Löwenherz von Himmelslied ================================================================================ Kapitel 1: Ohnmacht ------------------- Es war einfach da. Sie konnte weder sagen, wann es genau begonnen hatte, noch ob es bereits da gewesen war, ohne dass sie es bemerkt hatte. Jetzt, ein paar Wochen später aber, wusste sie es. Der Schock saß tief. Zitternd und zusammengekauert saß Dorcas auf dem Boden der großen Halle. Stille, die schwer wog, lag über allen. So schwer, dass sie fast greifbar war. Hin und wieder wurde die Stille von herzzereißenden Schluchzern durchbrochen. Ihre eigenen, aber auch die ihrer Freunde und Mitschüler. Unaufhörlich liefen Tränen ihre Wangen herunter ohne, dass sie wirklich etwas dagegen hätte ausrichten können. Länger als eine Stunde, und wer je behauptet hatte irgendwann würden die Tränen trocknen und man könne nicht mehr weinen, der hatte nicht erlebt, was dieser Jahrgang erlebt hatte Was sich ereignet hatte, fühlte sich noch immer unwirklich und fern an. Dorcas erster Gedanke nach dem Ende des Kampfes war an ihren besten Freund gerichtet gewesen. Damien. Jetzt saß er neben ihr und Alya. Regungslos, wortlos und fassungslos. Traumatisiert, aber am Leben. Noch immer flossen heißkalte Tränen ihre Wangen herunter. Die Vertreter des Zaubereiministeriums standen ratlos vor einer Halle geschockter, weinender und vollkommen aufgelöster Schüler. Egal was sie tun wollten, es würde ihnen allen nichts nützen. Meaghan und Morag waren tot. Getötet von Ragnar, dem Irren, der schon seit längerer Zeit im Wald sein Unwesen trieb. Und hier standen sie nun, die Leute vom Ministerium, die ihnen helfen wollten, aber jede Hilfe für sie kam zu spät. Noch immer am ganzen Körper zitternd sah Dorcas auf. Gerade im rechten Moment, denn Sirius betrat die Große Halle. "Kommt. Wir verschwinden von hier", forderte er sie auf und streckte ihr und Alya die Hände entgegen. Langsam und zögerlich, ließ sie sich von Sirius aufhelfen und folgte ihm mit Alya und Damien in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors. Dass dort normalerweise nur Schüler ihres Hauses verkehrten, war egal. Eigentlich war gerade alles egal. Zwei von ihnen waren gestorben und sie hatten nichts dagegen tun können. Gar nichts. Sie waren machtlos gewesen und der Gedanke, dass dieser Irre sich dort draußen noch immer herumtrieb, machte sie krank. Ja, das Ministerium war jetzt da, aber trotz allem zweifelte Dorcas mehr als stark daran, dass sie nun noch irgendetwas tun würden. Sirius nuschelte der Fetten Dame das Passwort entgegen und ihnen eröffnete sich der kreisförmige Durchgang, der in einen einladenden Raum führte. Dieser Raum war ihr sicherer Hafen, ihre Heimat, der Ort auf der Welt, an dem sie sich immer wohl fühlte, sich entspannen konnte. Das wohlig knisternde Feuer, das im Kamin prasselte, wärmte den Raum, aber es vermochte nicht ihr Innerstes zu wärmen. Ihr war kalt. Sie fror bis auf die Knochen. Alles, was geschah, schien furchtbar schnell und zähflüssig zugleich zu geschehen. James, der auf dem Sofa lag sah zu ihnen auf. "Hi." Auch ihre anderen Mitschüler waren hier. Alle Gryffindors und auch Emmeline, die es bei sich wohl nicht mehr ausgehalten hatte, verweilten hier im Gemeinschaftsraum. Sirius, der bereits vor dem Porträt der Fetten Dame ihre Hand losgelassen hatte, ließ sich neben einem der Sofas auf einem Sessel nieder und starrte schließlich nachdenklich irgendwo ins Nichts. Langsam ging Dorcas auf den Kamin zu und ließ sich auf den Boden davor auf einem Teppich fallen. Das, was sie empfand, musste der Begegnung mit einem Dementor ähneln, da war sie sich sicher. Ein lauter Seufzer entfuhr ihr und sie rieb sich die Augen. Es war ihr mittlerweile egal, dass ihre Schminke sicher vollkommen verlaufen sein musste. Wenn sie ehrlich war, so schien nichts mehr wirklich wichtig zu sein. Nichts außer der Tatsache, dass Meaghan und Morag tot waren, und sie langsam aber sicher der unbändige Durst nach Rache übermannte. Aber noch bevor sie ihrem Drang nachkommen und wutentbrannt aufstehen, aus dem Gemeinschaftsraum fliehen und in den Wald stürmen konnte, erhob James erneut die Stimme. "Wir sollten ihnen die letzte Ehre erweisen", schlug er in schwerem Tonfall vor. Dorcas kannte James seit fünf Jahren, war seit fünf Jahren mit ihm im gleichen Haus und sie aßen Tag ein Tag aus am gleichen Tisch, aber so hatte sie ihn noch nie erlebt. Der Kapitän der Gryffindor Quidditchmannschaft hatte ein von Sorgenfalten zerfurchtes Gesicht. Dreck und Blut klebten überall an ihm. James war merklich angeschlagen und das nicht nur körperlich. Die vergangenen Stunden hatten ihnen allen viel abverlangt. James war während des Kampfes plötzlich nicht mehr aufzufinden gewesen und auch Dorcas hatte einen Moment lang panische Angst um ihren Mitschüler gehabt. Die Schreie, die sie von Remus und Sirius gehört hatten, waren mehr als herzzerreißend gewesen. Langsam drehte sich Dorcas um und sah zu James auf. Und auch, wenn es früh erschien, sich von den beiden zu verabschieden, so fühlte es sich doch wie das richtige an. Außerdem was hieß schon verabschieden? Während der Schlacht, die eigentlich ein pures drunter und drüber gewesen war, hatte Dorcas nur wenige Male den Verantwortlichen für dieses ganze Chaos gesehen. Ragnar. Ragnar, der Meaghan nicht einfach nur getötet hatte. Ragnar, der Meaghan gefoltert und schließlich zu einem Inferius gemacht hatte. Ragnar, der aus einem ihnen allen unbekannten Grund einen Groll gegen sie alle hegte. "Du hast Recht", stellte sie fest und sah in die Runde. Alle ihre Freunde waren hier. Zumindest jene, die auch mit Meaghan gut befreundet gewesen waren. Langsam und vor leichten Schmerzen ächzend stand Dorcas auf. "Wir sollten den anderen Bescheid sagen", murmelte sie, "sie haben auch ein Recht darauf Abschied zu nehmen." Auch wenn sie sich eigentlich noch gar nicht verabschieden wollte, so hatte sie das Gefühl, dass es ihnen allen helfen würde. Mit einer kurzen Handbewegung strich sich Dorcas eine der lange Haarsträhnen aus dem Gesicht und ging auf das Porträtloch zu. "Ich geh in die Große Halle, wir treffen uns gleich unten an...den Gräbern." Diese Worte wollten ihr kaum über die Lippen gehen. Ob ihr jemand folgte, oder nicht konnte sie im Nachhinein nicht mehr sagen. Sie wusste nur, dass sie ziemlich schnell durch die kalten, nur spärlich beleuchteten Gänge der Schule gelaufen war und sich schließlich in der Großen Halle wiederfand. James, Sirius, Peter und Remus waren ihr gefolgt und auch Damien, Alya und Emmeline konnte sie erblicken. Unter all den Schülern trat James vor, wie immer wenn es drauf ankam. "Es ist zwar noch früh, aber wir werden eine Gedenkfeier für Meaghan und Morag abhalten. Draußen vor dem Schloss bei dem kleinen Baum", erklärte er. "Wer möchte kann sich uns gerne anschließen." Damit wandte er sich zum Gehen, drehte sich aber nochmal um und fügte hinzu: "Blumen wären vielleicht noch schön...und ein paar Kerzen. Wir treffen uns in fünf Minuten." Dann ging er voran durch das Tor der Großen Halle und hinaus in die Nacht. Ihm folgten mehrere Schüler auf den Fersen. Nicht nur Gryffindors und Ravenclaws schlossen sich dem Zug der Schüler an, die vor das Schloss pilgerten. Unter all jenen, die Abschied nehmen wollten, konnte Dorcas Hufflepuffs und zu ihrer Überraschung auch Slytherins erkennen. Dorcas sah zu Alya. "Weißt du, wo wir auf die Schnelle Blumen hernehmen können?" Ihre Freundin nickte nur mit gequälter Miene und verschwand. Gemeinsam mit Damien wartete Dorcas vor dem großen Tor, das auf die Ländereien des Schlosses führte. Sie wollte Alya nicht alleine lassen. Während sie warteten, sah Dorcas, wie Avery, der noch immer ziemlich fertig aussah, an ihnen vorbei zum Tor ging und mit den anderen in der Dunkelheit verschwand. Damiens Gesicht war verschlossen, aber sie erkannte die Anspannung, die in ihm herrschte. Er hatte gesehen, was passiert war. Hautnah hatte Damien Meaghans Tod miterlebt, hatte sich über sie geworfen, versucht ihren leblosen Körper noch zu schützen, doch das alles hatte nichts genutzt. Ein schwerer Seufzer entfuhr Dorcas, als sie ihre Hand hob und sanft Damien über den Arm strich. Sie wollte ihm irgendwie Trost spenden, doch nichts, was sie jetzt tun oder sagen konnte, würde ihm helfen können. Nichts konnte das Übel, was er hatte erleben müssen, rückgängig machen. Es dauerte keine drei Minuten, dann stand Alya wieder vor ihnen. Ein wenig außer Atem, aber mit einigen wunderschönen blauen Blumen in Händen. Dorcas lächelte ihr matt entgegen und gemeinsam verließen sie das Schloss. Sie verzichteten in einer unausgesprochenen Vereinbarung darauf Lumos zu wirken und fanden alsbald die Menge, die sich um Morags Grab und Meaghans Gedenkstätte geschart hatte. Einige von ihnen hielten Kerzen in den Händen und einige Kerzen leuchteten auf dem Boden, sodass die Fotos ihrer Mitschüler erhellt wurden. Schon als sie dort stehen blieb, merkte Dorcas, wie ihr wieder Tränen in die Augen schossen und heißkalt über ihre Wangen liefen. Einige Worte wurden gesagt, denen sie aber kaum zu folgen vermochte. Jemand sprach davon, was für außergewöhnliche Menschen beide gewesen waren, doch alles, was Dorcas tun konnte, war in das Licht der Kerzen zu starren und versuchen ihre Schluchzer zu unterdrücken. Irgendwann, es sprach mittlerweile niemand mehr, stimmte James ein Lied an. Ein Lied, das ihr wohl bekannt war, und ein Lied, das sie von diesem Tage an nie wieder so glücklich singen können würde, wie zuvor. "Lieber ein Held sein und tot als gefangen bei Wasser und Brot, als bei Met und bei Wein am Leben zu sein wenn meine Brüder sind in größter Not." Sie stimmte ein, doch immer und immer wieder blieben ihr die Worte und Töne im Hals stecken. Und dann passierte es. Eine große, warme Hand legte sich vorsichtig auf ihre Schulter und drückte sie leicht. Es dauerte einen Moment, bis Dorcas wirklich bemerkte, was hier passierte. Zunächst wandte sie sich nicht um, zu gebannt war sie noch von den Kerzen, dem Grab und den Fotos, die sie dort aufgestellt hatten. Die Hand auf ihrer Schulter blieb jedoch