Löwenherz von Himmelslied ================================================================================ Kapitel 5: Ertappt ------------------ Auch bei ihrem Ziel angelangt hatte Dorcas sich noch nicht wirklich beruhigt. Vermutlich musste sie mit jemandem darüber sprechen. Aber jetzt würden sie sich erstmal gemeinsam als Haus absprechen. Gab es Paare die sich finden konnten? Wenn ja welche würden es sein? Auch wenn die Diskussionen wieder losbrachen, richtig folgen konnte sie ihnen nicht. Sie war noch zu tief in Gedanken versunken. Wenn sie Avery fragen würde, ob sie gemeinsam an dem Ritual teilnehmen würden, war das eigentlich gleichbedeutend mit einer Liebeserklärung. Wenn Dorcas sich dazu durchringen würde, gäbe es für sie kein Zurück mehr. Ihre Gefühle wären dann offen gelegt und so wie sie die Schule kannte würde sich die Nachricht verbreiten wie ein Lauffeuer. Während die Gryffindors, wie schon die anderen Schüler in der Großen Halle, durcheinander schnatterten seufzte Dorcas tief. Vermutlich hatte sie wohl wirklich keine andere Wahl als Lily endgültig ins Vertrauen zu ziehen. Wer, wenn nicht Lily, würde dazu in der Lage sein ihr wenigstens ein wenig Verständnis entgegen zu bringen? Betreten hatte Dorcas sich auf einen der weichen Teppiche fallen gelassen und zerrupfte jetzt eine Serviette. Wenn sie kein Training hatte musste sie ihren Frust eben anderweitig loswerden. Was bot sich da besser an, als eine arme, unschuldige Serviette in tausend Einzelteile zu zerfetzen. "Nun", schloss James, "Wir werden wohl abwarten ob sich einige Pärchen finden werden oder nicht. Schließlich haben wir auch noch ein wenig Zeit. Trotzdem überlegt euch, ob ihr es euch selbst vorstellen könntet." Dorcas runzelte die Stirn und sah Lily, die auch zu ihr herüberblickte, mit Sorge verhangenem Blick entgegen. Ihre Freundin schien bemerkt zu haben, dass sie schlechte Laune hatte. James Blick sagte alles. Er erwartete von ihnen allen, dass sie ihr Bestes gaben um dieses Ritual erfolgreich abzuschließen. Auch wenn er vermutlich nicht besonders stolz darauf war, dieser Schlamassel war auch sein Fehler. Was er verbockt hatte, wollte er nun wieder gerade biegen und er würde nicht eher ruhen als es überstanden war. "Also, macht euch an die Arbeit. Das Brot will auch gebacken werden.", wies er sie an und stand damit auf, gefolgt von Sirius, Remus und Peter, und verließ den Gemeinschaftsraum. Ein weiterer Seufzer entfuhr Dorcas und sie rappelte sich auf. Es half nichts. Die Zeit für das Mittagessen war gekommen. Langsam, als wären ihre Gliedmaße aus Blei, packte sie ihre Schultasche und Utensilien aus Kräuterkunde zur Seite. Schließlich sah sie zu Lily, die ebenfalls aufgeräumt hatte, und nun wartend und mit dem Fuß wippend neben dem Porträtloch stand. Ihre Arme hatte sie vor der Brust verschränkt und ihr Blick musterte Dorcas prüfend. Ja, Lily war stutzig. Ihrer Miene nach zu urteilen würde Dorcas noch vor dem Erreichen der Großen Halle einem Schweizer Käse gleichen. "Gehen wir?", fragte sie ihre Freundin matt. Der Tag würde anstrengend werden. Das hatte sie im Gefühl. "Ja, gehen wir.", nickte Lily Dorcas zu. Einige Korridore gingen sie schweigend nebeneinander her, aber die intensiven prüfenden Blicke, mit denen Dorcas merklich immer wieder bedacht wurde, machten ihr klar, dass das nur die Ruhe vor dem Sturm war. Dorcas war sich mehr als sicher, dass Lily sie noch vor dem Mittagessen zur Rede stellen würde. Kleinigkeiten wie diese entgingen Lily niemals und wenn sie ihr Opfer