Borschtsch von oben von _Delacroix_ ================================================================================ Borschtsch von oben ------------------- Die Sonne war schon vor einer Weile untergegangen, doch die Straße war hell erleuchtet und alles andere als leer. Gut gekleidete Herren liefen den Fußweg hinunter, nicht die betrunkenen Nachtschwärmer, die ihm in seinem Viertel immer entgegenzukommen pflegten. Abernathy richtete sich die Krawatte und lief weiter. Vorbei an der Nummer 9, einem großen, alten Stadthaus, mit schweren Eisengittern und hohen Fenstern. Wenn im Sommer die Schlafzimmer gelüftet wurden, konnte man dort oben sicher die Bäume des nahen Central Parks riechen. Er würde sie auch gerne riechen können, doch sein kleines Dachstübchen roch höchstens nach den Broten des Bäckers von gegenüber. Als er damals beim MACUSA angefangen hatte, hatte er noch geglaubt, es würde nur vorübergehend sein. Doch wie lange wohnte er jetzt schon in dem dunklen Zimmer unter dem Giebel? Er vertrieb den Gedanken, während er mit den Augen nach der nächsten Hausnummer suchte. Die Nummer 10 sollte es eigentlich sein. „Fröhliche Weihnachten“, rief ein alter Mann auf der anderen Seite der Straße und für einen Augenblick glaubte Abernathy, der freundlich Gruß gelte ihm. Doch dann sah er den glänzenden Ford T und ihm wurde klar – Natürlich hatte er seine Familie gemeint. Stumm schüttelte er den Kopf. Vielleicht würde er im nächsten Jahr das Geld zusammenbekommen, um über die Feiertage zu seinen Eltern aufs Land zu portschlüsseln. Er würde ihnen Geschenke mitbringen und seine Eltern würden strahlen und denken, er habe in der großen Stadt den richtigen Weg gefunden.   Abernathy wagte ein Lächeln. Die Vorstellung gefiel ihm. Doch bevor er mit der Planung des nächsten Weihnachtsfestes beginnen konnte, musste er erst einmal seinen Auftrag zu Ende bringen. Er war nicht sonderlich wichtig, immerhin hatte man nur ihn damit betraut, aber es war die Ministerin persönlich gewesen, die ihn darum gebeten hatte, und so schaffte er es doch, dem dummen Kurierauftrag etwas abzugewinnen.   Vielleicht würde sie sich an ihn erinnern und dann würde es ihm wie Tina gehen, er würde wegbefördert werden, aus einem Büro, in dem Queenie Goldstein der einzige Lichtblick war. Noch immer lächelnd öffnete er das eiserne Tor mit der Nummer 10. Schutzzauber fegten über ihn hinweg wie ein kalter Windhauch und das Haus vor ihm schien prompt noch dunkler und unheimlicher zu werden.   Er holte tief Luft, dann wagte er sich in den Vorgarten hinein. Ein paar leere Töpfe standen rechts und links am Wegesrand. Vielleicht waren sie im Sommer mit Blumen bepflanzt gewesen. Abernathy ignorierte sie und steuerte auf die Treppe zu. Er hatte kaum die erste Stufe genommen, da schlug die Eingangstüre donnernd auf. Eine Frau in Dienstmädchenkleidung stolperte hinaus. Sie war kalkweiß und schaffte es nur mit Mühe die Stufen hinunter ohne zu fallen. „Und nimm deinen verdammten Borschtsch mit!“, schallte es aus dem Haus. Eine Schale flog. Das Mädchen kreischte, dann explodierte seine Welt und wurde plötzlich pechschwarz.   🍲🍲🍲   Wärme war das Erste, was er wahrnahm. Schmerz folgte auf dem Fuße. Sein ganzer Körper fühlte sich leblos und leer. Nur das dumpfe Pochen hinter seiner Stirn erfüllte ihn. Er stöhnte, halb versucht, sich noch einmal umzudrehen. Vielleicht würde der schreckliche Kopfschmerz weggehen, wenn er einfach weiterschlief. Wenn er nicht zur Arbeit – Seine Arbeit! Abernathy schreckte hoch und bereute es noch im gleichen Augenblick. Der ganze Raum um ihn herum schwankte.   „Nicht so schnell.“ Eine warme Hand legte sich auf seine Schulter und drückte ihn zurück in die Kissen. Er stöhnte heiser. Heiße Haut berührte kalten Stoff, dann spürte er, wie der Raum langsam zum Stillstand kam. Vorsichtig blinzelte er. Die Wanduhr, die sich am anderen Ende des Zimmers befand, hatte er noch nie gesehen. Auch die Zierborte an der Decke, die Tapete... Das alles sagte ihm nichts. Behutsam hob er die Hand, um seinen schmerzenden Kopf zu betasten. Sein Arm war nackt. Hatte er sich irgendwann entkleidet?   „Die Zauber werden gleich anschlagen“, informierte man ihn und beinahe sofort senkte sich eine angenehme Kühle über seinen Kopf. Der Schmerz verebbte. „W-Was ist passiert?“, wollte er wissen, während eine Hand prüfend durch sein Haar fuhr. Er erinnerte sich nur noch, dass Madame Picquery ihm einen Umschlag gegeben hatte und dann war er losgegangen um ihn abzugeben.   „Der Umschlag!“   Erneut richtete er sich auf und erneut drückte ihn eine Hand zurück in die Kissen. „Sie müssen liegen bleiben“, wurde er dieses Mal schärfer ermahnt. Die Hand verweilte einen Augenblick länger auf seiner Schulter, bevor sie erneut den Weg in seine Haare fand. Fingerspitzen strichen sanft über seine Kopfhaut hinweg und hinterließen ein ungewohnt warmes Prickeln, das sich verblüffend schnell in ihm ausbreitete. Er mochte dieses Prickeln. Wenn es nach ihm ginge, konnte Mr. Graves das öfter -   „Mr Graves!“   Er schreckte ein weiteres Mal auf, doch dieses Mal war er schneller als der Mann hinter ihm. Seine Füße berührten den Boden, Gewicht wurde verlagert, dann war er auf den Beinen und die Welt fing an sich erneut zu drehen.   „Ich hätte sie am Sofa festhexen sollen“, knurrte sein Vorgesetzter und streckte die Hand nach ihm aus. „Kommen Sie wieder her, ich bin noch nicht fertig mit Ihnen.“ Abernathy starrte ihn an. „Noch nicht fertig“, dröhnte es durch seinen Kopf und für einen Moment war er versucht, sich wirklich einfach wieder zurückzulegen. Was konnte es schon schaden? Energisch schüttelte er den Gedanken ab. Alles! Es konnte alles schaden! Dieser Mann konnte ihn entlassen! Er würde ihn entlassen! Immerhin hatte er ihm Umstände bereitet und jetzt – Eine weitere Erkenntnis durchfuhr ihn wie ein Schlag. Er trug nur seine Unterhose!   Einen endlosen Augenblick lang war er wie erstarrt, dann griff er nach der Sofadecke. Es war ein schweres, rotes Stück Stoff, mit dem er am allerliebsten sofort verschmolzen wäre. Ihm gegenüber schüttelte Mr. Graves den Kopf. „Ihnen ist aber schon klar, dass ich das alles schon gesehen habe?“, fragte er spitz. Röte kroch ihm ins Gesicht, während er sich fester in die Decke wickelte. Sein Vorgesetzter hatte recht, aber alleine der Gedanke, sie einfach loszulassen, bereitete ihm Magenschmerzen. Mr. Graves hatte ihn nackt gesehen. Schlimmer noch, er hatte ihn ausgezogen, weil- Ja, warum eigentlich? Während er noch nach einer Antwort suchte, kam Mr. Graves näher. Eine Hand legte sich auf seinen Oberarm. „Erinnern Sie sich, was geschehen ist?“, fragte er, doch Abernathy konnte nur den Kopf schütteln. Immer, wenn er darüber nachzudenken versuchte, war da nur die Erinnerung an den Schmerz.   Dunkle Augen musterten ihn prüfend. „Verstehe“, murmelte Mr. Graves, die Hand nach wie vor glühend heiß auf seinem Arm. Abernathy schluckte. Er hatte Mr. Graves schon oft im Ministerium gesehen. Er hatte dort sogar schon neben ihm gestanden, doch so wie er ihn gerade ansah, wie er ihn berührte – Er konnte spüren, wie ihm wärmer wurde. Mehr noch als neulich, als Queenie Goldstein ihm mit flinken Fingern die Krawatte gerichtet hatte. Er versuchte an ihre blonden Locken zu denken, die eleganten Bewegungen, doch jedes Mal, wenn er sie vor Augen zu haben glaubte, löste sie sich vor ihm auf und zurück blieb ein besorgt aussehender Mr. Graves. „Sie haben eine Schüssel an den Kopf bekommen“, erklärte er ihm, der Druck auf seinen Arm jetzt eine Nuance stärker. „Ich muss nach weiteren Splittern suchen. Haben Sie noch Schmerzen?