Soulmates - Seelenverwandte von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Just Lost to be Found -------------------------------- Hi! Hier bin ich mit einer neuen Story! Yep, wieder Shounen-Ai! ^^ Tja, ich arbeite eigentlich schon länger an diesem Stück und ich wollte es diesmal erst veröffentlichen, wenn ich einen richtigen Plot entwickelt habe! Und das habe ich nun! In diesem ersten Part wird noch nicht viel davon zu spüren sein, aber die Handlungen der Charaktere werden schließlich darauf hinauslaufen! Ihr werdet's sehen! Die Story wird aus der Sicht zwei verschiedener Personen geschrieben. Immer abwechselnd, deshalb dürfte man sich da eigentlich nicht so leicht vertun. Die Personen sind natürlich meine beiden Hauptpersonen. So, das war's von mir! Jetzt aber viel Spaß hiermit! Soulmates - Seelenverwandte Part One: Just Lost to be Found Yano stapfte den Gang entlang, die Augen immer auf die Fersen seines Vordermannes geheftet, der ihn zum Büro des Direktors bringen sollte. Es interessierte ihn nicht, ob man ihm nun zum hundertsten Mal das selbe erzählen würde. Ob man ihm nun zum hundertsten Mal drohen würde, von der Schule verwiesen zu werden, weil er sich mal wieder mit jemandem angelegt hatte, der seine eigenen Kräfte überschätzte. Mit solchen Leuten hatte er nun wirklich kein Mitleid. Sie verdienten es, zusammengeschlagen zu werden, diese Weicheier! Und er würde auch das nächste Mal nicht anders handeln, mochten die Anderen ihm sagen, was sie wollten. "Kitaya.", sprach seine Begleitung ihn unerwartet an und drehte sich langsam um. Yano blieb stehen und hob den Blick von den perfekt polierten Schuhen des Klassensprechers. Es gefiel ihm nicht, wie er seinen Nachnamen ausgesprochen hatte. Spöttisch gedehnt, als wäre er etwas ganz besonders Ekelerregendes und Abnormales. Okay, sein Name mochte ja bekannt sein, aber deshalb war er nicht gleich ekelig, auch, wenn er ihn selbst verabscheute. "Dein Verhalten ist absolut beschämend!", erhob sein Klassenkamerad wieder seine süffisante Stimme. "Du ziehst den Ruf unserer Familien in den Schmutz!" Yano verzog abfällig die Mundwinkel und ließ ein wütendes Grollen hören. "Bist du etwa der Direktor, oder warum glaubst du, kannst du mir eine Standpauke halten?" "Der Sohn des Direktors zu sein, reicht dazu auch schon aus!" Die spitze, fast hakenförmige Nase des Jungen hob sich noch ein Stückchen höher in die Luft als sonst. "Ich habe gewisse Privilegien und ginge es nach mir, wärst du gar nicht erst auf diese Schule gekommen!" "Wenn es nach mir ginge, wäre ich auch nicht hier.", grummelte Yano. "Ich habe mir das alles nicht ausgesucht." "Deine Meinung interessiert ja auch niemanden!" Der Klassensprecher fuhr sich durch die dunklen, nach hinten gekämmten Haare. "Eine Schande, dass ich mir das alles antun muss!" "Tja, Pech für dich, dass unsere Familien verwandt sind..." Yano grinste, doch innerlich flackerte noch immer die Wut, die sich all die Zeit in ihm aufgestaut hatte. Ja, er hasste seinen Familiennamen. Er hasste seine Familie und die ganze reiche Gesellschaft, die etwas aus ihm zu machen versuchte, das er nicht war. Er hasste es, Anzüge zu tragen, er hasste es, anderen Leuten eine Höflichkeit vorzuspielen, die er nicht besaß. Aber am meisten hasste er es, seinen entfernten Onkel als Schuldirektor zu haben. Da dachte er, indem er endlich auf eine dieser dummen Schulen ging, würde er, ausgenommen der Ferien, seiner Familie entkommen. Aber nein, das Schicksal hatte es anders gewollt. Seit vier Jahren durfte er sich das jetzt schon antun und es wurde immer schlimmer, statt besser... "Also..." >Sag bloß nichts Falsches, oder du bist dran...< Mit unermesslicher Befriedigung nahm Yano wahr, dass Tome Katora, Sohn des Direktors mit ,Privilegien', wie er selbst Viertklässler und zudem Klassensprecher, die Wut, die in ihm brodelte, wohl auch einmal endlich bemerkt hatte und jetzt offensichtlich gegen seine Unsicherheit zu kämpfen hatte. "Ich denke, mein Vater wird nicht erfreut sein, dich schon wieder sehen zu müssen..." Der Klassensprecher verlagerte unruhig sein Gewicht von einem Bein aufs andere. "Gehen wir besser..." "Dein Name?" "Hyuniri, Shina.", murmelte der Junge und reichte schüchtern sein Buch an die Bibliothekarin, die es mit finsterer Miene entgegennahm und den Scanner des Computers über den Strichcode an dem Buchrücken zog. Unschlüssig stand Shina schließlich da, den Blick auf das alte Buch geheftet, als suchte er eine Bestätigung, das alles mit ihm in Ordnung war. Die ältere Frau hatte sich schon fast wieder anderen Dingen zugewandt, sah ihn dann jedoch noch einmal über die Theke hinweg an. "Es ist alles klar. Du kannst gehen!" Mit erhobener Augenbraue musterte sie ihn ungeduldig, da noch andere hinter ihm erschienen, ihre Bücher unter den Armen. Shina nickte erleichtert, nahm das Buch und schob sich mit gesenktem Blick zwischen den Mitschülern, die allesamt größer waren als er und ihn somit nicht beachteten und fast umrempelten, vorbei zum Ausgang der Schulbibliothek. Er hatte gerade eine Stunde frei gehabt und die Zeit zum Lesen genutzt. Er las unheimlich gern, verbrachte fast jede freie Minute damit. Lesen war für ihn wie das Abtauchen in fremde Welten, es war, als sei man eine ganz andere Person. Als sei man stark und als würde man einmal im Leben etwas gewinnen können. Es machte ihn glücklich. Man hatte das Gefühl, über Menschen zu lesen, die etwas ganz Besonderes waren. So ganz anders als er... Shina seufzte und klammerte sich an das dicke Buch, das er sich gerade ausgeliehen hatte. Er würde gleich beim Essen im Café weiterlesen... "...noch einmal erlebe, fliegst du endgültig von der Schule! Merk dir das!" Erschrocken stockte sein Schritt, als die Tür zum Büro des Direktors, die er gerade passieren wollte, sich ruckartig öffnete und ein blonder Junge heraus stolperte. Mit einem Knall schloss sich die Tür wieder und der Junge wurde allein auf dem Flur zurückgelassen. Shina wusste nicht, was er tun sollte. Er erkannte sein Gegenüber natürlich sofort. Wer kannte ihn nicht, Yano Kitaya, den Schläger, der sich mit jedem anlegte, der ihm nicht passte?! Es war ja nicht so, dass er der einzige seiner Sorte auf der Schule war - eher im Gegenteil - aber seine Familie war berühmt, der Vater leitete eine riesige Softwarefirma und die Mutter war Schauspielerin und arbeitete an unheimlich teuren Filmprojekten mit. Man kam nicht umhin, seinen Namen zu kennen, auch, wenn er persönlich eigentlich rein gar nichts von den Gerüchten an der Schule wusste. Da der Andere ihn noch nicht entdeckt hatte, beschloss Shina, einfach umzukehren und einen Umweg zur Cafeteria in Kauf zu nehmen. Natürlich blieb auch die Möglichkeit, einfach an ihm vorbeizugehen, nur... das war bestimmt keine allzu gute Idee... Doch statt zu gehen, ob nun in die eine oder andere Richtung, starrte er den Jungen einfach nur an, war nicht in der Lage, sich zu rühren. Er gab es ja zu, er hatte Angst. Er war klein und schwach und hatte sich noch nie gegen einen Schläger wehren können. Und wenn er jetzt nur eine Bewegung machte, würde Kitaya es bemerken, ganz sicher. Noch mochte sein Blick auf den Boden gerichtet sein... Schon öfters hatte er ihn beobachtet. In der Cafeteria, auf dem Hof, im Unterricht. Aus reiner Neugierde, weil er sich fragte, wie man mit einer so wünschenswerten Familie ein solcher Rebell werden konnte. Hätte er eine reiche, heile Familie, wäre er froh darüber... er verstand Kitaya einfach nicht, deshalb sein Interesse. Tja, doch nie hatte es sich ereignet, dass er ihm persönlich gegenübergestanden hatte. Jemanden aus sicherer Entfernung zu sehen, war eben etwas anderes, als ihn in einem einsamen Gang zu treffen. Und er wollte ihm auch eigentlich überhaupt nicht so begegnen... >Ich will hier weg...< Dann war er halt feige... Vorsichtig hob er einen der zittrigen Füße und machte einen zögerlichen Schritt zurück. Kitaya schien so in Gedanken versunken - in finsteren Gedanken, wie er noch entsetzter hinzufügen musste - dass er diese kleine Bewegung nicht wahrzunehmen schien und Shina schöpfte schon wieder neue Hoffnung. Noch ein Schritt, noch einer. Mist, er war ihm immer noch viel zu nah... Seine Finger fühlten sich ganz verschwitzt über dem ledernen Buch an, aber Shina wagte es nicht, sie abzuwischen und somit vielleicht seine Chance, unbehelligt zu entkommen, zu vertun. Also konzentrierte er sich auf seine Füße. Nur noch ein paar kleine Schritte und er konnte durch die Tür in die Jungentoilette schlüpfen. Dort wäre er erst einmal sicher. Er wollte gerade noch einen Schritt tun, als es plötzlich einen lauten Knall gab. Yano Kitaya zuckte zusammen und wirbelte herum, Shina erstarrte. Das schwere Buch war seinen Händen entglitten und war mit all seinem Gewicht auf den harten Boden geprallt. Die ganze Welt schien in jenem Moment wie festgehalten. Keiner der Beiden rührte sich, der eine, da seine schlimmsten Befürchtungen eingetreten waren und der andere, da er aus seinen verstrickten Gedanken gerissen worden war. Mit weit aufgerissenen Augen starrten sie einander an. Shina hatte das Gefühl, sein Herz sei ihm stehengeblieben. Jetzt war alles aus! Warum musste auch immer ihm so etwas passieren?! Zwar sah der Junge vor ihm gar nicht aus wie ein Schläger, aber er hatte schon genug von ihm gehört und wusste, der Eindruck trog. Das hellblonde Haar ließ ihn irgendwie sanft erscheinen und diese erschrockenen braunen Augen schienen einen kleinen Eindruck von der Person hinter der Fassade des unerreichbaren Rebellen zu geben. "Wer bist du?!" Kitayas Augen verengten sich mit einem Male gefährlich, als er sich kurz darauf wieder gefasst hatte und jede Sanftheit entwich seinem Gesicht. Jetzt sah er definitiv aus wie ein Schläger. "Hast du etwa gelauscht?" Das riss Shina aus seinem Schockzustand und er kannte nur noch einen Gedanken: Flucht! Er wirbelte herum und rannte um sein Leben, die Angst im Nacken, Kitaya könnte ihm folgen und ihm weh tun, wie schon so viele vor ihm es getan hatten... Yano war verwirrt. Perplex sah er dem kleinen Jungen mit den strahlenden blauen Augen und dem brünetten Haar hinterher. >Wer war das?< Er hatte den Kleinen zuvor noch nie gesehen, dabei kannte er fast Jeden, wenn auch nicht jede Bekanntschaft von freundschaftlicher Sorte war. Viele kannte er nur vom Sehen her. Viele konnte er nicht leiden, viele konnten ihn nicht leiden. Das Übliche halt. War der Junge neu hier? Er war sich sicher, solch ein Gesicht hätte er nicht so einfach vergessen. Es war fast... na, ja... irgendwie süß... so umrahmt von dem braunen Haar und dann diese funkelnden Augen, voller Furcht, aber zugleich voller Neugierde... Was für ein Quatsch! Wann hatte er das letzte Mal so einen Unsinn gedacht? Aber mal ganz davon abgesehen... wieso war der Junge vor ihm davon gerannt, als sei der Teufel hinter ihm her? Er mochte ja als Schläger verschrien und etwas ruppig zu ihm gewesen sein, aber deshalb verprügelte er keine... Zweitklässler? Drittklässler?... eher Zweitklässler... na, jedenfalls keine Jüngeren ohne Grund! Kopfschüttelnd wandte er sich zum Gehen, doch etwas Dunkles auf dem Boden erregte seine Aufmerksamkeit und er blieb stehen. Ein Buch? Das musste das Buch sein, das der Kleine fallen gelassen hatte und vor Schreck musste er es vergessen haben. Wie konnte jemand nur so ängstlich sein, dass er alles stehen und liegen ließ...? Rasch bückte er sich und hob das dicke Lederbuch auf. Er würde es ihm einfach zurückgeben, falls er ihn noch einmal sah. Und er würde ihn ganz sicher noch einmal sehen, ob nun mehr oder minder zufällig. Yano streckte sich in dem Vierbettzimmer, das er mit zwei befreundeten Klassenkameraden teilte, auf seinem Bett aus. Grummelnd sah er zur Decke, die Gedanken bei dem Krach mit seinem Onkel und Schulleiter. Sie hatten sich ziemlich angeschrien, aber er bereute kein Wort und der Rausschmiss aus dem Büro am Ende war ihm gleichgültig. "Und, was hat Direktor Katora gesagt?", fragte Kleo, ein großer, schlanker Dunkelhaariger, der an einem Schreibtisch über Schulnotizen hockte, so wie eigentlich zu jeder Tageszeit, wenn er nicht gerade aß. Er hatte nicht einmal aufgesehen, um diese Frage zu stellen, doch Yano wusste auch so, dass er seine volle Aufmerksamkeit hatte. Kleo - eigentlich mit vollem Namen Haneke Kleofte - war das ungeschlagene Genie unter ihnen. Er konnte tatsächlich gleichzeitig lernen und ein Gespräch mit seinen Zimmergenossen führen, ohne auch nur ein Wort von dem zu überlesen, was in seinem undurchschaubaren Notizbuch stand. "Der Alte..." Yano lachte kurz bitter. "Na, er hat mir wie immer gesagt, dass ich von der Schule fliege, wenn ich noch einmal in eine Schlägerei gerate. Aber er würde es nie wagen, mich von der Schule zu schmeißen, solange meine Schwester seinem ach so göttlichen Sohn ,versprochen' ist!" "Meinst du, er lässt dir das ewig durchgehen?" Diese Frage kam aus der hinteren Ecke des Raumes. Uriko, ein rothaariger Strubbelkopf, der neben Kleo ein weiterer seiner engsten Freunde war, balancierte gerade einen Ball auf seinem Kopf und machte dabei die verrücktesten Schlenker, wenn der Fußball aus dem Gleichgewicht zu geraten drohte. Na, ja... was letztendlich auch passierte. In seinem Eifer, den Ball zurückzuhalten, sprang Uriko zur Seite und der Ball flog Kleo unglücklicherweise an den Kopf. "Hey, pass doch auf, du Chaot!", beschwerte der Getroffene sich und hielt sich die schmerzende Stelle, die eigentlich nicht so sehr weh tun konnte wie Kleo