ersteinmal am Haken hatte gab es kein Entrinnen mehr. Es dauerte noch bis sie schon fast an der Großen Halle angelangt, waren da blieb Lily stehen, wandte sich zu ihr, die funkelnden, grünen Augen zu urteilenden Schlitzen verengt. "Also?", fragte sie. Für einen kurzen, viel zu schönen Moment hatte Dorcas es doch gewagt und Hoffnung gehabt, dass ihr das Gespräch erspart bleiben würde. Seufzend drehte sie sich Lily zu und starrte aus dem Fenster, an dem die Sonne, mitsamt ihrer warmen Strahlen hinter einer dicken, grauen Wolke verschwand. Das würde unangenehm werden. "Hm?", machte Dorcas und leitete einen letzten Versuch der Verzögerung dieses Gespräches ein. Ungläubig die Augenbraue in die Höhe ziehend schüttelte Lily den Kopf. "Nun tu nicht so unwissend, Dorcas. Irgendwas ist hier faul und ich will jetzt von dir wissen was." Dorcas holte tief Luft und seufzte zum wiederholten Male. Ob sie jemals damit aufhören würde? "Also, vielleicht... gibt es jemanden.", begann sie zögerlich. "Jemanden?", hakte Lily streng nach. "Jemanden... mit dem ich das Ritual durchführen könnte...", beendete sie den Satz und die steinernen Bodenplatten zu ihren Füßen erschienen Dorcas mit einem mal viel interessanter als sonst. Sie waren so ein schöner, heller Ton sandfarben. Fast wie die Strände auf dem Isle of Wight. "Dorcaaas", entfuhr es Lily und packte sie sacht aber bestimmt an den Schultern, "nun lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Raus mit der Sprache!" Unsicher und zögernd sah sie nun Lily in die Augen, die sie auch ein wenig besorgt musterten. "Naja...", murmelte Dorcas und erwiderte den Blick schließlich. Was war sie für eine Gryffindor, wenn sie nicht einmal ihrer besten Freundin sagen konnte mit wem sie sich so ein Ritual vorstellen konnte? Eine ziemlich miserable. Immerhin war Lily selbst mit Snape befreundet. Ein wenig Verständnis würde sie also sicherlich für sie haben. Auch wenn sie sicher jetzt auch Sticheleien von Lily einstecken würde, das wäre sicher zu verkraften. Zumal Sirius und James, und auch Remus und Peter ohnehin im Bilde waren, deren Seitenhiebe sie schon seit mehreren Tagen ertrug. "Ich könnte mir vorstellen mit... Avery... an dem Ritual teilzunehmen.", nuschelte sie und senkte den Blick auf ihre Hände. "Avery? Du meinst Avery, den Slytherin?", quetschte sie weiter aus. Zaghaft hob Dorcas ihren Blick wieder und sah Lily in die Augen. Nichts an ihrem Blick gab einen Hinweis darauf, dass sie Dorcas verurteilte oder ihr einen Vorwurf machte. Ruhig und gelassen wirkte ihre Miene als sie geduldig und mit einem sanften Lächeln auf den Lippen die Antwort ihrer Freundin erwartete. "Uhuh.", bestätigte Dorcas diese Aussage und nickte in Gedanken versunken. Jetzt war es raus. "Okay. Hast du... Weiß er-?", begann Lily, schloss die Augen und sammelte sich, "Ich meine weiß er, dass du...?" Dorcas schüttelte den Kopf. "Nein." Mit abwägend zusammengepressten Lippen und gerunzelter Stirn musterte Lily Dorcas einen kurze Weile und nickte dann verständnisvoll. "In Ordnung. Und wann planst du ihn zu fragen?", wollte sie schließlich wissen. Ihre Gedanken sortierend kratzte sich Dorcas am Hinterkopf. "Ich weiß nicht so recht. Also ich wollte eigentlich nur sagen, dass es jemanden gäbe mit dem ich das Ritual durchführen könnte, wenn... es denn notwendig werden würde. Vielleicht gibt es ja noch genug andere die sich zusammen finden...", erklärte sie und zog Lily nun am Arm weiter mit sich. "Komm lass uns erstmal zum Mittagessen gehen...", in ihre Augen trat