“   Schmerzen? Hatte er Schmerzen?   Er brauchte viel zu lange um darüber nachzudenken. Vielleicht eine Nebenwirkung der Heilzauber. Als er es endlich schaffte, den Kopf zu schütteln, atmete sein Gegenüber hörbar auf. „Das ist gut“, kommentierte er und dann war sie zurück. Die Hand, die durch seine Haare strich. Auf der Suche nach Splittern, wie er jetzt wusste. Er mochte die Suche nach Splittern. Die Finger fühlten sich gut an, entspannend und sie verführten ihn zunehmend dazu, die Augen zu schließen. Nur für einen Moment. Nur bis die Welt aufhörte, sich um ihn zu drehen. … …   🍲🍲🍲   [LEFT]Irgendwo spielte ein Weihnachtslied. „Jingle Bells“, wie er nach der zweiten Strophe merkte. Alles war warm und weich um ihn herum. Außerdem roch es nach Kaffee. Nicht nach dem billigen, den er Zuhause in einem kleinen Topf erhitzte, sondern nach dem Guten, den es für teures Geld in den Hotelbars zu kaufen gab.[/LEFT] [LEFT]Er hatte auf einen Besuch gespart, doch als er im Oktober endlich genug Geld zusammen gehabt hatte, war ihm klar geworden, dass er niemanden hatte, der mit ihm hätte gehen wollen.[/LEFT] [LEFT]Ob Mr. Graves wohl in Hotelbars ging?[/LEFT] [LEFT]Er versuchte ihn sich vorzustellen. Kühles Schwarz zwischen Glaskristall und goldfarbenem Kitsch, die langen Finger lässig um ein Glas geschlungen, in den dunklen Augen eine tiefe Sorge.[/LEFT] [LEFT]Federleicht berührte etwas seine Wange.[/LEFT] [LEFT]Abernathy blinzelte, doch Graves Gesicht wollte einfach nicht weichen.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]„Fühlen Sie sich besser?“, fragte er und ihm wurde klar, dass er nicht nur ein Abbild seiner Phantasie war. Sein Herz machte einen merkwürdigen Sprung. Das er tatsächlich immer noch da war und sich sorgte – Das war schön.[/LEFT] [LEFT]„J-Ja, Sir“, murmelte er und übertönte damit die ersten Töne von „Silent Night“, die von irgendwo zu ihm herüberschallten.[/LEFT] [LEFT]Die Miene seines Gegenübers hellte sich kaum merklich auf. „Ich denke, ich schulde Ihnen eine Entschuldigung.“[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Abernathy verschwand weiter unter seiner Decke. Es war die Gleiche, in die er sich schon vorhin gehüllt hatte. Warm, weich und eine gute Möglichkeit die Röte zu verstecken, die ihm schon wieder in die Wangen schoss.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]„Ich hätte die Schüssel nicht nach dem Hausmädchen werfen dürfen“, eröffnete sein Gegenüber und Abernathy stimmte ihm im Stillen zu.[/LEFT] [LEFT]„Ich bin einfach noch nicht wieder ich selbst. Und dieser Borschtsch ... Ich hasse Borschtsch. Ich fürchte, er hat Ihren Anzug ruiniert. Ich dachte“, setzte er fort, „ein guter Säuberungszauber könnte vielleicht etwas retten, aber ich habe sie alle durchprobiert, sogar die für Blut, und ich kriege die rote Beete nicht raus. Ich werde Ihnen den Anzug natürlich ersetzen.“[/LEFT] [LEFT]Abernathy wollte widersprechen, wollte ihm sagen, dass das nicht nötig war, doch wenn er ehrlich war, konnte er das nicht. Er brauchte einen Anzug, schon für die Arbeit und mit roten Flecken konnte er seinen nicht mehr tragen. Die Auroren würden ihn sonst mit ihrer letzten Leiche verwechseln, irgendeinem blutleeren Schwein, das sie erstochen aus der Gosse gezogen hatten. Nein, die Scherze würde er nicht ertragen, aber einen neuen Anzug kaufen, konnte er sich auch nicht ohne weiteres. Anzüge, selbst die billigen von der Stange, waren viel zu teuer um sie ohne vorheriges Sparen anzuschaffen.