Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 55. “I don’t mind.” (MariRandi) ------------------------------- Es überraschte Brandish nicht, das The Spriggan’s Lair zu betreten und von einem widerlichen Alkoholdunst begrüßt zu werden – wenn man das überhaupt eine Begrüßung nennen konnte, denn eigentlich nahm niemand Notiz von Brandishs Ankunft. Die jungen Erwachsenen in der hinteren Ecke der Bar, welche die Öffnungszeit überstrapazierten, waren zu einem Großteil viel zu weggetreten, um Brandish überhaupt zu bemerken. Und natürlich gehörte Dimaria zu ihnen. Sie klammerte sich an eine Bierflasche und lallte Rakheid über den Tisch hinweg an, der mit glasigen Augen auf das Schnapsglas in seiner Hand hinunter starrte. Nicht das erste, das er in dieser Nacht leerte, wie eine beeindruckende Zahl umgedrehter Schnapsgläser bewies, die er in Form einer Raute arrangiert hatte. Was genau Dimaria da von sich gab, war eigentlich gar nicht mehr als Fiorianisch zu erkennen. Zwischendurch waren mal die Worte Mutter, vorbei und vergessen heraus zu hören. Das genügte Brandish, um zu verstehen, was ihre Freundin höchst wahrscheinlich schon den ganzen Abend über von sich gab, seit der Alkohol ihre Zunge gelockert hatte. Dimaria war kein schlechter Mensch, aber sie war absolut taktlos. Rakheid schien das jedoch dankend anzunehmen. Dimarias Taktlosigkeiten, der Alkohol und die dummen Possen von Ajeel, der nun jedoch an der Stirnseite des Tisches saß, den Kopf auf der Platte abgelegt hatte und leise schnarchte, schienen seine Methode zu sein, um seine Gedanken und Gefühle zu betäuben. Das war ihm anscheinend lieber, als auf seine Schwestern zu hören und sich mit seinem Verlust auseinander zu setzen. Vollidiot. Brandish ließ kurz den Blick über die anderen Mitglieder die Runde schweifen, die sie nicht so gut kannte wie ihre alten Schulfreunde. Wahl war ein Kommilitone von Rakheids und wirkte noch erstaunlich nüchtern, während er auf einem Bierdeckel irgendwelche Formeln kritzelte, auch wenn er im Gegensatz zu sonst nicht wirklich etwas von seiner Umgebung mitbekam. Serena, der sich selbst so gerne als God Serena vorstellte und glaubte, alle Frauen einwickeln zu können – wenn sie nicht vorher schon lesbisch gewesen wäre, wäre Serena für Brandish wohl der ausschlaggebende Grunde gewesen – war von der Bank gerutscht und kuschelte mit seinen eigenen Beinen, während er seine höchst wahrscheinlich fiktiven Sexgeschichten deklamierte. Marin wippte auf seinem Stuhl vor und zurück und kicherte albern vor sich hin, während er sich an eine fast leere Wodkaflasche klammerte und von Zeit zu Zeit hinein blies, um einen tiefen Ton zu erzeugen. Wie genau Serena und Marin in den Kreis um Rakheid hinein geraten waren, wusste Brandish nicht, aber sie waren auf alle Fälle einer der Gründe, warum sie sich nie an den Orgien beteiligte, die neuerdings viel zu regelmäßig stattfanden. So nervig und eklig und gruselig diese neuen Gesellen in Rakheids Ich-habe-keine-Lust-mich-mit-meinen-Problemen-auseinander-zu-setzen-und-saufe-mir-lieber-das-Hirn-weg-Gruppe auch waren, der schlimmste von allen war der junge Mann mit den violetten Haaren und schwarzen Augen, der an der anderen Stirnseite saß und an seinem Wein nippte, während er das Geschehen beobachtete. Man sollte nicht meinen, dass er in seinem so gesammelten Zustand wirklich schon seit Beginn der Orgie dabei war, aber Brandish wusste es schon längst besser. Immerhin beklagte Dimaria sich im Nachhinein jedes einzelne Mal bei ihr über den BWL-Studenten mit der eleganten Attitüde und dem schmierigen Lächeln. Auch jetzt lächelte er überheblich und hob sein Weinglas, um Brandish zu begrüßen, die er natürlich als erster bemerkt hatte. Wie auch bei all den vorherigen Orgien behielt Brandish ihre Abneigung und ihr Misstrauen für sich und ignorierte den Gleichaltrigen einfach, um stattdessen neben Dimaria zu treten und dieser auf die Schulter zu klopfen. „Mari, wir gehen“, erklärte sie ruhig. „Randi!