Eisbären und Kakao von Alaiya (Polar Bear Plunge) ================================================================================ Polar Bear Plunge ----------------- „Fuck!“, bibberte Rachel und schlang die Arme um ihren Körper. „Fuck! Fuck! Fuck!“ Jonathan lachte. „Jetzt hab dich nicht so. So kalt ist es nun auch wieder nicht!“ „Lass uns wieder raus“, quietschte Ann. Sie stand auf den Zehenspitzen und watete schon zu der Leiter, die am Rand des Eislochs festgemacht war. „Gute Idee“, japste Rachel und folgte ihr, während Jonathan noch immer lachte. Ann wartete, um ihr den Vorschritt zu lassen. Da sie in der Kälte nicht darüber diskutieren wollte, nahm Rachel es hin und setzte einen Fuß auf die Leiter. Einer der Helfer hielt ihr die Hand entgegen, für den Fall, dass sie auf der Leiter ausrutschte, als sie recht steif aus dem hüfthohen Wasserloch kletterte. Auf der Eisdecke stehend, schlang auch sie die Arme um den Körper. Dies half jedoch nur wenig gegen die Kälte, da sich das Wasser in ihr Shirt gezogen hatte. Es war eine dumme Idee gewesen, sich das Shirt überzuziehen. Geholfen gegen die das Eiswasser hatte es kein bisschen. Sie drehte sich um und streckte Ann die Hand entgegen, um ihr ebenfalls aus dem kleinen ins Eis geschnittene Becken zu helfen. Einige Zuschauer johlten und klatschten, während Jonathan sich noch einmal ins Wasser fallen ließ und untertauchte. „Du bist doch verrückt“, rief Ann lachend, als er wieder auftauchte. „Ach, du übertreibst“, meinte er. Auch er lachte, watete dann aber zu der Leiter hinüber und kletterte hinaus, während die nächsten Teilnehmer ins Wasser liefen – ebenso fluchend und kreischend, wie Ann und Rachel zuvor. „Jetzt kommt schon“, meinte Jonathan und legte die Arme um die beiden, während sie mit mehr oder weniger schnellem Schritt zu dem Tisch, auf dem die Handtücher lagen, hinüberliefen. „Das Wasser hat doch noch immer drei Grad.“ Noch immer lachte er nahm sich aber doch recht hastig eins der Handtücher. „Ja, so warm!“, meinte Rachel zynisch, während sie sich in ihr Handtuch einwickelte und sich abrieb. Noch immer johlte, lachte und klatschte die Menge, während die nächsten Teilnehmer ins kalte Wasser sprangen. Komische lokale Neujahrstraditionen! „Ich will ein trockenes Shirt!“ Damit schlug Ann das Handtuch noch enger um sich. „Komm.“ Rachel nahm ihre Hand. „Lass uns was Warmes anziehen. Jonathan kann ja weiter frieren.“ Sie streckte ihm die Zunge raus. Keine zehn Minuten später hatten sie alle drei wieder Kleidung an, die den Temperaturen entsprechend war. In ihrem weißen Wintermantel fühlte sich Rachel zumindest etwas besser, selbst wenn es wahrscheinlich ein heißes Bad brauchen würde, die Kälte gänzlich aus ihrem Körper zu vertreiben. Aber zugegebener Maßen tat auch die heiße Schokolade, die nun in dem Plastikbecher in ihren Händen dampfte, gut. Ann hatte sich an sie angelehnt, selbst wenn es dank der dicken Kleidung wenig Wärme zu holen gab. Zumindest hatte sie Glück, das ihr blondes Haar so kurz war. Selbst bei der Kälte ließ es sich trocken rubbeln – anders als Rachels lange, rote Locken. „Ich fühle mich ausgeschlossen“, meinte Jonathan und warf ihnen einen Seitenblick zu. Trotz aller großen Worte hatte auch er