Beijing By Night von Aphrodi ================================================================================ Kapitel 1: One-Shot ------------------- “Was schreibst du, Leo-kun?”, fragte Guang-Hong und blickte neugierig auf das Handy seines Nebenmannes. Dieser hob kurz seinen Blick, lächelte dann träge und steckte es zurück in seine Jackentasche.   „Ich hab Phichit gesagt, dass wir heute nicht kommen. Er ist mit Yuuri und Viktor essen.“   „Uh“, kam es erst einmal nur von Guang-Hong. Die Erinnerung an den gestrigen Abend, hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt. Ein strippender Viktor, der deutlich zu viel getrunken hatte, Phichits Coach, der ebenfalls völlig betrunken war und eine Menge Fotos, die der Welt vorenthalten bleiben sollten. Es war schließlich besser so. Er schüttelte den Kopf, um die Bilder in seinem Kopf loszuwerden, dann sah er Leo fragend an. „Aber, wäre es nicht schön, den Abend mit ihnen zu verbringen? Wir sehen sie schließlich so selten und wer weiß, wann wir wieder die Chance dazu bekommen würden.“ Bei seinen letzten Worten wurde er immer leiser, bis sie so heraus gemurmelt, wie sie waren, kaum noch verständlich waren. Leo erwiderte seinen Blick für einen Moment schweigend, sodass der Chinese mit den Augen auswich und wieder nach vorne sah, die Straße hinauf, die sie an vielen Bars und Restaurants vorbei führte. Viele Leute waren unterwegs – vor allem Junge Leute, die das Wochenende nutzten, um ausgelassen zu feiern.   Bei all den lauten Menschen um sie herum und der aufgepeitschten Stimmung, war die Stille zwischen ihnen unangenehm. Guang-Hong konnte ihn jetzt aber auch nicht wieder ansehen, um eine Reaktion aus seinem Gesicht abzulesen. Nicht, wo er vermuten musste, dass Leo ihn wieder so ansehen würde. Es machte ihn verlegen. Zu seinem Glück durchbrach Leo allzu bald von selbst die Stille. „Wir haben nur noch zwei Abende gemeinsam“, stellte er fest und Guang-Hong fühlte sich bestätigt. Genau das hatte er gemeint. Sie hatten nur noch dieses Wochenende, bevor sich ihre Wege wieder trennen würden, also sollten sie es nutzen, so gut sie konnten. „Ich will dich diesen einen Abend nur für mich haben“, kam es leise von Leo, seine Stimme dabei so sanft wie sonst, aber begleitet von einem leichten Zittern. Es war ansteckend. Guang-Hongs Körper wurde davon infiziert und begann selbst, zu beben. Er versteckte sein Gesicht bis zur Nase in seinem Schal und mit etwas Glück half die Dunkelheit dabei, seine Röte zu verbergen. Das, was dann noch zu sehen war, würde man schließlich auf die Kälte schieben können.   Sie waren nun schon ein Weilchen zusammen, aber die ständige Entfernung hatte ihn noch längst nicht auftauen lassen. Bei jedem ihrer Dates war Guang-Hong noch immer nervös – viel zu nervös! Er war sowieso schon ein schüchterner Junge, aber dass Leo selbst eher ruhig und zurückhaltend war, machte es für sie beide nicht leichter. Es dauerte, bis einer von ihnen den ersten Schritt machte und es war furchtbar peinlich gewesen, als sie sich das erste Mal nach langem herumdrucksen geküsst hatten. Allein bei dem Gedanken daran, trieb es Guang-Hong die Schamesröte zurück ins Gesicht. Und an dem einen Tag, als sie intimer miteinander geworden sind- Konnte jemand sein Gehirn bitte für ihn stoppen, bevor sein Herz auszusetzen drohte?   „Guang-Hong?“, kam es unsicher von der Seite.   „Mh.“   „Bist du einverstanden?