anscheinend glauben machen wollte. "Weißt du, wie viele Gehirnzellen bei so einem Treffer abgetötet werden?!" "Du bist unmöglich!", lachte Yano und ließ sich durch die lockere Stimmung anstecken, die Uriko und Kleo verbreiteten. Der Rothaarige begann seinen dunkelhaarigen Zimmergenossen nun absichtlich mit dem Ball zu attackieren, jedesmal gellendes Kampfgebrüll ausstoßend, als ginge es um Leben und Tod. "Aufhören, ich will lernen!", keifte der Dunkelhaarige, was den anderen natürlich wenig beeindruckte. "Du hast so viele Gehirnzellen, die brauchst du doch gar nicht alle!", griente er. "Und lernen kannst du auch, während ich dich abschieße! Da!!" "Autsch! Uriko!!" "Also, ich schlage vor, dass wir ins Café gehen!" Yano wusste, darauf würde Uriko sofort anspringen. "Solange noch Mittagspause ist!" "Au, ja!!" Der Ball war sofort vergessen und schon stand der Rothaarige in der Tür, ein breites, unbeschwertes Grinsen auf dem Gesicht. "Na, los! Auf, auf! Essen!!" Yano nickte und beeilte sich selbst, als er seinen Magen knurren hörte. Kleo zu helfen war eben nicht sein einziges Motiv gewesen, obwohl Uriko ja manchmal wirklich schlimm war. Hätte er ihm einfach nur gesagt, er solle den anderen in Ruhe lassen, wäre er bloß selbst Opfer der Attacken geworden. Er kannte den Strubbelkopf einfach schon zu lange und zu gut. Die Cafeteria war nicht sehr voll, nur ein paar der vielen ovalen Tische, die in der ganzen Halle verteilt waren, schienen wirklich besetzt zu sein. Die meisten ihrer Mitschüler waren sicherlich draußen, es war schließlich warm und es gab dort jeden Freitag Eis zu kaufen. Und da heute Freitag war und gleichzeitig Sommer, konnte man generell davon ausgehen, dass das Café ziemlich leer war. Das Trio setzte sich an einen etwas abgelegeneren Tisch und machte es sich bequem. Schon einige Augenblicke später war Uriko verschwunden, man sah ihn nur noch irgendwo beim Essen herumwuseln und sich ein Tablett vollmachen. "Der Vielfraß ist wirklich nicht zu bändigen!", seufzte Kleo theatralisch und öffnete erneut sein Notizbuch, um den Unterrichtsstoff der ersten beiden Stunden noch einmal durchzugehen. "Manchmal ist er echt peinlich!" "Nimm's nicht so schwer!", lachte Yano. "Lass uns lieber auch losgehen, bevor er alles geplündert hat!" "Wollt ihr Eis?", fragte Uriko plötzlich, der wie aus dem Nichts wieder bei ihnen aufgetaucht war, grinsend und seine grünen Augen funkelten begeistert, als er auf sein reichliches Essen herabsah. "Ja? Dann können wir gleich rausgehen und was holen!" "Klingt nicht schlecht, aber ich glaube, ich brauche erst etwas Richtiges!", erwiderte Yano leicht nachdenklich. "Ich glaube, ich nehme... mhh..." Sein Blick war von der Gruppe abgeschweift, als er die sich ihm bietenden Möglichkeiten einer festen Mahlzeit durchging und auf einem Tisch in einer dunklen Ecke hängen geblieben. Weniger auf dem Tisch, sondern eher auf der Person, die an ihm saß. Ganz allein hockte dort der Junge, dem er heute vor dem Büro des Direktors begegnet war. Er schien nur vor sich hinzustarren, das Kinn auf die verschränkten Arme gestützt und sich somit halb auf den Tisch lehnend. "Ich gehe mir eben was zu Essen holen, ich komme gleich wieder..." Yano stand auf, ohne auf eine Antwort zu warten und hastete nach vorne, wo er sich ein Tablett schnappte. Schnell füllte er es mit irgendwelchen Dingen, von denen er wusste, er selbst mochte sie und bewegte sich schließlich vorsichtig auf den Tisch in der dunklen Ecke zu. "Hey, Kleiner!" Er ließ sich neben den Jungen plumpsen und stellte sein Tablett ab, als sei es ganz normal, dass er sich zu ihm setzte. Der Brünette jedoch quietschte entsetzt auf und wich instinktiv zurück, scheinbar allein von der Tatsache zu Tode erschrocken, dass jemand ihn ansprach. Geweitete blaue Augen richteten sich auf ihn und der Junge erstarrte, ähnlich wie eine Katze, die in die Scheinwerfer eines herannahenden Autos sah. "Ich... also..." Etwas verunsichert von dieser einfach unerklärlichen Angst, versuchte Yano seine Gedanken zu sammeln. "Du hast dein Buch auf dem Flur vergessen..." "Mein Buch?" Das schien bei ihm etwas anzusprechen, jedenfalls konnte der Blonde es jetzt in seiner Miene arbeiten sehen. Sein Gesichtsausdruck wechselte von Angst zu Unglauben, zu Erleichterung und schließlich... zu Panik. Absoluter Panik. "Bitte, bitte, gib es mir zurück!", flehte er mit zittriger Stimme und Yano wurde immer unwohler zumute. Er fühlte sich wie ein Ungeheuer, dabei hatte er doch gar nichts getan. "Natürlich bekommst du es zurück!", versicherte er also hastig und wandte den Blick lieber dem Essen zu, um den Jungen nicht noch mehr zu erschrecken. "Ich hab' es aber jetzt leider nicht dabei, ist viel zu schwer und...." Als er wieder aufsah, entdeckte er nur blankes Misstrauen auf dem Gesicht des Brünetten und die blauen Augen waren so weit aufgerissen wie zuvor schon. Der Junge hatte Angst. Was hatte man ihm getan, dass er so panisch war? Oder lag es bloß an ihm und seinem Ruf?" Das konnte er irgendwie nicht so recht glauben. "Ähm... du könntest es dir später abholen...", murmelte er vorsichtig. "Zimmer 24 im C-Trakt." Der Junge antwortete nicht. Nicht einmal sein Gesichtsausdruck veränderte sich irgendwie. Noch immer Misstrauen und Furcht. "Tja, ich denke, ich werde heute Nachmittag da sein, wenn du es also abholen willst, komm einfach vorbei..." Schnell stand Yano auf, schnappte sich das Tablett und durchquerte den Raum zurück zu dem Tisch mit seinen beiden Freunden, die ihn erwartungsvoll musterten. "Was wolltest du von Hyuniri?", fragte Kleo, ohne die Überraschung in seiner Stimme zu verbergen. "Hyuniri?", fragte Yano mit einem Blick zurück zu dem Jungen, der seinen Blick auch über die Entfernung hinweg mit noch immer vorhandenem Misstrauen erwiderte. "Ja, Shina Hyuniri aus unserer Parallelklasse!" Wie zur Verdeutlichung seiner Worte erstach Uriko mit seiner Gabel einen Hackfleischklos, der daraufhin ohne Gnade verschlungen wurde. "Parallelklasse?", keuchte Yano auf und warf noch einen Blick zurück. Der Junge schien sich jetzt etwas beruhigt zu haben, doch noch immer wurde er aus dem Augenwinkel heraus beobachtet. Er spürte die blauen Augen geradezu auf sich haften und ein Schauer lief ihm über den Rücken. "Ja, sag bloß, du kennst ihn nicht?" Kleo stocherte in seinem Bohnensalat, von dem er nicht allzu begeistert schien. "Er hat manchmal mit uns Unterricht und sitzt dann immer alleine ganz hinten. Er soll viel gehänselt werden, weil er so klein ist, habe ich gehört." "Was wolltest du denn nun von ihm?", fragte Uriko mit vollem Mund und schob gleich noch eine Gabel von Kleos Bohnen hinterher. "Hey, das ist mein Essen!" Kleo schnappte sich die Salatschüssel und umklammerte sie beschützend. "Igitt, das kannst du auch behalten!", würgte Uriko, wurde dann jedoch direkt wieder ernst. "Na, jedenfalls... was wolltest du von unserem Trauerklos?" "Ich bin ihm heute auf dem Flur begegnet und da hat er ein Buch verloren.", erklärte Yano simpel und ließ die Panikattacke des Kleineren lieber heraus, um ihn nicht zu blamieren. "Er wird heute Nachmittag vielleicht vorbeikommen und es sich abholen." "Ach, so?" Recht wenig interessiert an weiteren Einzelheiten, wandte Uriko sich rasch wieder dem Essen zu und verfiel in einen überglücklichen Singsang, als er etwas gefunden hatte, das ihm schmeckte. Yano konnte noch immer die misstrauischen tiefblauen Augen in seinem Rücken spüren. Er starrte dem Blonden hinterher, als er sich von seinem Tisch entfernte. Er wirkte verwirrt und verunsichert, aber das glaubte Shina ihm nicht. Äußerlich konnten Menschen immer anders wirken, als sie wirklich waren. Das sollte also der Schläger Kitaya sein?! So ein Lamm? Eher ein Wolf im Schafspelz, darauf mochte Shina wetten. Er hatte mehr als einmal gesehen, wie sein scheinbar so freundlicher Mitschüler sich mit jemanden geprügelt hatte, weil der ihn provoziert hatte. Er hatte sich nicht nur mit ihm ,ge'prügelt, nein, er hatte ihn ,ver'prügelt, regelrecht zusammengeschlagen und die Krankenschwester war auch schon öfter wegen einem seiner Opfer unterwegs gewesen. Er würde sich nicht von ihm vormachen lassen, er sei harmlos! Keinen Moment ließ er den Hinterkopf des Blonden aus den Augen, als dieser sich mit seinen Freunden unterhielt und hin und wieder einen Blick über die Schulter zu ihm herüber warf. Auch die anderen beiden sahen ihn zeitweise an und da wusste er, sie sprachen über ihn. Und das gefiel ihm nicht! Shina seufzte. Hätte er doch wenigstens sein Buch gehabt. Statt dessen saß er jetzt hier herum und hatte nichts zu tun. Die Pause würde noch eine halbe Stunde dauern, dann erst ging es wieder in den Unterricht. Und solange würde er noch warten müssen. Ohne sein Buch war er wohl aufgeschmissen. >Dann hole ich es mir nachher einfach zurück!< Dass seine Finger sich bei dem Gedanken angstvoll in seiner Kleidung verkrampften, bemerkte er nicht. Der C-Trakt war düster, nur ein Fenster zu je beiden Enden des Ganges erhellte ihn ein wenig. Die Intervalle zwischen jedem Schritt, den Shina tat, vergrößerten sich stetig. Er fürchtete eine Falle, fürchtete, dass sie auf ihn warteten, dass sie darauf aus waren, dass er, dumm wie er war, allein zu ihnen aufs Zimmer gelaufen kam, wo er ihnen schutzlos ausgeliefert sein würde. Sie würden verächtlich auf ihn nieder grinsen, wie schon viele zuvor, würden ihn herumschubsen und erpressen. Was auch immer sie vorhaben mochten, in diese Richtung würde es gehen und er hatte weder eine Chance, ihnen zu entkommen, noch konnte er in ihrem Zimmer von irgendwem Hilfe erwarten. Shina war stehen geblieben. Eine Chance hatte er. Er wirbelte auf dem Absatz herum und setzte zu einem Spurt an, der ihn von hier wegführen würde, irgendwohin, nur weit weg von hier. Womit er jedoch nicht gerechnet hatte, war Kitaya, der hinter ihm stand und in den er in seiner Hast hinein rannte. Geistesgegenwärtig hatte der Blonde nach ihm gegriffen und ihm vor dem Fallen bewahrt. Oder hatte er das überhaupt? Hielt er ihn bloß fest, damit er nicht davonlaufen konnte? Shina machte einen Satz zurück und tatsächlich hielt Kitaya ihn an den Schultern fest und verhinderte somit, dass er flüchten konnte. "Lass mich los!!" Verzweifelt wand er sich in dem Griff, doch vergebens. "Bitte, lass mich, lass mich!!" Seine Angst wurde immer größer, jeder Tritt schien daneben zu gehen, jeder Hieb einfach abzuprallen, nichts vermochte ihn zu befreien. "Lass mich gehen!", flehte er mit schriller Stimme, wehrte sich noch mehr und wandte seine ganze Kraft auf, um loszukommen, doch der Griff schien wie aus Stahl, er konnte nichts tun. Kitaya würde ihn... "Hey, hör doch auf damit!" Die Stimme war ruhig und ohne jegliche Wut oder Verachtung, die Shina erwartet hatte. Er erstarrte und blinzelte in das verwunderte Gesicht des Blonden hinauf. "Renn doch nicht gleich immer weg. Ich bringe dich schon nicht um." Ein Lächeln erschien auf den Lippen des Größeren. Shina sagte nichts, er wusste einfach nicht mehr, was er denken sollte. Was hatte Kitaya vor? Was war sein Motiv, ihm gegenüber so freundlich zu sein? "Du guckst immer, als wollte man dir gleich etwas antun!", sprach Kitaya weiter, als keine Erwiderung kam. Die Hände lagen noch immer auf seinen Schultern und er spürte ihre Wärme durch seine Kleidung hindurch. Es war lange her, dass er Körperkontakt mit einem Fremden gehabt hatte. Das letzte Mal, dass er überhaupt bewussten Körperkontakt aufgenommen hatte - Schubser auf dem Flur und die Hiebe der Schläger mal ausgeschlossen - war in den letzten Ferien gewesen, als er sich von seiner Tante verabschiedet hatte. Er empfand diesen Kontakt hier irgendwie nicht als angenehm, er war ungewohnt und fühlte sich seltsam an, unbekannt. Nichts, das er mit seiner Berührungsangst sehr lange ertragen würde... "Ich komme gerade vom Getränkeautomaten." Die Hände auf seinen Schultern verschwanden plötzlich und Shina unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung. Kitaya sah für einen Moment erschrocken aus, als habe er etwas unglaublich Falsches getan, doch dieser Eindruck verschwand fast so schnell, wie er gekommen war und Shina beachtete ihn nicht weiter. Der Blonde klopfte auf die Tasche, die an seiner Seite baumelte. "Na, jedenfalls habe ich dich dann hier gesehen. Du kommst sicher, um dein Buch zu holen?" Wieder lächelte sein Gegenüber und Shina zwang sich selbst, sich zu entspannen und zu nicken. Das Misstrauen nagte an ihm und auch nachdem Kitaya ihm ein Zeichen mit der Hand gegeben hatte, ihm zu folgen und vorausgegangen war, schaffte er es nicht, sich von der Stelle zu rühren. Er konnte einfach nicht, etwas in ihm krampfte sich bei jeder Bewegung zusammen, die er in seine Richtung machen wollte. Angst. Er hatte Angst. Was, wenn das doch eine Falle war? Wie oft schenkte Kitaya fremden Menschen schon einmal ein Lächeln? Und ihm hatte er jetzt schon das zweite Mal hintereinander zugelächelt. Da war etwas faul. Er kannte ihn jetzt schon lange genug, immerhin waren sie seit vier Jahren im selben Jahrgang und er hatte ihn öfters beobachtet. Sein Verhalten anderen Leuten gegenüber war eigentlich immer von einer gewissen Härte und kalter Distanziertheit bestimmt, wenn es nicht gerade seine Zimmerkameraden waren. Wieso sollte es bei ihm anders sein? Das roch alles nach einer Falle! Was wollten die bloß wieder von ihm? Es wussten doch inzwischen alle, dass er kein Geld besaß, was würden sie denn nur von ihm verlangen können? Suchten sie jemanden, den sie zusammenschlagen