ein bittender Ausdruck. Noch weiter wollte sie sich darüber in diesem Moment keine Gedanken mehr machen. Die Sorge darüber abgewiesen zu werden würde sie noch lange genug begleiten. Lily gab dem Bitten ihrer Freundin nach und gemeinsam stiegen sie die Treppen der Eingangshalle hinab um die Große Halle zu betreten. Der verzauberte Himmel der Großen Halle zeigte nun einige graue Wolken, die tief über den Haustischen hingen. Vielleicht würde es noch Regen geben. Ohne, dass Dorcas noch etwas dagegen tun konnte wanderte ihr Blick zum Tisch der Slytherins und zu Avery herüber. Von links, wo Lily neben ihr ging spürte Dorcas die brennenden Blicke ihrer Freundin. Avery war in ein Gespräch mit seinen Freunden vertieft und bemerkte ihr Starren zum Glück nicht. Das Mittagessen verflog in einem Schleier aus Lachen und Scherzen mit ihren Freunden, die sich darüber amüsierten wer wohl wenn mit wem am Ritual teilnehmen würde. Lily warf ihr zwar hin und wieder bedeutungsvolle Blicke zu, doch Dorcas ignorierte sie und versuchte sich von der an sich heiteren Laune ihrer Mitschüler anstecken zu lassen. In Gedanken war sie schon beim nächsten Unterricht, Alte Runen. Dorcas fand Runen unglaublich interessant und die Möglichkeit über einfache Schriftzeichen eine magische oder heilenden Wirkung hervorzurufen war mehr als praktisch vor Allem wenn es um Schutzzauber und ähnliches ging. Wenn sie im Sommer bei den Holyhead Harpies nicht punkten konnte, würde sie eine Ausbildung zur Aurorin anstreben und dafür würde sich mit Sicherheit manche schützende Maßnahme einleiten müssen. Nach Runen war Arithmantik vorgesehen, bei dem sich Dorcas seit zwei Jahren fragte warum sie das überhaupt gewählt hatte. Vermutlich weil Lily sie dazu angehalten hatte. Spannend war es in keinem Fall und den Überblick behielt Dorcas nur noch selten. Glücklicherweise würde sie nach ihren ZAGs das Fach endlich abwählen können. Sie nutzte das Fach meist um sich auf anderen Unterricht vorzubereiten oder Hausaufgaben zu machen und büffelte nur für die Prüfungen gemeinsam mit Lily, die ihr das ganze wesentlich besser verklickern konnte als der leicht verschrobene Professor. Nach dem Mittagessen beschloss Dorcas ein wenig Zeit allein zu verbringen und sich irgendwo an einen der großen Bäume auf dem Schulgelände zu lehnen. Dort fühlte sie sich immer sicher und geborgen, fast so wie an der großen Weide die bei ihnen zu Hause im Garten stand. Langsam schlenderte sie über das Gelände und schlang ihren Umhang enger um ihren Körper. Die Wolken, die noch immer bedrohlich und grau über den Ländereien Hogwarts hingen schienen sich noch Zeit zu lassen bis sie das Schloss und seine Bewohner endgültig hinter einem grauen Schleier aus Nieselregen verhüllen würde. Auf ihrem Weg zu dem von ihr auserkorenen Baum, sah Dorcas wie sich Peter, nicht unweit des Baumes, mit Rookwood unterhielt. Rookwood war ein unangenehmer Geselle. Slytherin - von der grobschlächtigeren Sorte - und in ihrem Jahrgang. Vor ein paar Monaten hatte Dorcas ihn bei einem Quidditchspiel mit einem Klatscher am Kopf getroffen und er hatte mehrere Wochen im St. Mungos gelegen. Seither war er noch boshafter geworden, falls das überhaupt noch möglich war. Trotzdem schien Peter sich auf einer unerwartet freundlichen Ebene mit Rookwood zu unterhalten. Dorcas näherte sich den beiden und sah Peter fragend fast verständnislos an. "Was willst du von der Schlange?" Peter, der ihr teils den Rücken zugekehrt hatte, wandte sich um und erwiderte ihren Blick mit einem