dort. Es fühlte sich merkwürdig an. Nicht wie eine bekannte Hand, oder eine Hand, die es gewohnt war, solche Gesten zu zeigen. Es wirkte unbeholfen und ein wenig zurückhaltend. Sie hatte Sirius im Verdacht, der in schweren Situationen keine ehrlichen Gefühle zuließ. Als Dorcas sich durchringen konnte und sich umwandte, machte ihr Herz einen kleinen Satz. Sie hatte mit allem gerechnet, Sirius, James oder gar Damien und war umso erstaunter. Hinter ihr stand, mit nur von den Kerzen erhelltem Gesicht, Devon Avery. Der Schlägertyp Slytherins schlechthin. In seinem Gesicht sah sie alle Emotionen gespiegelt, die in ihr vorgingen. Wut, Trauer und auch ein wenig Angst. Angst vor diesem Irren im Wald, der versuchte sie alle ohne wirklichen Grund zu töten. Trotzdem war Dorcas tief gerührt von dem Mitgefühl eines Jungen, von dem sie es nie erwartet hätte. Als Avery bemerkte, dass sie ihn ansah, zog er die Hand von ihrer Schulter, mit etwas, das man vielleicht als aufmunterndes Lächeln hätte werten können. Das warme, wohlige Gefühl auf ihrer Schulter jedoch war geblieben. Und da war es nun. Selbst einige Wochen nach der großen Schlacht gegen Ragnar war es noch da. Irgendwo tief vergraben in ihrem Innersten. Wenn ihr jemand vor einem Jahr erzählt hätte, dass sie sich in ihrem fünften Schuljahr Hals über Kopf verlieben würde, hätte sie denjenigen für Verrückt erklärt. Wenn Dorcas weiter darüber nachdachte musste sie lächeln. Sie. Verliebt. In einen Slytherin. Kapitel 2: Flaschendrehen ------------------------- Es war der einundzwanzigste Februar. Ansich war der Tag noch ziemlich jung, aber trotzdem versprach er schon einer der besten Tage ihres jungen Lebens zu werden. Ihr sechzehnter Geburtstag und in genau einem Jahr würde sie eine vollkommmen ausgewachsene Hexe sein. Sie würde zu Hause zaubern dürfen und konnte tun und lassen was ihr beliebte. Gerade jedoch saß sie gemeinsam mit ihren Freunden, genauer den Gryffindors, auf dem Fußboden des Gemeinschaftsraumes. Müde, hielt Dorcas sich die Hand vor den Mund und gähnte herzhaft. Ins Bett gehen würde trotz ihrer Müdigkeit jedoch für einige weitere Stunden noch keine Option sein. Denn sie hatte gerade einfach viel zu viel Spaß. Dorcas liebte Parties und Feiern. Sie liebte es mit ihren Freunden und Mitschülern das Leben zu genießen und zumindest für ein paar Stunden den Stress und die Sorgen des Alltags ablegen zu können. Was gab es da besseres als einige seiner tiefsten und wichtigsten Geheimnisse vor den anderen zu offenbaren. Ob das nun freiwillig war oder nicht, aber Flaschendrehen war einfach ein Spiel, bei dem man sich, wie auch immer, näher kommen konnte, wenn man denn wollte. Natürlich gab es einige unangenehme Fragen und Pflichten, die man erfüllen musste, aber das hinderte sie trotzdem nicht daran das Spiel immer wieder spielen zu wollen. Außerdem wusste Dorcas, dass sie, egal wie unreif und fies sie sein konnten, allen in ihrem Haus vertrauen konnten. Wie sich später rausstellen sollte zumindest in den meisten Dingen. Gerade erst hatte Remus Sirius aufgebrummt er müsse einen ernst gemeinten Liebesbrief an ein Mädchen seiner Wahl schreiben. Dorcas musste kichern. Wer das glückliche Mädchen sein würde, interessierte sie brennend. Es war schon etwas her, dass sie zuletzt dran gewesen war sich zwischen Wahrheit oder Pflicht zu entscheiden und deswegen schweifte sie in Gedanken ein wenig ab. Der Gemeinschaftsraum war nur noch vom wohlig warmen Feuer des Kamins und dem gleißenden Licht der Kerzen die hie und da auf den Tischen standen erhellt. Trotzdem kam es ihr nicht dunkel vor. Die warmen Wandbehänge und Wimpelketten die überall von der Decke hangen verliehen dem Raum die wärmste und gemütlichste Atmosphäre, die man sich wohl hätte wünschen können. Draußen, auf den Ländereien war es stockfinster und nur der Mond, der sich hinter einigen Wolken versteckte leuchtete immer mal wieder durch die hohen Turmfenster herein. "Hey Dorcas! Wahrheit oder Pflicht?", drangen da plötzlich Eves Worte an sie heran. Alle sahen prüfend zu ihr herüber und musterten sie ein nachdenklich. "Oh!", entfuhr es ihr." Abwägend musterte Dorcas ihre Freundin. Genau konnte sie es zwar nicht sagen, aber ansich sah Eve nicht so aus als würde sie irgendetwas gemeines fragen wollen. Ein freundliches Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie geduldig darauf wartete, wofür Dorcas sich entscheiden würde. "Wahrheit.", beschloss Dorcas mit fester Stimme und hielt dem Blick Eves stand. Doch genau da merkte sie, dass die Entscheidung Wahrheit zu nehmen, möglicherweise nicht die Beste gewesen war. Kaum war ihr das Wort über die Lippen gegangen breitete sich ein ziemlich allwissendes und leicht schiefes Grinsen auf Eves Gesicht aus. "Bist du gerade verliebt?" Dorcas' Herz machte einen Satz, als hätte sie am Ende einer Treppe die letzte Stufe übersehen und wäre plötzlich viel tiefer getreten als eigentlich beabsichtigt. War sie gerade verliebt? Und ob sie das war. Diese Erkenntnis hatte sie schon vor einigen Wochen ereilt und seither nicht mehr losgelassen. Mehr als einmal hatte Dorcas versucht das Ganze zu verdrängen, doch diese Versuche waren in der Regel nicht von Erfolg gekrönt. Immer wieder war sie Avery auf dem Gang begegnet, hatte ihm dabei zugesehen wie er sich vor einigen Veelas, die von der Beschützerin des Waldes gesandt worden waren, zum Affen gemacht hatte und schließlich, wie er offenbart hatte, dass er schwarze Magie anwandte oder angewandt hatte. Natürlich hätte sie nun lügen können, wollte das aber vermeiden. Schließlich hatte beispielsweise James eröffnet, dass er bei dem vergangenen Spiel gegen Hufflepuff absichtlich in Damien hinein geflogen und ihn gefoult hatte. Warum genau, das hatte Dorcas bisher noch nicht aus ihm herausbekommen, wollte aber im weiteren Spielverlauf eigentlich noch darauf eingehen. Ein schwerer Seufzer entfuhr ihr während sie noch einmal in die Runde schaute. "Ja.", beantwortete Dorcas letztendlich die Frage wahrheitsgemäß ohne den Blick von ihrer Freundin abzuwenden. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war fingen jetzt einige der Schüler, besonders James und Sirius an zu tuscheln. Einen kurzen Moment lang schloss Dorcas ihre Augen, holte einmal tief Luft und griff dann nach der leeren Flasche Elfenwein um zu bestimmen wer als nächstes dran sein würde. Zu Dorcas Unglück landete die Flasche als nächstes auf Lily, die sie, mit noch immer mitfühlender Miene, musterte. "Wahrheit oder Pflicht?", erkundigte Dorcas sich um zu erfahren, wofür Lily sich entscheiden würde. Das rothaarige Mädchen zog nachdenklich die Augenbrauen in die Höhe und runzelte die Stirn. Lily schien abzuwägen was sie wählen sollte und anscheinend hatte sie vor Wahrheit noch mehr Angst als vor den Pflichtaufgaben. "Pflicht.", beschloss sie und erwiderte Dorcas erwartungsvollen Blick. "Setz dich neben James.", entgegnete Dorcas und grinste breit. Das erntete ihr ein überdramatisches Augenrollen von Lily, die sich zögerlich aufrichtete und sich mit einem leichten plumpsen auf dem Boden neben James wieder fallen ließ. Der Blick, den Lily Dorcas zuwarf sprach Bände. Sie war genervt. Das war Dorcas aber ziemlich egal, denn sie starrte nun auf die sich erneut zum Drehen an geschwungene Flasche. Langsamer und langsamer drehte sie sich bis sie, mit dem Hals auf Dorcas zeigend, zum stehen kam. Innerlich ziemlich übel fluchend wandte sie sich zu Lily, deren Grinsen nun ihrem eigenen von vor einigen Minuten glich, und sah ihr leicht gequält entgegen. "Wahrheit oder Pflicht?", forderte Lily Dorcas auf und durchbohrte sie mit ihrem Blick. "Wahrheit." Lily sah sie direkt an und Dorcas hatte beschlossen, dass sie diesem Blick standhalten würde. Sie war schließlich Treiberin und vor so ein bisschen Gefühlsduselei wollte sie sich nicht einfach so verziehen. Lily holte einmal tief Luft und fragte: "Dann nenne uns den Ersten Buchstaben seines Namens." Ein eiskalter Schauer lief ihr den Rücken herunter. Es gab nur zwei Jungen in ihrem Jahrgang, die nach dieser Offenbarung in Frage kommen würden. Der eine, Damien, war ihr bester Freund so etwa seit sie laufen konnte, der andere ein Slytherin. Welches davon auf mehr Ablehnung ihres Hauses stoßen würde, konnte sie zu diesem Zeitpunkt nicht sagen. Einmal schluckte Dorcas schwer dann erhob sie die Stimme: "D." Sofort begann das, wie nicht anders zu erwarten gewesen war, Getuschel der anderen. "...D wie Damien?", hörte sie jemanden sagen, doch Dorcas versuchte all das Gerede zu ignorieren. Sie würde sich nicht auf diesen Klatsch und Tratsch einlassen. Alles was zählte war doch, dass sie mit sich selbst im Reinen war. So richtig war das natürlich noch nicht der Fall, schließlich war ihr das Ganze erst vor einigen Wochen bewusst geworden. Fest entschlossen keine Miene zu verziehen griff Dorcas nach der Flasche und drehte sie. Der Flaschenhals zeigte auf jemanden, sie bekam gar nicht richtig mit wer es war und was genau passierte. Aufjedenfall wusste sie, dass sie eine Wahrheitsfrage stellte und jemand sogar darauf antwortete und weiter machte. "Mit D...? Wer fängt denn D an...", hörte sie Eve an James gewandt fragen, versuchte aber nicht zu lauschen. Das fiel allerdings mehr als schwer, denn die beiden saßen direkt neben ihr. "Sei doch nicht so lahmarschig! Es gibt nur zwei mit dem Anfangsbuchstaben D! Devon Avery und Damien.", erwiderte James. Das Spiel ging weiter und Dorcas schweifte mit ihren Gedanken erneut ab. Was das wohl für sie bedeuten würde. Für ihre Freundschaften? Eine ganze Weile lang stoppte die Flasche nicht bei Dorcas und sie kam sogar dazu sich zu entspannen, doch dann irgendwann, hielt die Flasche wieder und zeigte zu ihr herüber. Sirius hatte sie zuvor gedreht. Dorcas traute sich kaum von der Flasche aufzusehen, musste sich aber dann doch schließlich dazu durchringen und sah Sirius an. "Name?", war alles was er von sich gab. Ein tiefes Stöhnen entfuhr ihr und vor Scham vergrub sie ihr Gesicht in den Knien, die sie zu sich heran gezogen hatte. Dorcas musste wirklich mit sich ringen um nicht vollkommen in Panik zu verfallen und