konnten? Einen Prügelknaben, an dem man überschüssige Energie loswerden konnte? Nicht mit ihm, nicht freiwillig zumindest. Langsam ging er rückwärts, wagte es jedoch nicht, Kitaya den Rücken zuzudrehen, der ihn mit verwirrter Miene von seiner Tür aus beobachtete. "Du rennst schon wieder weg?", hörte Shina ihn fragen. "Mensch, so etwas wie dich habe ich noch nicht erlebt!" "Was denn, ist Hyuniri da?", erscholl eine weitere ziemlich helle und heitere Stimme aus dem Raum, in dessen offener Tür Kitaya nun stand. "Soll reinkommen.", kam eine weitere, gedämpftere Stimme. "Dann kann er Uriko mal von mir ablenken, damit ich wenigstens die Hälfte von dem Kram vernünftig lernen kann... Autsch!" Jetzt war es an Shina, verwirrt zu sein. Er legte den Kopf leicht schief, den Gedanken an Flucht jedoch noch immer umsetzend, indem er einen weiteren Schritt rückwärts tat. "Du kannst wirklich herkommen.", murmelte Kitaya seufzend, sein Blick wanderte fast resignierend in das Zimmer, in dem sich jetzt etwas zu ereignen schien. Jedenfalls schrie Kitaya für ihn unerwartet auf und versuchte zurückzuspringen. Und das nächste Geschehen ließ Shina fast das Herz vor Schreck stehen bleiben. Jemand polterte aus der offenen Tür, rannte dabei Kitaya über den Haufen, der es nicht geschafft hatte, auszuweichen und raste mit ungebremster Geschwindigkeit auf ihn zu. "Hey!!" Ein rothaariger Strubbelkopf, der zu seiner Überraschung nur ein kleines Stück größer war als er, riss ihn in eine stürmische Umarmung. "Komm an mein Herz, Hyuniri! Endlich mal jemand in meiner Nähe, der kleiner ist als ich!" Shina fühlte sich wie zur Salzsäule erstarrt. Das war einfach zu viel für ihn. Er war kurz vor einem Ohnmachtsanfall. Was war das heute für ein Tag, dass alle ihn begrabbelten?! Er mochte das nicht! Der hitzige Junge löste sich plötzlich mit einem Ruck von ihm und griff nach seiner Hand. "Du musst unbedingt reinkommen!", begann er vor sich hinzuquasseln, während er seinen geschockten Mitschüler hinter sich herzog. "Yano hat den ganzen Tag nur von dir geredet!" Er ließ ein gespielt verträumtes Seufzten hören. "Ob Hyuniri wohl wirklich kommt? Er muss doch sein Buch abholen!" Bei den Worten verfinsterte sich Kitayas Miene erheblich und genau das war es, was Shina aufschrecken ließ. Zuvor hatte er sich willenlos mitschleifen lassen, war zu erschrocken von den plötzlichen und unerwarteten Ereignissen gewesen. Jetzt stemmte er die Füße in den Boden und begehrte gegen den Griff um sein Handgelenk auf. "Nein!", schrie er auf und war überrascht, als er abrupt losgelassen wurde. Schwankend taumelte er ein Stück nach hinten, schaffte es aber, auf den Füßen zu bleiben. "Was ist los?", fragte der Rothaarige ihn mit verwirrter Miene. "Ist was nicht in Ordnung?" Shina konnte nicht antworten, seine Kehle fühlte sich an, als hätte sie jemand gewaltsam zugeschnürt. Er stand nur da und sah die beiden wohl ungefähr Gleichaltrigen mit einer Mischung aus Angst und Verwunderung an. Seine Beine schienen wie Wackelpudding und er hatte das seltsame Gefühl, gleich umzukippen. Ihm war schwindelig und seine Sicht verschwamm unkontrolliert. "Mensch...", hörte er die Stimme des Rothaarigen mit seltsam unbekümmerter Sorge. "Du siehst gar nicht gut aus!" Shina kniff die brennenden Augen kurz zusammen und wischte sich mit dem Ärmel die kommenden Tränen fort, die das Bild von dem Fremden und Kitaya zu verdecken drohten. Das alles war einfach viel zu viel für ihn. Er wusste, er war ein Schwächling, ein Feigling. Er verkraftete so etwas nicht und die ganze Aufregung zusammen mit seiner Berührungsangst überschwemmten ihn wie eine übermächtige Welle und ließen ihn zitternd und hilflos zurück. "Yano, was hat er?" Ja, er hatte Berührungsängste. Nur gegenüber Personen, denen er voll und ganz vertraute, konnte er damit umgehen und die Umarmungen und Nähe genießen. Leider gab es nur einen solchen Menschen, seine Tante, um genau zu sein. Sie war der einzige Mensch, der in seinem Leben etwas zählte. Ihr gegenüber konnte er locker lassen und einfach nur er selbst sein. Aber nicht gegenüber Fremden. Es fühlte sich einfach falsch an, so jemanden zu berühren und das Verlangen, dem Kontakt zu entkommen, war für ihn jedesmal in jedem einzelnen Muskel spürbar. "Du solltest wirklich reinkommen und dich etwas ausruhen!", schlug der Rothaarige vor, diesmal wieder an ihn gerichtet, nachdem er von Kitaya nur einen bedeutungsschweren Blick als Antwort erhalten hatte. "N-nein..." Shina schüttelte schnell den Kopf, in Gedanken schon wieder auf der Flucht. "Doch, doch!" Der Junge vor ihm stemmte die Hände in die Hüften und bedachte ihn mit einem bekräftigenden Nicken. "Ich bestehe darauf!" "Ich... aber ich... bitte... also..." "Na, komm schon, oder muss ich dich schieben?" Shina hegte keinen Zweifel daran, dass er seine Drohung in die Tat umsetzen würde, leistete er seinen Forderungen nicht augenblicklich folge und der bloße Gedanke daran, dass er ihn dabei unweigerlich anpacken würde, ließ einen kalten Schauer über seinen Rücken rieseln. "Na... na, gut...", murmelte er mit brüchiger und unsicherer Stimme. >Nur, weil ich mein Buch wiederhaben will...< Der Kleine traute sich also tatsächlich? Irgendwie konnte Yano das nicht so recht glauben. Nein, sein Gefühl verriet ihm da ganz eindeutig, dass Hyuniri keinen Schritt in ihre Richtung tun würde, egal, was er nun sagte, oder nicht. Und tatsächlich rührte er sich nicht von der Stelle. Hin und wieder wischte er sich nur die noch immer hervorquellenden Tränen aus dem Gesicht und sein unsteter Blick suchte die Gegend nach einem geeigneten Fluchtweg ab. Yano konnte sich das nicht länger mit ansehen. Er betrat das Zimmer, griff nach dem schweren ledernen Buch und ging damit zurück auf den Flur. Mit bedächtigen Schritten trat er schließlich neben Uriko und hielt Hyuniri den gewünschten Gegenstand hin. "Da, deshalb bist du doch hier, oder?" Die großen blauen Augen fielen auf das Buch und hefteten sich daran fest. Wenigstens kamen so keine Tränen mehr. "Na, los!", forderte Uriko den Kleinen verwirrt auf. "Nimm's schon!" Die Augen lösten sich wieder von dem dunklen Buch und richteten sich misstrauisch auf dessen Träger, dem langsam aber sicher der Arm schwer wurde. "Ja, du kannst es wirklich haben!", versicherte Yano und musste sich anstrengen, das unangenehme Gewicht nicht einfach sinken zu lassen. "Ich hab's dir doch schon gesagt!" "D-danke...!!" Hyuniri schnellte nach vorn und riss das Buch an sich. Sofort war er wieder auf Distanz und sein Misstrauen schien nicht geschmälert. "Wenn du mal Hilfe brauchst, oder ähnliches, komm einfach zu uns!", lachte Uriko ermutigend und wandte sich ab. Yano erkannte die Absicht hinter seinem Verhalten und zog sich ebenfalls zurück. "Bis dann, also...", verabschiedete er sich mit einem kleinen Lächeln und beeilte sich, Uriko ins Zimmer zu folgen. Noch ehe er die Tür erreicht hatte, ging es im Zimmer wieder rund. "Hat man denn vor dir nie Ruhe?", seufzte Kleo genervt, als der Rothaarige ihn wohl wieder auf irgendeine Weise vom Lernen abhielt. "Du bist so gefühllos, Kleo!", jammerte Uriko gequält. "Weißt du, was da draußen überhaupt vor sich gegangen ist?!" Yano drehte sich noch einmal um und sah den Gang hinab zu der Person, die sich bisher nicht von der Stelle gerührt hatte. Lächelnd hob er also eine Hand, winkte zum Abschied und schenkte Hyuniri einen warmen Blick, ehe er sich darauf gefasst machte, einen weiteren Streit zwischen Uriko und Kleo schlichten zu müssen. Die Tür schloss sich hinter ihm. "Uriko, Hyuniri hat sich doch bloß sein Buch abgeholt!", ächzte der Dunkelhaarige gerade und beugte sich weiter über seine Arbeitsmaterialien. "Was soll daran schon so besonders sein?" "Der arme Kleine!" Uriko ließ sich rücklings auf sein Bett plumpsen und seufzte mitleidig, ehe er sich auf die Seite rollte, um seinen Zimmergenossen ansehen zu können. "Er schien Angst vor uns zu haben!" "Er hat vor der ganzen Welt Angst.", erklärte Kleo, als würde er über das Wetter reden. "Ich hörte, seine Eltern seien vor seinen Augen gestorben, als er klein war. So etwas ähnliches." "Was?!", schrie Uriko auf und Yano musste sich bemühen, nicht ebenfalls so zu reagieren wie der rothaarige Chaot. Statt dessen rückte er nur näher an die beiden heran. "Viel mehr weiß ich auch nicht." Kleo kritzelte etwas in sein Notizbuch und unterstrich einen ziemlich langen Satz auf seinem Arbeitsblatt. "Und das berührt dich gar nicht?!" Uriko war aufgesprungen und hatte sich dramatisch vor dem Dunkelhaarigen aufgebaut. "Ich kenne ihn doch gar nicht!" Jetzt sah Kleo auf und blickte in die bleichen Gesichter seiner Freunde. "Was ist denn los mit euch?" "Wir müssen uns um ihn kümmern!", platzte Uriko heraus und griff sich ans Herz. "Bitte?!" Ungläubigkeit zeichnete sich auf Kleos Gesicht ab. "Er hat recht!", meldete sich Yano endlich zu Wort und fühlte warme Bestätigung in seinem Innern. "Ja, du hättest ihn sehen müssen, wie er dort stand!", rief der Rothaarige aus. "So verloren und verlassen und allein und einsam und..." "Er braucht Hilfe!", stellte Yano klar und sah Kleo fest an. "Machst du mit?" Kurz schweifte der Blick des Dunkelhaarigen von einem zum anderen, dann seufzte er ergeben. "Ja, ja! Ist gut!", grummelte er. "Also lerne ich eben nicht für die Schule und meine Noten sind schließlich im Keller, aber wenigstens dem kleinen Trauerklos ist geholfen!" "Super!", jubelte Uriko und knuddelte Kleo kräftig durch, der das mit Leidensmiene über sich ergehen ließ. "Sag mal, Yano...", murmelte der Dunkelhaarige daraufhin und schob den quengelnden Uriko ("Du hast mich gar nicht lieb!") von sich. "Wie kommt es eigentlich, dass du dich so für die Sache begeisterst? Es ist echt schon eine Ewigkeit her, dass ich dich wegen jemanden so besorgt gesehen habe!" Der Rothaarige unterbrach bei den Worten seine Jammerei und ließ von Kleos Arm ab. Sein Blick richtete sich fragend auf Yano. "Also...", stotterte der leise. Er wusste nicht, warum er sich so ertappt fühlte. Das einzige, was er wusste, war, dass sein Gesicht jetzt eine eher rote Farbe angenommen haben musste. Das war es wohl auch, was die Blicke seiner Freunde dazu bewog, von fragend zu ungläubig zu wechseln. Doch noch bevor er antworten konnte, sprang Uriko auf. "Ich weiß genau, was du fühlst!" Er grinste breit und riss den Überrumpelten in eine seiner berühmten Umarmungen. Kleo registrierte das nur mit einer ungehalten erhobenen Augenbraue und wandte sich wieder seinen Aufzeichnungen zu. To be continued So, das war's! Hat's euch gefallen? Ich weiß, das ist nur der erste Part... aber es ging recht schnell los ins Geschehen und deshalb hoffe ich doch mal, er ließ sich gut lesen! Ähm... Yano Kitaya und Shina Hyuniri sind beide 16 und gehen auf eine Jungenschule! Also werden kaum Mädchen hier auftauchen! Allerdings weiß man nie, was im späteren Verlauf der Geschichte noch so dazwischen kommen kann ^^ Macht euch also auf das Unmögliche gefasst! Erwartet das Unerwartete! *grins* Uriko: Meine Güte, als hätte der arme, kleine Hyuniri nicht schon genug Probleme! Tara: *zuckt mit den Schultern* Ich kann's nicht ändern! Uriko: Sadist! Tara: Hey, ich leide mit ihm!! Kleo: Haha, wer's glaubt! Tara: Das ist wahr!! Uriko und Kleo(ironisch): Aber natürlich doch! Na, ja... Das nächste Kapitel ist schon fertig! Ich wollte dieses hier bloß nicht länger machen, weil manche es nicht mögen, wenn die Kapitel sich ewig hinziehen! Wenn ihr das nächste also länger haben wollt, sagt mir Bescheid! Wenn nicht, dann bleibt es erst einmal bei 10-12 Seiten! Gut, mehr habe ich nicht zu sagen! Also... Uriko: Aber ich habe etwas zu sagen!! Ich liebe... Tara(zieht ihm eine Decke über den Kopf und versteckt ihn im Schrank): Also machen wir für heute Schluss!! Ciao Tara Kapitel 2: Bullies ------------------ Hi!! Hier ist der zweite Part von Soulmates! Ähm, ich sage heute mal nicht viel dazu und lasse euch einfach lesen! Kann ja nicht schaden, eh? Shina hörte die Tür mit einem leisen Klicken zufallen und sah den leeren Gang mit großen Augen hinab, bis sie das Fenster erreichten, hinter dem ein blauer Himmel zu sehen war. Nichts. Sie waren einfach gegangen, ohne ihn zu zwingen, mitzugehen. Sie hatten ihn tatsächlich nicht verprügeln wollen! Und er hatte sein Buch zurück. Seine Arme schlossen sich fester um Besagtes und drückten es an seinen jetzt seltsam zittrigen Körper. Er zitterte vor Erleichterung. Seine Beine schienen ihn nicht mehr tragen zu wollen und seine Brust fühlte sich wie zugeschnürt an. Langsam ließ er sich auf die Knie sinken, das Buch noch immer fest an sich gedrückt. Ein trockener Schluchzer entrang sich seiner Kehle und die nur allzu bekannten heißen Tränen brannten sich ihren Weg über seine Wangen. Doch diese Tränen und Schluchzer waren anders, als die, die er gewohnt war. Es waren die der Erleichterung. All die Angst, die ihn gelähmt hatte, das ganze Verkrampfen seines Innersten, das sich mit einem Male löste, ließ ihn nun am ganzen Körper bebend zurück. Er rang nach Atem und richtete sich langsam wieder auf. Die Erkenntnis, dieses Mal den Schlägen und Erniedrigungen entkommen zu sein, flutete seine Gedanken und schwemmte die Angst und Beklommenheit fort. In diesem Moment war er einfach nur noch glücklich. Ein unstetes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht und er wischte rasch die Tränenspuren von seinen Wangen. Nur, warum waren diese Menschen so nett zu ihm gewesen? Mit diesem Rätsel machte er sich auf, um zurück auf