wieder eine dicke Winterjacke angezogen und sich einen Schal um den Hals geschlungen. Jetzt machte er sich gierig über eine Portion Pommes her, die er zuvor von einer Imbissbude ergattert hatte. „Wir frieren nur wegen dir“, erwiderte Ann und zog einen Schmollmund. Auch sie trank einen heißen Kakao. Ein lautes Platschen, Kreischen und Johlen erzählte von den nächsten Freiwilligen, die sich der Herausforderung des Eiswassers stellten, um das neue Jahr zu begrüßen. „Ach, habt euch nicht so“, erwiderte Jonathan und wuschelte ihr mit einer Hand über die weiße Mütze, bis diese ihr ins Gesicht rutschte. „Hey!“ Rachel musste ihren Kakao hochhalten, damit er nicht überschwappte. Da sie die Arme noch immer auf Anns Schultern liegen hatte, war dies alles andere als einfach. Jonathan warf ihr nur einen frechen Blick zu. „Sei besser vorsichtig“, grummelte sie und leerte den Kakao, bevor noch ein Unglück passierte. „Genau, Jonny“, stimmte Ann zu und zog einen Schmollmund. „Ist ja schon gut.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ihr seid heute so empfindlich …“ Rachel seufzte. „Ich wäre dafür langsam nach Hause zu gehen.“ „Jetzt schon?“, fragte er. „Soweit ich mich erinnere, hattest du uns versprochen zu kochen“, meinte sie. Er zog eine Augenbraue hoch und musterte die beiden. „Ich frage mich, um ihr das mit den fünf Sekunden wirklich verdient habt.“ „Es war mindestens eine Minute“, murmelte Ann. Wieder lachte er. „Na gut …“ Er wandte sich um, während Ann sich wieder gegen Rachel lehnte, während diese ihre Arme nun ganz um sie legte. Vielleicht tat es nicht viel um sie zu wärmen, aber sie es fühlte sich dennoch gut an. Es war gerade, als sie sich selbst nach einem Mülleimer umsah, in den sie die beiden Plastikbecher schmeißen konnte, dass sie eine Stimme hörte. „Hey, Jonathan!“ Ganz automatisch sah sie sich um und erkannte Eric und Steve, die gerade von der Zuschauerschar am Strand zu ihnen kamen. Beide waren – so viel wusste Rachel – wie Jonathan Physikstudenten an der örtlichen Universität. Sie kannte sie von Feiern. Gerade Steve wusste nicht, wann man am besten die Klappe hielt und Eric verstand Privatsphäre als Fremdwort. Widerliche Typen. Vielleicht sollten sie wirklich besser gehen, doch offenbar war es dafür nun zu spät. „Na, vorhin Eistauchen gewesen?“, meinte Eric, ganz offenbar mit Blick auf Jonathans noch immer nassen Haare, und begrüßte Jonathan mit einem Handschlag. „Klar.“ Jonathan grinste. „Ich hatte noch eine Wette am laufen.“ „Hab dich gar nicht gesehen.“ Steve musterte ihn von oben bis unten „Hast du echt die 25 bezahlt, um dich in die kalten Fluten zu werfen?“ „Für einen guten Zweck“, erwiderte Jonathan Schultern zuckend. „Und was machste mit den beiden Hübschen da?“ Eric nickte Rachel und Ann zu. „Wirst du zum Stalker?“ Schnell warf Jonathan Rachel einen Blick zu, versuchte es dann aber zu überspielen. „Mit den beiden habe ich die Wette.“ „Du weißt schon, dass du keine Chance hast?“, meinte Eric und beugte sich zu Jonathan hinüber, nur um laut genug zu flüstern, als dass auch Ann und Rachel es nur zu gut hören konnten. „Lesben.