Project Cinderella von Writing_League ================================================================================ The Story of Cinderella ----------------------- Es war einmal in einem fernen Königreich, das den Namen Setter trug, ein junges Mädchen. Es lebte mit seiner Stiefmutter und seinen Stiefschwestern in einem großen Haus, das sein Vater ihnen vermacht hatte, als er starb. Es war fleißig und tugendhaft, wenn auch ein wenig tollpatschig, und obendrein schön anzusehen. Seine Stiefschwestern hingegen waren von garstiger Natur und hässlichem Antlitz. Sie neidetem dem Mädchen sein hübsches Gesicht. In ihrer Eifersucht nahmen sie dem armen Mädchen alles weg – ihre schönen Kleider, ihren Schmuck. Nur ein paar alte, abgetragene Fetzen und klobige Schuhe ließen sie ihm. „Wer in diesem Haus leben will, soll dafür arbeiten!“, beschieden sie. Ihre Mutter stimmte dem zu, und so kam es, dass das junge Mädchen fortan alle Arbeiten verrichten musste. Sie musste kochen und putzen, Wäsche waschen und flicken, und wann immer sie etwas nicht zur Zufriedenheit ihrer Stiefschwestern und ihrer Stiefmutter tat, ward es nur noch schlimmer und sie wurde böse bestraft. Weil sie immerzu schmutzig und voller Asche war, nannten ihre Stiefschwestern sie bald nur noch Aschenputtel. Einen jeden Tag verbrachte Aschenputtel damit, die garstigen Gemeinheiten seiner Stiefschwestern zu erdulden. Wenn sie den Schmutz auffegen sollte, streuten sie ihm Reis in den Dreck, den es wieder auflesen musste. Manchmal besudelten sie sich absichtlich mit teurem Wein, damit Aschenputtel danach den ganzen Tag am nahen Bach verbringen musste, um die Flecken aus den teuren Kleidern zu waschen. Es war ein gar kümmerliches Leben. Aschenputtel jedoch weinte nicht, denn es war nicht allein in seinem Leid. Eine kleine Maus, die sich in einem Mauseloch in der Wohnstube eingenistet hatte, fühlte sich von Aschenputtels lieblicher Stimme angezogen, als es einmal bei der Hausarbeit sang. Seitdem begleitete die Maus Aschenputtel auf Schritt und Tritt und unterstützte es, wo sie nur konnte. Sie sammelte die Reiskörner aus dem Schmutz, sie half, in den hintersten Winkeln zu putzen, wo das Aschenputtel selbst nur schwer hingelangen konnte. Sie baute das Aschenputtel immer wieder auf, wenn es dann doch einmal betrübt war und war wie eine kleine, persönliche Sonne in seinem Leben.   Eines Tages trug es sich zu, dass ein Brief aus dem Königshause das Heim von Aschenputtel und ihrer Stieffamilie erreichte. Es war eine Einladung zum königlichen Ball. Der König und die Königin suchten eine Frau für ihren Sohn, und zu diesem Zwecke waren alle heiratsfähigen Mädchen des Königreiches Setter eingeladen. Auch Aschenputtel wollte diesen Ball besuchen und dafür begann es in seiner spärlichen Freizeit, sich ein Ballkleid zu schneidern. Wie es das Schicksal aber so wollte, erfuhr ihre böse Stiefmutter von Aschenputtels Mühen, ein Kleid für den Ball zu nähen. Immer mehr Arbeit bekam das arme Mädchen, so dass es einfach keine Zeit mehr fand, daran zu arbeiten. Aschenputtel weint bitterlich, weil es so gerne teilgenommen hätte. Seine Tränen rührten die kleine Maus zutiefst, so dass sie beschloss, zu helfen. Während Aschenputtel unermüdlich die Arbeiten seiner Stiefmutter erfüllte, huschte die kleine Maus durchs ganze Haus, um die nötigen Materialen zu bekommen. Das war eine gar lustige Sache! Es schepperte und klirrte, wo die kleine Maus vorbeikam, wie sie auf ihrem Weg da teure Vasen und Möbel umstieß. Die Stiefschwestern bemerkten natürlich, dass plötzlich überall Scherben am Boden lagen und Stühle umgekippt waren. Sie machten das arme Aschenputtel dafür verantwortlich, das es nicht besser wusste, als die Schuld auf sich zu nehmen und dann aufzuräumen. Der Maus tat das natürlich sehr Leid, und so nahm sie sich vor, noch härter für das Aschenputtel zu arbeiten. Schließlich kam der Abend des Balls. Aschenputtel beendete gerade ihre letzte Arbeit, als ihre Stiefschwestern und ihre Stiefmutter sich zusammenfanden, um loszufahren. Sie hatten sich in wunderschöne Kleider gehüllt, hatten sich aufwändig geschminkt, doch nichts davon konnte ihre Hässlichkeit übertünchen. Der Stiefmutter mit ihrem kantigen Kiefer fehlte es an weiblichen Reizen. Die eine Stiefschwester war klein und schmächtig, mit dem Körper eines Kindes, während die andere ein gar unansehnliches Gesicht hatte, das zudem oft auch noch einen gar nicht lieblichen Ausdruck trug. „Willst du dich nicht anziehen, Aschenputtel?“, spotteten sie böse. Sie wussten, dass Aschenputtel kein Kleid hatte, das es anziehen könnte. „Beeile dich, oder wir fahren ohne dich!