das Zimmer zu gehen, das er mit drei anderen Schülern teilte, von denen er recht wenig wusste. Sie ignorierten ihn vollkommen, ärgerten ihn manchmal ein wenig, indem sie ihm Zahnpasta oder Haargel auf die Türklinken schmierten oder das Toilettenpapier versteckten. Doch er hatte damit umzugehen gelernt und war auf jeden ihrer gemeinen Tricks vorbereitet. Er musste hinter jeder ungewöhnlichen Bewegung eine neue Gemeinheit vermuten und sein Misstrauen war seiner Meinung nach genau das, was ihn über Wasser hielt. Übermäßiges Vertrauen war keine Basis zum Überleben, wenn man sich in seiner Position befand. Shinas Gedanken wanderten zurück zu Yano. Er hatte eine schlechte Reputation und er hatte heute ganz entgegen dem gehandelt, was man so geläufig über ihn hörte. Das musste einen Grund haben. Niemand tat das, was er tat, grundlos. Die Motive seines Mitschülers waren einfach unklar. Er wünschte, er würde sie verstehen. Niemand hatte sich ihm gegenüber je so verhalten. War das eine neue Masche? Wollte man jetzt erst seine innere Verteidigung niederreißen, ehe man ihn vollkommen zerstörte? Nein, das durfte er auf keinen Fall zulassen. Seine Tante hatte ihm gesagt, er sollte stark sein, stärker als alle anderen. Vertraue niemandem. Das war in seinem Grunddenken so verankert, dass er, selbst wenn seine Tante bloß Essen kochte, dahinter irgend eine Taktik vermutete, ihn aus der Reserve zu locken. Dabei war das völlig unlogisch und das wusste er. Aber so war er eben und so leicht ließ sich sein Misstrauen nicht abschütteln. Es saß einfach schon zu tief in seinen Knochen, vor allem, da es in der Vergangenheit zu oft bestätigt worden war. Shina hatte die Tür zu seinem Zimmer erreicht und betrachtete den Türknauf. Er fand alles vor wie gewöhnlich. Seine Mitschüler mussten jetzt wie üblich ihrer AG beiwohnen, und er vermutete niemanden in dem Zimmer. Oh, wie man sich doch täuschen konnte. Als er vorsichtig die Tür öffnete, entdeckte er sofort den Schemen, der nicht hierher gehörte. Er folgte dem dunklen Schatten auf dem Boden zu der Person, die ihn warf und sog scharf die Luft ein. "Takashi?!", keuchte er und machte Anstalten, auf der Stelle kehrt zu machen und einfach wieder zu verschwinden. Doch damit schien man gerechnet zu haben, denn er kam nicht einen Schritt weit. "Hiergeblieben, Kleiner!" An der Tür tauchte noch eine zweite Person auf, die ihm den Fluchtweg versperrte. "Wir sind extra wegen dir hier, da kannst du doch nicht einfach wieder gehen." Der große, bullige Typ vor ihm schubste ihn ganz in den Raum und verriegelte die Tür. Shina steckte in der Falle und er wusste es. Die allgegenwärtige Angst begann ihn mit einem Male bis zu einem Punkt zu lähmen, an dem er nicht einmal mehr zu blinzeln vermochte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er den Eindringling an, sich der Anwesenheit des Schlägers in seinem Rücken wohl bewusst, der gegen die Tür gelehnt seinen Anführer und ihn beobachtete. Der Schüler vor ihm war der Kopf einer Bande von Oberklässlern war, die keine Skrupel kannten und sich bis jetzt immer irgendwie aus der Affäre hatten ziehen können. Hiroshi Takashi hatte immer das Recht auf seiner Seite gehabt, bei den Lehrern machte er stets einen fabelhaften Eindruck. Seine Noten waren fast die Besten der ganzen Schule. Nichts vermochte den Ruf dieses Schülers zu trüben. Seine Weste war weiß und rein. Äußerlich... Shina hatte anderes gehört und betrachtete den großen athletischen Jungen mit dem feinen schwarzen Haar eingehend, als der sich lässig auf ihn zu bewegte. Mit jedem Schritt, den er auf ihn zu machte, vergrößerte sich Shinas Furcht und er sah in banger Erwartung des Schlimmsten zu Takashi auf. "Sieh mal einer an, welch große Angst unser kleiner Hyuniri vor mir hat...", erhob Takashi schließlich die Stimme, als er nah vor ihm stand. "Du erinnerst mich an ein Rehkitz, das dem Schutze seiner Mutter entrissen wurde und nun den Raubtieren ins Auge blicken muss." Das folgende leise Lachen des Schülers der oberen Klassen klang kalt und Shina sah schnell zu Boden, als es ihm durch Mark und Bein drang. "Weißt du, kleiner Hyuniri...", fuhr Takashi fort und strich dem zitternden Jungen fast liebevoll anmutend durchs Haar, ehe er sich einen Haarschopf packte und Shinas Kopf ruckartig in den Nacken riss, dass der Junge vor Schmerz kurz wimmerte. Gezwungen, den Oberklässler anzusehen, schloss Shina fest die Augen. Er ertrug es nicht, den Spott und die Verachtung aus jedem Millimeter des Mitschülers sprechen, geradezu schreien zu sehen. "... ich hasse es, wenn man sich von mir abwendet!", grollte Takashi. "Sieh mich also an, wenn ich mit dir rede!" Das nächste, was Shina spürte, war ein explodierender Schmerz in seiner linken Gesichtshälfte, als der Handrücken der freien Hand des Schlägers sein Ziel traf. Er zwang sich, die Augen zu öffnen und Takashi anzusehen, in der Hoffnung, er würde dann einfach tun, wozu er gekommen war und ihn anschließend in Ruhe lassen. Takashi war niemand, der einfach nur aus Spaß Schwächere verprügelte. Für ihn war alles bloß Geschäft. Es ging um Geld, um Noten oder einfach nur darum, einen Vorteil mit den Schulregeln zu erlangen. "Ja, schau mich nur brav an, kleines Rehkitz!", spottete Takashi, ohne den Griff in seinem Haar auch nur im Geringsten zu lösen. "Ich will nicht viel von dir, du sollst mir nur einen kleinen Gefallen tun!" Innerlich starb Shina tausend Tode. Er sollte Takashi einen Gefallen tun?! Das konnte nichts Gutes heißen! Takashi einen Gefallen zu tun, bedeutete, seine Drecksarbeit zu erledigen und das konnte nur etwas Verbotenes oder Gefährliches sein. Etwas, das Takashi weder sich, noch seinen Leuten zumuten wollte. "Man will heute gesehen haben...", sprach Takashi in einem lässigem Ton weiter, als spräche er über etwas Alltägliches, griff dabei nach Shinas Kragen und riss ihn beinahe auf seine eigene Augenhöhe, so dass der Kleine den Boden unter den Füßen verlor. "...dass Kitaya dich in der Cafeteria angesprochen hat. Das stimmt doch, nicht wahr, mein niedliches, kleines Rehkitz?" Shina würgte eine schwache Bejahung hervor und griff sich verzweifelt an den Hals. Der Stoff schnitt schmerzend in seine Haut und er bekam kaum noch Luft. Doch Takashi schien das nicht einmal zu sehen, nur ein eindeutig zufriedenes Grinsen zog über sein Gesicht. "Das ist schön, sehr schön!", grinste er mit düsterer Miene. "Hör mir zu! Du wirst..." Er brach verärgert ab, als der hilflose Junge sich mehr gegen den Griff zu wehren begann. Shina merkte, dass ihm die Luft auszugehen drohte. Ihm schwindelte und er hatte Angst davor, sein Bewusstsein zu verlieren. Irgendwie musste er loskommen, irgendwie. Er japste panisch und zog an den schlanken gepflegten Fingern, die ihm mit dem Stoff seiner Kleidung die Luft abschnürten. "Hör mir gefälligst zu, verdammt!!", verlangte Takashi laut und schüttelte ihn fest durch, was seine Gegenwehr erlahmen ließ. "Du Schwächling! Du wirst zu Kitaya gehen und ihm das hier geben! Und zwar gleich!" Shina spürte, wie der Griff sich löste, als er grob zu Boden geworfen wurde und die Luft seine Lungen endlich wieder erreichte. Bunte Flecken tanzten vor seinen Augen und seine Sicht war seltsam unklar. Er war nicht dazu in der Lage, sich zu bewegen, er wollte es nicht. Nur hier liegen und die Luft in seinen Lungen spüren. Die einzige Person, an die er jetzt denken konnte, war seine Tante. Seine liebe, alte Tante mit ihrem gutmütigen Lächeln und den Lachfältchen, die sie immer um die Augen hatte, wenn die fröhlich war. Seine Tante... der einzige Mensch auf der Welt, der ihm etwas bedeutete... "Denk daran, Rehkitz, was ich dir gesagt habe!", hörte er Takashi erneut sprechen, ohne, dass die Worte sein Gehirn richtig erreichten. "Ich bin mir ganz sicher, dass wir uns wiedersehen... und das eher, als du dir das wünscht, wenn du nicht tust, was ich dir gesagt habe!" Ein Tritt traf ihn direkt in den Magen und Shina keuchte vor Schmerz auf. Ein zweiter folgte und dann waren nur noch sich entfernende Schritte zu hören. Shina kauerte sich zusammen und presste seine Hände auf den Bauch, der jetzt entsetzlich weh tat. Die Augen fest zugedrückt, wartete er darauf, dass endlich vollkommene Stille eintrat und die Welle an Schmerz abebbte. Er wollte nur noch seine Ruhe haben. Er musste eine halbe Stunde so gelegen haben, nur der Stille lauschend und seinem eigenen schnellen Herzschlag zuhörend, der sich erst langsam beruhigte, ebenso wie sein Atem. Er wollte am Liebsten schlafen, doch zwei gute Gründe sprachen dagegen. Erstens hatte Takashi gesagt, er sollte ,jetzt gleich' zu Kitaya gehen und er war nicht dumm genug, sich ihm zu widersetzen und zweitens würden seine Zimmerkameraden in Kürze zurück sein und er wollte in seiner Verfassung nicht allein mit ihnen in einem Raum sein. Vor allem nicht schlafend. Dieses Gottvertrauen besaß er nicht! Shinas Blick wanderte über den Boden und er entdeckte ein kleines Päckchen, das Takashi zurückgelassen haben musste. Er war auf eine gewisse Art neugierig, was sich darin wohl befinden mochte, dass der athletische Junge es nicht selbst zu überbringen vermochte, aber er wusste genau, darauf würde er niemals eine Antwort bekommen. Er war nur der Botenjunge. Unfreiwillig wurde er in eine Sache mit hineingezogen, die ihn eigentlich nichts anging und mit der er auch nichts zu tun haben wollte. Den dumpfen Schmerz in seinem Bauch ignorierend, stand er auf und richtete seine Kleidung. Der Kragen war ganz zerknittert, aber darauf würde eh niemand achten. Ihm wurde kurz schwarz vor Augen, als er einige gequälte Schritte in Richtung Tür tat und er wischte sich müde über die Augen. Er umklammerte fest das Paket und machte sich auf den Weg, um Kitaya ein drittes Mal an diesem Tag zu treffen, wobei ihn jeder Schritt mit einem Stich im Magen daran erinnerte, dass es weit Schlimmeres gab, als den blonden Schläger zu besuchen. Ein leises Klopfen an der Tür ließ Yano von seinem Buch aufsehen und die Tür anstarren. Kleo hörte auf, in sein Schulnotizbuch zu kritzeln, um ebenfalls aufzusehen. Nur Urikos Reaktion auf den unerwarteten Besuch fiel mal wieder völlig aus dem Rahmen. Überschwenglich sprang er auf, um die Person gleich zu empfangen, statt sie nur hereinzubitten. "Wer mag das wohl sein...", redete er laut, als er die Tür aufriss. Erstauntes Schweigen trat ein und Yano war der erste, der es brach. "Hyuniri?", fragte er überrascht. "Du hier?" "Wolltest du uns doch besuchen?", lachte Uriko herzlich und zog den Kleinen sofort ins Zimmer, der sich taumelnd seinem Schicksal fügte und unschlüssig in der Mitte des Raumes zum Stehen kam. "Mensch, du bist ja leichenblass!", rief Yano aus und stand erschrocken auf. "Was ist los? Und... was ist mit deinem Gesicht passiert?" "Ich s-soll... soll...", stotterte der Gast mit hilflosem Gesichtsausdruck. "... soll... d-dir... das hier... von... von... T-Takashi g-geben..." Mit einem Ruck streckte er die Hand aus und hielt ihm das kleine Päckchen entgegen, das die drei Zimmergenossen nur fassungslos betrachteten. "Takashi?", keuchte Kleo in seiner Ecke. "Etwa der Takashi? Hiroshi Takashi?!" "J-ja..." "Hat er dir das angetan?", fragte Yano leise, nahm Hyuniri das Paket aber dennoch aus der Hand. Er steckte es erst einmal achtlos in eine seiner Taschen, um sich dem kleinen Jungen wieder ganz zuwenden zu können. Der hob verwirrt eine Hand und strich sich über die linke Gesichtshälfte, als realisierte er erst jetzt, dass seine Wange angeschwollen war und sich dort rot-violett verfärbt hatte. . "Was hat Takashi gemacht?", fragte Uriko, der erst jetzt seine Sprache wiedergefunden hatte. "E-er wollte, dass i-ich... d-das P-Paket... zu K-Kitaya bringe...", stotterte Hyuniri und sah zu Boden. Yano fiel sofort auf, wie unordentlich seine Kleidung und sein Haar waren. Takashi musste ihm ziemlich zugesetzt haben. "Setz dich da hin, okay...", bat er also mit ruhiger Stimme und lief zur Tür. "Ich gehe etwas Eis holen!" Er verließ das Zimmer, hörte noch Uriko auf Hyuniri einreden, er könne sich wirklich setzen und schloss dann die Tür. Was dachte sich dieser Takashi eigentlich?! Der arme Junge hatte es nicht verdient, dass man ihm so etwas antat. War er selbst etwa zu feige, ihm dieses blöde Päckchen zu bringen? Über dessen heiklen Inhalt mochte er sich momentan lieber keine Gedanken machen. Hyuniri war jetzt wichtiger! "Ich hab' das Eis!" Yano öffnete die Tür und fand den Raum genauso vor, wie er ihn verlassen hatte. Nur, dass jetzt drückendes Schweigen über allem lastete, als sich Kleo, Uriko und Hyuniri ihm zuwandten. "Was ist?", fragte er verwirrt. "Hyuniri sagt nicht ein Wort!", erzählte Uriko aufgebracht in seiner ihm typisch ehrlichen Art. "Ich kann sagen, was ich will! Alles, was er herausgebracht hat, war ein ,Ich würde jetzt lieber gehen...'