stand schließlich auf. "Okay. Aber ich muss es nur dir sagen.", schloss sie, stand auf und verließ den Raum. "Komm mit." Hinter Sirius verließ Dorcas den Gemeinschaftsraum durch das Runde Porträtloch und folgte ihm einige Meter den Korridor entlang etwas entfernt vom Porträt der fetten Dame. Erwartungsvoll sah Sirius ihr nun direkt ins Gesicht. "Also?", verlangte er zu wissen und Dorcas wusste, dass es nun kein Zurück mehr gab. "Devon." Der Name stand zwischen ihnen, wie eine Drachenmutter zwischen ihren Eiern und einem Fremden. Momente, die sich wie Stunden anfühlten, vergingen bis Dorcas die Erkenntnis und das aktive Begreifen in Sirius schönem Gesicht erkennen konnte. Dann brach er in schallendes Gelächter aus. Ein Glück hatten sie den Gemeinschaftsraum verlassen. Dorcas fröstelte. Die Stimmung, die sie zu überkommen schien glich dem langsam immer schlechter werdendem Herbstwetter. Die Kerzen an den Wänden des Korridors erhellten ihn, aber trotzdem fror sie. Mehr als einige Minuten standen sie da. "Avery? Ernsthaft Dorcas?", japste Sirius noch immer voller Belustigung, die er wohl ob ihrer unangenehmen Lage, und der Tatsache, dass sie in einen Slytherin verliebt, war empfand. Ohne auch nur eine Miene zu verziehen zückte Dorcas ihren Zauberstab und packte Sirius, der zwar um einiges größer war als sie, allerdings sicher nicht bedeutend viel kräftiger, am Kragen. "Ich warne dich Sirius, wenn du auch nur ein Sterbenswörtchen darüber an James oder irgendjemanden verlierst, verfluche ich dich, dass dir der Schädel für die nächsten zwei Jahre brummt!", entfuhr es Dorcas mit einem gefährlichen zischen, das Sirius zusammenzucken ließ. Überrumpelt und ein wenig erschrocken hob er abwehrend die Hände und hörte auf zu lachen. "Ist ja gut... Merlin!", langsam und darauf bedacht, sie nicht wieder zu verärgern schob er Dorcas Zauberstab vorsichtig von seiner Kehle. Langsam senkte sie ihren Zauberstab und ließ auch Sirius' Kragen los. Erst jetzt bemerkte sie unter welcher Anspannung sie gestanden hatte. Sie hatte wirklich Angst vor der Reaktion ihrer Freunde. Zwar war Dorcas sich sicher, dass nicht jeder direkt aus vollem Halse in Gelächter ausbrechen würde, scheute aber doch die Ablehnung die sie bereits durch Sirius hatte erfahren müssen. Seufzend folgte sie Sirius zurück zum Porträt der Fetten Dame und durch das kreisrunde Loch in der Wand. Welche Auswirkungen dieser Abend noch auf die kommenden Tage haben würde, hätte sie doch zu diesem Zeitpunkt niemals wissen können. Bereits am nächsten Tag zum Mittagessen machte James merkwürdige Anmerkungen, die sie stutzen ließen. Wie sie später, als sie Sirius in einer ruhigen Minute zur Seite nahm, erfuhr, hatte er bereits nach einer kleinen Meinungsverschiedenheit bei James gepetzt. Trotzdem hatte sie beschlossen nichts dagegen zu unternehmen. Was raus war, war raus und einen Gedächtniszauber traute sie sich kaum zu. Auch wenn sie seit ihrem Geburtstag mit einigen fiesen Kommentaren zu kämpfen hatte, so schienen James und seine Freunde ihre Würde insoweit gewahrt zu haben, als das sie es niemand anderem erzählt hatten. Dafür war Dorcas ihnen mehr als dankbar. Vielleicht würde sie irgendwann den Mut finden können und Avery ihre Gefühle offenbaren. Doch bis dieser Tag kommen würde, würde sicherlich noch etwas mehr Zeit vergehen. Da war sie sich sicher. Kapitel 3: Ein Unglück kommt selten allein ------------------------------------------   Es war Montag. Mehr musste an diesem Tag eigentlich schon nicht mehr gesagt werden. Bereits der Samstagabend hatte ganz schrecklich begonnen. Und wenn schon ein Samstagabend so begonnen hatte, dann konnte der darauffolgende Montag nicht viel besser werden. Pius Thicknesse, ein Angestellter des Ministeriums der in der Abteilung für magische Strafverfolgung arbeitete, war beim Abendessen erschienen und hatte ihnen allen erklärt, dass er - natürlich aus zuverlässiger Quelle - Informationen über Schwarze Magie erhalten hatte, die in der Schule gewirkt worden war. Das warme Licht der Kerzen hatte ihm harte Schatten in das Gesicht gezeichnet und direkt mit seinen ersten Worten, war ihr ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen. Das Ministerium, viel mehr der Zaubereiminister, hatte ihn dazu befugt die Schüler Hogwarts zu befragen. "Und genau das, liebe Schüler, werde ich in den kommenden Tagen auch tun. Professor Dumbledore ist darüber unterrichtet, aber er wird nicht dazu in der Lage sein ihnen zu helfen, noch Sie alle,", dabei blickte er vielsagend in die Runde, "wie er es so gerne in Schutz zu nehmen." Dorcas, der bewusst gewesen war, was das ganze bedeutete, hatte direkt mit angsterfüllter Miene zu Lily gesehen, die nur sacht den Kopf geschüttelt hatte. Ohne dass sie die bis gerade noch mehr als köstlich duftenden Nudeln die mit Käse überbacken waren, noch eines Bissens würdigte, ließ sie ihre Gabel sinken. Jeglicher Appetit war ihr vergangen. Sie hatte keinen Hunger mehr, und anscheinend hatte auch Thicknesse beschlossen, dass nun das Abendessen für sie alle beendet sein musste. Nachdem er seine Nudeln in beachtlicher Geschwindigkeit verschlungen hatte, stand Thicknesse auf und tupfte sich vornehm seinen Mund mit einer Serviette sauber. "Nun, ich werde umgehend mit den Verhören beginnen. Ist Devon Avery anwesend?", verlangte er mit Beachtung heischender Mimik. Dorcas stockte der Atem und sie merkte, wie ihr Herz eine Etage tiefer rutschte, mehr. Erneut sah sie mit mehr als ängstlichem, hilfesuchendem Blick zu Lily, die neben ihr saß und unter dem Tisch ihre Hand griff. Kaum merklich schüttelte sie wieder ihren Kopf, während Dorcas Tränen in die Augen stiegen. Mit einem Griff, der Lily durch ihre Kraft vermutlich ziemliche Schmerzen zufügen musste, klammerte sie sich an die Hand die gerade noch das Einzige war was sie irgendwie in der realen Welt hielt, sie erdete. Alle Blicke waren auf den Tisch der Slyhterins gerichtet. Vollkommen beherrscht und ruhig stand Avery auf. Sein kupferrotes Haar war wie immer vollkommen achtlos nach hinten gekämmt und er trug einen schlichten, schwarzen Pullover, wie es an freien Tagen oft der Fall war. Genau konnte Dorcas sein Gesicht nicht erkennen, aber seine eigentlich grünen Augen schienen von ihrem Platz aus tiefschwarz. Er trat auf Thicknesse zu, der ihm nur zunickte und ihm dann bedeutete zu folgen. Fester konnte Dorcas wohl nicht mehr nach Lilys Hand greifen, die Knöchel ihrer Finger traten glühend weiß hervor. Mitfühlend sah Lily zu ihr herüber und es dauerte bis Thicknesse mit Avery die Große Halle verlassen hatte, dass Dorcas sich wieder einigermaßen entspannen konnte. Nachdem der Samstag so bescheiden zu Ende gegangen war - was genau Avery mit dem Typen vom Ministerium zu klären gehabt hatte blieb Dorcas weiterhin ein Rätsel - hatte der Sonntag nicht wesentlich besser geendet. Nachdem es nämlich mit der Sache mit Avery nicht hätte schlimmer werden können, war noch am Samstagabend ein, in einer Kutte gehüllter, Mann aufgetaucht, der einfach nur eine Peitsche in Händen gehalten und sie alle wirklich mehr als fies angestarrt hatte. Wie sich dann herausgestellt hatte, war es ein Henker gewesen. Ein Henker, der jemanden suchte, den er Anstelle von Mister Sweets bestrafen konnte. Bestrafen für die fünf Morde, die Mister Sweets begangen hatte. Mister Sweets war ein Geist, den James vor einigen Wochen unwissentlich und weniger als unbeabsichtigt beschworen hatte. Dreimal hatte er seinen Namen gerufen und dann war er plötzlich da gewesen, wollte sie alle umbringen. Was und wie genau das ganze geschehen war, wusste Dorcas nicht. Sie war nicht dabei gewesen, nur dass Lovegood ihn zeitweise mit einem Patronus vertrieben hatte. Das Ganze hatte nicht geholfen. Mister Sweets war zurückgekehrt, bedrohte sie alle und erschien in ihren Träumen. Bedrohte Emmeline, die einem Blumenmädchen ähnlich sah, dass dieser Geist einmal geliebt hatte und dann hatte James seine Schuld auf sich nehmen müssen. Dreißig Peitschenhiebe hatte er ertragen, auf sich genommen. Für sie alle. Jeden einzelnen von ihnen. Egal wen er  mochte oder nicht. James hatte die Bürde von dreißig Peitschenhieben durch einen Henker auf sich genommen um die ganze Schule zu beschützen. Sein Rücken war zerfetzt gewesen, blutend und sie alle hatten zuerst nicht so Recht daran geglaubt, dass er es überleben konnte oder würde. Aber er hatte es überlebt und sie hatten ihn, Merlin sei Dank, versorgen können. Der Montag begann nicht wesentlich besser. Der Einzige Lichtblick schien zu sein, dass Thicknesse mit seinen Befragungen zu einem Ende gekommen war ohne, dass er Dorcas hatte verhören müssen. Sie war sich mehr als sicher gewesen, dass der Beamte alles, was er zu Wissen suchte, aus ihr herausbekommen hätte. Noch immer mit vor Schmerz leicht verzerrtem Gesicht saß James nun am Frühstückstisch. "Was macht dein Rücken?", fragte Dorcas mit besorgter Miene nach. Sein Gesamtbefinden schien sich verbessert zu haben, aber trotzdem würde das Alles wirklich lange brauchen, bis jeglicher Schmerz verebbt und der seelische Schaden verheilt war. "Es geht schon...", entgegnete der Quidditchkapitän mit einem schiefen Lächeln. "Gut...", nickte sie zustimmend und wandte ihren Blick zur wolkenverhangenen Decke der Großen Halle hinauf. Die schwebenden Kerzen flackerten nur sacht und einige gingen aus, als das Rauschen hunderter Flügel die Geräusche der Halle übertönten. Die Eulenpost kam an. Dorcas zuckte zusammen. Onycha, ihr Wüstenuhu, landete mit einem tiefroten Umschlag vor ihr auf dem Tisch. Ein Heuler. Von wem dieser Brief stammte war ihr nur mehr als bewusst. Mit suchendem Blick sah sie auf vom Tisch, auf dem der Brief mittlerweile lag, und hinüber zum Slytherintisch. Dort saß noch niemand des fünften Jahrgangs, also war es sicher. Zumindest vor der Erniedrigung gegenüber Avery. Das Lächeln, was noch zuvor auf James Lippen gelegen hatte, wurde nun zu einem recht fiesen, aber nicht weniger amüsierten Grinsen. "Also wenn ich du wäre, Dorcas, dann würde ich den jetzt schnell öffnen.", verkündete er mit vielsagender Miene auf ihren Brief, der langsam aber sich zu Rauchen begann.. "James hat Recht! Wenn du länger wartest, weißt du was dir blüht...", fügte nun auch Evelyn mit entschuldigendem Blick hinzu. "Nagut...", murmelte sie und öffnete das Siegel vorsichtig. Sofort war Dorcas mehr als klar, wer der Absender war.   