“ Rachel verdrehte die Augen, während sie die Arme um so enger um Ann legte, da sie merkte, wie diese sich anspannte. Sie hatten mit Eric schon einmal eine ähnliche Erfahrung gemacht, bei einer Studentenfeier. Ann hatte ihm am Ende einen Becher Bier ins Gesicht geschmissen, nachdem er einige Bemerkungen gemacht hatte – nur damit er sich über sie lustig machte, nicht zuletzt da sie mit ihren 156 Zentimetern und dem dazu zierlichen Körperbaunicht wirklich einschüchternd wirkte. „Heißt ja nicht, dass ich nicht mit ihnen abhängen kann, oder?“, meinte Jonathan und grinste sie an. „Hmm, mach Bilder, ja?“, erwiderte Steve vielsagend. Jonathan zuckte mit den Schultern. „Sicher nicht.“ „Zu schade“, meinte Eric lachend. Ann seufzte und hob den Kopf . „Lass uns gehen, ja, Rach?“ „Klingt gut“, erwiderte sie und ließ Ann los. Sie wandte sich zu Jonathan um. „Lass uns gehen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Klingt gut.“ Er wandte sich zu seinen Kommilitonen um. „Sorry, Jungs. Ich habe den Ladys noch ein Essen versprochen.“   Typisch für einen Neujahrstag war, war es schon am Nachmittag dunkel. In eine warme Decke eingewickelt, saßen Rachel und Ann auf dem Sofa ihrer kleinen Wohnung. Das Wohnzimmer war kaum mehr als dreizehn Quadratmeter groß, gerade genug um Fernseher, Regal, ein kleines Sofa und einen ebenso kleinen Wohnzimmertisch zu stellen. Wie für eine Studentenwohnung zu erwarten, passte alles nicht so ganz zusammen – da die meisten Möbel billig gebraucht gekauft waren. Einzig das Sofa kam noch aus Rachels alten Jugendzimmer bei ihren Eltern. Sie hatten den Fernseher laufen und Ann hatte sich an sie angekuschelt. Mittlerweile hatten sie warm geduscht und trugen beide nur noch T-Shirts und Unterwäsche, während die Heizung das Zimmer gut aufgewärmt hatte. Der Vorteil eines kleinen Wohnzimmers: Es wurde recht schnell warm. Der Geruch von gebratenem Fleisch zog aus der Küche hinüber. Ann seufzte. „Na, bist du langsam wieder warm?“, meinte Rachel und strich über ihre Schulter. „Ja“, murmelte Ann. „Ich hoffe wir haben uns nicht erkältet.“ „Ach, wenn du dich erkältet hast, pflege ich dich wieder gesund.“ Rachel küsste sie auf die Stirn. Erneut zog Ann einen Schmollmund, wie sie es so oft machte. Rachel fand es immer wieder niedlich, gerade dank Anns recht kindlichem Gesicht. Noch einmal seufzte Ann. Rachel sah sie an. „Du ärgerst dich noch immer, über die Idioten.“ „Ja“, gab Ann leise zu und kuschelte sich noch weiter in die Decke. „Ach komm schon“, meinte sie. „Ignoriert die doch einfach.“ „Ich versuch's“, murmelte Ann, noch immer schmollend. „Ich bin darin halt einfach nicht so gut, wie du.“ Rachel wandte sich ihr ganz zu, um sie zärtlich zu küssen. „Jetzt sei nicht so. Du solltest das neue Jahr nicht in so einer Stimmung anfangen.“ Sie begann Ann am Bauch zu kitzeln, was sie zumindest zum kichern brachte. „Siehst du?“ „Lass das“, kicherte Ann und versuchte halbherzig Rachel von sich fort zu drücken, während sie unter ihr wand. „Na, was sagst du?“, meinte Rachel und lachte ebenfalls, während sie sie weiter kitzelte. Ann hatte einige Schwierigkeiten zwischen ihren Kicherkrämpfen zu antworten, presste schließlich jedoch eine Antwort hervor: „Ich werde nicht weiter an die Idioten denken.“ „Versprochen?