. Das macht mich verrückt!" "Du bist schon verrückt!", witzelte Kleo. Ein gescheiterter Versuch, die Stimmung aufzuheitern. Seltsame Blicke streiften ihn kurz nach dieser unpassenden Bemerkung, ehe man sich Hyuniri wieder zuwandte. "Dann lass jetzt erst einmal deine Verletzung behandeln.", seufzte Yano und ging auf den Jungen zu, der erschrocken zurückwich. "Ja, bevor das Eis schmilzt!", fügte Uriko hinzu und lächelte den Kleinen aufmunternd an. Yano setzte sich zu Hyuniri auf die Couch, dabei darauf achtend, langsame Bewegungen zu machen und ihn nicht noch weiter zu verschrecken. Er fragte sich ohnehin, wie er den Unterricht mit seiner ängstlichen Einstellung verkraftete, da er dort ja immer mit Menschen zu tun hatte und auch zwischendurch Gruppenarbeiten anstanden. "Halt still!", murmelte er, als der Junge seiner Hand auswich, die das Eis an seiner Wange halten sollte. "Sonst kann ich dir nicht helfen!" Bei dem Satz zuckte Hyuniri sichtbar zusammen, hörte jedoch zugleich auf, ihm auszuweichen und starrte ihn perplex an. Das ließ dem Blonden die Möglichkeit, das Eis vorsichtig auf die Wunde zu legen. Hyuniri zuckte bei dem Kontakt der Kühlpackung mit seiner warmen Haut nur kurz zusammen, hielt dann jedoch still. "Helfen?!", fragte er mit schwacher Stimme. "Wieso... Aber..." Yano seufzte schwer und nahm aus dem Augenwinkel wahr, wie Uriko aufsprang und zu einer deftigen Predigt ansetzte. Nur knapp wurde er von Kleo zurückgehalten, der ihrem zappelndem Zimmergenossen den Mund zuhielt und daran schwer zu kämpfen hatte. "Ja, wir wollen dir helfen!", sagte der Blonde daraufhin mit ruhiger Stimme. Ihm schwebten noch immer die Bilder vor Augen. Takashi, der Hyuniri schlug, ihm weh tat. Er hatte es vielleicht nicht selbst gesehen, aber er konnte es sich lebhaft vorstellen. Und es machte ihn wütend. Sehr wütend. "Aber..." "Dieser Takashi wird noch bereuen, dich geschlagen zu haben, glaube mir!", unterbrach Yano den zögerlichen Einspruch Hyuniris mit einem Knurren, das schwer unterdrückte Wut zeigte und Vergeltung versprach. "Nein, ich..." Ein leichter Zug an seinem Ärmel ließ Yano aus seinen Gedanken schrecken. Der Blick des Jungen an seiner Seite war fast verzweifelt, flehentlich gar. "Es wäre mir lieber, wenn ihr mich da raushaltet..." "Was?!" Der Blonde wagte nicht, die Stimme zu heben, wenn er auch am Liebsten geschrien hätte. "Du kannst dich doch nicht einfach so verprügeln lassen!" "Es ist nicht schlimm!", versicherte Hyuniri in mehr als unsicherer Tonlage, die Finger in Yanos Ärmel verkrampft. "Das passiert öfter, es ist nichts Besonderes! Bitte... Sei mir nicht böse... Bitte? Ich möchte nur nicht, dass... dass sie zurückkommen, ja?" "Öfter?" Yanos Rage wuchs von Sekunde zu Sekunde mit jedem Wort, das er hörte. Er konnte sich kaum noch unter Kontrolle halten. "Wenn ich jetzt nichts tue, lassen sie mich in Ruhe...", flüsterte der Brünette zittrig, die Finger verkrampften sich stärker in dem Kleidungsstück. "Nein, eben nicht!", erklärte Yano mit einem gefährlichen Vibrieren in der Stimme, das verriet, wie sehr er um Selbstkontrolle kämpfte. Es war lange her, dass er solche Probleme mit seinem Temperament gehabt hatte. Was war nur an Hyuniri, dass er ihn beschützen wollte? Er hatte noch niemanden beschützen wollen, außer seine Freunde vielleicht, aber die kannte er auch, seit er ein kleines Kind gewesen war. "Dieser Takashi kann was erleben!!" Uriko hatte sich offenbar aus Kleos Griff befreit und brüllte seinen eigenen Zorn heraus. Er konnte nie an sich halten und Yano hätte seinen besten Füller darauf verwettet, dass er Hyuniris Schmerz geradezu körperlich nachfühlen konnte. So war Uriko eben. "Hyuniri, ich verspreche dir...", fuhr Uriko mit bekräftigendem Nicken fort. "...wir werden dich rächen... äh... Yano wird dich rächen und wir halten Takashi fest..." "Uriko!!", schimpfte Kleo im Flüsterton, aber es war im ganzen Raum hörbar. "Das ist fies!" "Dass wir ihn rächen, ist fies?!", fauchte Uriko herumwirbelnd. "Nein, das mit dem festhalten..." Uriko und Kleo fingen wieder an, hitzig zu debattieren, was nun ehrenhaft und was fies war. Nachdem Yano eine Weile zugesehen hatte, wandte er sich dem Kleineren neben ihm wieder zu. "Sind die beiden immer so?" Die zögerliche Frage Hyuniris brachte ein leichtes Lächeln auf Yanos Gesicht, das erst nach einigen Augenblicken kaum merkbar erwidert wurde. Hyuniri lächelte. Es war zwar kaum sichtbar und wirkte ein wenig erzwungen, aber es war ein Lächeln. Yano spürte, wie sein Innerstes sich angenehm daran erwärmte. Der Kleine taute scheinbar langsam auf. Oder? Kitaya lächelte ihn an? Das war unfassbar... Hatte er etwa das Richtige gesagt? Er betrachtete das schöne Gesicht vor ihm vorsichtig. Ja, er fand Kitayas Gesicht schön. Es war so voller Leben und Energie. Die Augen waren einfach... lebendig. Viel lebendiger als er sich fühlte. Sie waren warm... wärmer als er selbst es war. Er schien ihnen gegenüber wie aus Eis. Kalt und leer. Gebrochen. Er beneidete Kitaya für seine Kraft und innere Stärke. Er würde sich nicht so einfach von einem Schläger wie Takashi unterdrücken lassen. Er wünschte, er hätte auch nur einen Teil dieser Kraft, damit er seinen Ängsten etwas entgegenzusetzen hatte... "Hyuniri..." Der Ton in Kitayas Stimme sagte eindeutig, dass er ihm etwas wichtiges erklären wollte. Shina legte leicht den Kopf schief und blinzelte verwirrt. "Du weißt, dass ich als Schläger bekannt bin, nicht wahr?" Daraufhin schluckte Shina nervös. Was kam denn jetzt? War das also doch alles ein Spiel gewesen? Die Hilfe? Die Sorge? Sofort kam sein Misstrauen wieder zum Vorschein und übernahm die Oberhand über seine Handlungen. Er wollte zurückweichen, doch Kitayas Hand schnellte vor, packte seine Schulter und hielt ihn an Ort und Stelle. Die andere hielt noch immer das Eis gegen seine Wange und die Kälte brannte sich langsam aber sicher in sein wundes Fleisch, ebenso wie die Hand an seiner Schulter es tat, indem sie nur dort lag, sich durch seine Kleidung und Haut bis hinunter auf seine Knochen zu fressen schien. Er wollte sie abschütteln, fand sich jedoch nicht in der Lage dazu. "Ich muss zugeben, es stimmt, was die Leute sagen...", murmelte der Blonde und die braunen Augen bohrten sich mit einer unglaublichen Intensität in Shinas blaue. "Ich habe schon oft gekämpft und bin bisher immer siegreich gewesen..." Wie erstarrt blickte Shina Kitaya entgegen. Also doch... Die Gerüchte, die seine Ohren erreicht hatten, waren wahr. Sie kamen schließlich nicht von ungefähr. Was nun? Was tun? Wie entkommen? "Aber..." Kitaya senkte den Blick und Shina wurde von den stechenden Augen befreit. "...setz mich nicht mit Takashi oder einem seiner Sorte auf eine Stufe! Ich kämpfe fair und nur gegen Gegner, die gleichstark sind, oder meine Wut herausgefordert haben... ich schlage niemanden grundlos und schon gar nicht, wenn er so hilflos ist, wie du..." "W-wa... was?" Shina fühlte sich nicht dazu imstande, klar zu sprechen. Er war einfach zu sehr gefangen in dem Misstrauen, das es nicht zuließ, Kitayas Worten Glauben zu schenken. Wer sagte ihm denn, dass das alles nicht bloß ein Trick war...? Plötzlich sah der Blonde wieder auf und ein Lächeln ließ seine zuvor fast dämonisch wirkenden Gesichtszüge weicher wirken. Seine Augen waren nicht länger die eines Raubtieres, dessen braune Tiefen an bittere Schokolade erinnert hatten. Jetzt schien jemand süße Sahne hinzu gemischt zu haben, die sie extrem erhellte und einfach nur einlud, in ihnen zu versinken. Staunend betrachtete Shina die Veränderung. Kitaya schien eine sehr ausgeprägte Persönlichkeit zu haben. In einem Moment war er einfach nur der Schläger, als den man ihn beschimpfte, unberechenbar und tödlich, und im anderen so sanft wie ein Kätzchen, das seine Krallen geschickt einziehen konnte und mit seinen Samtpfoten niemanden zu verletzen gedachte. Er war ein Rätsel. Ein Mysterium. "Yano hat schon so manchem Fiesling gezeigt, wo der Hammer hängt!" Uriko, dessen Grinsen von einem Ohr zum anderen reichte, klopfte Kitaya kräftig auf den Rücken, dass der Blonde leise aufkeuchte und vortaumelte. "Aber in Wirklichkeit ist er gar nicht so hart, wie alle denken!" Shina fing den anderen Jungen ab, als der gegen ihn fiel und starrte über seine Schulter hinweg den Rotschopf an, der jetzt Kleo im Schwitzkasten hatte und ihm das Haar zerstrubbelte. Er war scheinbar schon wieder bei einem anderen Thema und merkte nicht, was er da gerade eben getan hatte. Der Brünette war nämlich von der unerwarteten Berührung wie vom Schlag getroffen und beobachtete mit weit aufgerissenen Augen und leicht geöffneten Lippen Uriko, der durch das Zimmer rannte und vor dem Dunkelhaarigen floh, der sich für sein zerwühltes Haar rächen wollte. Und Kitaya? Der schien sich nicht zu rühren. Lehnte sich nur gegen ihn, den Kopf leicht auf seiner Schulter ruhend. Was sollte das? Wäre er dazu in der Lage, sich zu rühren, wäre er jetzt davongelaufen. Aber seine Berührungsangst ließ das nicht zu, sie hielt ihn fest und kalte Schauer jagten über seinen Rücken, als das fremde Gefühl eines warmen Körpers an seinem eigenen unbändige Angst in seinem Innern hervorrief. Er wollte weg von diesem Gefühl. Er ertrug es nicht. Warum konnte er sich nicht bewegen?! Er spürte den Schlag auf seinem Rücken und wie die Luft gewaltsam aus seinen Lungen gepresst wurde. Er keuchte vor Schmerz und Schreck auf und fand sich im nächsten Moment gegen etwas Warmes gedrückt, als der Druck ihn nach vorne warf. Das Eis entglitt seinen Fingern und landete irgendwo unbeachtet auf dem Fußboden. Urikos und Kleos Stimmen waren noch undeutlich im Hintergrund zu hören, doch sie schienen auf einmal so unbedeutend, dass er sie kaum noch wahrnahm. Ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit hatte sich auf ihn übertragen. Einfach so. Unerwartet und plötzlich. Und die Person, die es ausstrahlte, war niemand anders als Hyuniri. Derjenige, der sich vor allem fürchtete, der sich wahrscheinlich in diesem Moment gerade fürchtete, was sich durch die Anspannung jedes Muskels allzu deutlich interpretieren ließ. Das war einfach unlogisch. Wie konnte er sich bei einer Person sicher fühlen, die vor jedem wegrannte, egal, wer es nun war? Die jeder kleinsten Berührung entfloh, ihr auswich, sich ihr entzog? Die nichts an sich heran ließ, so schwach sie auch scheinen mochte? Die ihr eigenes Leben tief unter das eines jeden anderen stellte und das einfach als richtig und normal akzeptierte? Die ein Misstrauen gegen die ganze Welt hegte, das jede andere Person unlängst innerlich zerrissen hätte? Wenn er so recht darüber nachdachte, war Hyuniri stark. Er ertrug mehr, als er selbst jemals aushalten konnte. Und das war es, das ihn hier Sicherheit und Geborgenheit fühlen ließ. Der kleine Junge aus seiner Parallelklasse hatte eine Kraft, von der er selbst nichts wusste. Eine Kraft, in der man ertrinken mochte. Sie verbarg sich hinter der ganzen Angst, hinter dem Misstrauen. Und jetzt erst, wo er ihm so nahe war, erkannte er sie. Einen Augenblick... Nahe?! Was tat er da überhaupt?! Yano wich erschrocken zurück und starrte die reglose Figur des anderen entsetzt an. Hyuniris Augen waren geweiteter, als er sie jemals erlebt hatte. Die Angst schwamm in ihren Tiefen wie eine lebendige Substanz, die das Blau dunkler erscheinen ließ, intensiver... "Tut mir leid...", murmelte er mit sanfter Stimme, auch, wenn er nicht leugnen konnte, dass er es irgendwie nicht bereute. "Ich wollte nicht..." Er ließ den Satz unbeendet und wartete auf eine Antwort. Irgendeine Antwort. Zumindest eine Geste oder eine Regung in dem wie zu Stein erstarrtem Gesicht. "Schon gut...", rang sich Shina gezwungen ruhige Worte ab, als er endlich die Barriere zwischen sich und der Außenwelt zu brechen vermochte. Er fühlte sich seltsam. Als hätte etwas Dunkles ihn berührt und nicht bloß einer seiner Mitschüler. Als wäre soeben etwas Verbotenes, der restlichen Welt Unzugängliches, geschehen... und nicht bloß ein Unfall. Aber es war eindeutig etwas... na, ja, er konnte es nicht beschreiben... es war etwas Einzigartiges gewesen. Dieses Dunkle, das er hatte spüren können, war nicht direkt unangenehm gewesen. Anfangs vielleicht, aber es wirkte wie ein Pol, der ihn zurückziehen wollte. Zurück an diese seltsame, fremde Wärme. Zurück zu ihm. Doch gleichzeitig stieß ihn der Kontakt zwischen ihnen ab, seine Berührungsangst riss ihn fort und er wusste nicht mehr, wie er sich verhalten sollte... welchem Drang er nachgeben sollte. Vor oder zurück? Mut oder Flucht? Er blieb sitzen, starrte nur verwirrt in die braunen Augen des Anderen, die ihn forschend und fragend anblickten. Doch auch so wirkte er noch auf ihn, als wäre er zu allem fähig, als könnte er im nächsten Moment zu dem wütenden Dämon werden, der vielleicht sogar in ihm steckte. Kitayas Augen weiteten sich plötzlich, als wäre ihm etwas wichtiges eingefallen und Shina blinzelte verwirrt. Besorgnis? War es das, was er nun in dem schönen Gesicht lesen konnte? "Du...", stammelte der Blonde und etwas blitzte in dem Braun der Augen auf, das Shina nicht identifizieren konnte. "Wie fühlst du dich? Alles in Ordnung?" "Äh..." Shina wusste nicht direkt, warum er diese Fragen in diesem Augenblick stellte, nickte jedoch zögerlich. "Ja... mir geht's gut..." "Mensch, Yano!!" Der Rothaarige stand auf einmal neben ihnen, ganz blass um die Nasenspitze. "Was tust du denn?!" "Du warst es doch, der mich gegen ihn geschubst hat!", protestierte Kitaya und rückte noch ein Stück von Shina weg. Der war verwirrter denn je. Wieso dieser Aufruhr um einen kleinen Unfall? Sie wussten doch gar nichts von seiner Berührungsangst! "Aber du hättest besser aufpassen können!", fauchte der Rothaarige, der jetzt ungewöhnlich ernst für seine sonst immer fröhliche Art wirkte. "Du weißt doch, dass..." Er brach ab und die Blicke beider wanderten zu ihm und musterten ihn beinahe... erwartungsvoll? "W-was?", fragte Shina ängstlich. Was wollten sie denn jetzt von ihm? Wieso konnte er nicht einfach gehen und sich unter seiner Bettdecke verkriechen, damit er diesen höllischen Tag ein für allemal aus seinem Kalender streichen konnte? "Es ist vielleicht besser, wenn