“   Als Antwort nickte er, nuschelte ein paar unverständliche Worte in seinen Schal und ging mit stur geradeaus gerichtetem Blick weiter. So viele Restaurants standen zur Auswahl, aber gerade war sein Magen nicht fähig, allzu viel von ihrem leckeren Angebot in sich zu behalten. Er wusste nicht, wer ihm gerade mehr zusetzte: Sein Herz oder sein Magen. Beide waren jedenfalls gerade sehr nervös. Als plötzlich etwas seine Hand streifte, war sich Guang-Hong sicher, dass der Sieg an sein Herz ging, das beinahe auszusetzen drohte. Er fuhr vor Schreck zusammen.   „S-sorry!“, kam es hastig von Leo. Guang-Hong konnte ihn schlucken hören. „Das war... keine Absicht.“ Und trotzdem hatte er sein Herz damit zum Rasen gebracht, vermutlich war sein eigenes gerade in einem ähnlichen Zustand. Im Nachhinein vermisste er diesen leichten, kurzen Körperkontakt, den er mit Leo geteilt hatte. Seine Haut kitzelte immer noch ein wenig, am liebsten hätte er die Hand des Amerikaners gegriffen. Wenn es ihn nicht so überraschte, war es das schönste Gefühl, das es gab. Guang-Hong zog seine Schal ein wenig herunter und blieb stehen. „Lass uns in dieses hier gehen, Leo-kun.“   „Okay“, willigte der ein und sie betraten gemeinsam das recht einfach aussehende Restaurant. Guang-Hong hatte es aus der Situation heraus ausgewählt und es war ihm ziemlich egal gewesen, was sie dort servierten. Es war das Erstbeste und genug, um diesen Moment zwischen ihnen zu Unterbrechen, der gedroht hatte, unangenehm zu werden. Er war vermutlich immer noch unfähig, zu essen, aber versuchen wollte er es. Leo hatte bestimmt auch Hunger. Als sie sich gegenüber saßen, kam Guang-Hong nicht drum herum, immer wieder über seine Speisekarte hinüber zu lugen und seinen Freund anzusehen. Selbst wenn er nur sein Essen auswählte, sah er noch cool aus, wie er fand. Es war verrückt, dass er so bescheiden war, obwohl so viele Leute ihn anhimmelten – Guang-Hong konnte sich seinem Zauber ebenfalls nicht entziehen. Die Leute liebten ihn wegen seinem Aussehen und seiner Ausstrahlung auf dem Eis, die von Coolness nur so strotzte und wenn er ehrlich war, beneidete er Leo dafür. Er selbst wäre gerne so cool wie er, wenn er auf dem Eis war. Wie schüchtern und zurückhaltend Leo wirklich war, wussten diese Leute allerdings nicht. Es war mitunter Guang-Hong vorbehalten. Aber auch das war etwas, das er an ihm liebte. Er war so ruhig und liebevoll, dass es angenehm war, bei ihm zu sein – wenn man von dem Herzrasen absah, das er ihm verpasste, wenn er ihm näher kam. Aber selbst das hauchte ihm eine angenehme Wärme entgegen, die er nicht mehr missen wollte. Wenn Guang-Hong sich vorstellte, dass jemand wie Viktor Nikiforov sein Liebhaber wäre, dann wäre es nur noch unangenehmer. Er wäre überforderter als er so schon war und völlig überrumpelt. Vermutlich würde sein Herz das gar nicht verkraften. Yuuri konnte ihm leidtun.   „Was ist?“, fragte Leo stutzend, als ihn Guang-Hong mal wieder ein bisschen zu lange angesehen hatte. Dass er schmachtete, konnte der ja nicht wissen. Guang-Hong zuckte zusammen und sah mit einem Mal völlig konzentriert in seine Speisekarte, die den Großteil seines Gesichts verbarg und damit das Lächeln, das sich auf sein Gesicht geschlichen hatte. „N-nichts.“         Am Ende bekam Guang-Hong doch noch ein wenig zu Essen runter. Je länger er mit Leo in dem Restaurant gewesen war, desto mehr hatte er sich beruhigt und desto entspannter wurde sein Magen. Ihre Gesprächsthemen waren weitgehend harmlos gewesen – Smalltalk eben. Ein paar Worte über ihre Familien waren ebenfalls gefallen bis die heutigen Kurzprogramme der anderen Thema geworden waren. Dass Yuuri wahnsinnig gut gewesen war, darin waren sie sich einig gewesen, genau wie die Überraschung, die ihnen der Russe verschafft hatte. Sein Kurzprogramm war wirklich sehr intensiv gewesen, so viel Ausdruck hatte darin gelegen und jeden seiner Sprünge hatte er gestanden. Selbst auf dem Weg zurück zu ihrem Hotel hatten sie noch darüber geredet. Er hatte seinen vierfachen Toeloop heute gestanden – es machte ihn immer noch so glücklich und stolz, ganz besonders, weil Leo es gesehen hatte.   