Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 45. “What do you want to watch?” (Orley) ---------------------------------------- Prüfend betrachtete Orga sich im Flurspiegel und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob er nicht vielleicht doch irgendetwas mit seinen Haaren machen oder ein Hemd statt des jetzigen T-Shirts anziehen sollte. Er könnte seine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammenbinden? Würde ihm das stehen? Jetzt ärgerte Orga sich, dass er die Zeit gestern Abend nicht dafür genutzt hatte, genau das auszuprobieren – denn jetzt hatte er sicher keine Zeit mehr dafür. „Orga, tu’ uns einen Gefallen und geh’ endlich.“ Der Grünhaarige drehte sich stirnrunzelnd um und blickte ins offene Wohnzimmer der WG. Minerva saß in ihrem Schlabberlook im Schneidersitz auf dem Teppich und schüttelte eine Rassel für Frosch, die gurgelnd am Boden auf dem Bauch lag und versuchte, in Reichweite des Spielzeugs zu kommen. Mit einem Anflug von Stolz bemerkte Orga, dass seine kleine Patentochter es mittlerweile gut hinbekam, den Kopf zu heben. Mit sieben Monaten war sie dafür eine Spätzünderin, aber der Kinderarzt hatte mehrfach wiederholt, dass kein Grund zur Sorge bestünde. Frosch brauchte einfach mehr Zeit, um sitzen zu lernen, aber das machte nichts. Sie gab sich Mühe, nur das zählte für Orga. „Lass’ ihn, Minerva“, murmelte Rogue, der am Couchtisch saß und Lernkarten beschrieb, dabei jedoch immer wieder in Richtung des Babys schielte. Seine sonst so beherrschte Miene wurde jedes Mal von einem sanften Lächeln erhellt, wenn er Frosch ansah. Alter Softie. „Er ist nun einmal nervös.“ „Ah, ich habe völlig vergessen, dass du es ja nur zu gut nachvollziehen kannst“, stichelte Minerva mit funkelnden Augen. „Was macht dein Patenbruder?“ „Das Wort gibt es gar nicht“, wich Rogue aus und senkte den Blick hastig wieder auf seine Karten. Orga schnaufte und unterbrach damit Minervas Versuch, Rogue noch ein bisschen mehr wegen seines Schwarms – oder wie auch immer man das nennen sollte – aufzuziehen. „Ich bin nicht nervös!“, erklärte Orga lautstark. Frosch prustete auf dem Teppich leise vor sich hin und patschte mit ihren winzigen Händen auf den Boden. Minerva hingegen verdrehte die Augen. „Sicher doch…“ „Bin ich wirklich nicht!“, wiederholte Orga stur. „Ich will nur-“ Das Läuten der Türklingel unterbrach ihn. Mit zwei großen – und überhaupt nicht hastigen – Schritten war er bei der Tür und nahm den Hörer von der Gegensprechanlage auf, um ihn sich ans Ohr zu halten. „Lisley? Ich bin gleich unten!“ Er versuchte, den Umstand, dass seine Hände schwitzig waren, weg zu ignorieren, und drehte sich noch einmal um, um nach seiner Lederjacke zu greifen und sich diese anzuziehen. „Viel Spaß“, murmelte Rogue und blicke wieder von seinen Lernkarten auf. Obwohl er alles andere als enthusiastisch aussah, glaubte Orga ihm, dass er es ehrlich meinte. Beinahe tat es Orga Leid, dass er sich normalerweise an Minervas Sticheleien beteiligte. Er musste sich eingestehen, dass es immer wieder aufs Neue verlockend war, Rogue aufzuziehen. Vielleicht sollte er dieses Hobby noch mal überdenken. „Mach’ uns keine Schande“, fügte Minerva hinzu und gab Frosch die Rassel, als das Baby es endlich geschafft hatte, sie zu erreichen. „Behalt’ im Kino deine Hände bei dir.“ Zur Antwort zog Orga nur eine Grimasse, ehe er in den Raum winkte. „Passt schön auf meine Lieblingspatentochter auf, während ich nicht da bin!