ich dich zurückbringe!", sagte Uriko mit einem befremdlich erleichterten Seufzer und wandte sich dem Dunkelhaarigen in der anderen Ecke des Zimmers zu, der die Szene aufmerksam beobachtet hatte. "Kleo, rede du mit dem Dickkopf!" Shina spürte, wie er am Handgelenk auf die Füße und in Richtung Tür gezogen wurde. Der vertraute Stich von Angst bei der Berührung und der drückende Schmerz in seinem Bauch, verursacht von Takashi, führten fast dazu, dass er sich losriss und zurückwich, aber er beherrschte sich und kämpfte das beißende Gefühl nieder. Statt dessen drehte er sich halb um und sein Blick traf auf Kitayas. Die braunen Augen strahlten Wärme aus und die merkwürdige, tiefe Verwunderung ließ sie sanfter erscheinen als sonst. Shina wäre am Liebsten umgekehrt und zu ihm zurückgelaufen, aber zwei plausible Gründe verhinderten dies. Der erste war einfach und klar: Uriko schleifte ihn mit sich. Sein Handgelenk war in einem festen Griff, als erwartete der Rotschopf, dass er zurückrennen würde. Der zweite... na, ja... Kitaya war ein berüchtigter Schläger und er selbst war eines der Opfer, die sich die Schläger gerne vornahmen. Das war einfach unlogisch! Und warum sollte er überhaupt zu Kitaya rennen wollen?! Die Tür schloss sich hinter ihm und die Spannung schien zu zerreissen wie ein zu fest gespanntes Band. Dennoch fühlte er sich innerlich leer, wie ausgehöhlt. Uriko, der seltsame Rothaarige, ließ sein Handgelenk mit einem Mal los und winkte ihn zu sich, so dass sie nebeneinander den Gang hinab liefen. "Du solltest Yano lieber etwas fernbleiben..." Ein schwaches Lächeln erhellte das zuvor angespannte Gesicht des Jungen. "Warum?", fragte Shina den etwas Größeren. Wenn er so recht darüber nachdachte, warum sollte er ihm nahe sein wollen?! "Er... ähm... hat Berührungsangst!" Shina war für einen Moment überrascht, bevor ihm aufging, dass das vollkommen gelogen war. Der Gesichtsausdruck des Rothaarigen bewies es, sowie Kitayas Umgang mit anderen Menschen. Er selbst hatte bittere Erfahrungen mit dieser Angst machen müssen und da er den Blonden schon beobachtet hatte, wusste er, dass es nicht Angst war, die ihn von seinen Mitschülern fernhielt. Er wich ihnen aus, jedoch war nie auch nur ein Anzeichen von Angst vorhanden gewesen. Schweigend lief er neben Uriko her. Er wollte nicht sagen, dass er über die Lüge Bescheid wusste. Der Rothaarige hatte sicher seine Gründe, nicht die Wahrheit zu sagen, denn er schien ein sehr ehrlicher Mensch zu sein, der es nicht gewohnt war, zu lügen, was man ihm von der Miene hatte ablesen können. Und außerdem ging es ihn auch nichts an. Er wollte nicht noch tiefer in die Angelegenheiten der drei Schüler hineingeraten, als ohnehin schon. Das musste nun wirklich nicht sein. "Sag mal, Hyuniri...", hörte er den Rotschopf neben sich sagen und bereitete sich innerlich auf das Schlimmste vor, so wie jedesmal, wenn jemand ihn ansprach. Er kam nicht dagegen an. Es war wie ein Schutzreflex, der bei der kleinsten Bewegung alle sorgfältig errichteten Mauern um ihn herum aufbaute. "Was denkst du über Yano?" Er hörte die Unsicherheit in der Stimme und fragte sich, worauf er wohl hinauswollte. Dass er etwas wollte, war klar. Er war ein viel zu offener Mensch, der seine Emotionen und Gedanken anscheinend nicht vor der Außenwelt verstecken konnte. "Er ist ein Mitschüler...", antwortete er also vorsichtig, achtete nebenbei darauf, den Abstand zwischen ihm und seinem Begleiter einzuhalten. "Und sonst?" Was sollte denn das bitte werden, wenn es fertig war? Was beabsichtigte dieser komische Uriko mit dieser Fragerei? Das machte ihm Angst. So viel passierte plötzlich um ihn herum, das er nicht verstand und dem er nicht entkam. "Er ist bekannt als Schläger..." Er versuchte, seiner Stimme einen festeren Klang zu geben als noch vor ein paar Sekunden, doch es misslang. "Ich... fürchte mich vor ihm..." Panik überkam ihn bei dem Gedanken, sie könnten etwas mit ihm vorhaben, von dem er nichts wusste und das er nicht kontrollieren konnte. Er fürchtete die Ungewissheit. Er hasste es, im Dunklen gelassen zu werden. "Okay..." Shina sah den Blick des anderen Jungen leicht unsicher abschweifen. "Das ist gut..." Die letzten gemurmelten Worte, die wohl nicht für seine Ohren bestimmt gewesen waren, machten ihn noch nervöser. Wieso war es gut, dass er Angst vor Kitaya hatte? Wollten sie das? Wollten sie seine Furcht sehen, um sich selbst stark vorzukommen? Das Gefühl von Macht über jemanden anders? Er hielt diese Tortur nicht mehr länger aus! Er musste hier weg! Shina lenkte seine Schritte rasch in einen schmalen Gang, der zu den Besenkammern führte und schob seinen zitternden Körper mit der Geräuschlosigkeit eines gejagten Tieres in eine der vielen Nischen. Er horchte angespannt, die Augen starr auf das Licht gerichtet, das aus dem Flur hereindrang. "Hyuniri?", war kurz darauf die verwirrte Stimme des Rothaarigen zu hören. "Wo bist du?" Die Tür fiel leise hinter den beiden zu und der Raum versank in unangenehmer Stille, bis Kleo schließlich seine Schulutensilien beiseite legte und aufstand. "Du solltest wirklich vorsichtiger sein!", warnte er unwirsch. "Uriko hat schon recht, es ist deine Sache, andere von dir fernzuhalten!" Wortlos beobachtete Yano, wie er auf ihn zukam und sich seufzend zu ihm auf die Couch setzte. Dorthin, wo Hyuniri vor einigen Augenblicken noch gesessen hatte. "Tut mir leid, ich habe nicht darüber nachgedacht...", gab er mit ruhiger Stimme zu. "Es ist schwer, immer alle Menschen meiden zu müssen!" "Du hast aber keine Wahl...", grollte Kleo und lehnte sich zurück. "Du hättest ihn..." "Erzähl mir nichts, das ich schon längst weiß!" Mit schwer unterdrückter Rage sprang Yano von der Couch auf und ballte seine Fäuste, als könnte ihm das helfen, die innere Spannung abzubauen, die ihn erfasst hatte. "Ihm ist nichts passiert! Fertig!" "Hm..." Ein kurzes Schweigen trat ein, welches der Dunkelhaarige nachdenklich wieder brach. "Was die Frage aufbringt: Warum ist ihm nichts passiert?" Yanos Wut verebbte bei den Worten schlagartig und er starrte Kleo verdattert an. Er hatte recht. Hyuniri hatte keines der bekannten Symptome gezeigt. Nur seine übliche Furcht. Das war ihm gleich aufgegangen, als er ihm in die Augen gesehen hatte. Nur warum nicht? Warum reagierte er nicht wie jeder andere auf den engen Körperkontakt, den sie gehabt hatten? "Das müssen wir dann wohl herausfinden...", murmelte er halb zu sich selbst, halb zu den Worten seines Freundes. "Wir werden es herausfinden..." Mit einem Knall flog die Tür auf und Uriko polterte ins Zimmer. "Hyuniri ist weg!", berichtete er panisch. "Wie bitte?!", kam es aus zwei Mündern gleichzeitig. "Er ist wie im Nichts verschwunden!", erzählte der Rotschopf und lief zu seinem Bett, auf das er sich erschöpft fallen ließ. "Im einen Moment war er noch neben mir und im anderen... weg! Einfach weg! Ich habe alles abgesucht!" Etwas beruhigt ließ Yano die Anspannung aus seinem Körper schwinden. "Du hast ihn vermutlich erschreckt!", versuchte er Uriko mit einem halben Grinsen zu beruhigen. "Hab ich nicht!", wehrte der Rothaarige sich. "Ich fragte ihn bloß, was er von dir hält und er sagte mir, er hätte Angst vor dir und dann sagte ich, es sei okay und dann..." "Bleib mal ruhig!" Kleo überschlug die Beine und stützte gelangweilt seine Ellbogen auf sie. "Langsam müsstest du doch wissen, dass er sich nicht wie jeder andere hier verhält!" "Aber er muss doch nicht dauernd wegrennen!", jammerte Uriko verzweifelt. "Ich gebe mir doch wirklich Mühe... äh... warum ist er überhaupt noch so wie vorher?" Der Stimmungswechsel kam unerwartet und doch verwunderte er niemanden. So etwas passierte öfter. "Wenn wir das mal wüssten..." Shina versuchte, ruhig in seinem Bett zu liegen und sich nicht allzu oft herumzuwälzen. Er wollte seine Zimmergenossen nicht auf sich aufmerksam machen. An diesem Tag war schon genug passiert. Er hatte eigentlich gedacht, wenn er erst einmal unter seiner Bettdecke liegen würde, hätte er endlich seine Ruhe und könnte leicht einschlafen, so wie fast jeden Abend. Aber er war rastlos und zudem schmerzte sein Bauch noch höllisch von der letzten Attacke. Er wusste nicht, warum er dieses Ziehen in seinem Körper verspürte, das ihm signalisierte, dass ihm etwas wichtiges fehlte. Nicht das Ziehen des körperlichen Schmerzes, den sein Bauch aussandte. Nein, es war ein seelisches Ziehen, das körperlichem Schmerz fast gleichkam, dennoch irgendwie schlimmer zu sein schien als dieser. Es war verlangender nach Linderung, nicht einfach nur ein dumpfes, drückendes Gefühl, das nach einer Zeit von selbst verschwinden würde. Shina drehte sich erneut um, doch es half nichts, außer, dass sein Magen bei der Bewegung kurz stechend protestierte. Das Ziehen blieb. Wenigstens hatte er vorhin vor diesem Uriko verhindern können, zu humpeln. Da konnte es seinen Bauch wohl doch nicht so schlimm erwischt haben, oder? Er wälzte sich herum und verzog unter Schmerzen das Gesicht. Es tat trotzdem unheimlich weh! Jetzt, wo er ruhig lag, war er sich dessen nur noch deutlicher bewusst. Takashi hatte doch wirklich nicht so fest zutreten müssen... Die Zeit verging schleichend und die Stille, nur unterbrochen von den Atemgeräuschen seiner schlafenden Mitschüler, wurde beinahe unerträglich. Das Ziehen in seinem Innern wollte einfach nicht aufhören. Vielleicht war er ja krank? Shina legte eine seiner schmalen Hände auf seinen Bauch und fühlte die wunde Stelle, die von den Tritten getroffen worden war. Doch sie war eindeutig nicht die Ursache des durchdringenden Ziehens. Das schien sich nämlich langsam, gefolgt von einer Gänsehaut, über seinen ganzen Körper auszubreiten und machte das normale Atmen fast unmöglich. Was war nur los mit ihm? Wurde er etwa tatsächlich krank? Er konnte sich nicht leisten, krank zu werden! Das würde ihn schwach und verletzlich machen. Nicht, dass er das nicht ohnehin schon war, aber in diesem Zustand würde er sich nicht vor seinen Peinigern verstecken können... Ein leichtes Zittern lief durch seinen Körper. Nein, er würde nicht krank werden. Das waren sicher keine Anzeichen einer Krankheit! Er musste sich irren! Versuchte er gerade, sich selbst zu überzeugen? Shina seufzte tief. Er musste sich irgendwie ablenken. Hier liegenzubleiben würde ihn nur verrückt machen! Er stand auf, wartete, bis die dabei entstandenen Bauchschmerzen langsam wieder zurückgingen und schlich schließlich auf Zehenspitzen zu seinem Schrank, dem er das schwere lederne Buch entnahm. Mit diesem tastete er sich in der Dunkelheit zur Tür des Badezimmers und schlüpfte lautlos in den düsteren Raum. Leise schloss er die Tür wieder hinter sich und schaltete erst dann das Licht an, damit der Schein nicht in den Schlafraum vordringen konnte. Ein kühl wirkendes Zimmer erwartete seine an die Dunkelheit gewöhnten Augen und er blinzelte mehrmals, als das Licht ihn blendete. Das fremde Ziehen in seinem Innern war noch immer da, aber nun, da er seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes richten konnte, schien es erträglicher. Er hoffte, er würde es für eine Weile verdrängen können. Shina ließ sich an der kahlen Wand hinab gleiten, bis er auf den kühlen Fliesen saß und sein Rücken gegen die unbequeme Wand lehnte. Er zog die Knie an seine Brust, verzweifelt nach etwas Wärme suchend und legte das Buch obenauf. Vorsichtig schlug er es auf und suchte die Seite, an der er aufgehört hatte zu lesen. Das würde offensichtlich eine sehr lange Nacht werden... und vermutlich ein noch viel längerer nächster Morgen, denn er würde sicher zum Umfallen müde sein... Yano saß auf seinem Bett und starrte das Päckchen in seinen Händen neugierig an. Er war aufgeregt und zugleich fürchtete er sich etwas vor dem, was die kleine Schachtel enthalten könnte. Zögernd zog er das Klebeband ab und hob den Deckel an. Der Inhalt ließ ihn verdutzt blinzeln. Ein kleiner Beutel und ein Umschlag? "Was ist drin?", fragte Uriko von seinem eigenen Bett aus, das seinem gegenüberlag. Kleo, der immer über dem Rotschopf schlief, blickte ebenfalls erwartungsvoll herüber. "Weiß noch nicht...", murmelte Yano als Antwort und nahm den Beutel in die Hand. Etwas kleines, schweres schien in ihm zu sein. Er drehte ihn um und ließ das kleine Etwas in seine offene Handfläche plumpsen. Yanos Augen weiteten sich und er starrte fassungslos das Schmuckstück an, das Takashi ihm hatte bringen lassen. "Was ist das?", fragte Kleo und beugte sich interessiert herüber. "Das ist... der Anhänger von... der Anhänger gehört meiner... Schwester..." Der Blonde ballte die Hand mit dem Schmuckstück wütend zu einer Faust, so dass sich die scharfen Kanten des Metalls schmerzhaft in seine Handfläche drückten. "Deine Schwester?", fragte Uriko verblüfft. "Du meinst Ihicho?" "Ja..." Yano grollte in purem Zorn und sprang auf. Die Schachtel fiel achtlos zu Boden und rollte ein Stück weit davon. "Den Kerl schnappe ich mir!!" "Yano!" Uriko reagierte prompt und hielt seinen Freund an den Schultern fest. "Lass mich los!", knurrte der Blonde und versuchte, sich loszureißen. "Das ist nicht der richtige Zeitpunkt!" Die ernste Stimme des Dunkelhaarigen ließ Yano innehalten. Uriko hätte keine Chance gehabt, ihn zurückzuhalten, wenn er sich wirklich hätte losmachen wollen, aber Kleos kühle Worte schafften es immer. "Willst du etwa jetzt losrennen?", fragte Kleo leicht abfällig. "Rauf zu den Oberklässlern? Und das, ohne vom Hausmeister gesehen zu werden, der direkt an der Treppe sein Büro hat? Du weißt, der alte Mann passt abends immer auf!" Yano grollte noch einmal, beruhigte sich jedoch langsam. Kleo hatte schon recht. Er durfte jetzt nicht von Emotionen getrieben handeln. Er begriff nun, warum Takashi ihm das Päckchen nicht persönlich gegeben hatte. Er wäre diesem Zimmer nicht wieder heile entkommen! "Nur... was soll das mit dem Anhänger?", fragte Uriko und schaute ratlos auf das schöne Schmuckstück, als Yano verwirrt auf seine Hand hinab sah. "Ich weiß es nicht!", antwortete er mit einem unangenehmen Gefühl im Magen. "Aber er hat meiner Schwester etwas angetan! Sonst hätte er ihren Anhänger nicht!" "Hier ist ein Brief!" Kleo bückte sich plötzlich und hob den weißen Umschlag auf, der aus dem Päckchen gefallen sein musste. "Gib her!" Yano entriss seinem Freund das Papier und öffnete den Brief mit ungeduldigen Fingern. Ein weißer Zettel kam zum Vorschein. Sein Blick fiel sofort auf die ordentliche, jedoch purpurrote Schrift. Viel stand dort nicht. Was dort stand, ließ allerdings das Blut in seinen Adern gefrieren. "Yano Kitaya, ich weiß alles über das kleine, dreckige Geheimnis deiner Familie. Deine schweigsame Schwester kann sehr viel reden, wenn man sie nur ein klein wenig dazu auffordert. Denk an meine Worte, wenn wir uns das nächste Mal treffen. Ich habe dich in meiner Hand und du wirst mir doch sicherlich gerne einen kleinen Gefallen tun, oder?" "Einen Gefallen?", fragte Kleo, der ihm über die Schulter geschaut hatte. Uriko, der nicht groß genug war, um dasselbe zu tun, hatte sich an Yanos Seite gedrängt, um mitlesen zu können und sah aus, als würde im nächsten Moment auch mit ihm das Temperament durchgehen. "Dieser Mistkerl hat Ihicho weh getan!!", platzte er heraus. "Sonst hätte sie ihm nie von dem Geheimnis erzählt! Er muss ihr weh getan haben!!" "Bleib ruhig." Yanos Stimme klang ruhig. Tödlich ruhig. Er konnte es beinahe selbst spüren. Es war wie die Ruhe vor dem Sturm. "Morgen.", sagte er fest. "Warte bis morgen." >Takashi, das wirst du noch bereuen...