Dorcas Ourania Meadowes! Ich habe unter deinem Bett eine Flasche Feuerwhiskey gefunden! eine leere Flasche! Erklär mir das! Trinkst du etwa?! Dein Vater und ich sind sehr enttäuscht von dir! Was haben wir in deiner Erziehung falsch gemacht? Wenn das deine Großmutter erfährt! Oder deine Urgroßmutter, sie würde sich im Grabe umdrehen! Möchtest du wie Großonkel James enden?! Ich erwarte umgehend eine Erklärung von dir! Deine Mum P.S.: Vergiss nicht die dicken STrumpfhosen anzuziehen, du weißt, wie schnell du eine Blasenentzündung kriegst.   Ein tiefer Seufzer der Erleichterung entfuhr ihr. Das hätte wirklich schlimmer sein können. Trotzdem war es Dorcas doch etwas unangenehm. Trotzdem grinste sie schief: "Ich brauch wohl ein neues Versteck für den Feuerwhiskey..." Es dauerte noch einige Zeit, dann erst trat der gesamte fünfte Jahrgang der Slytherins auf. Geschlossen gingen sie zu ihrem Tisch und machten sich über das ausgiebige Frühstück her, dass die Hauselfen in der Küche vorbereitet hatten. Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. Was niemand wusste war, dass Dorcas einen Brief an Avery geschrieben hatte. Einen kurzen zwar, aber einen Brief. Wie genau Dorcas auf diese Idee gekommen war wusste sie nicht. Sie hatte ihn gefragt ob sie mal zusammen ein Butterbier trinken wollten. Ein verdammtes Butterbier! Was bei Merlins Unterhose hatte sie sich dabei nur gedacht?! Ein erneuter tiefer Seufzer entfuhr ihr und sie vergrub das Gesicht in den Händen. Wo war Lily, wenn man sie mal brauchte? So unauffällig wie möglich schielte Dorcas zum Slytherintisch herüber. Es war gar nicht so einfach an all den anderen Haustischen vorbei zu schauen und über die Massen von Schülern hinweg zu sehen, was Avery tat. Seinen Brief schien er noch achtlos liegen zu lassen und machte sich über sein Frühstück her. Dabei schien er in ein angeregtes Gespräch mit seinem Gegenüber, wer das war konnte Dorcas nicht erkennen, vertieft zu sein. Abgesehen von der Tatsache, dass Dorcas gerade die Unterstützung ihrer Freundin braucht hatten sie auch noch ein Sammelalbum der Traumprinzen an Emmeline zu übergeben. Etwas Aufmunterung und Freude konnte im Moment sicher nicht schaden. Emmeline war schon vor einiger Zeit in der Großen Halle angekommen und hatte sich auf ihrem Stammplatz bei Benjy und Alya niedergelassen und unterhielt sich angeregt mit ihnen. Noch immer war Dorcas erleichtert, dass der Heuler zwar alle Augen auf sie gezogen, aber anscheinend nur die wenigsten interessiert hatte. Eine sanfte Hand legte sich auf ihre Schulter und sie drehte sich leicht zusammenzuckend zu Lily um, die sie anlächelte. "Guten Morgen!", grüßte Dorcas sie und erwiderte das Lächeln. "Hast du das Sammelalbum für Emmeline? Wir sollten es ihr jetzt überreichen, oder?" Lily runzelte einen Moment lang die Stirn und nickte schließlich. "Ja du hast wohl recht.", entgegnete sie und zog das in Geschenkpapier gewickelte Buch heraus. Natürlich hatte das auch den Vorteil beobachten zu können, ob und wenn ja wie, Avery den Brief den sie an ihn verfasst hatte zu aufnahm. Vorsichtig erhob sie sich und schloss sich Lily an, die sich auf den Weg zum Ravenclawtisch machte. "Hey Emmeline!", vorsichtig tippte Lily dem blonden Mädchen vor ihnen auf die Schulter. "Wir haben hier etwas für dich vorbereitet." Ein wenig irritiert musterte die Ravenclaw die beiden Mädchen vor sich und nahm dann zögerlich das lila Päckchen, dass ihr entgegengestreckt wurde, entgegen. Vorsichtig wickelte sie es auf und ihr Blick erhellte sich deutlich. Auch wenn man es nicht direkt gesehen hatte, wer Emmeline etwas länger kannte, konnte in ihrem Gesicht die deutlichen Spuren von Sorge erkennen, die einige Falten in ihre sonst so hübschen Züge gefurcht hatte. Sorge um ihr eigenes Leben. Sorge um Mister Sweets, der sie alle noch immer wie eine unbekannte Bedrohung in Atem hielt. Zum Vorschein kam ein wunderschönes, blaues mit silbernen Verzierungen versehenes Buch. Es war ein Sammelalbum für die Traumprinzen Sammelkarten, die es seit einigen Wochen in der Schule zu kaufen gab und um deren Organisation sich Dorcas, manchmal mit Hilfe von Bertha Jorkins und selten mit Lilys Hilfe, kümmerte. Ein wenig Ähnlichkeit hatte es mit den allseits beliebten Schokofroschkarten, mit der Ausnahme, dass hier die beliebtesten Jungen der Schule abgebildet waren. "Oh! Wie schön! Danke ihr Beiden!", entfuhr es Emmeline und sie umarmte Dorcas und Lily. Dorcas, die über die Umarmung hinweg zum direkt angrenzenden Slytherintisch spähte, sah, dass Avery mittlerweile den Brief in die Hände genommen hatte. Auch nachdem sie die Umarmung mit Emmeline aufgelöst hatte sah sie weiterhin zum Tisch der Slyhterins herüber. Die Büroklammern, die sie extra für seine Sammlung beigefügt hatte, schien er zu ignorieren und las nur den Brief. Die Falte, die zwischen seinen Augen einen immer tiefer werdenden Graben furchte, sah nicht so aus, als wäre er besonders erfreut über ihre Einladung ein Butterbier trinken zu gehen und Dorcas musste einmal tief Luft holen um nicht direkt in Panik zu verfallen. Um nicht zu viel Aufsehen zu erregen sah sie nun wieder zu Lily und Emmeline, die sich weiterhin angeregt über die Sticker mit Siriusmotiv unterhielten und darüber, welchen Klebezauber sie dafür verwendet hatten. Trotzdem wanderte ihr Blick immer wieder zu Avery, der, mittlerweile fertig gelesen hatte, und nun immer wieder, mit verständnisloser Miene, zu Dorcas herüber sah. Ein schüchternes Lächeln umspielte ihre, bis zur Perfektion nachgezogenen, Lippen und ihr Herz machte einen Hüpfer. Avery jedoch wandte sich ab und widmete sich erneut seinem Essen. Immerhin schien er nicht direkt zu seinen Freunden zu gehen und zu petzen. Das stimmte Dorcas ein wenig positiver. Mit einem tiefen Seufzer ließ Dorcas sich auf der Bank neben Benjy Fenwick nieder. "Ich hab 'nen Heuler von Mum bekommen...", erklärte sie augenrollend Alya und Benjy, "...sie hat die leere Flasche Feuerwhiskey unter dem Bett gefunden." Ihre beiden Freunde sahen sie ein wenig ungläubig an, aber Benjy war derjenige, der seine Sprache zuerst wiederfand. "Unterm Bett, Dorcas? Ganz ehrlich? Du brauchst definitiv ein besseres Versteck!", mit leicht ungläubigem Grinsen sah er Dorcas an und musterte sie einen Moment lang. Wie so häufig in der letzten Zeit war sie mal wieder dazu übergegangen gedankenverloren in Richtung des Slytherintisches zu starren. "Heeey!", Benjy stieß ihr leicht mit dem Ellenbogen in die Seite. "Wir überlegen uns da mal was gemeinsam!" Auch Alya nickte eifrig und sah sie aus ihren großen, blauen Augen freundlich an. "Genau...Damit du nicht noch einmal einen Heuler bekommst. Das war sicher nicht so schön..." Ein kichern entfuhr Dorcas und nickte zustimmend. "Ja vermutlich habt ihr recht... Außerdem... voll peinlich hat Mum noch geschrieben ich soll die dicke Strumpfhose anziehen, weil ich so leicht eine Blasenentzündung bekomme. Wirklich erniedrigend das Ganze...", grummelte sie ungehalten, aber dennoch nicht minder amüsiert. Noch eine Weile saß sie bei Benjy und Alya und unterhielt sich mit den Beiden angeregt über die kommenden Unterrichtsstunden, dann verließ sie die große Halle Kapitel 4: Der Geisterrat ------------------------- Weit war das Mittagessen zwar nicht mehr entfernt, aber trotzdem hatte Dorcas bereits wieder Hunger. Aus einem ihr nicht erfindlichen Grund, hatte sie beim Frühstück kaum Hunger gehabt und nicht darüber nachgedacht, dass sie vielleicht Kraft für den Tag benötigen würde. In der Stunde hatten sie Kräuterkunde. Das war zwar sicher nicht Dorcas Steckenpferd, aber trotzdem ein Fach an dem sie sich aktiv beteiligte. Schließlich wollte sie Aurorin werden, wenn das mit den Holyhead Harpies nichts wurde, und dafür musste sie auch in Kräuterkunde einigermaßen abschneiden. Schließlich brauchte man auch Kräuter für die Zaubertränke, die man brauen musste. Gerade war sie dabei gemeinsam mit Evelyn und Mira Talkalot eine Panzerbeere auszuhöhlen, da sah sie, wie in einiger Entfernung James, Sirius, Remus und Peter hinter Miss Pennyfeather, der Professorin für Muggelkunde, und den Slytherins zu einigen aufgestellten Bänken liefen. Am Vortag war noch wesentlich mehr passiert als nur die Bestrafung durch den Henker. James und die Anderen hatten beschlossen, dass sie, nach einem Quidditchverbot für James, welches von Professor McGonagall ausgegangen war, bis zu den ZAG Prüfungen im Wald wie Muggel überleben wollten. Das ganze hatte damit geendet, dass Sirius ausversehen Peter mit einer Muggelwaffe verletzt hatte und Professor Dumbledore schließlich daraus die Konsequenz gezogen hatte, sie bräuchten wohl etwas Nachhilfe in Muggelkunde. Also hatten nun ganz Slytherin und die Jungs von Gryffindor Muggelkunde. Verträumt starrte Dorcas über die Ländereien, die in ein gleißende, warmes Sonnenlicht getaucht waren zu den Gestalten gegenüber herüber. Auch Avery war dabei. Vorsichtig lehnte sie sich gegen eine der Säulen, die den Bereich vor dem Gewächshaus, an dem sie arbeiteten, überdachte. Avery und James schienen einiges an Spaß zu haben. James hatte mal etwas angedeutet, dass ihre inneren Muggel befreundet waren. Kurz wandte Dorcas sich nach hinten um. Eve hing bis zu den Ellenbogen in der Panzerbeere um ihr Inneres zu entfernen, was sie, wofür auch immer, gerade brauchten. Dorcas war mit ihren Gedanken bereits wieder abgeschweift und sah erneut auf die kleine Traube Schüler auf den Ländereien. Sie schienen ein Theaterstück vorzuführen. Worüber genau konnte Dorcas nicht genau erkennen. Alles was sie verstand war, dass sie jemanden mit einer Panzerbeere bewarfen. Ein tiefer Seufzer entfuhr Dorcas, dann wandte sie sich ab und kehrte vollends zu Eve und Mira zurück um ihnen bei ihrer Aufgabe zu helfen. "Ist das die letzte Stunde vor dem Mittagessen?", erkundigte sie sich und half Mira nun dabei