“ Das arme Aschenputtel war so traurig über die Gemeinheiten seiner Schwestern, dass es weinend davonlief. In seinem Zimmer erwartete es eine große Überraschung: Da war das Kleid, das es selbst zu nähen begonnen hatte, doch inzwischen war es fertig! Zwar sah man, dass der Schneider sein Handwerk nicht verstand, hie und da ragten lose Fäden aus dem Stoff, doch es war mehr als alles, das Aschenputtel je zu hoffen gewagt hätte. Neben dem fertigen Kleid war Aschenputtels kleiner Mäusefreund am Boden und hüpfte fröhlich auf und ab. „Zieh es an, Aschenputtel!!!“ Überglücklich wusch sich Aschenputtel das rußverschmierte Gesicht und den schmutzigen Körper, dann zog es das Kleid an, das die Maus nur seinetwegen noch fertiggestellt hatte. Es kniff an der Brust, der Rock war schief geschnitten, aber es war für Aschenputtel das schönste Kleid, das es je gesehen hatte. Als es hinunter zu seiner Familie trat, war der Schock groß. Niemand hatte geglaubt, dass Aschenputtel ein Kleid tragen würde, mit dem es wirklich auf den Ball gehen könnte. Der Anblick machte die Stiefschwestern so unglaublich wütend, dass sie sich auf das Aschenputtel stürzten, um sein Kleid zu ruinieren. Sie begossen es mit einer Weinkaraffe, die gerade in Reichweite stand. Sie hatten immer eine Weinkaraffe im Flur, um durstigen Besucher gleich einen Trunk bieten zu können. Bald darauf waren Mutter und Schwestern mit der Kutsche davongefahren. Das arme Aschenputtel weinte bitterliche Tränen, weil es nun doch nicht zum königlichen Ball fahren konnte. „Weine nicht, mein Kind“, sagte eine sanfte, tiefe Stimme. Aschenputtel fuhr erschrocken auf. „W-wer spricht da?!“ Als es sich umdrehte, erblickte es eine Gestalt, die gerade in einem magischen Funkentanz erschienen war. Sie war hochgewachsen, mit einem ernsten, aber gütigen Gesicht und einer Dornenkrone auf dem Haupt. Transparente Flügel glitzerten auf ihrem Rücken, und der fremde Mann trug ein langes, weißes Hemdlein. „Ich bin deine gute Fee“, sprach die Gestalt. Sie hielt einen Feenstab in ihrer Hand. „Ich habe dein Weinen vernommen, gutes Kind, und ich bin hier, um dir zu helfen. Schließe die Augen.“ Aschenputtel gehorchte. Es wünschte sich so sehr, auf den Ball zu fahren, dass es all seine Hoffnungen in die gute Fee setzte, die vor ihm erschienen war. Es hörte magische Worte. Als es die Augen wieder öffnen durfte und an sich heruntersah, erblickte es das schönste Kleid, das es je gesehen hatte. Es war prächtig und von den teuersten Stoffen gefertigt, dass es glitzerte wie ein sternenübersäter Nachthimmel. Es freute sich unbändig über das schöne Kleid und stammelte der Fee seinen Dank. „Aber ich habe gar keine Kutsche“, fiel es dem Aschenputtel aber wieder ein und es wurde wieder traurig. Seine gute Fee lächelte. „Sorge dich  nicht, mein Kind. Komm mit.“ Sie traten beieinander hinaus ins Freie. Die gute Fee schritt mit großen Schritten und wehendem, weißen Hemdchen voran. Aschenputtel folgte ihr bis zu einem Kürbisfeld. Noch mehr Zauberworte wurden gesprochen, dann wuchs der Kürbis zu einer Kutsche heran. „Jetzt braucht es noch einen Kut–“ – „Hier! Ich! Ich trag das Aschenputtel auch auf Händen zum Ball, wenn es sein muss!!!“ Die kleine Maus erbot schon ihre Hilfe, ehe die gute Fee ganz aussprechen konnte. Zufrieden mit der Einsatzbereitschaft des kleinen Tiers nickte die Fee und sprach erneut ihre Zauberworte. Die kleine Maus verwandelte sich in einen stattlichen, wenn auch immer noch kleinen Kutscher. Ein Paar große Regenwürmer aus dem Kürbisfeld wurden noch in Pferde verwandelt. Schließlich wandte die Fee sich wieder an das Aschenputtel und lächelte gütig; sie erinnerte an einen Heiligen, der gerade Erleuchtung erlangte. „Nun geh, mein Kind, und genieße den Ball. Doch ich muss dich warnen! Der Zauber wirkt nur bis Mitternacht, danach verfliegt er. Um Mitternacht musst du fort sein, denn mit dem letzten Glockenschlag wird alles wieder, wie es jetzt ist. Vergiss das nicht!“ Aschenputtel versprach, nicht zu vergessen. Der Kutscher half ihm in die Kutsche, und dann brausten sie los, um den Ball zu erreichen.   Als das Aschenputtel den Ball erreichte, wandten sich sofort alle Köpfe nach ihm um. Noch nie hatten die Anwesenden ein so schönes Mädchen erblickt. Sofort waren sie alle verzaubert von dem wunderschönen Anblick, der sich ihnen bot. Auch der Prinz war ganz sprachlos von der unbekannten Schönheit, die den Saal betrat. Obwohl es sich nicht ziemte, hatte sie ihren Kutscher mitgebracht. Niemand störte sich daran, denn ein jeder war völlig gefangen von dem Aschenputtel. „He, Prinz!!! Tanzt mir ihr!“, rief der Kutscher aus, als die Stille im Saal zu lange dauerte. Weil der Prinz genau das vorgehabt hatte, schalt er den Kutscher nicht, sondern trat auf das Aschenputtel zu. „Darf ich um diesen Tanz bitten?