“, hickste Dimaria und ließ von ihrer Kuschelrunde mit der Bierflasche auf, um zu ihr aufzublicken. Ihre Augen waren blutunterlaufen und ihre Wangen gerötet. Ihre Alkoholfahne war geradezu übelkeiterregend. „Bussibussi!“ „Nein!“, schnappte Brandish schroff und ignorierte Serenas jaulendes Lachen und Marins hysterisches Kichern. Wahrscheinlich hatten die Beigen nicht einmal wirklich gehört, was Dimaria gesagt hatte. Und selbst wenn doch, würden sie sich morgen früh – oder wann auch immer sie wieder halbwegs ansprechbar sein würden – nicht daran erinnern. „Du hattest heute genug, Mari.“ „Mennooooo.“ Noch während sie versuchte, sich in die Höhe zu stemmen, zog Dimaria das O weiter lang. Sie brach im Grunde erst ab, als sie mit ihrer Hand neben die Tischkante griff und nach links weg kippte. Wahrscheinlich wäre sie zu Boden gestürzt, wenn Brandish sie nicht aufgefangen hätte. Seufzend legte Brandish sich Dimarias linken Arm um die Schultern und hielt ihn mit der linken Hand dort fest, während sie den rechten Arm um die Taille der Anderen schlang. So gestützt, torkelte Dimaria neben ihr her in Richtung des Ausgangs. Brandish hielt sich nicht daran auf, Rakheid auszurichten, dass seine Schwestern sich um ihn sorgten, oder die Zeche ihrer Freundin zu bezahlen. Wenn Rakheid schon auf diesem dämlichen Trip war und seine Freunde da mit hinein zog, konnte er auch dafür blechen. Als sie endlich an der frischen Luft waren, atmete Brandish erleichtert aus. Sie wusste, dass es eigentlich nicht fair war, Rakheid zu verurteilen, immerhin hatte sie vor einigen Jahren genau dasselbe wie er durchgemacht, aber weil sie mit seiner jüngeren Schwester befreundet war und sah, wie sehr diese unter seinem Verhalten litt, und weil er Dimaria korrumpierte, nahm sie es ihm doch übel. Sie war nicht mehr bereit, ihm zu helfen, solange er so drauf war. Sollte er sich den Ärger, der irgendwann auf all das hier folgen würde, selbst vom Hals halten. Insbesondere Dimarias wegen war Brandish wütend. Ihre Freundin war in der Hinsicht leider schon immer leicht zu beeinflussen gewesen, hatte sich andauernd auf Partys schleppen lassen, machte bei allen möglichen Ärger mit, brachte sich immer wieder in Schwierigkeiten. Dimaria fehlte dafür irgendwie ein Filter im Kopf oder so, der sie von Blödsinn abhielt. Deshalb musste man auf sie aufpassen. „Randiiiiii…“ Die Grünhaarige unterdrückte ein Seufzen und wartete darauf, bis es ihrer Freundin zu langweilig wurde, das I lang zu ziehen, während sie sie durch die verwaisten Straßen bugsierte. Schließlich schnappte Dimaria nach Luft und schielte ihre Freundin unsicher an. „Bissuböse?“, nuschelte sie. Das war eine gute Frage. War sie böse? Solange sie denken konnte, musste sie sich schon um Dimaria kümmern, hatte unzählige Male für sie gelogen und sie sogar zweimal vor der Polizei gedeckt. Wenn ihr Großvater davon wüsste – immerhin einer der angesehensten Juraprofessoren des Landes –, würde sie wohl ihres Lebens nicht mehr froh werden. Es machte vieles für Brandish schwierig, mitunter sogar richtig lästig. Andauernd hierher zu kommen und Dimaria einzusammeln, ihre Kotze weg zu wischen, ihre Launen am Morgen danach zu ertragen… Ohne Dimaria wäre Brandishs Leben wesentlich einfacher und angenehmer. Sie hätte wieder einen normalen Schlafrhythmus, könnte in Ruhe studieren, müsste sich nicht mit unangenehmen Leuten auseinander setzen. Diesen Gedanken hatte sie schon oft genug gehegt. Auch heute Abend hatte sie wieder darüber nachgedacht, als sie beobachtet hatte, wie Dimaria mit den Anderen aufgebrochen war. Und dennoch hatte sie sich einen Handywecker gestellt, um Dimaria spätestens um Ein Uhr morgens abzuholen. Egal wie oft sie von Dimaria genervt war, letztendlich half sie ihr doch jedes Mal ganz automatisch. Sie konnte einfach nicht anders. „Nein“, antwortete sie leise und zog ein wenig kräftiger an Dimarias linken Arm, um dann mit der rechten Hand nachgreifen zu können, damit ihre Freundin ihr nicht entglitt. „Es macht mir nichts aus.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)