die Innereien der Panzerbeere zu entfernen. Mira hatte erwähnt, dass sie das glitschige, schleimige Gefühl an ihren Händen nicht schätzte. Mira, dankbar abgelöst zu werden, zuckte nur mit den Achseln und grinste schief. "Jap!" Dorcas grummelte ungehalten und nahm sich einen der kleinen Löffel um weiter Kerne zu entfernen. Es dauerte noch fast eine halbe Stunde bis die Ganze Panzerbeere ausgehöhlt war. Glücklicherweise hatte Eve zugestimmt die Schnitzereien zu übernehmen. Dorcas konnte zwar zeichnen, traute sich aber einen so präzisen Umgang mit einem Messer eher nicht zu. Dankbar die Doppelstunde Kräuterkunde überstanden zu haben machte sie sich von den Gewächshäusern mit Eve, Lily, Mary und Melanie auf den Weg zur Großen Halle. Kurz vor den Stufen, die in das Eingangsportal führten sah sie sich selbst Barty Crouch Jr. gegenüber, der ihr fies entgegen grinste. Sie konnte diesen kleinen, feigen Schmarotzer nicht ausstehen. Er hing immer mit dem kleinen Black rum und fühlte sich, nur weil sein Vater ein hohes Tier im Ministerium war, wohl besonders erhaben. Zu allem Überfluss wusste sie, dass er Damien einen Drohbrief geschrieben hatte. Weil die anderen Mädchen gerade in ein Gespräch vertieft waren nutzte Dorcas die Gunst der Stunde und rempelte den jüngeren Schüler unsanft mit ihrer Schulter an. Allerdings hatte sie die Rechnung ohne den weinerlichen Petzer gemacht. "Hey!", rief Crouch aus und rieb sich die allem Anschein nach schmerzende Schulter. "Was sollte das Meadowes?!" Ein fieses Grinsen schlich sich auf Dorcas' Gesicht. "Naja was läufst du auch vor meine Füße!" Noch bevor Dorcas es jedoch verhindern konnte sprintete der jüngere Schüler nach vorne und tippte Lily auf die Schulter. "Hey Evans", wandte er sich an Lily, "Deine Freundin Meadowes hat mich angerempelt. Einfach so!" Sofort drehte Lily sich mit vor Wut zuckender Schläfe und strafendem Blick zu Dorcas um. "Fünf Punkte Abzug, Dorcas!" Fassungslos musterte sie ihre Freundin und schüttelte leicht enttäuscht den Kopf. Ohne jemand anderen es hören zu lassen murmelte sie: "Verdient hatte er es jedenfalls... Mieser kleiner Feigling..." Lily seufzte ein wenig theatralisch und die anderen fuhren mit ihrer angeregten Unterhaltung fort. Die wuchtigen Tore des Schlosses öffneten sich für sie alle und sie bogen ab um die große Halle zu betreten. Vor ihnen erstreckten sich die langen Haustische, die wie immer für das Mittagessen gedeckt waren. Trotzdem war etwas anders als sonst. Auch wenn einige Schüler an ihren eigenen Tische verweilten, hatte sich eine Traube von Schülern um den Hufflepufftisch versammelt. Erst als Dorcas und ihre Freundinnen sich ihnen näherten sah sie was vor sich ging. Die meisten der Hausgeister hatten sich an diesem Tisch zusammengefunden. Dorcas runzelte stutzig die Stirn, wandte sich fragend zu Lily und gesellte sich schließlich zum Rest ihres Hauses. Die anderen ihres Jahrgangs - James, Sirius, Remus und Peter - begrüßten sie mit einem Nicken und einem fragenden Schulterzucken. Auch sie machten nicht den Eindruck zu wissen was genau hier vor sich ging. Die Geister, darunter auch der Fast Kopflose Nick, schienen in eine hitzige Diskussion vertieft zu sein. Auf dem Tisch stand eine Wahlurne die zur einen Hälfte schwarz und zu anderen Hälfte weiß bemalt war. Dorcas kam diese Wahlurne unangenehm bekannt vor. Sie erinnerte an den Traum den sie an diesem Morgen gehabt hatte. Ein Blumenmädchen, dass zwiegespalten gewesen war, hatte von allen Schülern eine Abstimmung darüber verlangt ob er, wer auch immer er war, erlöst oder verbannt werden sollte. Dorcas hatte für verbannen gestimmt. Sie schüttelte sich. Plötzlich kam ihr die Große Halle um ein vielfaches kälter vor. Allem Anschein nach war alles näher an ihrer eigenen Lebensrealität als sie es vermutet hätte. Die Graue Dame, mit all ihrer ehrerbietenden Grazie schien mehr als unerfreut zu sein. "Ich weiß nicht...", merkte sie an. "Die Frage ist auch nicht ob, sondern wie, es überhaupt möglich wäre Mister Sweets für immer vom Gelände der Schule zu verbannen. Schließlich attackiert er die Schüler" fiel ihr da Nick ins Wort. Er schien, wie auch der Baron und die Graue Dame mehr als besorgt zu sein. So gefährlich hatte Dorcas die Situation mit Mister Sweets bis zum vorigen Abend nicht eingeschätzt. "Nun", begann da der Baron, "werte Dame ich denke Sir Nicholas hat recht. Ist es überhaupt möglich einen Geist zu erlösen? Könnten wir erlöst werden?" Pikiert sah die Graue Dame den Blutigen Baron an und räusperte sich. "Das ist tatsächlich eine gute Frage." "Die Frage die sich stellt ist, wofür unsere Schützlinge gestimmt haben. Deswegen sage ich, wir sollten die Abstimmung endlich auswerten!", mischte sich schließlich auch der Fette Mönch ein. Ein zustimmendes Raunen ging durch die Reihen der Geister. "Peeves, werte die Abstimmung aus!", befahl der Blutige Baron und wandte sich an die Schüler. Der Poltergeist war während der Diskussion immer wieder hin und her durch die Massen der Schüler geschwirrt und hatte immer mal wieder die Geister in ihrer Diskussion gestört. Jetzt folgte er der Anweisung und nahm die hölzerne kleine Kiste an sich, die vor den Geistern auf dem Tisch stand. Sie schien aus Holz zu sein, war aber auf einer Seite schwarz auf der anderen weiß lackiert. Einen nach dem anderen zählte Peeves die Namen auf, wofür sie gestimmt hatten und führte dazu noch eine Strichliste um nachher den genauen Stand der Auszählung verkünden zu können. Es sah ziemlich schlecht für Mister Sweets aus. Die meisten Schüler hatten dafür gestimmt ihn brutal zu verbannen. Besonders auffällig war allerdings dabei, dass die freundlichen und fairen Hufflepuffs auch dafür waren Mister Sweets zu verbannen. Mit strafendem Blick warf irgendwann der Fette Mönch, als Peeves gerade einen weiteren Hufflepuff genannt hatte ein: "Hufflepuffs? Was habt ihr euch dabei gedacht?" Dorcas schnaubte nur leicht. Sie hielt nicht viel von den Hufflepuffs. Immerzu waren sie sehr auf sich selbst fixiert und gar nicht bedacht darauf fair oder gar freundlich zu sein. Nach einer gefühlten Ewigkeit war die Auszählung durch Peeves beendet. In der großen Halle herrschte totenstille. Dorcas war sich sicher, dass man die Luft hätte schneiden können, wenn man es denn nur versucht hätte. Die Mehrheit hatte dafür gestimmt den Geist zu verbannen. Grausam zu verbannen. Besonders schockiert war die Miene des Fetten Mönchs. Was seine Schüler sich dabei gedacht hatten, konnte er sich scheinbar nichtmal selbst erklären. Das Schweigen dauerte nur einen Moment lang an. Dann begannen alle Schüler wild durcheinander zu plappern und zu diskutieren. Erst der Fast Kopflose Nick, der sich erhob und sie alle mit einer Aufmerksamkeit bedeutenden Geste zum Schweigen brachte, konnte sie alle wieder beruhigen. "Nun, sind denn alle anwesenden Schüler zur Genüge über die Umstände des Todes von Mister Sweets informiert?", erkundigte er sich und sah sie alle an. Dorcas runzelte nachdenklich die Stirn. "Naja", begann sie zögerlich und der Fast Kopflose Nick wandte sich zu ihr, "ich weiß nicht so genau was hier vor sich geht. Ich hab den Geist auch noch nie gesehen." Daraufhin ging ein zustimmendes Raunen durch die Schülermenge. Der Ausdruck auf dem Gesicht des Geistes war verständnislos. Er seufzte und schien sich dann, nach einem Augenblick ein Herz fassen. Nachdem er noch einmal vielsagend in die Gruppe geschaut hatte, berichtete er schließlich von der Geschichte von Mister Sweets. Zu Lebzeiten war er ein Bäckerlehrling gewesen und hatte sich in die Tochter des Bäckers verliebt. Um seine Liebe zu beweisen und um ihre Hand anzuhalten hatte er eines Tages ein Brot für sie gebacken. Auf dem Weg war er von den anderen Lehrlingen des Dorfes aufgehalten und zusammengeschlagen worden. Doch was niemand gewusst hatte, war das Mister Sweets eigentlich ein Magier gewesen war. Ein Unausgebildeter. Als ihm diese Ungerechtigkeit widerfuhr, und er dem Tode nahe, vor seinen Peinigern, auf dem Boden lag brach alle Magie aus ihm heraus und er tötete die anderen Lehrlinge. Dann starb er. Ohne, dass er noch selbst für sein Verbrechen gestraft wurde war er verdammt gewesen in dieser Welt zu verweilen. Der Henker, der James am vorangegangen Abend ausgepeitscht hatte, war gewesen um jemanden für diese Morde zu verurteilen. Ein betretenes Schweigen lag nun wieder über der Großen Halle. Doch dann verlangten alle nach einer erneuten Abstimmung. Schließlich waren sie nun alle über die genauen Ereignisse im Bilde. Nach kaum mehr als zehn Minuten war die erneute Abstimmung durchgeführt und Dorcas war mehr als froh darüber. Sie hatte nun für weiß gestimmt. In ihrem Traum war alles so unwirklich und verschwommen gewirkt, dass sie nicht richtig verstanden hatte worum es ging. Diese Verurteilung wollte sie nicht für den Rest ihres Lebens mit sich herumtragen. Die Auszählung die wieder durch Peeves ausgeführt wurde, war schnell getan und Dorcas, die sich absichtlich bei Avery aufgestellt hatte konnte sehen wofür er abstimmte: weiß. Einen Moment brauchte Peeves, doch dann verkündete er: "Weiß überwiegt." Es dauerte eine Weile, bis der Blutige Baron wieder die Stimme erhob: "Es gibt die Möglichkeit ihn von seinem Leiden zu erlösen und ihm einen letzten Wunsch zu erfüllen. Dazu müsst ihr ein Ritual durchführen. Sobald der Himmel sich nachtschwarz gefärbt hat, soll das Grab von Mister Sweets gefunden werden. Ihr müsst seine Knochen ausgraben. Drei Paare müssen gefunden werden, die folgende Kriterien erfüllen: Sie sind noch nicht in einer Liebesbeziehung, da es Differenzen gibt. Als Zeichen, dass sie bereit sind, diese Probleme zu überwinden sollen sie sich um Mitternacht bei der Zeremonie küssen und aufrichtig erklären, welche Bedeutung dieser Kuss für sie hat. Den Kopf von Mister Sweets müsst ihr finden und seinen restlichen vergrabenen Knochen beigefügt werden. Anschließend soll das Grab wieder mit vielen Blumen hergerichtet werden. Wollt ihr Mister Sweets und sein Blumenmädchen wiedervereinen so müsst ihr süßes Gebäck für das Blumenmädchen im offenen Feuer backen so wie er es zu Lebzeiten