“ Es war Liebe auf den ersten Blick für das Aschenputtel. Die schöne, edle Gestalt des Prinzen und seine anmutigen Bewegungen verzauberten das Aschenputtel im Nu, so dass es fast vergaß, zu tanzen. Auch der Prinz war sofort ganz hingerissen vor Verzückung über das wunderschöne Mädchen an seiner Seite. Sie tanzten den ganzen Abend, und wann immer ein anderes Mädchen herankam, um den Prinzen zum Tanz zu bitten, wurde es abgewiesen, weil er so viel lieber mit dem Aschenputtel tanzen wollte. Besonders die beiden Stiefschwestern erzürnte das sehr. Doch weil sie selbst so dringend mit dem Prinz tanzen wollten, halfen sie dem Aschenputtel unbewusst, indem sie alle anderen Verehrerinnen  mit bösen Blicken verjagten, während sie das tanzende Paar umkreisten. So ging es weiter. Das Aschenputtel vergaß ganz die Zeit über seinen Tanz. „Ding, dong“, erklang plötzlich das monotone Läuten der Turmglocke. Sofort machte das Aschenputtel sich von seinem Prinzen los und verabschiedete sich. Rasch eilte es die Stufen des Palastes hinunter, obwohl der Prinz ihm hinterrief, dass es bleiben solle. Es bemerkte gar nicht, dass es dabei in seinem Ungeschick einen seiner gläsernen Pantoffeln verlor. Schnell stieg es in seine Kutsche und eilte zurück nach Hause. Natürlich verflog der Zauber, als das letzte monotone „Ding, dong“ der Turmglocke verklang, so dass das arme Aschenputtel den Rest des Weges zu Fuß zurücklegen musste. Es kam gerade rechtzeitig an, dass es seine Stiefmutter und seine Stiefschwestern wieder empfangen konnte, die sich sehr empört darüber beklagten, dass der Prinz nur Augen für dieses fremde Mädchen gehabt hatte. Sie waren wirklich sehr empört, besonders die Stiefschwestern, die noch lange darüber weinten und klagten.   Der Prinz unterdessen war so verliebt in das Aschenputtel, dass er beschlossen hatte, es heiraten zu wollen. Mit dem Glaspantoffel, den das Mädchen verloren hatte, wollte er es wiederfinden. Schon am nächsten Tag schickte er einen Diener aus, um den Schuh allen Mädchen im ganzen Reich anzuziehen und das eine zu finden, dem er wirklich passte. So zog also der Diener los, besuchte Haus um Haus, traf Mädchen um Mädchen, und so vielen er den Schuh auch überstreifte, keinem einzigen wollte er so recht passen. Mal war er zu groß, so dass er gleich wieder vom Fuße viel, mal war er zu klein, so dass das Mädchen gar nicht erst hineinkam. Es dauerte mehrere Tage, bis er das Haus von Aschenputtel und seinen Stiefschwestern erreichte. Als er schließlich erschien und verkündete, wofür er gekommen war, befahl die Stiefmutter dem Aschenputtel sofort, sich in seinem Zimmer zu verbergen und nicht mehr hinauszukommen, ehe sie es nicht erlaubte. Schweren Herzens gehorchte das Mädchen, das zu große Angst vor seiner Stiefmutter hatte, um sich ihr zu widersetzen. Die erste Stiefschwester wollte nun also den Schuh anprobieren. Es war jedoch schon an ihrem großen Fuß ersichtlich, dass der Schuh ihr niemals passen würde. Der Fuß der zweiten Schwester war um einiges zierlicher, doch auch dieser war zu groß. Der arme Diener war verzweifelt. Er hatte schon beinahe jedes Haus im Reich besucht, und immer noch blieb die Angebetete seines Prinzen verschwunden. „Habt ihr nicht noch andere Töchter?“, fragte er, getrieben von seiner Verzweiflung. Die Stiefmutter, die inzwischen bereits ahnte, dass der Schuh dem Aschenputtel gehören könnte, und die ihm so viel Glück nicht gönnte, verneinte vehement. Just in diesem Moment erschien die kleine Maus aus ihrem Loch. „Oh doch! Da oben in dem kleinen Zimmer ist noch eine!“ Die Stiefmutter verneinte zwar weiterhin, dass noch ein anderes Mädchen hier lebe, doch der Diener beharrte darauf, den Worten der Maus zu folgen. Schlussendlich musste die Stiefmutter nachgeben und sie ließ den Diener gewähren. Gemeinsam mit ihr und den Stiefschwestern ging er hinauf in das Zimmer des Aschenputtels. Die schmutzige Magd, die er dort vorfand, ließ ihn sofort daran zweifeln, dass es sich um das richtige Mädchen handelte, doch wie es seine Aufgabe war, wollte er ihr den Schuh zur Anprobe überreichen. Die bösen Stiefschwestern des Aschenputtels aber wollten das nicht zulassen, also stolperte die eine absichtlich gegen den Diener, der den Schuh dadurch fallen ließ. Er zerbrach klirrend in tausend Einzelteile. „Oh, was für ein Unglück“, höhnte die Stiefmutter, „Jetzt kann die arme Dirne den Schuh nicht mehr anprobieren.“ Das arme Aschenputtel schlug die Hände vors Gesicht und weinte bitterlich. „Aber es gibt noch den andren Schuh!“, verkündete die Maus. Sie zog ihn unter Anstrengung unter dem mageren Bett des Aschenputtels hervor und reichte ihn dem Diener, der gar verwirrt war. Auch das Aschenputtel war verwirrt. „Aber wo kommt denn der Schuh her?“ Die Maus war selbst ratlos, und sie stammelte, weil sie keine Antwort wusste. In dem Moment erschien die gute Fee in einem neuen Glitzerschauer. „Das ist mein Verdienst“, sagte sie milde. „Ich habe einen neuen Zauber gewirkt, der dafür sorgte, dass der Schuh hier erscheint. Es ist nun Zeit. Zieh den Schuh an, mein Kind!“ Das Aschenputtel gehorchte. Der Glaspantoffel passte ihm wie angegossen. Der Diener war außer sich vor Verzückung. Er leitete unverzüglich in die Wege, dass das Aschenputtel ins Schloss gebracht wurde, um die Vermählung vorzubereiten. Weil das Mädchen ein so gutes und reines Herz hatte, bat es darum, dass auch die Maus, seine Stiefschwestern und die Stiefmutter mitkommen mögen.   