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]„Keine Widerrede“, befahl Mr. Graves, fast als hätte er seine Bedenken gespürt, „Ich habe ihn ruiniert, ich kaufe Ihnen einen neuen.“ Dann wurde sein Blick überraschend sanfter. „Auch wenn ich zugeben muss, dass Ihnen ein gewisser Rotton steht.“[/LEFT] [LEFT]Etwas Weiches wurde ihm in den Arm gedrückt. „Ziehen Sie erst mal das hier an.“[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Abernathy gaffte.[/LEFT] [LEFT]Irgendwo in seinem Kopf murmelte eine kleine Stimme, dass der letzte Kommentar sehr seltsam geklungen hatte, aber das Bedürfnis, sich in mehr als nur eine Decke zu hüllen, war stärker als die Neugier.[/LEFT] [LEFT]Eilig schlüpfte er in den Morgenmantel, ein schweres, dickes Exemplar mit goldenen Quasten am Gürtel, die sowohl: „Ich bin unpraktisch“ als auch „Ich bin teuer“ schrien.[/LEFT] [LEFT]Auf der Brust prangte eine goldene Katze, verziert mit den Buchstaben P und G. Abernathy musterte sie skeptisch. Er hatte noch nie ein Kleidungsstück mit Monogramm getragen. Und ein Monogramm war es sicher. G für Graves und P für – Er überlegte, doch ihm fiel keine Antwort darauf ein.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]„Er war ein Geschenk.“[/LEFT] [LEFT]Neugierig blickte er von der Stickerei auf, nur um zu sehen, wie Mr. Graves sich eilig abwandte. „Ein furchtbares Teil. Ich habe es zu meinem Abschluss bekommen.“[/LEFT] Abernathy strich über einen der weiten Ärmel. Er fand den Morgenmantel nicht furchtbar, er konnte ihn sich nur nicht an Mr. Graves vorstellen. Dieses Rot und dann die Wampuskatze auf der Brust, das war er nicht. Das war … „Sie waren in Wampus, Sir?“ [LEFT]Sein Gegenüber nickte ohne ihn dabei anzusehen. „Familientradition. Und Sie? Pukwudgie?“[/LEFT] „Horned Serpent.“ Langsam wandte Mr. Graves sich wieder zu ihm um. „Tatsächlich?“, fragte er, offensichtlich überrascht. Dunkle Augen glitten über ihn hinweg, verweilten eine Sekunde länger als nötig auf dem Knoten, der den Mantel zusammenhielt, dann wanderten sie wieder nach oben, zu seinem Gesicht. „Ich habe Kaffee und ich habe Gans. Ich hoffe Sie können damit etwas anfangen.“   🍲🍲🍲   [LEFT]Die Gans bestand ganz und gar aus hellem, zartem Fleisch. Die Füllung konnte er nicht identifizieren, aber eigentlich wollte er das auch nicht. Der Vogel war einfach nur perfekt. Kein Vergleich zu der Ente, die seine Mutter an Weihnachten zu machen pflegte und von der er immer nur ein ganz kleines Stück bekam, weil acht Menschen irgendwie von ihr satt zu werden hofften. Und von seinem Festtagsschmaus musste er noch nicht einmal anfangen. Der steckte vermutlich immer noch in einer kleinen, grauen Konservendose und würde dort im Zweifel auch bis nächstes Jahr auf ihn warten.[/LEFT] [LEFT]Mr. Graves dagegen hatte solche Probleme offensichtlich nicht. Von seiner Gans und den Beilagen hätte er problemlos eine ganze Familie ernähren können.[/LEFT] [LEFT]Nur das es dazu scheinbar keine Veranlassung gab.[/LEFT] [LEFT]Am Anfang, gleich nachdem er sich schüchtern an den großen Tisch gesetzt hatte, hatte er noch geglaubt, dass gleich die Tür aufgehen und Verwandte und Bekannte eintreten würden, doch sie war geschlossen geblieben und da Mr. Graves keine Anstalten gemacht hatte, mit dem Essen zu warten, hatte er irgendwann eingesehen, dass sie wohl zu zweit bleiben würden.