stets getan hat. Eine Schülerin soll stellvertretend für die Geliebte des Geistes auftreten." Wieder brachen verschiedene Diskussionen aus und einige der Schüler fanden sich bereits in Gruppen zusammen, die verschiedene der Sachen diskutierten und besprachen, denn ihnen allen war klar was nun zu tun war. Auch Dorcas wurde nun von einer freudigen Erwartung übermannt. Es mussten sich drei Liebespaare finden. Liebespaare die noch nicht zusammen waren. Liebespaare die durch Differenzen noch nicht zueinander gefunden hatten. Und auch wenn sie wusste, was sie wollte, so nagten Zweifel an ihr. Zweifel, ob sie mit der Idee, die sich breiter machte in ihrem Herzen, wirklich etwas erreichen konnte. Wie durch einen Tunnel sah sie James, Sirius Remus und Peter an, die sie zu sich winkten und vorschlugen in den Gemeinschaftsraum zurück zu kehren um dort zu besprechen was nun weiter geschehen sollte. Mit einem Nicken stimmte sie zu und folgte ihnen dann schweigend und in Gedanken versunken aus der Großen Halle. Kapitel 5: Ertappt ------------------ Auch bei ihrem Ziel angelangt hatte Dorcas sich noch nicht wirklich beruhigt. Vermutlich musste sie mit jemandem darüber sprechen. Aber jetzt würden sie sich erstmal gemeinsam als Haus absprechen. Gab es Paare die sich finden konnten? Wenn ja welche würden es sein? Auch wenn die Diskussionen wieder losbrachen, richtig folgen konnte sie ihnen nicht. Sie war noch zu tief in Gedanken versunken. Wenn sie Avery fragen würde, ob sie gemeinsam an dem Ritual teilnehmen würden, war das eigentlich gleichbedeutend mit einer Liebeserklärung. Wenn Dorcas sich dazu durchringen würde, gäbe es für sie kein Zurück mehr. Ihre Gefühle wären dann offen gelegt und so wie sie die Schule kannte würde sich die Nachricht verbreiten wie ein Lauffeuer. Während die Gryffindors, wie schon die anderen Schüler in der Großen Halle, durcheinander schnatterten seufzte Dorcas tief. Vermutlich hatte sie wohl wirklich keine andere Wahl als Lily endgültig ins Vertrauen zu ziehen. Wer, wenn nicht Lily, würde dazu in der Lage sein ihr wenigstens ein wenig Verständnis entgegen zu bringen? Betreten hatte Dorcas sich auf einen der weichen Teppiche fallen gelassen und zerrupfte jetzt eine Serviette. Wenn sie kein Training hatte musste sie ihren Frust eben anderweitig loswerden. Was bot sich da besser an, als eine arme, unschuldige Serviette in tausend Einzelteile zu zerfetzen. "Nun", schloss James, "Wir werden wohl abwarten ob sich einige Pärchen finden werden oder nicht. Schließlich haben wir auch noch ein wenig Zeit. Trotzdem überlegt euch, ob ihr es euch selbst vorstellen könntet." Dorcas runzelte die Stirn und sah Lily, die auch zu ihr herüberblickte, mit Sorge verhangenem Blick entgegen. Ihre Freundin schien bemerkt zu haben, dass sie schlechte Laune hatte. James Blick sagte alles. Er erwartete von ihnen allen, dass sie ihr Bestes gaben um dieses Ritual erfolgreich abzuschließen. Auch wenn er vermutlich nicht besonders stolz darauf war, dieser Schlamassel war auch sein Fehler. Was er verbockt hatte, wollte er nun wieder gerade biegen und er würde nicht eher ruhen als es überstanden war. "Also, macht euch an die Arbeit. Das Brot will auch gebacken werden.", wies er sie an und stand damit auf, gefolgt von Sirius, Remus und Peter, und verließ den Gemeinschaftsraum. Ein weiterer Seufzer entfuhr Dorcas und sie rappelte sich auf. Es half nichts. Die Zeit für das Mittagessen war gekommen. Langsam, als wären ihre Gliedmaße aus Blei, packte sie ihre Schultasche und Utensilien aus Kräuterkunde zur Seite. Schließlich sah sie zu Lily, die ebenfalls aufgeräumt hatte, und nun wartend und mit dem Fuß wippend neben dem Porträtloch stand. Ihre Arme hatte sie vor der Brust verschränkt und ihr Blick musterte Dorcas prüfend. Ja, Lily war stutzig. Ihrer Miene nach zu urteilen würde Dorcas noch vor dem Erreichen der Großen Halle einem Schweizer Käse gleichen. "Gehen wir?", fragte sie ihre Freundin matt. Der Tag würde anstrengend werden. Das hatte sie im Gefühl. "Ja, gehen wir.", nickte Lily Dorcas zu. Einige Korridore gingen sie schweigend nebeneinander her, aber die intensiven prüfenden Blicke, mit denen Dorcas merklich immer wieder bedacht wurde, machten ihr klar, dass das nur die Ruhe vor dem Sturm war. Dorcas war sich mehr als sicher, dass Lily sie noch vor dem Mittagessen zur Rede stellen würde. Kleinigkeiten wie diese entgingen Lily niemals und wenn sie ihr Opfer ersteinmal am Haken hatte gab es kein Entrinnen mehr. Es dauerte noch bis sie schon fast an der Großen Halle angelangt, waren da blieb Lily stehen, wandte sich zu ihr, die funkelnden, grünen Augen zu urteilenden Schlitzen verengt. "Also?", fragte sie. Für einen kurzen, viel zu schönen Moment hatte Dorcas es doch gewagt und Hoffnung gehabt, dass ihr das Gespräch erspart bleiben würde. Seufzend drehte sie sich Lily zu und starrte aus dem Fenster, an dem die Sonne, mitsamt ihrer warmen Strahlen hinter einer dicken, grauen Wolke verschwand. Das würde unangenehm werden. "Hm?", machte Dorcas und leitete einen letzten Versuch der Verzögerung dieses Gespräches ein. Ungläubig die Augenbraue in die Höhe ziehend schüttelte Lily den Kopf. "Nun tu nicht so unwissend, Dorcas. Irgendwas ist hier faul und ich will jetzt von dir wissen was." Dorcas holte tief Luft und seufzte zum wiederholten Male. Ob sie jemals damit aufhören würde? "Also, vielleicht... gibt es jemanden.", begann sie zögerlich. "Jemanden?", hakte Lily streng nach. "Jemanden... mit dem ich das Ritual durchführen könnte...", beendete sie den Satz und die steinernen Bodenplatten zu ihren Füßen erschienen Dorcas mit einem mal viel interessanter als sonst. Sie waren so ein schöner, heller Ton sandfarben. Fast wie die Strände auf dem Isle of Wight. "Dorcaaas", entfuhr es Lily und packte sie sacht aber bestimmt an den Schultern, "nun lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Raus mit der Sprache!" Unsicher und zögernd sah sie nun Lily in die Augen, die sie auch ein wenig besorgt musterten. "Naja...", murmelte Dorcas und erwiderte den Blick schließlich. Was war sie für eine Gryffindor, wenn sie nicht einmal ihrer besten Freundin sagen konnte mit wem sie sich so ein Ritual vorstellen konnte? Eine ziemlich miserable. Immerhin war Lily selbst mit Snape befreundet. Ein wenig Verständnis würde sie also sicherlich für sie haben. Auch wenn sie sicher jetzt auch Sticheleien von Lily einstecken würde, das wäre sicher zu verkraften. Zumal Sirius und James, und auch Remus und Peter ohnehin im Bilde waren, deren Seitenhiebe sie schon seit mehreren Tagen ertrug. "Ich könnte mir vorstellen mit... Avery... an dem Ritual teilzunehmen.", nuschelte sie und senkte den Blick auf ihre Hände. "Avery? Du meinst Avery, den Slytherin?", quetschte sie weiter aus. Zaghaft hob Dorcas ihren Blick wieder und sah Lily in die Augen. Nichts an ihrem Blick gab einen Hinweis darauf, dass sie Dorcas verurteilte oder ihr einen Vorwurf machte. Ruhig und gelassen wirkte ihre Miene als sie geduldig und mit einem sanften Lächeln auf den Lippen die Antwort ihrer Freundin erwartete. "Uhuh.", bestätigte Dorcas diese Aussage und nickte in Gedanken versunken. Jetzt war es raus. "Okay. Hast du... Weiß er-?", begann Lily, schloss die Augen und sammelte sich, "Ich meine weiß er, dass du...?" Dorcas schüttelte den Kopf. "Nein." Mit abwägend zusammengepressten Lippen und gerunzelter Stirn musterte Lily Dorcas einen kurze Weile und nickte dann verständnisvoll. "In Ordnung. Und wann planst du ihn zu fragen?", wollte sie schließlich wissen. Ihre Gedanken sortierend kratzte sich Dorcas am Hinterkopf. "Ich weiß nicht so recht. Also ich wollte eigentlich nur sagen, dass es jemanden gäbe mit dem ich das Ritual durchführen könnte, wenn... es denn notwendig werden würde. Vielleicht gibt es ja noch genug andere die sich zusammen finden...", erklärte sie und zog Lily nun am Arm weiter mit sich. "Komm lass uns erstmal zum Mittagessen gehen...", in ihre Augen trat ein bittender Ausdruck. Noch weiter wollte sie sich darüber in diesem Moment keine Gedanken mehr machen. Die Sorge darüber abgewiesen zu werden würde sie noch lange genug begleiten. Lily gab dem Bitten ihrer Freundin nach und gemeinsam stiegen sie die Treppen der Eingangshalle hinab um die Große Halle zu betreten. Der verzauberte Himmel der Großen Halle zeigte nun einige graue Wolken, die tief über den Haustischen hingen. Vielleicht würde es noch Regen geben. Ohne, dass Dorcas noch etwas dagegen tun konnte wanderte ihr Blick zum Tisch der Slytherins und zu Avery herüber. Von links, wo Lily neben ihr ging spürte Dorcas die brennenden Blicke ihrer Freundin. Avery war in ein Gespräch mit seinen Freunden vertieft und bemerkte ihr Starren zum Glück nicht. Das Mittagessen verflog in einem Schleier aus Lachen und Scherzen mit ihren Freunden, die sich darüber amüsierten wer wohl wenn mit wem am Ritual teilnehmen würde. Lily warf ihr zwar hin und wieder bedeutungsvolle Blicke zu, doch Dorcas ignorierte sie und versuchte sich von der an sich heiteren Laune ihrer Mitschüler anstecken zu lassen. In Gedanken war sie schon beim nächsten Unterricht, Alte Runen. Dorcas fand Runen unglaublich interessant und die Möglichkeit über einfache Schriftzeichen eine magische oder heilenden Wirkung hervorzurufen war mehr als praktisch vor Allem wenn es um Schutzzauber und ähnliches ging. Wenn sie im Sommer bei den Holyhead Harpies nicht punkten konnte, würde sie eine Ausbildung zur Aurorin anstreben und dafür würde sich mit Sicherheit manche schützende Maßnahme einleiten müssen. Nach Runen war Arithmantik vorgesehen, bei dem sich Dorcas seit zwei Jahren fragte warum sie das überhaupt gewählt hatte. Vermutlich weil Lily sie dazu angehalten hatte. Spannend war es in keinem Fall und den Überblick behielt Dorcas nur noch selten. Glücklicherweise würde sie nach ihren ZAGs das Fach endlich abwählen können. Sie nutzte das Fach meist um sich auf anderen Unterricht vorzubereiten oder Hausaufgaben zu machen und büffelte nur für die Prüfungen gemeinsam mit Lily, die ihr das ganze wesentlich besser verklickern konnte als der leicht verschrobene