Ress von Lyndis (Mein neuer Diener) ================================================================================ Kapitel 6: Freizeit ------------------- Das Frühstück war merkwürdig. Es war tatsächlich fertig, als ich aus der Dusche kam, die kurzen Haare noch feucht und in frischer Kleidung. Ress hatt einen so kritisch Blick auf die nassen Haare geworfen, dass ich mir sicher war, dass er mich darauf hinweisen wollte, dass man krank würde, wenn man das nicht ordentlich trocknete, aber er sagte kein Wort. Stattdessen hatte er mich zum Esstisch geführt, wo sich japanisches Allerlei fand. "Wer soll das denn essen?", fragte ich etwas schockiert. Doch Ress blieb ganz gelassen. "Mach dir darum keine Gedanken. Fast alles lässt sich einfrieren und der Rest ist morgen auch noch gut." Hm. Es war dennoch irgendwie eigenartig. Die ganze Situation war komisch und so richtig wohl fühlte ich mich nicht. Wenigstens nahm sich diesmal auch Ress etwas zu essen, das beruhigte mich ein wenig. "Wie geht es denn jetzt weiter?", fragte ich nach einer Weile. Das Frühstück schmeckte himmlisch, aber leider lag mir die ganze Thematik ziemlich schwer im Magen. "Du wirst die Dokumente wegen des Erbes durchgehen müssen. Die waren heute im Briefkasten. Ansonsten kannst du dich entspannen und tun, wonach dir ist." Mir war nach Einkaufen und Putzen, wenn ich ehrlich war. Nach Haushalt eben, aber das würde mich Ress nicht machen lassen. Was sollte ich denn den ganzen Tag tun? Das machte mich wirklich nervös, denn was brachte Vergnügen schon ohne Anstrengung? Im schlimmsten Fall ließ genau das den Geist und den Körper lahm werden. Mir war ja jetzt schon langweilig, dabei hatte der Tag kaum begonnen. Ich war wirklich nicht der Typ, der einfach rumliegen konnte. "Ich weiß nicht, was ich tun will", gestand ich dann, weil Ress es spätestens nach dem Frühstück sowieso mitbekommen hätte. "Du bist Freizeit zu wenig gewohnt. Mach dir keine Sorgen, wir finden schon irgend etwas." Wenn das mal wirklich stimmte. Noch glaubte ich nicht wirklich daran. Ich hatte noch nicht begriffen, was es wirklich bedeutete, zu tun was man wollte, ohne sich um Profanes Gedanken machen zu müssen. Ich verstand erst später, dass es ein ganz besonderes Geschenk war, ein sehr wertvolles, wenn man es denn richtig nutzte. Wir beendeten das Frühstück kurz darauf und Ress brachte mir ohne Aufforderung die Unterlagen. Zumindest würde mich das ein paar Minuten beschäftigen. ... Oder auch etwas länger. "Wenn du Hilfe brauchst, zögere nicht, nach mir zu rufen. Ich kenne mich mit diesen Dingen aus." Damit ließ er mich mit dem Stapel an Papieren alleine und ich begann, mich dort durch zu wühlen. Es dauerte letztendlich Stunden. Ungelogen. Und eigentlich stand da nichts drin. Es war nur ziemlich furchtbares Bürokraten Bla Bla, dafür, dass ich der rechtmäßige Erbe war. Das Geld musste ich irgendwie noch mit einer Organisation teilen, vermutlich irgendwas Spendenmäßiges und das Haus bekam ich auch nicht. Aber das war mir herzlich egal. Mir war dieses ganze Erbe vollkommen egal, ich hatte es nur wegen Ress angenommen. Der mir übrigens tatsächlich mit Rat und Tat zur Seite stand und ich musste ihn weit mehr als nur ein Mal rufen. Ich sprach eben nicht Bürokratisch. Allerdings... wäre ich fast vom Stuhl gefallen, als ich gesehen habe, wie viel ich denn Erbe. Selbst mit dem Anteil, der an die Organisation ging, konnte ich allein von den Zinsen leben. "Wofür braucht man so viel Geld!?", stieß ich aus und Ress war sofort wieder an meiner Seite. "Du musst es ja nicht anrühren. Aber manchmal ist es ganz