< Das Papier knisterte, als er es in unterdrückter Wut zerknüllte. To be Continued... Ja, ich weiß, eine dumme Stelle! Aber es passte gerade so schön! Ich bin schon megaweit in der Story (irgendwo bei Seite 60), konnte sie aber nicht veröffentlichen, was mich einige nerven gekostet hat! Aber jetzt dürften die nächsten teile recht schnell kommen, denn dieser rechner hat endlich ein Diskettenlaufwerk!! *jubel* Ich kann veröffentlichen!! So, das war's für heute! Ich danke noch einmal allen für die netten Kommentare und hoffe auf gutes Feedback! der Plot ist übrigens soweit ausgebaut, also gibt es da kein Problem! Na, denne Tara Kapitel 3: Hiroshi Takashi -------------------------- Yeah! Und schon der nächste Part von Soulmates! Diesmal war ich sehr schnell und werde wohl jetzt einen Rhythmus vorgeben: Immer Freitags! Da ist nämlich mein Vater regelmäßig weg und ich habe den Compi! Also könnt ihr wohl damit rechnen, dass die Story immer am Freitag da ist, wenn nicht etwas dazwischenkommt oder ich mit dem Schreiben nicht nachkomme! Zu euren Kommentaren sage ich im Nachwort etwas und beantworte auch Fragen! So, das wär's! Viel Spaß beim Lesen!! Shina quälte sich in seine Schuluniform. Es war noch fast dunkel draußen und seine Mitschüler schliefen fest. So wie jeden Morgen. Er stand immer vor ihnen auf, damit er nicht mit ihnen konfrontiert werden musste. Er hasste es. Er hasste es, dass sie immer genau zu wissen schienen, dass sie ihm überlegen waren. Dass sie so viel besser waren als er. Also ging er ihnen aus dem Weg. Er fürchtete sich vor ihrem Spott und ihrer Verachtung. Anfangs hatte er es schweigend über sich ergehen lassen, bevor er begonnen hatte, ihnen vollkommen auszuweichen. Es war feige. Aber er konnte nicht anders. Und an diesem Tag ging es ihm auch noch so schlecht, dass er sich am Liebsten einfach zurück ins Bett gelegt hätte. Wären seine Mitschüler nicht hier, hätte er das sicherlich auch getan. Dann hätte er sich verkrochen. Er war müde. Die ganze Nacht hatte er gelesen und wäre sicherlich über dem Buch eingeschlafen, hätte das unerträgliche Ziehen in ihm ihn nicht wach gehalten. Was in dem Buch genau gestanden hatte, wusste er jetzt nicht mehr so genau, aber es war ihm auch nicht wichtig. Hauptsache, die Nacht war endlich vorbei und er konnte sich in die Schularbeit stürzen. Dann konnte er nur hoffen, dieses unangenehme Gefühl von Leere würde während des Tages verschwinden, am Besten seine Bauchschmerzen gleich dazu, dann würde er vielleicht die nächste Nacht ruhig schlafen können. Beim Anziehen hatte er gerade seinen Bauch untersucht. Die betroffene Stelle war ganz blau und lila verfärbt und die Verletzung wurde in den nächsten Tagen wohl nicht aufhören, höllisch weh zu tun. Seine Hoffnung war also schon jetzt vergebens. Shina schnappte sich seine Schultasche und sein dickes Buch und machte sich leise auf den Weg in die Cafeteria, die um diese Uhrzeit sicher noch leer war. Er schob die Tür auf und trat ein. Das Buch fest an sich gedrückt, sah er sich um. Er schien allein zu sein. Shina wollte schon erleichtert seufzen, als eine wütende Stimme ihn plötzlich aufschrecken ließ. Er drehte sich erschrocken um und sah auf den Gang hinaus, von dem das Geräusch gekommen war. "Mistkerl!" Die Stimme kannte er doch? Aber das konnte nicht sein. Nein, das war nicht möglich! Entgegen seinen eigenen Willen trat er näher an die Geräuschquelle heran und lugte um die Ecke. Tatsächlich. Es war Kitaya. Mit offenem Mund betrachtete Shina die Szene. Kitaya hatte Hiroshi Takashi am Kragen hochgerissen. Sein Gesicht zeigte eine Empfindung, die Hass schon fast gleichkam und seine Augen zeigten nicht mehr dieses warme Braun, das er kannte, sondern waren jetzt dunkel. Schwarze Tiefen, die einen mit ihrer Intensität erstickten. Er hatte auf einmal Angst. Was war, wenn Kitaya ihn entdeckte? Wenn sich dieses Schwarz gegen ihn richtete und ihn erdrückte? Er sah die Furcht in Takashis Augen und Verwirrung. "Was hast du getan?!", schrie Kitaya nun und Shina klingelten die Ohren. Er wich zurück, als hätten die Worte ihm gegolten. Aber er wusste, hätten sie ihm gegolten, hätten sie ihn zerschmettert. "Los, spuck's aus!!" "Ich..." Takashi war eindeutig zu einem zitternden Nervenbündel zusammengeschrumpft. "...ich... ich glaube, du bist hier nicht der, der Forderungen ste-..." Die Faust, die sein Kinn traf, riss ihm den restlichen Satz von den Lippen. Shina wimmerte unterdrückt, hatte jedoch gelernt, leise zu sein, wenn es darauf ankam. Zu oft hatte er sich verstecken müssen. Takashi taumelte rückwärts und fiel zu Boden. Sein Blick war gesenkt und sein ganzer Körper war verkrampft vor Angst. Shina erkannte dieses Verhalten sofort. Er hätte wetten können, Takashi bat jetzt innerlich darum, einfach im Nichts zu verschwinden, oder der Boden möge sich unter ihm auftun und ihn in seine rettende Tiefe ziehen. "Ich stelle Forderungen!", bellte Kitaya in einer beißend haßerfüllten Tonlage. In einer schnellen, geübten Bewegung trat er vor und beugte sich zu Takashi hinab. Er packte ihn am Haar und riss ihn auf die Füße. Shina konnte den Oberklässler leise aufheulen hören. War er etwa so schwach? Würde man nicht von ihm erwarten können, dass er stark und mutig war? Immerhin war er doch der Anführer seiner Gruppe... Takashi wurde grob gegen die Wand geschleudert und dort von Kitaya festgenagelt. "Los, sag mir: Wer stellt hier die Forderungen?" Der Blonde strahlte Gefahr aus, etwas mörderisches, das die Luft irgendwie zum Flirren zu bringen schien. Shina spürte diese Gefahr und wäre weggerannt, hätte er seine Beine gefühlt. Er fürchtete sich. "Du...", gab der dunkelhaarige Oberklässler keuchend zur Antwort. "Schön." Kitaya holte aus und boxte Takashi in die Magengrube, so dass der andere Junge trotz des festen Griffes nach vorne sackte. "Dann verlange ich von dir, dass du meine Schwester und Hyuniri in Ruhe lässt! Hast du mich verstanden?" Shinas Augen weiteten sich, als er seinen Namen hörte. Hatte Kitaya da eben wirklich gesagt, was er gehört hatte?! "Ja, ich versprech's...", wimmerte Takashi mit kratziger Stimme. "Ich hoffe es doch!" Kalter Triumph sprach aus Kitayas Augen. "Denn gesetzt dem Fall, du lügst mich an, werde ich dir auch ein Versprechen machen, das ich allerdings einzuhalten gedenke. Solltest du oder einer deiner Jungs irgend jemanden angreifen, der auch nur annäherungsweise etwas mit mir zu tun hat, komme ich und bringe dich um!" Die Grabeskälte in den Worten ließ keinen Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit. Ein Schauer lief durch Shinas Körper und die Panik lähmte ihn. Gebannt beobachtete er, wie Takashi versuchte, zurückzuweichen und zu fliehen, aber er war immer noch gegen die Wand gepresst und entkam dem Griff nicht. "Denk daran!", setzte Kitaya nach, riss den Älteren von der Wand weg und schubste ihn in den Gang. "Ich kriege dich!" Takashi stolperte beinahe, als er in den dunklen Flur taumelte. Shina sah dem humpelnden Oberklässler ängstlich nach. Seine einst stolze, nun geschlagen gekrümmte, Figur verschwamm mit der Düsternis des noch aufkommenden Morgens und ließ Kitaya und ihn allein zurück. Der Blonde stand mit dem Rücken zu ihm und ein zweites Mal, seit sie sich kannten, überlegte Shina, ob er es schaffen würde, sich unbemerkt davonzuschleichen. Er wollte sich nicht den schwarzen Tiefen, die Kitayas Augen bildeten, gegenübersehen. Nein, das würde er nicht verkraften. Zitternd machte er einen Schritt rückwärts, aber schon dort war seine Aktion zum Scheitern verurteilt, denn in der Stille des Morgens, in der noch kaum jemand wach war, konnte das Geräusch seiner Sohlen nur allzu deutlich vernommen werden. Kitaya drehte sich zu ihm um, nicht schnell wie das letzte Mal, sondern langsam und gemächlich, als wüsste er schon längst, dass er hier stand. Shina erstarrte in seiner Bewegung und spürte einen Schauer seinen Körper durchlaufen. Kitayas Augen waren so schwarz wie die Nacht, besonders in der Dunkelheit, die ein stilles Bündnis mit ihm geschlossen zu haben schien, denn sie ließ seine Gestalt noch unheimlicher wirken. "H-hyuniri...?!" Mit einem Male erhellten sich die Augen seines Gegenübers mit einem überraschten Aufblitzen aus Braun und Gold. All das Unheimliche und Beängstigende entwich seiner Erscheinung und er sah wieder aus wie ein normaler Mensch. Tatsächlich hatte er zuvor wie ein Ungeheuer ausgesehen. Seine Aura hatte etwas ausgesandt, das jedem, der sich in seine Nähe wagen würde, eine Warnung entgegen schrie. Ein lautes >Komm bloß nicht näher!< Wer würde da noch so verwegen sein, zu bleiben? "Was machst du hier?" Kitaya kam näher und Shina trat automatisch zurück. Der Blonde ignorierte seine ruckartige Bewegung und trat noch näher. "Es ist früh, niemand ist sonst aufgestanden!" "Ich..." Shina fühlte sich plötzlich schwindelig und kniff blinzelnd die Augen zusammen. "Ich konnte... n-nicht schlafen..." Das Ziehen, das ihn in der Nacht neben den Bauchschmerzen treu begleitet hatte, explodierte zu einem reißenden Schmerz. Wie zuvor war er nicht körperlich. Seelischer Schmerz. "Was ist los?" Als Shina seine Augen wieder öffnete und seine Sicht sich klärte, schaute er geradewegs in die braunen Augen Kitayas. Er wollte zurückweichen, doch wie er feststellen musste, befand er sich gar nicht mehr auf den Füßen und das Ausweichen endete als schwaches Zappeln. Er lag in Kitayas Armen. "Du bist plötzlich umgefallen...", hörte er den Blonden leise sagen. Shina starrte ihn nur fassungslos an. Das passierte wahrscheinlich im Moment auch gar nicht wirklich, sagte er sich in Gedanken. Immerhin hatte er die ganze Nacht nicht geschlafen und da konnte es schon einmal sein, dass eine Halluzination ihn auffing und sicher in ihren Armen hielt. Eine durchaus schöne Vorstellung, von jemandem gehalten zu werden, aber das hatten solche Träume schon mal an sich. Warum sie also nicht genießen, solange, bis sie endgültig verschwand? Hauptsache, das unangenehme Ziehen war zu einem sachten Drücken geworden und würde erträglich sein. So erträglich, dass er endlich schlafen konnte... Yano betrachtete das leichte Bündel in seinen Armen. Hyuniri hatte einfach seine Augen geschlossen und war eingeschlafen. Einfach so, ohne ein Wort, ohne eine Geste. Einfach so. Vielleicht war er krank? Jetzt, nachdem das Licht des Morgens so langsam durch die Fenster hinein gekrochen war, konnte er erkennen, wie blaß und müde der Kleine wirkte. Selbst im Schlaf noch. Und Menschen fielen nicht ohne Grund um. Yano seufzte und betrat, den Jungen sicher in seinen Armen, die Cafeteria. Er ließ sich auf seinen üblichen Platz fallen, wobei er Hyuniri auf seinen Schoß bettete. Er ließ ihm schließlich keine andere Möglichkeit, da er zum einen nicht wusste, wo sein Zimmer war und er ihn zum anderen nicht einfach auf einen der Stühle oder Tische legen konnte. Also machte er es ihnen beiden so bequem wie möglich und wartete, dass Uriko und Kleo kamen. Sein Blick schweifte von der Tür zu Hyuniris Gesicht. Im Schlaf wirkte es völlig entspannt. Es war das erste Mal, dass er es ohne die ganzen Mauern aus Misstrauen sah, die der zierliche Junge zum Selbstschutz um sich herum aufgebaut hatte. So sah er noch viel jünger aus, viel schutzloser und unschuldiger. Doch er musste schon vieles, grausames gesehen haben, wenn es stimmte, was Kleo erzählt hatte. Hatte Hyuniri tatsächlich seine Eltern vor seinen eigenen Augen sterben sehen? Plötzlich flog die Tür auf und Uriko platzte in die Cafeteria, dicht gefolgt