Es dauerte nicht lange, bis große Hochzeit gefeiert wurde. Das ganze Reich wurde eingeladen, es wurde getanzt und gelacht, und alle Welt war fröhlich. Selbst die böse Stiefmutter war heiter, wie sie mit der Königin tanzte, während die Maus und der König sich einen Wettstreit lieferten und die beiden Stiefschwestern wieder einmal um das tanzende Liebespaar herumschlichen. Der große Höhepunkt des Abends war natürlich der Kuss zwischen dem Aschenputtel und dem Prinzen. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute. Behind the Scenes and Outtakes ------------------------------ #1 – Movie making   „Chikaraaaaaaaaaaa!“ Nishinoyas Stimme war laut. So laut, dass Chikara unwillkürlich sofort ein müdes Seufzen entkam, noch ehe der Junge schlitternd die offene Tür zu seinem Klassenraum überwunden hatte und zu seinem Tisch gestolpert war. Wie immer kündigte er sich unnötig früh an. „Chikara, sieh mal, was ich gefunden habe!!!“ Er wedelte mit etwas vor seiner Nase herum, das aussah wie eines dieser Popkulturheftchen, das er und Tanaka zweifelsohne nur deshalb kauften, weil es hübsche Mädchen in hübschen, freizügigen Outfits zeigte. Ein Blick auf die immergleiche, seltsam gefärbte Frisur jedenfalls bestätigte Chikara in dem Eindruck, dass Nishinoya das Zeug nicht wegen der Modetipps konsumierte. Und sein Musikgeschmack war auch nicht gerade mainstream. „Was denn?“ Er hätte Nishinoya auch ignorieren können, aber das führte nur zu mehr Gequengel. Chikara wollte seine Pause aber gern damit verbringen, in Frieden sein Bento zu essen, und dafür musste er den kleinen Wirbelwind irgendwann wieder ruhiggestellt bekommen.   „Hier!“   Das Heftchen wurde so hektisch durchgeblättert, dass Chikara das beinahe schmerzhafte Reißen von Papierseiten hörte, und schließlich drückte Nishinoya ihm das Ding geradezu ins Gesicht. Seufzend schob er das knisternde Papier von sich und nahm das Magazin selbst in die Hand, um sich anzusehen, was sein Freund da ausgegraben hatte. Es war ein Artikel über eine nahe, kreativ orientierte Universität, die mit dem nächsten Wintersemesterbeginn einen Studiengang im Bereich Filmwissenschaften und Film Making anbieten würde. Um ihn zu bewerben, hatte die Universität einen Filmwettbewerb ausgerufen, bei dem Schüler der High School teilnehmen konnten. Das Thema war Märchen. Ehrlich verdutzt – er hatte viel von Nishinoya erwartet, aber nicht das – sah er auf, in das erwartungsvoll strahlende Gesicht des anderen Jungen. Es sah aus, als würde Nishinoya gleich platzen, wenn er nicht etwas sagte. „Das ist…“ – „Total cool, nicht wahr?!“ Nishinoya grinste. Seine Augen funkelten unheilverkündend, und obwohl und gerade weil Chikara schon ahnte, was da jetzt kommen würde, konnte er auch nicht anders, als zu grinsen.   „Chikara!!! Lass uns einen Film drehen!!!“     #2 – Dramatis personae   „Wie wäre es mit Cinderella?“   Es war das erste Mal, das Yachi sich einmischte. Und zugegeben, es war der erste brauchbar klingende Vorschlag. Schneewittchen war daran gescheitert, dass niemand hier ein Zwerg sein wollte – Nishinoya vor allem nicht –, und das tapfere Schneiderlein scheiterte daran, dass niemand groß genug für einen Riesen war. Und sie konnten schlecht bei Datekou anklopfen. Chikara ahnte schon, wie der Captain sie ansehen würde… Nicht besonders nett jedenfalls. Auch alle anderen Märchenideen, inklusive so obskurer Geschichten, dass Chikara sie gar nicht kannte – Kinoshita hatte sie gegooglet –, waren schon im ersten halben Gedanken gescheitert. „Könnte klappen“, gab er mit einem sanften Lächeln zurück. Yachis ganzes Gesicht erhellte sich und sie grinste ein kleines, stolzes Grinsen, bevor sie sich lieber hinter ihrem Klemmbrett versteckte, weil – Chikara sah gar nicht ganz, warum. Vielleicht war es Hinatas breites Strahlen. Vielleicht war es Shimizus Lächeln. Vielleicht war es Nishinoyas und Tanakas begeistertes Gebrüll. „Das heißt, wir können Rollen aufteilen?“   Konnten sie. Zumindest für das Aschenputtel wurden sie sich schnell einig – das sollte Shimizu werden. Der König war natürlich Kageyama, alles andere würde doch keinen Sinn ergeben. Ungefähr an dem Punkt hörte es auf mit der Einfachheit. „Ich will der Prinz sein!“, verkündete Nishinoya inbrünstig. Tanaka echote seine Worte. Chikara sah schon einen sehr dramatischen Brudermord vor sich, wenn er da nicht bald einschritt. Er seufzte leise. „Der Prinz hat aber nur sehr wenig Screentime, so im Vergleich…“ – „WAS?!“ „Dann…“, begann Tanaka. Er kratzte sich am Kinn, während er tief in Gedanken versunken dasaß. Sein Denkergesicht sah albern genug aus, dass Kinoshita ein Lachen unterdrückte und Suga sich so eine Mühe gar nicht erst machte. Plötzlich fuhr der Mönchsschädel wieder auf, wirbelte zu Nishinoya herum. In den glühenden Augen des Libero lag Entschlossenheit, die suggerierte, dass er schon wusste, worum es ging. Er nickte entschlossen. Chikara bereute es sehr schnell, als er ihren Sprechchor hörte.   „Wir sind die Stiefschwestern!!!“   Der Rest schien relativ einfach zu werden. Chikara konnte ja nicht ahnen, was für eine Katastrophe sie da zusammengecastet hatten.     #3 – Fairytale gone bad     Reiskörner rieselten auf den Boden in Tanakas Küche, vermischten sich mit Sand und Dreck, den sie mühsam vom nächsten Spielplatz zusammengetragen hatten. Aschenputtel saß kümmerlich davor und sah gar nicht glücklich aus, während die böse Stiefmutter Daichi – die kurze, gelockte Perücke ließ ihn mehr wie den Konrektor aussehen, als wie eine böse Stiefmutter – mit verschränkten Armen vor ihr stand. „Räum es auf!“, forderte sie. Das war der Punkt, an dem die Stiefschwestern Nishinoya und Tanaka auftauchen sollten, um Aschenputtel und seine Arbeit zu verhöhnen. Bisher hatten beide ihren Job auch ziemlich gut gemacht. Es war vielleicht nicht ganz authentisch, dass die beiden Stiefschwestern ihre Gemeinheiten dem Aschenputtel gegenüber durch Tränen hindurch verkündeten, aber mit ein bisschen geschickter Beleuchtung oder der richtigen Kameraperspektive ließ sich das durchaus wegtricksen. Ganz, wie das Drehbuch es verlangte, kamen Nishinoya und Tanaka zur Tür hinein. Das Drehbuch verlangte nicht, dass sie beide stehen blieben. Genauso wenig verlangte es, dass sie schmerzlich das Gesicht verzogen und sich an die Brust fassten, als erlitten sie gerade synchron einen Herzinfarkt. „Oh, Kiyoko-San…!“ Sie tauschten einen Blick, voll entschlossener, dramatischer, ergriffener Bruderliebe, dann nickten sie einander zu. Chikara presste die Lippen aufeinander.   Ehe er es recht verarbeiten konnte, waren Nishinoya und Tanaka auf den Knien, und wo auch immer sie es herhatten, sie hatten Kehrblech und Handfeger bei sich, beide beugten sich eifrig zu einer recht entgeistert dreinblickenden Shimizu vor. „Lass uns das machen, Kiyoko-San!!!“   „Schnitt!“   Wäre es dabei geblieben, hätte die Ermahnung gefruchtet, sie hätten weitermachen können. Aber es blieb nicht dabei. Bei nächster Gelegenheit ging es genau so weiter. Tanaka goss ein Glas mit dunkelrot gefärbtem Wasser über sein Kleid. Als Shimizu ankam, um es zu reinen, wie es laut Drehbuch ihre Aufgabe war, protestierte er lautstark und riss ihr das Putztuch aus der Hand, um selbst mit einer solchen Intensität an dem Fleck zu schrubben, dass er beinahe ein Loch in sein Kostüm rubbelte. Nishinoya brach in Tränen aus, statt Shimizu zu befehlen, sie solle ihm Frühstück machen.   Es war hoffnungslos.     #4 – Dramatis personae II     „So läuft das nicht“, murmelte Chikara müde. Sein Kopf schmerzte von all den Katastrophen, die den Dreh bisher schon wieder und wieder aufgehalten hatten. Den ganzen Nachmittag hatten sie damit verschwendet, Nishinoya und Tanaka zu ermahnen, weil sie es einfach nicht schafften, ihre Rollen auszufüllen. „Kiyoko-San kann einfach kein Aschenputtel sein!“, klagte Tanaka. Nishinoya nickte wild – „Genau! Wir können das nicht zulassen! Niemals könnten wir zusehen, wie jemand sie so schlecht behandelt, selbst wenn es nur ein Film ist!!!“ Kurzum: Sie brauchten ein neues Aschenputtel. An sich wäre das wohl auch kein Problem gewesen. Sie hatten doch noch eine Managerin. Aber natürlich bestanden Tanaka und Nishinoya nun darauf, dass Shimizu dann eine andere wichtige Rolle haben musste. „Sie kann mit Yachi tauschen und stattdessen die Fee sein“, schlug Chikara vor. Sofort begegnete ihm empörtes Kopfschütteln. Zu wenig Screentime. Natürlich. Dabei wäre das der logischste Besetzungswechsel! Und der einfachste.   „Wir brauchen aber eine neue Fee“, beharrte er. „Kein Problem.“ Nishinoyas Grinsen war beunruhigend. Nicht nur für Chikara, wie ein Seitenblick zu Asahi zeigte, der beunruhigt schluckte – offenbar ahnte er schon, was auf ihn zukam. „Asahi-San kann die Fee sein!!!“ „Was.“ Das war Kageyama, der offensichtlich keinerlei Ähnlichkeit zwischen einer schillernden Märchenfee und einem bärtigen Drittklässler sah. Chikara auch nicht. Aber er wusste, wo Nishinoyas glorreiche Idee herkam. „Hey, das ist gut!“, bestärkte Suga fröhlich, „Asahi hat wirklich etwas an sich, dass es passt, nicht wahr? So… heilig. Haben wir das Kostüm von der letzten Weihnachtsfeier noch?“ – „D-das kann nicht euer Ernst sein…“   Es war ihr Ernst.     #5 – Of mice and men     „Shimizu als Prinz passt ziemlich gut! Auch zu König Kageyama. Aber fehlt da nicht ne Königin?“   Daichis Kommentar entlockte Chikara ein resigniertes Seufzen. „Das Originalmärchen hat keine Königin“, erklärte er, „Also nein, eigentlich nicht.“ – „Aber es bietet sich an!“ Hinata grinste. Es war ohnehin ein Wunder, dass er so lange still gewesen war; Chikara vermutete, dass es daran lag, dass er darüber brütete, wie seine eigene Rolle aussehen mochte, jetzt, wo alles umgeworfen wurde und er hoffentlich etwas Tolleres bekam als eines der Pferde vor der Kutsche des Aschenputtels. „Inwiefern?