Professor. Nach dem Mittagessen beschloss Dorcas ein wenig Zeit allein zu verbringen und sich irgendwo an einen der großen Bäume auf dem Schulgelände zu lehnen. Dort fühlte sie sich immer sicher und geborgen, fast so wie an der großen Weide die bei ihnen zu Hause im Garten stand. Langsam schlenderte sie über das Gelände und schlang ihren Umhang enger um ihren Körper. Die Wolken, die noch immer bedrohlich und grau über den Ländereien Hogwarts hingen schienen sich noch Zeit zu lassen bis sie das Schloss und seine Bewohner endgültig hinter einem grauen Schleier aus Nieselregen verhüllen würde. Auf ihrem Weg zu dem von ihr auserkorenen Baum, sah Dorcas wie sich Peter, nicht unweit des Baumes, mit Rookwood unterhielt. Rookwood war ein unangenehmer Geselle. Slytherin - von der grobschlächtigeren Sorte - und in ihrem Jahrgang. Vor ein paar Monaten hatte Dorcas ihn bei einem Quidditchspiel mit einem Klatscher am Kopf getroffen und er hatte mehrere Wochen im St. Mungos gelegen. Seither war er noch boshafter geworden, falls das überhaupt noch möglich war. Trotzdem schien Peter sich auf einer unerwartet freundlichen Ebene mit Rookwood zu unterhalten. Dorcas näherte sich den beiden und sah Peter fragend fast verständnislos an. "Was willst du von der Schlange?" Peter, der ihr teils den Rücken zugekehrt hatte, wandte sich um und erwiderte ihren Blick mit einem selbstzufriedene Lächeln auf den Lippen. "Nicht mehr und nicht weniger als du, Dorcas. Hab gehört du stehst auf Schlangen?", konterte Peter. Das war zu viel. Auf dem Absatz machte Dorcas kehrt, ihre Haare und ihr Umhang wurden von einer starken Windböe erfasst und flatterten um sie herum. Ihre Nase begann zu kribbeln und sie spürte wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Wütend stampfend und mit heißen, über die Wangen laufenden Tränen, kehrte sie ins Schloss zurück. Ohne ihre Umgebung wirklich wahrzunehmen stapfte sie alle Stockwerke nach oben zurück in den Gryffindor Gemeinschaftsraum, wo sie bei dem durchsteigen durch das Porträtloch Lily anrempelte die sie nur verwundert ansah. Sie wollte sich einfach nur noch in ihrem Bett verkriechen. So schnell ihre Beine sie trugen machte sie sich auf den Weg in ihren Schlafsaal. Ihr Tasche und ihren Zauberstab ließ sie vor ihrem Bett fallen und verkroch sich unter einer der schweren Wolldecken die die Hauselfen vor einigen Tagen für sie bereitgelegt hatten. Schluchzend vergrub sie ihr Gesicht in den Knie, die sie zu sich herangezogen hatte. Es war so unfair. Peter hatte doch keine Ahnung wovon er sprach. Dorcas hatte sich ihre Gefühle schließlich nicht ausgesucht und wenn sie konnte würde sie etwas daran ändern. Da waren einfach zu viele Ungereimtheiten. Allein die Tatsache, aus was für Familien sie stammten machte das Ganze fast schon lächerlich. Die Tür, die sie zuvor hinter sich zugeschlagen hatte, öffnete sich mit einem sachten knarzen und Lily betrat den dunklen Schlafsaal der Fünftklässlerinnen. Kerzen hatten die Hauselfen noch nicht angezündet und so saß Dorcas zusammengekauert unter ihrer roten Wolldecke auf ihrem Bett und schluchzte leise. Auch wenn sie mit Peter nicht eng befreundet war, so hatte sie nicht erwartet, dass er so verletzend sein konnte. Etwas schweres stützte sich zusätzlich auf ihren Knie ab und sie sah auf. Aus geschwollenen und von Tränen benetzten Augen sah sie ihrer Freundin in die sorgenvoll zusammengezogenen Augen. "Hey... was ist los?", erkundigte sie sich vorsichtig, "Hast du mit Avery gesprochen?" Langsam schüttelte sie den Kopf. "Peter ha-hat, er hat vor Rookwood sowas fallen gelassen. Ich glaube Sirius hat wirklich geplaudert...Und er hat gesagt, dass ich auf Schlangen st-stehe und...", die anderen Worte, die sie noch sprechen wollte wurde von ihren Schluchzern verschluckt. Vorsichtige entwirrte Lily Dorcas Arme, Haare und Beine die noch immer zusammengekauert waren und umarmte ihre Freundin fest und wiegte sie zur Beruhigung ein wenig hin und her. Es dauerte eine Weile, dann hatte Dorcas sich zumindest weitesgehend wieder eingekriegt und wischte sich vorsichtig das Gesicht ab. "Peter ist dumm Dorcas, der hat das sicher nicht mit Absicht gemacht. Du weißt doch, dass er nicht über solche Dinge nachdenkt.", Lily hielt einen Moment inne, "Und was Sirius anbelangt, wenn er James gegenüber ausgepackt hat, ist der Drops jetzt ohnehin gelutscht." Dorcas kicherte leise. "Da hast du wohl recht.", murmelte sie. "Was meinst du soll ich jetzt tun Lily?", unsicher spielte sie an einer ihrer Haarsträhnen. "Hm...", überlegte das rothaarige Mädchen kurz, "Warte einfach ab. Es kann doch sein, dass sich etwas ergibt wo du mit Avery mal in Ruhe reden kannst, oder?" Mit nachdenklich gekrauster Stirn starrte Dorcas eine Weile ins Nichts. Dann nickte sie langsam. Ja. Sie würde noch eine Weile abwarten. Vielleicht ergab sich einfach so etwas. Kapitel 6: Am Herzbaum ---------------------- Die nächste Stunde Unterricht ließ noch etwas auf sich warten, also beschloss Dorcas, sich eine Weile auf den Ländereien nieder zu lassen um dort ein bisschen zu schnitzen. Schnitzen war etwas, mit dem sie sich hervorragend ablenken konnte. Besonders gut war sie vielleicht nicht darin, aber die Hauptsache war beim Schnitzen eigentlich, dass sie auf andere Gedanken kam. Also schnappte sie sich einen Stock, der unter einem Baum lag und ließ sich schließlich an den Stamm des Baumes gelehnt nach zu Boden sinken. Bedächtig fing sie an zu schnitzen. Vielleicht würde sie einen Runenstab herstellen. Zum Schutz ihrer Freunde. Wer wusste schon was noch alles passieren würde. Besser auf Nummer sicher gehen. Mit den ersten Stücken Rinde die von dem Stock wichen merkte sie bereits wie ihre Anspannung langsam aber sicher verebbte und sie sich wohler fühlte. Eine sachte und warme Brise fuhr durch die Blätter der Bäume nahe am Waldrand, raschelte und die Baumkronen wiegten sich träge im milden Sommerwind. Der Wald war zwar verboten und gerade nach der Sache mit Meaghan und Morag war es sicher alles Andere als ein sicherer Ort, und dennoch fühlte sie sich unter den Bäumen sicher. Sicher denn Dorcas wusste, dass sie, die Schüler von Hogwarts aber sie besonders die Freundschaft des Waldes hatten. Die uralte und alles durchdringende Magie des Herzbaumes hatte Ragnar zerstört doch Dorcas und ihren Mitschülern war es gelungen einen Samen für einen neuen Herzbaum zu finden und ihn zu setzen. Sie hatte ihn gehegt und gepflegt. Ihn besungen und mit ihm gesprochen, ihm ihre Liebe geschenkt und ihn dreimal täglich im Abstand von vier Stunden mit drei winzigen Tropfen Wasser gegossen bis sie ihn schließlich in einem umständlichen Ritual hatten aussäen können. Seither fühlte sie sich in der Gegenwart der Bäume einfach nur noch wohler als sie es früher als Kind getan hatte. In ihrem Garten zu Hause in Hogsmeade stand eine riesige Trauerweide deren lange und biegsame Äste ihr als Kind wie ein Haus gewesen waren. Immer wenn sie alleine sein wollte oder nachdenken musste hatte sie sich schon als kleines Kind dorthin zurückgezogen. In der Gegenwart von Bäumen fühlte sie sich einfach wohl und geborgen. Friedlich. Deswegen hatte sie sich wohl auch genau diesen Platz auserkoren um zu schnitzen. Mit jedem weiteren Schnitt wurden ihre eigenen Gedanken klarer und Dorcas versank für eine Weile ganz und gar in ihrer Arbeit. So bemerkte sie auch nicht wie sich, wohl ganz in ein Gespräch vertieft James und Rookwood näherten. Dorcas arbeitete noch eine ganze Zeit an ihrem Runenstab, bis sie bemerkte, dass es wirklich langsam Zeit für sie wurde in die nächste Unterrichtsstunde zu gehen. Schließlich standen in diesem Schuljahr noch die ZAG-Prüfungen an und sie wollte so gut wie möglich abschneiden um die Chance auf eine Ausbildung zur Aurorin zu bekommen. Das konnte aber nur gelingen wenn sie die entsprechende Menge ZAGs bekam um dann in den entsprechenden UTZ-Kursen angenommen zu werden. Noch nicht besonders eilig verstaute Dorcas ihre Sachen in ihrer Tasche und stand gemächlich auf. Sie hatte noch keine Eile. Ohne wirklich zu verstehen worüber James und Rookwood sprachen ging sie mit etwas Abstand an den beiden vorbei. Erst als sie genau auf ihrer Höhe war konnte sie einige Gesprächsfetzen überhören. Anscheinend beschwerte James sich, dass er keine Valentinstagkarte von Rookwood bekommen hatte und sie diskutierten über mögliche Paare für das Ritual. Als James sie bemerkte machte sich ein Grinsen auf seinem Gesicht breit. "Warum nimmst du nicht mit Dorcas teil, Rookwood? Ich hab' gehört sie steht auf Slytherins." Das war zu viel für sie. "Du bist so ein Arsch!", fuhr sie ihn an, machte auf dem Absatz kehrt und rauschte an den verdatterten Jungs vorbei auf in den Wald. Ihre Augen brannten mit Tränen die schon begonnen hatten über ihre Wangen zu fließen. Wütend und verletzt zugleich stapfte sie ohne mit der Wimper zu zucken in den verbotenen Wald hinein. Ihr Ziel hatte sie klar vor Augen. Den Herzbaum. Seit sie ihn vor mehreren Wochen gesetzt hatten war er schon mehr gewachsen als es für normale Bäume üblich war. Aber immerhin war es ja auch ein magischer Baum. Die sich im Wind wiegenden Äste verliehen ihr ein Gefühl von Erleichterung. Das Rauschen und Rascheln der Blätter war fast so beruhigend wie das Schlaflied, welches ihr Vater ihr früher immer vorgesungen hatte. Was dachte sich James nur? So ein Geheimnis einfach an Rookwood weiter zu geben? Auch wenn Dorcas sich mittlerweile sicher war, dass James das Quidditchspiel gegen Hufflepuff mit Absicht verloren hatte, hatte sie es den Anderen gegenüber nach ihrem Geburtstag aber nicht mehr verraten. Sie fühlte sich verraten von einem ihrer engsten Freunde. Sie konnte nichts für ihre Gefühle und das niemand Rücksicht auf sie nahm machte Dorcas traurig. Ja vielleicht waren es Gefühle die nicht jeder von ihnen nachvollziehen konnte, aber sie waren nun mal da und sie selbst musste damit zurechtkommen. Gerade von James hatte sie mehr erwartet, der schließlich in einer nicht ganz unähnlichen Position steckte. Es dauerte vielleicht fünf Minuten strammer Wanderung die sie betrübt durch den Wald stapfte bis sie schließlich