Das Totenreich von Madam_black ================================================================================ Kapitel 11: Erinnerung - So schön und doch so schmerzhaft? ---------------------------------------------------------- Es war mitten in der Nacht. Ich konnte nicht schlafen, so sehr ich es auch wollte. Obwohl es Winter war, war mir viel zu warm. Normalerweise schlief ich im Winter immer mit Mantel und Robe, aber heute war mir so warm, dass ich Mantel und Robe, ja sogar Hemd und Weste ausgezogen hatte und mir war immer noch viel zu warm. Diese Wärme hatte mir heute wahrscheinlich das Leben gerettet, denn mein Hemd und die Weste zog ich normalerweise nie unter meine Robe, aber das war jetzt egal. Da ich ja eh nicht schlafen konnte, schob ich den Deckel meines Sargs beiseite und stand auf. Ich ging zu einem Waschbecken, wusch mir mein Gesicht und trank etwas. Als ich in dem über den Waschbecken hängenden Spiegel sah, erinnerte ich mich wieder an den Brief von Lau. Ich ging zu meinem Schreibtisch und nahm den Brief in die Hand. Langsam sah ich ihn mir genau an und überlegte. „Sollte ich ihn wirklich öffnen?“, sagte ich leise und ließ mich auf meinen Stuhl sinken. Wieso zögerte ich eigentlich? Schließlich schien Claudia jemand zu sein, der mir sehr wichtig war. Langsam öffnete ich den Brief. Als Erstes zog ich ein Foto aus dem Umschlag. Meine Augen waren an die Dunkelheit, die hier herrschende Dunkelheit zwar gewöhnt, aber da es sich hier um ein sehr wichtiges Foto handelte, machte ich mit noch eine Kerze an, um das Foto noch besser sehen zu können. Es zeigte fünf Personen, die in einem hellen Raum vor einem großen Fenster mit roten Vorhängen standen. Es waren zwei Männer, zwei Kinder und eine Frau auf dem Foto. Links stand ein Stuhl, der leicht nach rechts gedreht war. Auf dem Stuhl, der aus dunklem Holz mit wunderschönen Verzierungen bestand, saßen eine Frau, an die ich keinerlei Erinnerung hatte und ein kleiner Junge. Es war Vincent, auch wenn er noch sehr klein war, war ich mir sicher, dass er es war. Neben den Stuhl stand ein Mann, bei dessen Anblick die pure Wut in mir hochkochte. Es war Cedric K. Ros. Ich werde sein Gesicht niemals vergessen. Er hatte … Moment mal ich... ich habe vergessen, was er getan hat. Nein. Nein. NEIN! Wieso? In meiner Verzweiflung sah ich erneut auf die Frau. Sie lächelte, trug ein lilanes Kleid. Hatte lange braune Haare, die hochgesteckt waren, ein wunderschönes Gesicht und noch schönere dunkelblaue Augen. „Ist das … ist das Claudia?“, fragte ich. Man merkte deutlich, dass es mir schmerzte, alles vergessen zu haben. Ich sah mir das Bild weiter an. Auch ich war auf dem Bild. Ich hockte neben einem kleinen Mädchen, Francis. Sie lachte und umarmte ganz fest meinen Arm. Ich lachte ebenso und wie üblich konnte man meine Augen nicht sehen. Das Datum, das auf der Rückseite des Fotos geschrieben wurde zeigte, wann das Foto gemacht wurde. Es war der 4. Juli 1849. Mir schoss ein Gedanke durch den Kopf. Klar! Im selben Jahr, am 13. September 1849, hatte ich Cedric K. Ros umgebracht. Ich legte eine Hand auf mein Gesicht und sah zwischen meine Finger hindurch auf das Foto. Langsam kam sie wieder. Die Erinnerung. An die einzige Frau die ich je liebte. Rückblick: Genau. Damals. Kurz nach meinem Streit mit dem Ältesten da... „Er hat schwere Wunden!!“ „Ruft einen Arzt!!“, hörte ich mehrere Stimmen rufen. Als ich damals meine Augen öffnete, sah ich sie. Wie sie mir sagte, dass alles gut werden würde. Dann war alles schwarz. Nur schwarz und Dunkelheit. „Oh! Ihr seid wach.“, sagte sie mit ihrer engelsgleichen Stimme, „ Mein Name ist Claudia. Claudia Phantomhive.“ Sie hatte mich gefunden und mir damit das Leben gerettet. Als ich das Haus Phantomhive fast vollständig gesund wieder verließ, sagte ich ihr, dass immer, wenn irgendetwas sei, sie mich aufsuchen könne. In der Zeit, die ich bei ihr verbracht hatte, lernte ich auch sehr schnell ihren Mann kennen. Ein echter Kotzbrocken. Habgierig, gewalttätig und er war nur an ihrem Ring interessiert. Es schien ihn auch zu stören, dass sie das Oberhaupt der Familie war, da sie den Ring hatte und damit der Wachhund der Königin war. Kein Monat verging, als mich Claudia um Hilfe ersuchte. Sie musste sich verstecken, ihr Mann war gewalttätig geworden und sie war durch London gerannt und hatte mich dann vor dem Big Ben gesehen. Ich schaffte sie in mein Bestattungsunternehmen. Dort bat sie mich, für sie eine Art Leibwache zu sein. Ich war sofort damit einverstanden, da ich mich bereits zu dem Zeitpunkt in sie verliebt hatte und ich Männer die Frauen schlugen, hasste wie die Pest persönlich. Ab dann machte ich Bekanntschaft mit seinen Anfällen. Er versuchte Claudia immer zu schlagen, was ich aber zu verhindern wusste. Claudia und ich