“ Er nahm sich keine Zeit, um Minervas Augenrollen zu würdigen, sondern verließ die Wohnung. Auf dem Weg die drei Etagen hinunter klopfte er seine Taschen ab, um sich zu vergewissern, dass er sowohl sein Handy als auch seine Geldbörse eingesteckt hatte. An der Tür des Wohnblocks wurde er von Lisley erwartet. Die Studentin für Fiore und Sonderpädagogik trug ihre langen, krausen Haare wie immer offen, zurückgehalten nur von einem weißen Band, das einen schönen Kontrast zu ihrer sonnengebräunten Haut und den schwarzen Haaren bildete. Sie trug dunkle Dreiviertelhosen, ein weißes Girlyshirt mit dem Emblem einer Indie Folk Band und ihre Bomberjacke mit zahlreichen Aufnähern weiterer Bands und Clubs, dazu Latschen aus geflochtenen Bastbändern und ihr Lederhalsband mit den zu Reißzahnimitaten geschliffenen Steinen. Insgesamt sah sie nicht anders aus als sonst auch – eben lässig und zu hundert Prozent authentisch –, aber in Orgas Augen war sie dennoch umwerfend. Seit er vor einer Woche im Studentenkeller auf einer Party mit ihr getanzt und danach ein angeregtes Gespräch geführt hatte, ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf! „Hey, hast du gut hergefunden?“, begrüßte Orga sie und versuchte dabei, nicht zu lange in ihre schokoladenbraunen Augen zu blicken. „Kein Problem. Hübsche Gegend.“ Ja, das war es hier in der Tat. Es war ein bisschen abseits des Stadttrubels und mit vielen kleinen und großen Grünflächen. Dadurch war der Weg zur Uni für Orga, Minerva und Rogue länger, aber dafür war es hier schön ruhig und sauber, nicht so miefig wie im Studentenviertel unweit des Campus. Und für das jüngste Mitglied der WG war das hier auch eine schöne Gegend, um behütet aufzuwachsen. Orga liebte es, mit Frosch im Kinderwagen im nahen Park spazieren zu gehen! Das hieß natürlich auch, dass Lisleys Weg hierher relativ lang gewesen war, aber als Orga ihr von dem alten Kino und dem boscanischen Restaurant hier in der Nähe erzählt hatte, hatte sie bereitwillig zugesagt. Sie war kein Fan der neumodischen Riesenkinos und der effektüberladenen Filme dieser Zeit. Orga war hin und weg gewesen, als er im Gespräch mit Lisley heraus gefunden hatte, dass sie genau wie er auf die alten Filmklassiker stand. Wenn das mal kein Zeichen war! Während sie sich in Bewegung setzten, zog Orga aus seiner Jackentasche einen Flyer des Kinos und reichte ihn Lisley. „Das sind die Filme, die heute gespielt werden.“ Er verkniff es sich, voller Begeisterung auf den alten Godzilla aufmerksam zu machen – einer seiner absoluten Lieblingsfilme. Das Riesenmonster mit den offensichtlichen Schraubengelenken war nicht jedermanns Sache, das hatte Orga gewissermaßen auf die harte Tour gelernt – Minerva hielt mit ihrer Meinung nie hinterm Berg, auch wenn sie nichts unternommen hatte, als Orga der kleinen Frosch ein Godzilla-Plüschtier geschenkt hatte. „Welchen kannst du empfehlen?“, fragte Lisley, nachdem sie den Flyer für ein paar Minuten im Laufen studiert hatte. „Alle.“ Verlegen grinsend rieb Orga sich den Hinterkopf. Als Lisley zur Antwort nur schelmisch grinste, schlug sein Magen gleich mehrere Purzelbäume. „Ich habe fast alle auf der Liste schon mal gesehen und sie sind wirklich gut. Sind halt originale Klassiker, für die man sich auch richtig Zeit genommen hat. Echte Handwerkskunst!“ Lisleys leises Lachen ließ Orgas Herz noch schneller schlagen. „Wir können leider nur einen davon sehen. Du hast garantiert einen Liebling, oder? Also, was willst du sehen?“ Orga glaubte, dahin zu schmelzen. Die Schwarzhaarige war so aufgeschlossen gegenüber seiner Leidenschaft für diese Filme – und auch gegenüber allem anderen, soweit er das in den bisherigen Gesprächen festgestellt hatte. Sie war so unglaublich warmherzig und eine tolle Kameradin und… einfach eine Traumfrau! „Godzilla!“, platzte es aus Orga heraus und nun vollkommen hemmungslos begann er, der jungen Frau von seinem Lieblingsfilm vorzuschwärmen. Er genoss es, dabei im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit zu stehen, und er konnte es kaum erwarten, eines Tages zu erfahren, was Lisleys Lieblingsfilm war, was sie sonst noch so in ihrer Freizeit trieb und dergleichen mehr. Er hatte so ein Gefühl, dass das hier das beste erste Date aller Zeiten werden würde – und er hoffte inständig, dass es nur das erste von sehr, sehr vielen Dates werden würde! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)