auf der kleinen Lichtung mit dem neuen Herzbaum ankam. Erschöpft ließ sie sich am Stamm des mittlerweile wirklich schon beachtlichen Baumes herunterrutschen und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Die Anwesenheit des Baumes beruhigte sie. Es fühlte sich an als wäre ein Guter Freund bei ihr. Jemand mit dem sie sich verbunden fühlte. Wie die bedingungslose Liebe eines Kindes zu seiner Mutter. Es dauerte eine Weile bis ihre Schluchzer leicht in den Geräuschen des Waldes verebbten und neue hinzukamen. Fußschritte, die zügig und sicher über den unebenen und von Wurzeln durchzogenen Waldboden traten. Mit von Tränen verschleiertem Gesicht hob Dorcas ihren Blick. James stand vor ihr. Nur ein wenig außer Atem. Er ging oft morgens auf den Ländereien laufen um für Quidditch gewappnet zu sein. "Was willst du?", entfuhr es Dorcas noch ehe sie sich eigentlich dafür entschlossen hatte mit James zu sprechen. Sie war verletzt von einem ihrer besten Freunde. Auch wenn sie sicher keine so enge Beziehung zueinander führten wie James, Sirius, Peter und Remus, war er einer der Menschen die für sie am wichtigsten waren. Einen derartigen Seitenhieb von ihm zu bekommen, gerade vor Rookwood, tat mehr als weh. Sie sah ihn nicht an, starrte auf den Boden vor sich und versuchte Interesse an einem Käfer zu zeigen der über den Waldboden krabbelte. Dorcas konnte hören wie James unruhig auf der Stelle herumtrat, an der er stand. Immerhin schien ihm diese Situation nun auch wirklich unangenehm zu sein. Das war mehr als verdient wie sie fand und Dorcas beschloss ihn zumindest noch einen kleinen Augenblick auf heißen Kohlen sitzen zu lassen. "Sorry Dorcas", murmelte James irgendwann in das unangenehme Schweigen hinein, "das war echt scheiße von mir." Damit hatte sie nicht gerechnet. Verdutzt sah sie auf. James war in der Regel niemand der sich entschuldigte. "Ich nehme an Sirius hat gepetzt...", schloss Dorcas mit schwacher Stimme. James nickte zustimmend. Das hatte sie sich schon gedacht, trotzdem war es irgendwie unangenehm nochmal die Bestätigung zu haben, dass ihr Haus über ihre Gefühle sprach wenn sie nicht anwesend war. Eigentlich konnte das doch allen egal sein. Ein leiser Seufzer ging über Dorcas' Lippen. "Ist jetzt schon etwas spät für eine Entschuldigung oder? Weißt du, manchmal kann ich schon verstehen, dass Lily so über dich schimpft. Du kannst ein ganz schöner Idiot sein, James.", schloss sie schließlich und sah ihn an. Verlegen fuhr James sich durchs Haar. "Ich weiß das war dumm, tut mir Leid ich habe nicht darüber nachgedacht was ich sage..." Dorcas lachte leise auf. "Gerade du solltest doch wissen, wie sich sowas anfühlt.", mahnte sie ihn. James, der sie unentwegt ansah, schwieg weiter. Aufmerksam sah er sie an und schien sich auf eine Standpauke gefasst zu machen. Dorcas war das eigentlich egal. Sie wollte James nicht belehren sie wollte James klar machen, dass er sie wirklich verletzt hatte. Wer wusste schon was Rookwood mit diesen neuen Informationen tun würde? "Ja", antwortete er nach einem Moment in dem sie sich beide erneut angeschwiegen hatten. "Lily war wirklich fertig gestern Abend. Dich so zu sehen war wirklich schwer für sie. Weißt du, wenn du dich nicht immer anstellen würdest wie der letzte Trottel, dann würde sie dich wirklich mögen.", nachdenklich beobachtete Dorcas wie James über ihre Worte nachdachte. Sie schien damit genau ins Schwarze getroffen zu haben. Das war eine Vermutung die sie schon seit längerem gehegt hatte, sich aber nie getraut hatte darüber auch wirklich zu sprechen. Mit gerunzelter Stirn sah James sie eine Weile kritisch an und entgegnete dann: "Wenn sie da ist, dann kann ich nicht mehr klar denken. Mein Herz pocht wie wild. Es fällt mir einfach leichter es zu ertragen wenn ich von ihr eine Abfuhr bekomme, weil ich einen dummen Spruch ablasse, als dass ich mit ihr ernsthaft über meine Gefühle spreche." "Aber James, warum zeigst du ihr das nicht mal diese Seite von dir?", erkundigte sich Dorcas. Sie konnte nicht begreifen, dass James es nicht schaffte mal einen ganz normalen Satz mit Lily auszutauschen, ohne dass es darum ging wann sie ausgehen würden. Vehement schüttelte der Kapitän der Quidditchmannschaft Gryffindors den Kopf. Dorcas seufzte genervt. So würde das ja nie was werden. Trotzdem. Hier ging es auch um sie selbt. "Genau aus dem Grund habe ich mich bisher nie jemandem anvertraut. Ich meine... er ist Slytherin." James schnaubte leise und hätte sie noch die Kraft gehabt hätte Dorcas ihn sicher geschlagen doch gerade war sie einfach zu ausgelaugt dafür. "Aber mit Avery darüber gesprochen hast du noch nicht?", wollte er wissen. Ein Kopfschütteln von Dorcas reichte aus um das für ihn zu beantworten. Nachdenklich kratzte James sich am Hinterkopf. "Nunja...", gedankenversunken ließ er seinen Blick schweifen, "Und können wir jetzt endlich von diesem furchtbaren Platz weg?" "Hä", machte Dorcas irritiert bis ihr auffiel, was er meinte, "Oh... oh. Scheiße. Tschuldigung", entschuldigte sie sich und stand hastig auf. Hier am Rande der Richtung war er noch am Abend zuvor von diesem komischen Henker für etwas bestraft worden, was er selbst gar nicht verbrochen hatte. Gerade als sie losgehen wollte hielt James inne. "Vielleicht ist dann jetzt ein günstiger Zeitpunkt ihn darauf anzusprechen?", schlug er vor und deutete in Richtung des Waldrandes auf der kleinen Lichtung. Dort, in seine normale Schuluniform gekleidet und in den warmen Umhang gewickelt, stand Avery und sah sie eingehend an. Als er erkannte, dass sie Beide ihn bemerkt hatte kam er auf sie zugeschritten. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, nur um dann wieder wie wild in ihrer Brust zu schlagen. Ein mulmiges Gefühl überkam sie und sie starrte auf ihre Füße. Was machte Avery hier im Wald? Die letzten Tage und Wochen hatte sie immer wieder in Gedanken versunken zu ihm herüber geschaut. Nachgedacht wie es wohl sein würde mit ihm über alles zu sprechen. Ihm alles anzuvertrauen. Trotzdem hatte sie sich das nicht getraut. Mit wenigen Schritten hatte Avery die Lichtung überquert und stand nun direkt vor ihr. Durchdringend sah er Dorcas an und sie war sich sicher, dass gerade jetzt in diesem Moment mindestens fünf Pickel neu in ihrem Gesicht aufblühen mussten. "Kann ich kurz mit dir sprechen, Meadowes?", fragte er kurz angebunden ohne James auch nur eines Blickes zu würdigen. "Ich lass euch zwei dann mal alleine. Du kommst klar Dorcas oder?", versicherte James sich bevor er sich auf den Weg aus dem Wald heraus machte. Avery wartete bis James außer Hörweite war dann begann er zu sprechen: "Ich weiß nicht wie viel du davon mitbekommen hast, aber Thicknesse wird uns mit Sicherheit bestrafen." Unsicher wandte Dorcas ihre Augen von Avery ab, um seinem stechenden Blick zu entgehen, und wandte sich stattdessen ihren Händen und vielmehr ihrem Zauberstab zu. Nervös und aufgewühlt drehte sie ihn unaufhörlich in ihren Händen hin und her als könnte er sie dadurch in irgendeiner Weise beruhigen. "Aber wir haben einen Plan", fuhr der Slytherin fort, "dafür brauche ich deine Hilfe." Mit sorgenvoll zusammengezogenen Augenbrauen sah Dorcas wieder zu ihm auf. "Wofür?" Avery erwiderte den Blick mit entschlossener Miene. "Wenn wir uns alle dazu bekennen schwarze Magie angewandt haben, dann kann Dumbledore sicher nicht den ganzen fünften Jahrgang durch Thicknesse bestrafen lassen. Er wird dann bestimmt eine eigene Strafe verhängen und wir fliegen nicht von der Schule." Das leuchtete ein. Auch wenn es vielleicht nicht die günstigste Entscheidung sein würde, da sie selbst nicht die Magie angewandt hatten. Die Slytherins hatten das zum Wohl der Schule getan, wenn es jetzt im Nachhinein nach hinten los gegangen war. Trotzdem war Dorcas bereit dazu ihren Mitschülern, allen voran Avery, zu helfen. "Ich... also...", begann Dorcas bekam aber nichts weiter raus und sah verlegen auf ihren Zauberstab an dem sie nun erneut rumnestelte, "Also ich wäre bereit mit für euch einzustehen... also wenn das bedeuten würde, dass niemand nach Askaban kommt oder von der Schule fliegt." Es kostete Dorcas alle ihre Überwindung, den Blick zu heben, und Avery wieder direkt anzusehen. Er sah erleichtert aus. "Was genau soll ich noch tun? Kann ich sonst noch irgendwie helfen?" Avery wich ihrem Blick aus und sah in die Ferne zum Rand der Lichtung. "Ja... vielleicht gelingt es dir dein Haus davon zu überzeugen? Wir haben es immerhin für die Schule getan..." Leise seufzte sie und nickte dann. "Das kann ich tun.", schloss sie nach einer Weile, in der sie ihn von der Seite angestarrt hatte. Verwundert sah er auf, als hätte er nicht damit gerechnet. "Danke, wirklich Dorcas." Schüchtern lächelte sie ihn an und nickte dann. "Kein Problem, wir müssen doch zusammenhalten. Wer weiß was Ragnar sonst noch im Schild führt..." "Richtig.", schloss er, "Also ich kann auf dich zählen richtig?" Erneut nickend bestätigte Dorcas und Avery wand sich zum gehen. "Dann bis später." Während Averys Figur immer kleiner wurde und schließlich im Wald, in Richtung des Schlosses, verschwand starrte Dorcas ihm in Gedanken versunken hinterher. Vielleicht war es doch nicht so unrealistisch? Vielleicht mochte Avery sie doch? Immerhin war er zu ihr gekommen und zu sonst niemand anderem? Sie seufzte leise. Muggelkunde würde bald anfangen und sie musste noch ihre Tasche holen. Sachte strich sie über die Rinde des Herzbaumes. Er schien ihr wirklich Glück zu bringen. Ein liebesvolles Lächeln machte sich auf ihren Lippen breit und blieb dort bis sie schließlich die Ländereien erreicht hatte und sich zur nächsten Stunde des Unterrichts auf den Weg machte. Die Unterredung mit den Gryffindors würde noch warten müssen. Eine so schwerwiegende Entscheidung einfach zwischen den Stunden zu fällen würde nicht gehen, soviel stand fest. Trotzdem verließ sie den Wald, wie so oft mit einem wesentlich besseren Gemüt. Alles schien leichter und die Strahlen der Frühlingssonne schienen sie nun durch und durch zu wärmen. Vielleicht würde ja doch noch alles gut. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)