Als sie allerdings das Zimmer betraten, in dem Guang-Hong für das Wochenende untergebracht war, änderte sich die Stimmung. Ihr Gespräch flaute ab und wurde durch zwei Paar Lippen abgelöst, die nicht mehr voneinander lassen konnten. Noch immer machte es Guang-Hong nervös, wenn sie sich küssten, sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Aber es war gleichzeitig auch viel zu schön, um es bleiben zu lassen. Leos Hände umspielten sanft sein Gesicht, während seine Daumen über die geröteten Wangen strichen, was ihm – ertappt, wie er sich fühlte – noch mehr Hitze in den Kopf steigen ließ. Seine eigenen Hände krallten sich in die Trainingsjacke des Amerikaners, irgendwo zwischen dem Versuch, nach Halt zu suchen, falls seine Beine wieder nachgaben und der stummen Aufforderung, nicht mehr von ihm abzulassen. Leo kam ihr nach, küsste ihn weiter zärtlich und schob ihn langsam zum Queen Size Bett herüber, dessen Laken und Bettwäsche noch völlig knitterfrei waren. Als Guang-Hong den Holzrahmen an seinen Waden spürte, löste er notgedrungen die Hände aus der fremden Jacke und ließ sich rückwärts auf dem Bett nieder. Er rutschte noch ein Stück nach hinten, weit genug hinauf, nur um keinen Wimpernschlag später von Leo mit dem Oberkörper herunter gedrückt zu werden. Sie tauschten noch einen Blickkontakt, der viel inniger wurde, als Guang-Hong ertragen hätte können. Das nervöse Zucken an Leos Mundwinkel entging ihm trotzdem nicht, als er die Augen schloss, während sich der Amerikaner langsam über ihn beugte.   Sie küssten sich erneut, dieses Mal mit dem Unterschied, dass Leos Hand nicht nur an seiner Wange blieb, sondern auf Wanderschaft über seinen Oberkörper ging. Guang-Hong versuchte, sich trotz des angenehmen Streichelns, das ihm eine Gänsehaut verpasste, auf ihren Kuss zu konzentrieren, und hatte die Hände in Leos Haaren vergraben, die förmlich dazu einluden. Immer mal wieder strich er durch diese, ließ die Haarsträhnen zwischen seinen Fingern spielerisch hindurch gleiten, nur um sich letzten Endes doch wieder festzuhalten. Als sich eine Hand voll schweißig-feuchter Finger unter sein Sportshirt schlichen, wurde der Griff fester. Die Luft, die Guang-Hong einen Moment lang angehalten hatte, wurde leise keuchend wieder ausgestoßen, aber auch danach sorgte die Hand noch weiter dafür, dass seine Atmung nicht mehr stetig in Gang kam. Die Hände in Leos Haaren begannen zu zittern, genau wie seine Stimme, als ein paar Finger über seine Brustwarze rieben.   „Ahh, Leo-kun. Nicht.“ Guang-Hong wand sich ein Stück weit unter ihm heraus, löste damit auch den Kuss und sah in ein gleichermaßen enttäuschtes und unsicheres Gesicht. Er schluckte den dicken Kloß hinunter, der seine Kehle zuzuschnüren drohte. Versuchend, sich zu erklären, kämpfte er um jedes Wort, das über seine Lippen kam. „Wir können es nicht tun. Nicht heute. Aber... vielleicht morgen“, murmelte Guang-Hong, schluckte noch einmal und drehte das gerötete Gesicht zur Seite. Sie mussten schließlich morgen ihre Kür vorführen. Ein Spannen an egal welchem Körperteil wäre nur hinderlich. Er spürte, wie Leo die Hand unter seinem Shirt herauszog. Der Amerikaner seufzte leise, ließ sich dann aber resignierend neben ihn fallen und schlang die Arme um ihn. Guang-Hong fiel ein Stein vom Herzen bei der Geste – Leo war ihm nicht böse. „Es ist nur... Heute war die einzige Gelegenheit“, murmelte Leo gegen seine Schulter, in der er sein Gesicht vergrub, als er sich an ihn schmiegte. Guang-Hong schloss die Augen und kuschelte sich nur zu gerne in die Umarmung seines Freundes.   „Aber morgen-“   „Ich weiß nicht, ob ich morgen Lust drauf habe...“   Guang-Hong presste die Lippen zusammen. Er wusste, worauf Leo anspielen wollte. Auch wenn er noch eine Chance hatte, so war diese erschreckend gering, bedenkend, was für großartige Leistungen die anderen Läufer heute dargeboten hatten. Er war nach dem Kurzprogramm auf Platz 6 gelandet und hatte damit eine sehr schlechte Ausgangslage in Bezug auf die Qualifikation. Für Leo sah die Sache ganz anders aus. Dank seinem ersten Platz beim Skate America würde ihm schon ein Platz auf dem Treppchen reichen, um sich zum Grand Prix Final zu qualifizieren, Guang-Hong selbst wäre mit einem dritten Platz allerdings ausgeschieden. Würde er morgen Silber gewinnen, sähe das schon wieder anders aus. Aber war das wirklich noch möglich, nicht nur theoretisch?   Die Luft im Zimmer war schwer geworden. Beide schwiegen, kuschelten sich aneinander und waren zu einem menschlichen Knäuel verwoben, in dem auf den ersten Blick nicht auszumachen war, wo Leo endete und Guang-Hong anfing. „Ich will, dass wir zusammen im Finale stehen“, sagte Leo leise und strich mit seiner Nase Guang-Hongs Nacken hoch, als er sein Gesicht wieder ein Stück weit erhob. „Das will ich auch“, entgegnete der Chinese, aber in diesem Moment schien ihr Wunsch weiter weg als je zuvor. Er würde nicht aufgeben, aber... Die bittere Erkenntnis des heutigen Tages zog seine Euphorie nach unten. Eine gute Kür von ihm würde vermutlich nicht ausreichen. Er würde sich zusätzlich von ein paar Stürzen der anderen Läufer helfen lassen müssen, dabei gönnte er sie keinem von ihnen.   „Hey, Leo-kun“, begann er leise. Durch die Stille im Raum waren seine Worte trotzdem deutlich hörbar. „Wenn ich es nicht schaffe... dann fliege ich trotzdem nach Barcelona und feuere dich an.“   „Sag sowas nicht.“   „Aber ich meine es ernst. Wir sehen uns nächsten Monat, egal was morgen passiert.“ Bei seinen Worten wurde die Umarmung fester. Leo drückte ihm einen Kuss in den Nacken, der Guang-Hong ein müdes Lächeln aufs Gesicht zauberte. Vorsichtig griff er Leos Handgelenke, hob sie ein Stück an und lockerte so ihre Umarmung, um sich herumzudrehen. Sein Gesicht vergrub er an der fremden Brust, die so angenehm warm war. Er konnte Leos festen Herzschlag fühlen. Selbst wenn er ihn nur in den Armen hielt, war er immer noch unglaublich cool. Guang-Hong wollte so lange wie möglich hier mit ihm liegen.   Eine Hand löste sich von seinem Rücken. Guang-Hong öffnete neugierig die Augen wieder ein Stück und sah zu, wie Leo sein Handy hervorholte, an dem noch immer die kleinen Kopfhörer steckten. Mit ruhiger Hand steckte er einen davon in Guang-Hongs Ohr, den anderen in sein eigenes. Lächelnd schloss er die Augen wieder, die Musik erwartend, die kurz darauf erklang. Sie war beruhigend, melodisch schön, aber sie gab Guang-Hong auch ein bisschen Selbstvertrauen zurück. Er wollte seine Chance morgen nutzen, jetzt mehr denn je, und gemeinsam mit Leo im Finale stehen.   Er wollte so viel mit ihm teilen, wie möglich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)