Ich wollte, ich hätte niemandem wehgetan... Ich wollte, ich hätte immer so gelebt....Hm...Ich wollte...ich wollte..." Leises Atemholen zwischen Wispern, dass sich im Wind vergaß und den fremden Küssen. Jack hatte zugehört und nun lächelte er, bevor er seinen Kopf wieder senkte, Will nicht mehr zu Wort kommen ließ. "Gemach, mein Gutster!" hauchte er zärtlich in das Ohr des jungen Mannes. "Gemach, gemach..." Und sein Gewicht drückte angenehm an Turners Körper, verdeckte ihn vor der Sonne und gab ihn dem fordernden Schatten preis... To be continued... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)