[/LEFT] [LEFT]Er und sein Gastgeber, der ihm, kaum das er drei Happen gegessen hatte, etwas Neues auf den Teller legte, während er selbst kaum einen Bissen nahm.[/LEFT] [LEFT]Weihnachtsmusik erfüllte den Raum und Abernathy ertappte sich dabei, wie er darüber nachdachte, wie der Abend wohl ohne seine Störung verlaufen wäre. Hätte Mr. Graves alleine an diesem Tisch gesessen, Musik gehört und eine Gans gegessen, die er unmöglich schaffen konnte?[/LEFT] [LEFT]Er wusste es nicht, aber er traute sich auch nicht danach zu fragen.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Stumm spießte er ein weiteres Stück Apfel auf seine Gabel. In seinem Kopf rotierten Worte. Er wusste nicht ganz, wie er es formulieren sollte, aber er wusste, er musste Mr. Graves für das gute Essen danken. Das gehörte sich so.[/LEFT] [LEFT]Nur als er den Bissen endlich heruntergeschluckt hatte und aussprechen wollte, was ihm auf dem Herzen lag, war alles wie weggeblasen. Sein Kopf war leer, sein Mund offen und Mr. Graves sah ihn mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen an, weil einfach nichts aus ihm heraus kam, obwohl er gerade noch den Anschein gemacht hatte, wirklich etwas sagen zu wollen.[/LEFT] [LEFT]Kein Wunder, dass er ihn für einen Pukwudgie hielt. Er musste denken, er dächte nicht nach. Dabei tat er es. Er dachte viel. Vielleicht sogar zu viel. Er schaffte es nur nicht all die vielen Gedanken in brauchbare Worte zu fassen.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]„W-Wofür steht das P?“[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Er stockte. Was hatte er da gefragt? Das P? Das hatte er doch eigentlich gar nicht erwähnen wollen. Mr. Graves sollte nicht wissen, dass ihn das beschäftigte. Das er ihn beschäftigte.[/LEFT] [LEFT]Mit großen Augen sah er, wie sein Gastgeber die Stirn runzelte und dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, mit dem Blick an der Brust seines Morgenmantels hängen blieb.[/LEFT] [LEFT]„Dieses P?“, wollte er wissen.[/LEFT] [LEFT]Abernathy nickte stumm. Er fühlte sich schrecklich verloren und dumm. Er hatte „Danke“ sagen wollen. Ein verdammtes, kleines „Danke“ und stattdessen fragte er solche Sachen. Sachen die ihn nichts angingen, die ihm solche Blicke einbrachten und die Mr. Graves sicher nicht beantworten wollte.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]„Percival.“[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Abernathy blinzelte. „Bitte was?“[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]„Das P, es steht für Percival.“[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Percival also.[/LEFT] [LEFT]Das klang schön.[/LEFT] [LEFT]Percival.[/LEFT] [LEFT]Irgendwie angenehm.[/LEFT] [LEFT]Percival.[/LEFT] [LEFT]Daran konnte er sich gewöhnen.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]„Percy.“[/LEFT] [LEFT]Sein Gegenüber verzog das Gesicht. „Wenn es sein muss, sagen Sie Percival“, verbesserte er ihn und erst jetzt wurde Abernathy klar, dass er den Kosenamen laut ausgesprochen haben musste.[/LEFT] [LEFT]Percy.[/LEFT] [LEFT]Er mochte den Klang dieses Namens und er mochte den Ausdruck im Gesicht des Anderen, wenn er ihn so nannte. „Percy“, hauchte er in seiner Begeisterung noch einmal und beobachte fasziniert, wie sein Gegenüber sich daraufhin zu ihm über den Tisch lehnte. „Percival“, wiederholte er, dieses Mal mit mehr Nachdruck in der Stimme.[/LEFT] [LEFT]Er war ihm nah. So nah, dass Abernathy nur die Hand heben musste, wenn er ihn berühren wollte. Er konnte sogar sein Eau de Cologne riechen.