“ – „Na ja!“ Er grinste immer noch, hob die Hand und deutete zu Suga hinüber. „Sugawara-San hat genauso einen Leberfleck wie Shimizu-San!“ Chikara blinzelte verdutzt. Er warf einen Blick zwischen den beiden Angesprochenen hin und her und – tatsächlich. Sie hatten beide einen Leberfleck. Nicht einmal an der gleichen Position, aber es war ein nettes Detail, das Chikara irgendwie gefiel.   „Damit hat unser Königreich dann auch einen Namen“, beschloss Suga lachend. Er grinste in die Runde, strahlte Chikara an, als der ihn nur verwirrt ansehen konnte.   „Setter.“   Natürlich.   „Was fehlt jetzt noch?“ Chikara war froh, dass Narita so nett war, das Thema wieder zurückzuholen, ehe sie nachher begannen, alles und jedes zu benamen. „Wir haben Prinz und Königsfamilie. Aschenputtel, Stiefschwestern und Stiefmutter, die gute Fee. Uns fehlen ein Diener für den Prinzen, sowie die Reittiere für die Kutsche und ein Kutscher, zumindest, wenn wir davon ausgehen, dass wir überall neu verteilen. Und je nachdem, von welcher Version des Märchens wir ausgehen, hat Cinderella ja noch diese Mäuschen bei sich…“ „Ein Mäuschen haben wir doch“, kommentierte Suga grinsend. Er deutete auf Hinata, der halb erfreut und halb empört zwischen ihnen hin und her funkelte, offenbar selbst nicht wissend, ob das eine Beförderung oder Degradierung sein sollte. „Hofnarr würde besser passen“, spottete Tsukishima, „Aber ja. Maus. Ein Mausehirn hat er immerhin auch.“ – „Tsukishimaaaaaaaaaaaaaa!!! Immerhin hab ich überhaupt eine Rolle im Gegensatz zu dir!!!“ „Ich will gar keine.“   Allein deshalb sollte Tsukishima eine kriegen, fand Chikara.   Erst einmal wurde aber der Rest verteilt. Narita und Kinoshita als potentielle Reittiere. Weil sie keine Motivation hatten, noch mehr Nagetierkostüme zu besorgen, beschlossen sie, dass sie Regenwürmer im Kürbisbeet sein wollten. Es konnte ja nicht schwer sein, sich in eine fleischfarbene Decke einzuwickeln und herumzuliegen. Es wurde eine recht liberale Fassung von Cinderella, wie es schien. Yamaguchi wurde der Erzähler. Er sagte, er habe wahnsinniges Lampenfieber, weshalb er nach wie vor nicht vor die Kamera wollte. Chikara übernahm die Rolle des Prinzendieners. Die Szenen würden dann wohl recht statisch von einem Stativ aus gefilmt werden, aber das passte schon. Am Ende blieb nur Tsukishima übrig. Am Ende war es Kageyama, der die Erleuchtung hatte, wie man den hochgewachsenen Miesepeter in die Produktion einbinden konnte.   „Wir brauchen eine Turmuhr.“     #6 – Change of plans     Es lief. Irgendwie. Wenn man davon absah, dass Tanaka und Nishinoya immer noch nicht so ganz das taten, was sie sollten, und dass Hinata, der als Maus doch eigentlich sicherlich nicht fähig sein sollte, japanisch zu sprechen, ständig plapperte. Irgendwie bekamen sie tatsächlich alles gefilmt, bis es unmittelbar auf den Ball zuging.   Jeder, der das Märchen Aschenputtel kannte, wusste, dass die Stiefschwestern Cinderellas Kleid zerrissen, wonach dann wahlweise im Märchen sie durch irgendeinen obskuren Kram, den Chikara sich nicht gemerkt hatte, an ein neues Kleid herankam, oder im bekannten Zeichentrickfilm durch die gute Fee. (Asahi stand übrigens das Glitzerpuder im Gesicht ausgesprochen gut. Fand Nishinoya. Nur Nishinoya.)   Chikara, der Tanaka und Nishinoya kannte, hätte eigentlich ahnen müssen, dass sie Yachi nicht das Kleid zerfetzen würden, auch wenn sie noch so viele Unterkleider darunter trug. Und ehrlich, das war beinahe niedlich, wie vehement die beiden sich weigerten, etwas so respektloses zu tun. „Wir können ihr Wein übergießen!“, schlug Tanaka in einer Verzweiflung vor. Er gestikulierte in Richtung Küche, wo die Karaffe mit dem lebensmittelgefärbten Wasser stand. Natürlich hatten sie keinen echten Wein. Niemand von ihnen war so verrückt! Nicht einmal Tanaka und Nishinoya. „Wer hat denn eine Weinkaraffe im Flur…?“ Chikara seufzte. Das war doch nicht realisierbar! Aber Nishinoya grinste nur und sprang fröhlich wieder vom Sofa auf. „Na, das ist doch logisch! Damit kann man durstigen Gästen gleich was anbieten!“   Es war nicht logisch. Aber das ganze Märchen war jetzt schon so unlogisch und verrückt, dass es wohl auch nicht mehr schadete.     #7 – To faint or not to faint     Hitoka spürte, wie ihr Herz ihr in den Hals hinaufschlug und sie schluckte hektisch, hoffte, sie könnte es damit davon abhalten, gleich ganz aus ihrem Mund zu springen. Das war so peinlich! Sie konnte nicht einmal besonders gut tanzen! Gut, das erwartete auch gar niemand vom Aschenputtel, aber trotzdem! Und Shimizu auf der anderen Seite war so völlig souverän, so elegant, und in ihrem enggeschnittenen Prinzenkostüm und den zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen Haaren so unglaublich hübsch, dass Hitoka alleine davon schon der Atem stockte. Sie konnte sich nicht aufs Tanzen konzentrieren. Ehrlich nicht. Sie konnte sich auf gar nichts konzentrieren!   