“, fragte Rachel und hörte kurz auf, sie zu kitzeln. „Ja“, japste Ann und rang nach Luft. Rachel lachte und küsste sie noch einmal, legte sich vorsichtig auf sie rauf, als die Tür zum Wohnzimmer geöffnet wurde. „Da lasst ihr mich alleine kochen und dann …“ Jonathan sah sie prüfend an. „Was macht ihr beiden da genau?“ „Nichts“, kicherte Rachel und sah zu ihm. „Ja, danach sieht es aus“, kommentierte Jonathan trocken. Auch er war mittlerweile geduscht, trug im Gegensatz zu ihnen aber einen Jogginganzug. „Also wenn ihr etwas zu essen wollt, fangt nichts unanständiges an. Jedenfalls nicht ohne mich.“ „Nicht vor“, erwiderte Ann mit noch immer geröteten Wangen. „Nun, meine Damen. Das Essen ist zubereitet … Wenn ihr euch also bequemen würdet, euch einen Teller zu nehmen und in die Küche zu kommen.“ Er machte eine übertriebene Verbeugung, die wohl an einen Butler erinnern sollte. Rachel zog eine Augenbraue hoch. „Keine Bedienung?“ „Muss ich denn alles machen?“ „Wir haben gefroren“, meinte Ann kleinlaut. „Ist ja gut“, murmelte Jonathan. „Wie die Damen wünschen.“ Er drehte sich auf den Absatz um und ließ die beiden kichernd zurück. Sie richteten sich wieder auf und zogen den Tisch ein wenig näher an das Sofa, um besser essen zu können. Ann warf Rachel einen Seitenblick zu. „Er kann schon süß sein“, meinte sie. „Dafür haben wir ihn ja“, erwiderte Rachel, als Jonathan mit den ersten zwei Tellern hinüberkam. Das Essen war wie immer ein wenig ungeschickt angerichtet. Die mit Käse überbackenen Fleischstücke lagen zwischen Kartoffeln und gebratenen Kürbisstücken, mit Soße, die ein wenig zu chaotisch verteilt war. „Bitte sehr, die geehrten Damen. Damit sind wir quitt.“ „Besten Dank, Herr Koch“, meinte Rachel. „Wir werden allerdings noch sehen, ob wir quitt sind.“ „Aha“, murmelte er, während er in die Küche zurück ging, um sich wohl selbst eine Portion zu holen. Ein Cartoon flackerte über den alten Fernseher, während sie aßen. „Und?“, fragte Jonathan, der nun links von Rachel saß. „Sind meine Schulden beglichen.“ Rachel und Ann warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Sie grinsten einander zu, ehe sie sich zu ihm umdrehten. „Sie sind beglichen“, erwiderten sie dann wie aus einem Munde, ehe Rachel noch „Vorerst“ hinzufügte. „Na, dann bin ich ja beruhigt“, lachte er und breitete einen Arm aus, damit sich Rachel an ihn anlehnen konnte. Sie verdrehte die Augen, tat es dann aber, während Ann sich an sie anlehnte. „Danke, dass du ihnen nichts gesagt hast“, meinte Rachel schließlich. Er lachte leise. „Nun, die Strafe will ich nicht riskieren“, erwiderte er und küsste sie auf die Stirn. „Ich weiß, dass du es nicht willst.“ Darauf sagte sie nichts. Das ganze war noch immer neu für sie. Für sie alle. Aber soweit schien es zu funktionieren. Nur wollte sie noch mehr blöde Sprüche nicht riskieren – einmal ganz davon abgesehen, dass es schwer genug gewesen war, Anns Eltern beizubringen, dass sie in einer lesbischen Beziehung war. Was sie hierzu sagen würden …? „Auf ein gutes neues Jahr“, murmelte Jonathan, während er sich weiter zurücklehnte. „Ja“, seufzte Rachel und strich über Anns Arm. „Auf ein gutes neues Jahr.“ Ann holte tief Luft. „Hoffentlich ohne Erkältung.“ Dann lachten sie gemeinsam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)