nützlich, nicht jeden Yen umdrehen zu müssen." Ich wollte dieses Geld nicht. Das war zu viel. Ich war so stolz auf mein Haus, weil ich es mir selbst verdient hatte. Weil ich hart dafür gearbeitet hatte. Ich wollte nicht einfach Geld bekommen, das ich nicht verdiente. Ich war nur zufällig Erbe, war von den beiden zufällig ausgewählt worden. Das war doch kein Verdienst. Ress schien meinen Unwillen zu bemerken, denn er sprach weiter: "Ich helfe dir es anzulegen, dann siehst du das Geld nicht mehr. Aber sollte eine Notsituation entstehen, kannst du darauf zugreifen. Wenn nicht, musst du es wirklich nicht anrühren." Ich konnte das Erbe ja nicht ablehnen, dann wäre auch Ress weg und wer wusste schon, wo der dann landen würde. Das wollte ich nicht. Da war dieser Vorschlag doch gar nicht so schlecht. "Ich will die Zinsen gerne spenden." Ich stockte dann aber. Moment... hatte Ress gerade gesagt, er würde mir helfen, es anzulegen? "Was kannst du eigentlich nicht?" Er sprach fließend Bürokratisch und verstand etwas von Anlagen? Er konnte kochen, schmiss den Haushalt und hatte es sich zum Ziel gesetzt, mich glücklich zu machen. Was war er? Mary Poppins? "Ich habe auch eine ganze Menge Freizeit und die nutze ich gerne, um mich fort zu bilden. Ich weiß und kann sehr viel." Aber wann hatte er das denn alles gelernt? Das war vollkommen unlogisch. Ress konnte kaum älter sein als ich. Langsam wurde mir das alles etwas zu viel. Mein Kopf schmerzte sowieso schon. Was ein Mist... Ich ackerte mich weiter durch die Dokumente und fand irgendwann heraus, dass ich auch einige Immobilien besaß, die von einer fremden Firma verwaltet wurde. Ich musste mich laut Ress da um nichts kümmern. Hoffentlich hatte er recht. Die Einnahmen wurden automatisch auf das Konto zugefügt, auf dem das Geld lag. Vielleicht sollte ich davon auch die Hälfte oder so spenden. Oder vielleicht alles... wer brauchte so viel Geld? Ress versprach mir, dass er ein paar Organisationen heraussuchen würde. Der konnte echt alles... Stunden später war ich endlich fertig, lehnte es ab, dass Ress Mittagessen kochte, auch wenn den das etwas besorgte, und legte mich erst einmal auf das Sofa. Mein Bettzeug war längst davon verschwunden, genauso wie jedes Staubkorn. Meine Wohnung war noch nie so sauber gewesen. Als würde Ress wissen, dass ich Kopfschmerzen hatte, brachte er mir ein Mittel dagegen und setzte sich dann ans Fußende des Sofas. "Hast du schon eine Idee, was du machen möchtest, wenn du dich etwas ausgeruht hast?", fragte er ruhig. Ich schüttelte den Kopf. "Wie wäre es mit eine Spaziergang? Ich könnte dich begleiten." Ich war mir nicht sicher, ob ich gerade in der Stimmung dazu war, über meine Freizeitgestaltung nachzudenken. "Ich weiß nicht", murmelte ich und legte einen Arm über meine Augen, weil die Dunkelheit die Schmerzen dämpfte. "Mir ist gerade nicht danach, überhaupt irgendetwas zu tun." Mitfühlend strich Ress über eines meiner Beine. Ich erschauerte leicht. Eigentlich müsste ich mich um ihn kümmern. Er hatte fast genauso viel Zeit mit den Dokumenten verbracht, wie ich und er hatte nebenher noch den Haushalt erledigt. Ich kam mir vor wie der letzte Jammerlappen. "Das ist nur allzu verständlich.", sagte er da und ich seufzte innerlich. "Du musst dich auch erst an die Situation gewöhnen. Das kann anstrengend sein." Als müsste er das nicht. "Warum lädst du dir für heute Abend nicht ein paar Freunde ein? Ich könnte Kleinigkeiten zum Essen vorbereiten. Das würde dir sicherlich gut tun." Freunde? Hierher einladen? Wie erklärte ich denen denn Ress? Was würden sie dazu sagen, dass ich mir