[/LEFT] [LEFT]„Percy“, flüsterte er noch einmal, selbst geschockt von seinem eigenen Mut. In seinem Bauch kribbelte es stärker denn je.[/LEFT] [LEFT]Es knurrte, eine Hand griff nach dem Aufschlag seines Morgenmantels, zog daran und dann war „Percy“ ihm plötzlich noch näher. Er öffnete den Mund, wollte ihn ein weiteres mal korrigieren, aber Abernathy ließ das nicht zu. Noch bevor das P gänzlich von seiner Zunge gerollt war, schloss er endgültig den Abstand zwischen ihnen.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Es war kein langer Kuss, nicht einmal ein sonderlich guter, aber als er sich von ihm lösen wollte, wurde er je am Kragen zurückgehalten. Dunkle Augen funkelten ihn abenteuerlustig an. [/LEFT] [LEFT]„Ich denke, das müssen wir jetzt ausdiskutieren.“[/LEFT]   🍲🍲🍲   [LEFT]Als er aufwachte, fühlte er sich ungewohnt matt und zerschlagen. Er hatte aber auch einen Unsinn geträumt: Von einer Schüssel, die er gegen den Kopf bekommen hatte, von seinem Chef, Mr. Graves, und Dingen, die ihm im wachen Zustand sicher nie in den Sinn gekommen wären.[/LEFT] [LEFT]Vorsichtig strich er sich durch das wirre Haar.[/LEFT] [LEFT]Feuchte Träume hatte er schon früher ab und an gehabt, aber die letzte Nacht war heftig gewesen. Und dann ausgerechnet mit Mr. Graves.[/LEFT] [LEFT]Wie sollte er ihm je wieder unter die Augen treten können?[/LEFT] [LEFT]Er spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Es würde so verdammt peinlich werden.[/LEFT] [LEFT]Abernathy erlaubte sich ein Stöhnen. Wenn seine Karriere nicht eh schon am Ende gewesen wäre, er hätte sie spätestens jetzt abgeschrieben.[/LEFT] [LEFT]Unglücklich rollte er sich herum.[/LEFT] [LEFT]Er konnte seinen Traum sogar noch riechen. Bestimmt hatte ein fahrender Verkäufer seine Duftwässerchen direkt unter seinem Fenster aufgebaut und das hatte dafür gesorgt, dass seine Phantasie dermaßen durchgedreht war. Er stöhnte noch einmal.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]„Bist du jetzt fertig?“[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Abernathy schreckte hoch, die Finger fest in die weiche Bettdecke gekrallt.[/LEFT] [LEFT]„Was zum -“[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Neben ihm knurrte es unzufrieden. „Gib mir meine Decke wieder.“[/LEFT] [LEFT]Ein Ruck ging durch den Stoff, als er ihm ganz unzeremoniell aus den Händen gerissen wurde.[/LEFT] [LEFT]„Besser“, murrte es zu seiner Rechten und irgendwie hatte er das Gefühl, dass damit nur zum Teil die Decke gemeint war. Die kühle Luft auf seiner nackten Haut ließ ihn automatisch frösteln.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]„Mr. Graves, Sir?“[/LEFT] [LEFT]Es schnaubte. „Gestern hast du dich noch tapfer geweigert, mich „Sir“ zu nennen.“[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Eine Erinnerung flackerte vor seinem inneren Auge auf. Er hatte recht. Egal was sie getan hatten, er war letzte Nacht stur bei „Percy“ geblieben.[/LEFT] [LEFT]Percy...[/LEFT] [LEFT]Neben ihm raschelte die Decke. „Kommst du wieder her?“[/LEFT] [LEFT]Er überlegte. Es war der erste Weihnachtstag und eigentlich hatte er Zuhause an ein paar Berichten arbeiten wollen. Eigentlich, denn uneigentlich hatte er nichts anzuziehen, er wusste nicht einmal wo der Morgenmantel abgeblieben war, sein Zauberstab war auch weg und sein Herz schlug ihm schon wieder bis zum Hals.[/LEFT] [LEFT]„Willst du testen, ob ich heute „Sir“ zu dir sage?“, fragte er, während er sich geschlagen in die Laken sinken ließ.[/LEFT] [LEFT]Sein Gegenüber schenkte ihm ein dünnes Lächeln. „Vielleicht Abi, vielleicht.“[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)