Ich habe nie gelernt richtig zu nähen oder zu kleben von Pairo (Chara und Asriel) ================================================================================ Kapitel 1: So warst du und nur du --------------------------------- Chara weinte immer so oft. Immer, wenn er längere Zeit alleine war und sich unbeobachtet fühlte. Ich weiß es, denn ich habe sein Schluchzen manchmal im Nebenzimmer gehört...und dann so getan, als ob nichts wäre. Als ich ihn zum ersten Mal weinen sah, saß er draußen am Brunnen im Hof. Ich hatte ihn davor nie Trauer zeigen sehen. Es war das absolut erste Mal. Natürlich rannte ich sofort zu ihm, ich dachte er hätte sich weh getan! Ich wollte ihn in die Arme nehmen, ihn an mich drücken, seine Haare streicheln und ihn trösten. Er war doch mein einziger Bruder. Der Bruder, auf den ich so lange gewartet hatte. Doch noch bevor ich ihn erreicht hatte, hob er den Kopf und sah mich mit einem Blick an, den ich so noch nie an ihm gesehen hatte. Ich kann nicht beschreiben, WIE es aussah, aber ich stoppte auf der Stelle. Blieb stehen und sah ihn unsicher an. Seine sonst so energetischen, leuchtenden Augen schienen mich durch die Dunkelheit hin weg an zu glühen. Obwohl das natürlich gar nicht möglich war...immerhin war er ein Mensch. Ein zerbrechlicher, zarter Mensch mit weicher, bloßer Haut. Keiner von uns sprach ein Wort. Das Ganze dauerte gut und gerne 2 Minuten, ich war wie gelähmt, traute mich nicht einen Schritt zu machen. Schließlich wandte Chara sich ruckartig um und lief ohne ein Wort nach Innen. Ich hörte mich noch: „Chara...“ rufen, aber zu spät. Meine mickrige, unsichere, brüchige Stimme konnte ihn nicht erreichen. Ich hasse mich dafür. An diesem Abend sah ich ihn nicht mehr...er kam zum Schlafen nicht in mein Zimmer, wie er es sonst fast jede Nacht tat. In dieser Nacht fehlte er mir besonders – ich fröstelte und konnte nicht schlafen. Als ich am nächsten in die Küche kam, saß er schon gut gelaunt am Tisch. Vor ihm ein Becher Kakao und Mama neben ihm am Herd. (Sie machte das Frühstück für uns immer selbst und lies die Bediensteten nicht ran. Höchstens Papa durfte sich noch am Kochen für uns versuchen!) Erst traute ich mich gar nicht, ihn anzusehen, aber er grinste mir breit zu. Seine Augen sahen aus wie immer. Dunkelrot, strahlend und voller Energie. Wir beide haben nie wieder über den Abend zuvor geredet. Von diesem Tag an war ich zu schwach, zu ihm zu gehen, wenn er wieder „so“war. Ich dachte, es würde ihm nicht gut tun. Ich war ein dummes Kind. Und heute hasse ich mich dafür. Er war immer für mich da. Nahm mich in die Arme, wenn ich weinte und wir alleine waren. Vor anderen verteidigte er mich, wurde richtig wütend und bekam wieder so ein Glühen in den Augen...allerdings ein anderes, als in dieser ersten Nacht. Natürlich ärgerte er mich auch oft – aber irgendwie motivierte mich das. Ohne ihn wäre ich sicher für immer dieses nervöse, stotternde Bündel geblieben. Aber war ich jemals für ihn da? Ich weiß es nicht... War ich für ihn da, als ich seine kalten Hände hielt und er mich weg schubste? War ich für ihn da, als ich ihn ganz fest in die Arme nahm, als er beim Spielen auf ein Mal gar nichts mehr sagte und mich dann von sich stieß? War ich für ihn da, als er eines Nachts in sein Bett pullerte und wir zusammen das Bettzeug wuschen, wobei er mir drohte, mich umzubringen, wenn ich es jemals erzählte? War ich für ihn da, als er seine Handfläche einfach nicht mehr vom heißen Ofen nehmen wollte und mir dann eine knallte, als ich ihn da weg zog? Hat meine Liebe etwas bewirkt...? Und war ich für ihn da, als ich die Dorfbewohner verschonte, die dort oben an der Oberfläche leben? Ich habe Chara so sehr geliebt...aber hat es ihm je etwas gebracht? War er hoffnungslos? Oder...war am Ende etwa ich hoffnungslos? Ich weiß es wirklich nicht...und jetzt wo er weg ist und ich DAS geworden bin, werde ich es auch niemals erfahren. Ich wünsche mir nur so sehr, dass ich ihn noch ein letztes Mal in die Arme nehmen könnte...und zwar diesmal richtig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)