einen Diener hielt? Das war so absurd. Aber ich konnte das nicht ewig vor ihnen verheimlichen und der ein oder andere wäre sicher sauer, wenn ich das täte. Verzwickte Situation. "Vielleicht einen...", murmelte ich. Vielleicht würde ich meinen besten Freund anrufen und ihm die Situation erklären. Vielleicht war es gut, wenn ich jemanden zum Reden hatte. Aber wie sollte das gehen, wenn Ress da war? "Möchtest du, dass ich für die Zeit seines Aufenthaltes hier verschwinde?" "Nein!", sagte ich sofort und fuhr auf, was mich gleich wieder zurücksinken ließ. Ich war echt fertig. Mein Kopf dröhnte unglaublich. "Nein, bleib hier. Das ist immerhin auch dein zu Hause." Ich sagte das extra, damit wir dieses Gastthema endgültig vom Tisch hatten. "Ich will nicht, dass du dann gehst. Wir müssen das ja auch die Reihe kriegen. Es ist nur..." Ich seufzte, weil es mir unangenehm war, das anzusprechen. Dennoch musste es raus, denn Ress da ins offene Messer laufen zu lassen, wäre unfair. "Ich habe keine Ahnung, wie meine Freunde auf dich reagieren. Du wirst wahrscheinlich sehr lange und intensiv Thema sein." "Das ist mir vollkommen bewusst. Und ich dachte, es wäre dir vielleicht unangenehm, wenn ich dann hier bin." Er machte sich sorgen darum, dass es mir unangenehm wäre? Dieser Kerl war echt unglaublich. "Ress... ich mache mir da eher sorgen um dich. Es ist furchtbar unhöflich und wirklich nicht in Ordnung, so über jemanden zu reden." Wobei ich nicht genau wusste, was 'so' war. Ich hatte keine Ahnung ob mein Kumpel positiv oder negativ oder neutral darauf reagierte. Wahrscheinlich würde er mir die Geschichte nicht einmal glauben. Ich konnte ihm nicht einmal Papiere zeigen, die meine Geschichte bestätigten, denn Ress wurde in den Dokumenten nicht erwähnt. Natürlich nicht, er war ja kein Gegenstand. "Vielleicht denkt er auch einfach, du wärst mein neuer Freund." Gerade Hayato wusste genau, dass ich auf Typen wie Ress stand. Die fand man in Japan nur meist nicht, es sei denn, sie waren Mitglieder einer Band. Wenn ich so darüber nachdachte, würde Ress wirklich gut in eine Band passen. So optisch... "Würde dich das stören?" "Es wäre nicht die Wahrheit." Und er würde Hayato sicherlich nicht anlügen. "Möchtest du, dass ich ihm die Situation erkläre?" Wollte ich das? Irgendwie schon, ja. Weil es von Ress glaubwürdiger klang, als von mir. Aber das war nicht richtig. Es war meine Aufgabe, meinen besten Freund aufzuklären. Das konnte ich nicht abschieben. Ich seufzte wieder. "Nein, ich mach das. Auch wenn ich nicht will." Aber ich musste. Denn Ress zu verstecken war ihm gegenüber unfair. Er sollte als normaler Mitbewohner hier leben. Und ich wollte nicht erst die zwei Wochen Testphase abwarten, ehe ich es Hayato und den anderen erzählte. Denn ich hatte das dumme Gefühl, dass Ress eine sehr lange Zeit hier bleiben würde, auch wenn ich die Wette gewann. Er war nun ein Teil meines Lebens, da kam ich nicht mehr drum herum. "Schlaf ein wenig, damit deine Kopfschmerzen besser werden. Ich bringe in der Zeit die Dokumente zur Post. Soll ich auf dem Rückweg etwas für heute Abend einkaufen?" Ich wollte ihn nicht auf so einen Botengang schicken, aber wir hatten nun einmal eine Abmachung. Also dachte ich darüber nach. "Bring bitte etwas Sake mit, ja? Aber ansonsten denke ich nicht, dass wir was spezielles brauchen." "Verstanden." Ress griff über die Couch und breitete kurz darauf eine Decke über mir aus. Diese Behandlung wäre echt angenehm, wenn ich nicht ständig das Gefühl hätte, dass er denkt, er müsse das machen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)