bauten eine Beziehung zueinander auf, die über Freundschaft hinausging. Wir hatten eine schöne Zeit. Auch mit Vincent und Francis, die zwar nicht meine Kinder waren, was mich etwas störte, die ich aber liebte wie meine eigenen. Ihren Vater, Cedric, schienen sie egal zu sein. Doch an jenem Abend... Ich war nicht da, da ich in Japan war wegen eines Auftrags. Tanaka hatte Cedric unter einem Vorwand weggeschickt. Ich weiß noch, dass mich plötzlich ein ungutes Gefühl bekam und ich zurück nach England reiste, was für mich ziemlich einfach war. Als ich wieder bei Claudia war, stockte mir der Atem. Cedric hatte sie nicht nur geschlagen oder getreten, sondern auch mit einem Messer angegriffen. Das Zimmer von Claudia war voller Blut gewesen. Ich hatte mich ohne groß zu überlegen vor sie gestellt und Cedric weggestoßen. Sie hatte sich blutüberströmt an mich geklammert und gab mir den Befehl. „Töte ihn! Töte ihn! TÖTE IHN!“, hatte sie immer wieder geschrien. Sie weinte und das wollte ich nicht. Ruckartig drehte ich mich zu Cedric um, der mittlerweile wieder stand und uns erneut angriff. Ich verlor in jenem Moment jegliche Selbstbeherrschung. Es gewitterte. Ich hob langsam meinen Kopf mein Pony war zur Seite gefallen. Als er meine Augen sah, die grün glühten vor Wut, machte er erschrocken einen Schritt zurück. Ich rammte ohne Rücksicht meinen Arm durch seine linke Brust und riss ihm sein Herz aus. Das noch pulsierende Herz hatte ich einfach in meiner Hand zerdrückt. Ich sammelte seine Seele ein und wir hielten die genauen Umstände seines Todes geheim. Die Erinnerung lief wie ein Film vor meinen Augen ab. Bei dem Gedanke, dass ich ihn so getötet hatte, musste ich auflachen. „Er hatte es verdient. Wie er damals in meine Augen gestarrt hatte.“ Ich kicherte. „Das werde ich niemals vergessen.“ Endlich konnte ich wieder lachen. Ich legte das Foto weg und sah nochmal in den Umschlag. Es lag noch etwas darin. Es schien eine Zeichnung zu sein. Ich sah sie mir an. Ich musste kichern. Claudia zeichnete sehr gerne und hier hatte sich mich gezeichnet, als ich auf der Wiese hinter dem Anwesen geschlafen hatte. Daneben hatte sie geschrieben "So süß" und ein Herz daneben. Das sah ihr ähnlich. Sie war wirklich eine Begabte Zeichnerin. Jedoch stockte mir der Atem, als ich sah, wann sie das Bild gemalt hatte. 1855. Das Jahr ihres Todes. Ich schaffte es nie, ihre Todesurkunde zu unterschreiben. Erst elf Jahre später schaffte ich es, weshalb überall steht das sie 1866 gestorben ist. Rückblick: Ich war wieder unterwegs. Da Cedric nicht mehr da war, konnte ich Claudia mit den beiden Kindern getrost eine Weile allein lassen. Das sollte ich aber bereuen. Wieder hatte ich ein ungutes Gefühl und machte mich so schnell ich konnte zu der Villa Phantomhive. Als ich die Eingangstüren aufmachte. Kam mir der beißende Geruch von Blut entgegen und bald wusste ich auch weshalb. In der Mitte der großen Eingangshalle lag Claudia. Blutüberströmt und mit unzähligen Schnittwinden war sie mit Gewissheit zum Tode verurteilt. Ich war zu ihr gerannt, hatte mich zu ihr gekniet und hatte sie in meine Arme genommen. Sie freute sie mich zu sehen. Auf die Frage, wer es war, konnte sie nur sagen. „Ich weiß es nicht. Er war einfach da und hat mich angegriffen.“ Ihre Stimme klang kraftlos. „Ich lasse dich jetzt hier nicht sterben.“ „Ach Adrian. Meine Zeit in dieser Welt ist vorbei. Mein Wunsch ist nur, dass du und die Kinder glücklich werden.“ Ich weiß, dass ich damals weinte, als sie das sagte, weil ich wusste, dass das nur schwer möglich war. „Bitte nicht. Du darfst jetzt nicht weinen. Nicht meinetwegen.“ „Was sagst du da? Du bist jede meiner Tränen wert Claudia.“ In dem Moment war Vincent in die Eingangshalle gerannt und Francis hinterher. Während Francis sofort wusste, was los war, wusste Vincent nicht, was hier passierte. Francis brachte ihren kleinen Bruder in sein Zimmer und kam wieder. Sie hockte sich ebenfalls neben ihre Mutter. Sie weinte. „Francis....passe mir gut auf deinen Bruder auf. Tanaka sie passen bitte gut auf alles hier auf ja?“ Stimmt Tanaka war ja auch da und er antwortete mit „ Sehr wohl My Lady“. „Adrian... Ich hoffe, dass du nie vergessen wirst … dass ich dich liebe.“, ich war sehr verzweifelt, ich konnte ihr nicht helfen, merkte, dass ihre Kraft schwand. „Wie könnte ich das vergessen? Du bist doch die einzige Person, die ich je geliebt habe.“, sagte ich und wurde noch verzweifelter, als ich merkte, dass sie nicht mehr lange leben würde. Sie lächelte noch einmal. „Danke für alles...“, sie schloss ihre Augen. Egal, wie oft ich ihren Namen rief, sie wachte nicht mehr auf. Ich wusste nicht, wie lange ich noch so dasaß. Ich hielt sie einfach in meinen Armen, wollte sie nicht gehen lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)