selbstzufriedene Lächeln auf den Lippen. "Nicht mehr und nicht weniger als du, Dorcas. Hab gehört du stehst auf Schlangen?", konterte Peter. Das war zu viel. Auf dem Absatz machte Dorcas kehrt, ihre Haare und ihr Umhang wurden von einer starken Windböe erfasst und flatterten um sie herum. Ihre Nase begann zu kribbeln und sie spürte wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Wütend stampfend und mit heißen, über die Wangen laufenden Tränen, kehrte sie ins Schloss zurück. Ohne ihre Umgebung wirklich wahrzunehmen stapfte sie alle Stockwerke nach oben zurück in den Gryffindor Gemeinschaftsraum, wo sie bei dem durchsteigen durch das Porträtloch Lily anrempelte die sie nur verwundert ansah. Sie wollte sich einfach nur noch in ihrem Bett verkriechen. So schnell ihre Beine sie trugen machte sie sich auf den Weg in ihren Schlafsaal. Ihr Tasche und ihren Zauberstab ließ sie vor ihrem Bett fallen und verkroch sich unter einer der schweren Wolldecken die die Hauselfen vor einigen Tagen für sie bereitgelegt hatten. Schluchzend vergrub sie ihr Gesicht in den Knie, die sie zu sich herangezogen hatte. Es war so unfair. Peter hatte doch keine Ahnung wovon er sprach. Dorcas hatte sich ihre Gefühle schließlich nicht ausgesucht und wenn sie konnte würde sie etwas daran ändern. Da waren einfach zu viele Ungereimtheiten. Allein die Tatsache, aus was für Familien sie stammten machte das Ganze fast schon lächerlich. Die Tür, die sie zuvor hinter sich zugeschlagen hatte, öffnete sich mit einem sachten knarzen und Lily betrat den dunklen Schlafsaal der Fünftklässlerinnen. Kerzen hatten die Hauselfen noch nicht angezündet und so saß Dorcas zusammengekauert unter ihrer roten Wolldecke auf ihrem Bett und schluchzte leise. Auch wenn sie mit Peter nicht eng befreundet war, so hatte sie nicht erwartet, dass er so verletzend sein konnte. Etwas schweres stützte sich zusätzlich auf ihren Knie ab und sie sah auf. Aus geschwollenen und von Tränen benetzten Augen sah sie ihrer Freundin in die sorgenvoll zusammengezogenen Augen. "Hey... was ist los?", erkundigte sie sich vorsichtig, "Hast du mit Avery gesprochen?" Langsam schüttelte sie den Kopf. "Peter ha-hat, er hat vor Rookwood sowas fallen gelassen. Ich glaube Sirius hat wirklich geplaudert...Und er hat gesagt, dass ich auf Schlangen st-stehe und...", die anderen Worte, die sie noch sprechen wollte wurde von ihren Schluchzern verschluckt. Vorsichtige entwirrte Lily Dorcas Arme, Haare und Beine die noch immer zusammengekauert waren und umarmte ihre Freundin fest und wiegte sie zur Beruhigung ein wenig hin und her. Es dauerte eine Weile, dann hatte Dorcas sich zumindest weitesgehend wieder eingekriegt und wischte sich vorsichtig das Gesicht ab. "Peter ist dumm Dorcas, der hat das sicher nicht mit Absicht gemacht. Du weißt doch, dass er nicht über solche Dinge nachdenkt.", Lily hielt einen Moment inne, "Und was Sirius anbelangt, wenn er James gegenüber ausgepackt hat, ist der Drops jetzt ohnehin gelutscht." Dorcas kicherte leise. "Da hast du wohl recht.", murmelte sie. "Was meinst du soll ich jetzt tun Lily?", unsicher spielte sie an einer ihrer Haarsträhnen. "Hm...", überlegte das rothaarige Mädchen kurz, "Warte einfach ab. Es kann doch sein, dass sich etwas ergibt wo du mit Avery mal in Ruhe reden kannst, oder?" Mit nachdenklich gekrauster Stirn starrte Dorcas eine Weile ins Nichts. Dann nickte sie langsam. Ja. Sie würde noch eine Weile abwarten. Vielleicht ergab sich einfach so etwas. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)