Und ihre Hände waren klamm. Sie wollte Shimizu am liebsten gar nicht mehr anfassen, weil es ihr so unangenehm war. Und was, wenn sie über ihre eigenen Füße– Natürlich stolperte sie. Stolperte, fiel zu Boden, und es dauerte keine Sekunde, bis Shimizu über ihr beugte, und sie war besorgt, und das tat Hitoka furchtbar leid. „Sh-Shimizu-Senpai…“ – „Alles in Ordnung, Hitoka-Chan?“ Sie nickte hektisch, versuchte, wieder auf die Füße zu kommen – und stürzte gleich wieder. Am liebsten hätte sie losgeweint, aber sie musste stark sein! Für ihre Freunde. Für ihr Team. Für die Tatsache, dass sie zum ersten Mal im Leben nicht einfach nur Dörfler B war, sondern jemand wichtiges. Als sie wieder aufsah, lächelte Shimizu sanft. Eine Hand, hübsch und zierlich, schwebte vor ihrem Gesicht. Hitoka versuchte, den herzförmigen Klumpen in ihrem Hals zu ignorieren.   „Lass mich dir aufhelfen, Prinzessin.“     #8 – Castle of glass     Sie hatten zwei Paar Schuhe. Eines, das Chikara irgendwo in einem Internetauktionshaus gefunden hatte, das tatsächlich aus Glas bestand und nur für die Szene gedacht war, in der der Schuh einsam auf der Schlosstreppe liegen sollte, sowie für die Szene, in der Aschenputtel und die ganzen Mädchen im Reich – das Mädchenvolleyballteam hatte sich zum Helfen bereiterklärt – ihn anziehen sollten. Das andere Paar war einfach nur ein glitzerndes Paar Pumps, das zumindest aus der Ferne gläsern genug aussah, dass es für jede andere Szene taugte. Eigentlich sollte also nichts schief gehen.   Uneigentlich stolperte Tanaka, als er, wie im Drehbuch stand, versuchte, den Diener davon abzuhalten, Aschenputtel den Schuh zur Anprobe zu reichen, und prompt fiel er zu Boden. Und zersplitterte in tausend kleine, glitzernde Scherben. Chikara verfluchte seine eigene Dummheit, den Schuh fallengelassen zu haben. Es war eine Katastrophe. Erstens, solche Glasschuhe waren teuer! Zweitens, sie hatten nicht einmal die Zeit, neue zu bestellen. Drittens–   Und dann war Hinata da, warf sich beinahe unters Bett, und zog den zweiten Schuh darunter hervor, den Chikara dort in Sicherheit gebracht hatte, damit niemand drauftrat und sich verletzte. „Es gibt noch den andren Schuh!“, verkündete er stolz strahlend. Chikara fiel so lange ein Stein vom Herzen, bis er selbst die Szene ruinierte. Seine Zunge war schneller als sein Verstand, und ehe er drüber nachdenken konnte, hatte er schon nachgehakt, wo denn auf einmal der Schuh herkam, weil er einfach nirgendwo ins Drehbuch gehörte und Chikaras ganzer Verstand nur noch von Drehbuch gefüllt war.   Keine fünf Sekunden später stolperte Asahi vor die Kamera, angeschubst von Nishinoya. Chikara rief laut einen Schnitt aus und stolperte zur Kamera. Sie könnten natürlich auch einfach alles neu drehen, aber wieso?   Irgendwie war das Chaos doch ganz erheiternd. Seriösität hatten sie sowieso schon verspielt, als sie Tanaka eine braunblonde Perücke auf den kahlen Kopf gesetzt hatten – und Nishinoya schwarze Ringellocken.     #9 – Happily ever after     Dieses Mal war sich Hitoka sicher, dass ihr Herz noch aus ihrem Mund hüpfen würde. Sie tanzte mit Shimizu, nicht mehr ganz so unsicher wie beim ersten Mal, und trotzdem waren ihre Knie weich wie Pudding und sie fühlte sich, als müsse sie gleich in Ohnmacht fallen. Dringend. Sehr dringend. Vielleicht war in Ohnmacht fallen wirklich eine gute Idee! Die Alternative dazu klang so unglaublich gruselig! Außerdem war es verstörend, wie Nishinoyas und Tanakas Blicke ihnen ständig folgten, wie die beiden wie besessen um sie herumkreisten und niemanden in ihre Nähe ließen. Nicht, dass irgendjemand wirklich in ihre Nähe wollte. Ein Blick durch die Sporthalle, die als kitschiger Ballsaal dekoriert worden war – es sah sicher nicht sehr authentisch aus, aber Hitoka fand es trotzdem sehr hübsch! Selbst ihre Mutter hatte geholfen, das Design zu planen und umzusetzen –, zeigte, dass eigentlich niemand Augen für sie hatte. Die Mädels aus dem Volleyballclub tanzten untereinander und hatten ihren Spaß. Hinata hatte noch ein paar Klassenkameraden engagiert, die nun ebenfalls tanzten, wo sie eine Partnerin fanden, manchmal auch ohne. Sugawara und Sawamura tanzten ausgelassen miteinander. Hinata hatte sich längst auf Kageyama gestürzt und die beiden zeterten lautstark miteinander, zum Glück nicht so laut, dass sie die langsame Tanzmusik übertönen würden.   Es war gut ablenkend, und Hitoka hätte gern einfach ewig weiter beobachtet, doch viel zu bald blieb Shimizu stehen, und Hitoka mit ihr, und sie schluckte hart, weil sie wusste, was jetzt im Drehbuch stand. Sie hatten das nicht geprobt. Hitoka wäre gestorben, hätten sie es getan! Gestorben, bevor sie ihre Rolle erfüllen konnte, und das wäre doch echt deprimierend gewesen. Am Ende hätten sie ein Double gebraucht, und wo  hätten sie das hernehmen sollen?! Nishinoya vielleicht? Irgendein willkürliches Mädchen? Also keine Proben. Und wenn sie jetzt starb, war das okay. Sie schloss die Augen, schicksalsergeben, hob das Kinn, als Shimizus Finger es sanft hochdrückte.   Es war ein gutes Leben. Leb wohl, Welt.   Hitoka starb nicht. Nicht wirklich. Aber ein bisschen war ihr trotzdem, als hätte ihr altes Leben aufgehört und ein neues angefangen, als Shimizus Lippen sich wieder von ihren lösten und die Augen des anderen Mädchens so deutlich voller Glück und Liebe funkelten, dass nicht einmal Hitoka es übersehen konnte.     #10 – Aftermath     Als sie sich den fertigen Film ansahen, war Ennoshita gar nicht da. Er war gerade in der Universität, die den Wettbewerb ausgerichtet hatte, um der Auswertung des Wettbewerbs beizuwohnen. Koushi war sich sicher, es war eigentlich nicht erlaubt, aber nicht einmal der Coach meckerte über das Popcorn in der Sporthalle, während sie um den Fernseher, den sie aus dem Schulgebäude entführt hatten – wie gut, dass die alle auf Rollschränkchen montiert waren –, herum saßen und verfolgten, was sie bis vor wenigen Tagen noch selbst zusammengeschauspielert hatten. Er war wirklich beeindruckt von Ennoshitas Talent als Kameramann und Filmbearbeiter. Zugegeben, Koushi hatte nicht erwartet, dass der Film besonders gut werden würde, und man sah ihm an, dass er von Laien gemacht worden war, die alle keine Ahnung hatten, was sie taten, und die alle nicht schauspielern konnten, die keinerlei Budget hatten – aber wirklich viel Spaß dafür! Und man merkte bei allem Laientum trotzdem, dass Ennoshita ehrliches Talent hatte. Er war wirklich zufrieden und stolz auf ihre Leistung.   Nicht, dass er damit alleine dastand, aber es gab trotzdem Meckernasen, die – ja, meckerten.   „Kaum zu glauben, dass sie dein Gesicht nicht einfach rausgeschnitten haben“, kommentierte Tsukishima gerade, als die Aufnahme ein Close-Up von Kageyamas extrem grimmigem Gesicht zeigte. „Ich meine, besonders charmant wirkt das nun nicht, oder, Euer Hoheit?“ – „Als würdest du besser aussehen!“ Tat Tsukishima wirklich nicht. Sein Uhrenkostüm war ja wirklich hübsch, aber die aufs Gesicht gemalten Zeiger und das Ziffernblatt sahen einfach herrlich lächerlich aus, gepaart mit seinem gelangweilten Blick – Koushi fand, es war ein Bild für die Götter, und er war wirklich, wirklich dankbar, dass sie es für ewig auf Film gebannt hatten. Darüber konnten sie noch in zwanzig Jahren beim Klassentreffen lachen! „Mir scheint, Ihr seid nur neidisch, weil am Ende die schnöde Turmuhr sogar wichtiger war als seine Königlichkeit. Muss bitter sein, wenn selbst eine nervige Maus und eine hässliche Stiefmutter einem die Show stehlen. Und in letzterem Fall sogar die Ehefrau…“   Koushi wandte sich ab, als der Streit der Beiden wieder einmal ausartete. Er wollte gern den Film sehen, und nicht verfolgen, wie Kageyama und Tsukishima sich wieder einmal benahmen wie zwei beleidigte Kleinkinder – oder ein altes Ehepaar. Außerdem würde sicher gleich auch noch Hinata mitmischen, und spätestens danach würde es so chaotisch werden, dass jeder Blick in die Richtung der Jungs nur zu Kopfschmerzen führte. Brauchte Koushi wirklich nicht. Außerdem passierte viel Interessanteres – die Sporthallentür flog auf, Ennoshita stolperte hinein, und er strahlte so breit, dass Koushi gar nicht mehr nach den Resultaten fragen musste.   „Ich hab die Ergebnisse!!!“   Und einen hübschen, kleinen Pokal in Form einer Videokamera auf einem Stativ, der recht eindeutig verkündete, welchen Platz er belegt hatte. Nishinoya sprang ihn mit einem Freudenschrei an, kurz darauf war auch Tanaka da, um ihn in den Schwitzkasten zu nehmen und ihm das Haar zu zerzausen. Koushi ließ es sich nicht nehmen, sich ebenfalls an dem Chaos zu beteiligen, und erst nach gefühlt mehreren Stunden saßen sie wieder, Ennoshita immer noch mit geröteten Wangen und strahlend, sein Haar stand inzwischen bedenklich in alle Richtungen ab. „Unglaublich, dass das so ein Erfolg war! Aber die Jury war echt begeistert von der mutig natürlichen und ungezwungenen Interpretation des Märchens!“ Er lachte herzlich, viel fröhlicher und energiegeladener, als man ihn oft sah. Koushi strahlte zufrieden. So musste es sein. „Wir sollten noch mal einen Film drehen!“, rief Nishinoya laut aus. Seine Idee stieß auf Zustimmung – natürlich. Eine Idee, was man denn drehen könnte, hatte keiner so recht, aber schnell landeten sie wieder auf Märchen. Koushi grinste breit. „Ich hab da eine Idee“, begann er kryptisch. Alle Augen wanderten in seine Richtung. Selbst Tsukishima sah ihn an, was Koushis Grinsen noch breiter werden ließ. Er hob die Finger, ließ sie im Takt seiner Worte wippen. War doch egal, dass sie das Märchen selbst schreiben müssten, es würde sich sicher lohnen!   „Der König und die Turmuhr.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)