von Kleo. Der Rotschopf setzte gerade dazu an etwas sehr wütendes zu sagen, als er innehielt und ein leises Aufkeuchen die Worte ersetzte. Kleos Reaktion fiel ähnlich aus. Er trat neben Uriko und seine Augen weiteten sich erschrocken, als er Yano erblickte. "Was in aller Welt...?!", begann er, doch Uriko unterbrach ihn. "Was ist denn mit Hyuniri passiert?!", kreischte er erschrocken. "Wer hat ihm das angetan?!" "Was viel wichtiger ist...", mischte sich Kleo ebenfalls ein und ließ seinen Blick über die regungslose Gestalt des Brünetten wandern. "Warum hast du ihn..." "Genau, was soll das werden, alter Trottel?!", schnitt Uriko dem Dunkelhaarigen erneut das Wort ab. Er kam mit wenigen schnellen Schritten zu Yano heran und baute sich vor ihm auf, was gelang, da der Blonde saß. "Weißt du eigentlich, was du da gerade tust?!" Er deutete auf Hyuniri und Yano wusste sofort, was er meinte. "Was hätte ich denn machen sollen?!", fauchte er mit gesenkter Stimme, um den Brünetten nicht zu wecken. "Er ist umgefallen und da habe ich ihn aufgefangen! Hätte ich ihn einfach fallen lassen sollen?" "Das wäre gar keine schlechte Idee gewesen..." Das kam von Kleo, der ebenfalls zu ihm herangetreten war und auf ihren schlafenden Mitschüler herabsah. "Du weißt, dass du sein Leben mit dieser Aktion ruiniert haben könntest?" Yano senkte den Blick auf Hyuniri und betrachtete das junge, fast engelsgleiche Gesicht. "So gut dein Wille, ihm zu helfen, auch war..." Kleo zog eine Grimasse. "...es wäre vielleicht wirklich besser gewesen, ihn nicht aufzufangen!" "Mag sein..." Yano löste seinen Blick nicht von Hyuniris Gesicht und strich mit einem Finger vorsichtig über die leichte Blessur, die Takashi ihm beschert hatte. "...aber er ist schon verletzt genug! Er kann nicht einmal normal laufen, ohne zu humpeln! Am Liebsten würde ich Takashi gleich noch einmal verprügeln!" "Hey, es ist schon genug, dass wir nichts von ihm abbekommen haben!", beschwerte Uriko sich. "Also, gib Hyuniri mal rüber, ich glaube, das ich sicherer!" Yano verspürte einen starken Widerwillen gegen den Vorschlag, unterdrückte das Gefühl jedoch. Uriko hatte schon Recht. Vielleicht hatte er zuvor nur Glück gehabt, als Hyuniri unbeschadet davongekommen war und jetzt war die Gefahr einfach zu groß, um Gefühlen nachzugeben, die nicht einmal plausibel waren. Uriko beugte sich herunter und hob den schmächtigen Jungen von Yanos Schoß. Hyuniri jedoch wimmerte leise, als der Körperkontakt unterbrochen wurde und wand sich in Urikos Griff. "Was ist denn jetzt los?", fragte der Rothaarige und hielt das zappelnde Bündel mit einiger Mühe fest. "Weg!" Hyuniri riss die Augen auf. "Geht weg!!" Die Panikattacke ließ alle in stutzigem Schweigen versinken. Hyuniri wehrte sich gegen den festen Griff des Rothaarigen, als wollte dieser ihn bei lebendigem Leib auffressen. Letztendlich gab Uriko nach und brachte sich vor den Hieben und Tritten in Sicherheit, die der kleine Junge austeilte, ohne es zu merken. Als er losgelassen wurde, wich Hyuniri an die hintere Wand des Raumes zurück und presste sich mit von Angst überschatteten Augen gegen die kalten Ziegel. "Was... hat er denn?", fragte Uriko mit schwacher Stimme. Yano sagte nichts dazu, sondern näherte sich dem verschreckten Jungen vorsichtig. "Hey...", murmelte er in einer beruhigenden Tonlage. "Wir sind's nur..." Hyuniris Augen fixierten ihn und erhellten sich leicht mit dem Erkennen. "Ihr?" Der Brünette klang schwach, gequält beinahe, als hätte er unerträgliche Schmerzen und Yano wäre am Liebsten hingelaufen und hätte ihn umarmt. Aber das ging nicht. Er wollte ihn nicht verletzen. Und zudem schien es schlimmer zu werden, je näher er ihm kam und deshalb trat er schnell etwas zurück, was Hyuniris Leiden ein wenig zu lindern schien. Er verstand es nicht, aber wenn es ihm half, würde er es, ohne weiter zu fragen, tun. "Ihr... seid es?", fragte der Kleine noch einmal. Seine Augen nahmen einen glasigen Ausdruck an und schlossen sich daraufhin langsam. Ein Seufzer entwich seinen Lippen. Erschrocken beobachteten die drei Jungen, wie Hyuniri einfach in sich zusammensackte. Er schien ohnmächtig geworden zu sein. "Oh, Gott!", rief Uriko aus und war mit wenigen hastigen Schritten an der Seite ihres Mitschülers. Diesmal erwachte er nicht wieder, obwohl der Rothaarige ihn an den Schultern packte und durchrüttelte. "Was ist mit ihm?!", fragte er in unsteter Stimmlage. "Das war wohl einfach zu viel für ihn...", erklärte Kleo sachlich. "Yano, was ist denn eigentlich vorhin passiert, dass er umgekippt ist?" "Tja...", Yano zuckte die Schultern und sah beschämt zu Boden. "Ich habe Takashi zurückgezahlt, was er meiner Schwester und Hyuniri angetan hat und habe nicht bemerkt, dass der Kleine daneben stand..." Uriko stöhnte gequält auf, als er das hörte. Er hatte Hyuniri in eine sicherere Position aufgerichtet und stützte ihn vorsichtig. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, Yano einen finsteren Blick zu schicken. "Dann ist es ja kein Wunder, dass Hyuniri in einem ausgewachsenen Schockzustand war!", bemerkte er mit tragischem Unterton. "Als ich dich das erste Mal jemanden verprügeln gesehen habe, ging es mir genauso!" "Ach, Klappe..." Yano wand sich verlegen unter den strafenden Blicken seiner Freunde. "Was machen wir jetzt mit ihm?" Kleo ruckte seinen Kopf in Richtung Hyuniri. "Ähm..." Alle drei starrten den kleinen Jungen ratlos an. "Was ist denn hier los?!", durchdrang eine schrille Stimme das nachdenkliche Schweigen. Eine der Köchinnen kam angelaufen, eine große Schüssel mit Essen in den Armen. Sie sah erschrocken von einem zum anderen, bis ihr Blick an Yano hängen blieb. "Du schon wieder?", fauchte sie. Dann wandte sie sich an den Rothaarigen. "Uriko, was hat das hier zu heißen?! Was habt ihr mit dem Jungen gemacht?" Kleos Blick streifte Uriko, der eine stille Frage enthielt: >Woher kennst du sie?!< "Was ist denn?" Eine zweite Köchin kam hinzu und entdeckte sofort den bewusstlosen Schüler. "Oh, nein! Ist das nicht der arme Kleine, der beim Essen immer ganz alleine ist?" "Wir wollen ihm helfen!", versuchte Uriko zu erklären, jedoch sprach Yano weiter und unterbrach ihn somit. "Er ist ohnmächtig geworden und wir müssen ihn zur Krankenstation bringen!", sagte er resolut. "Wir haben keine Zeit für große Erklärungen!" Er schickte sich an, Hyuniri hochzuheben, wurde aber von Kleo abgehalten, der ihn unsanft zur Seite schob. "Du solltest ihn nicht mehr als nötig berühren!", erklärte er nur für ihn hörbar und mit einem strengen Blick. "Ich nehme ihn schon!" Somit bückte er sich und nahm Hyuniri mit für ihn sehr ungewohnter Vorsicht hoch, die im krassen Gegensatz zu seiner sonstigen Gleichgültigkeit stand. Die Köchinnen wirkten etwas beruhigt. "Mensch, ist der leicht!", murmelte Kleo, scheinbar ehrlich beunruhigt. "Er isst viel zu wenig!", nickte die Köchin, die zuerst gekommen war, besorgt. "Er ist jeden Tag hier, aber sein Essen rührt er selten an!" "Ihr wollt ihm wirklich helfen?", setzte die andere Köchin direkt nach und kramte in dem Korb herum, den sie unter dem Arm trug. "Dann gebt ihm das hier!" Sie drückte Uriko zwei belegte Brötchen in die Hand. Der Rotschopf betrachtete das Essen mit großen Augen, was den Blick der Köchin streng werden ließ. "Wehe, du isst auch nur einen Bissen davon!", warnte sie und wandte sich ab. "Ich hole noch einen Tee, den gebt ihr ihm, wenn er aufwacht!" Sie spürten noch die sorgenvollen Blicke der Köchinnen im Rücken, als sie den Flur entlang in Richtung Krankenstation liefen. "Hoffentlich sagen sie den Lehrern wirklich Bescheid!", sagte Yano dumpf und schob die heiße Teetasse von einer Hand in die andere. "Sonst bekommen wir ganz schön Ärger!" "Ach, ich kenne die beiden!", lachte Uriko abwinkend, während er den Brötchen einen hungrigen Seitenblick schenkte. "Sie machen das ganz sicher!" "Was mich zu der Frage bringt, woher du die Köchinnen kennst!" Kleo sah Uriko prüfend an, drehte sich dann jedoch wieder nach vorne um. "Aber eigentlich kann ich es mir schon denken." "Ich wette, du hast dich abends in die Küche geschlichen!", lachte Yano leise. "Das würde dir nur zu ähnlich sehen!" "Was soll man denn machen, wenn man so einen Hunger bekommt, dass man das Gefühl hat, man stirbt?!" Uriko heulte melodramatisch auf. "Also tatsächlich?" Yano blinzelte überrascht, doch Kleo schien es nicht zu überraschen, dass die Vermutung stimmte. Uriko hingegen grinste nur unverschämt und widmete seine Aufmerksamkeit dann wieder den beiden belegten Brötchen, die er mit tiefer Sehnsucht anschmachtete. "Du bist unmöglich!" Yano rollte mit den Augen und wechselte die Teetasse ein weiteres Mal in die andere Hand. Sie erreichten die letzte Biegung zur Krankenstation und Uriko, der einzige unter ihnen, der eine Hand frei hatte, klopfte laut an. "Hallo?", rief er ungeduldig. Die Tür öffnete sich einen Spalt und eine ältere Frau mit weißer Haube schielte zu ihnen hinaus. "Ruhe hier!", beschwerte sie sich ungehalten, nichtsdestotrotz flüsternd. "Patienten schlafen!" "Aber Hyuniri ist ohnmächtig geworden!", Uriko sah die Ärztin flehend an. Bei dem Namen zuckte die Frau zusammen und zog rasch die Tür auf. "Hyuniri krank?", fragte sie in ihrer gebrochenen Sprache. "Reinbringen, schnell!" Die Schüler beeilten sich, einzutreten. Yano fragte sich, warum die Ärztin den Brünetten kannte und so besorgt war, kaum, dass sie hörte, dass es ihm schlecht ging. "Jungen hinlegen!", forderte sie Kleo brüsk auf und wartete mit grimmiger Miene darauf, dass der Dunkelhaarige gehorchte. "Was ihm passiert? Wer ihr seid?" "Wir sind in seiner Jahrgangsstufe...", erklärte Yano und wich der kleinen Frau panisch aus, als sie an ihm vorbeirauschte, um ihre Instrumente zu holen. "Er hatte einen Schock und ist bewusstlos geworden. Da haben wir ihn hergebracht!" "Ihr Freunde?" Sie deutete auf Hyuniri. Ihre Augen funkelten misstrauisch. "Wenn nicht, dann ihr gehen!" "Natürlich sind wir seine Freunde!", rief Uriko empört aus. "Wir haben ihm schließlich geholfen!" Die Ärztin schwieg kurz und betrachtete die kleine Gruppe forschend. Dann wandte sie sich ab und ignorierte sie, während sie den kleinen Jungen auf dem Bett zu untersuchen begann. Yano sog scharf die Luft ein, als sie Hyuniri das Hemd der Schuluniform öffnete. Uriko schrie leise auf und hielt sich die Hände vor die Augen. Selbst Kleo schnappte erschrocken nach Luft. Der Bauch des Brünetten war dunkelblau und violett verfärbt. Die verletzte Stelle sah schrecklich aus. Nur die Ärztin wirkte unbeeindruckt, als hätte sie nichts anderes erwartet und das war es, was Yano noch mehr entsetzte. War Hyuniri etwa öfter wegen solchen Verletzungen hier? Das konnte doch nicht sein! Das durfte nicht sein! Was für eine Schule war das hier, wenn jemand so zu Schaden kam und niemand ihm half?! "Wer das war?", fragte die Schulärztin und sah mit Bitterkeit in ihrem faltigen Gesicht auf. "Hiroshi Takashi!" Uriko schien es nichts auszumachen, den Mitschüler zu verraten und keiner der beiden anderen hielt ihn auf oder sah ihn dafür böse an. Yano fühlte im Gegenteil einen finsteren Triumph bei dem Gedanken, dem Oberklässler noch eins auswischen zu können. Er hatte es verdient. Nach dem, was er Hyuniri angetan hatte... Er fühlte Rachsucht. Pure Rachsucht. Wenn er die Verletzung sah, krümmte sein Geist sich in Qual und dem Drang nach Vergeltung. Er wünschte, er könnte Takashi bis ans andere Ende der Welt jagen und ihn dort zur Strecke bringen. Langsam und schmerzhaft... Er sollte leiden. Sollte um Gnade winseln. Sollte um Vergebung betteln, wenn er ihm letztendlich zu Füßen lag. Ja, er hatte es verdient... Ein Rucken an seinem Ärmel riss ihn aus seinen finsteren Gedanken. Er wandte sich dem Störenfried ärgerlich zu, um seinen Frust an ihm abzulassen, doch als er das Gesicht von Uriko vor sich sah, der ihm angstvoll entgegensah, verrauchte sein Zorn sofort. "Was ist?", fragte er müde und strich sich über die Stirn. "Deine Augen waren so düster...", gab Uriko offen zu. "Ich dachte schon, du..." "Nein, mir geht es gut...", beruhigte Yano seinen rothaarigen Freund und lächelte matt. "Na, hoffentlich!" Kleo tauchte plötzlich neben ihm auf und legte eine schwere Hand auf seine Schulter. "Denn ansonsten müssten wir deinem Onkel Bescheid geben und das wollen wir alle nicht!" Er wirkte nervös und die Furcht stand tief in seine Augen geschrieben. Ein Fremder hätte sie nicht gesehen, aber Yano erkannte sie, ebenso wie Uriko, der diese Furcht teilte. "Nein, mit mir ist alles in Ordnung!", versicherte Yano mit einem weiteren Lächeln. "Ich war nur in Gedanken dabei, Takashi eine Lektion zu erteilen!" Das schien die Stimmung etwas aufzulockern. Uriko wuschelte sich erleichtert durch die Haare und lief dann zu dem Krankenbett, in das die Ärztin den kleinen Jungen nach ihrer Untersuchung gesteckt hatte. "Ist er denn gesund?" fragte der Rotschopf die alte Frau mit einem Blick zu Hyuniri. "Zu wenig gegessen, zu wenig geschlafen!", erklärte sie krächzend. "Schock ihn umgeworfen. Sonst gesund." Erleichterte Seufzer gingen durch den Raum und die Spannung löste sich langsam. Allerdings hinterließ die Information, dass er nicht genug aß und schlief, einen unangenehmen Nachgeschmack. "Ihr bleiben?", fragte die Ärztin mit erhobener Augenbraue. "Ja, natürlich!", sagte Uriko bestimmt. Einstimmiges Nicken folgte. "Wir haben auch was zu Essen und Tee für ihn!" Der Rothaarige schenkte den Brötchen noch einen hungrigen Blick, beherrschte sich aber auffällig, indem er sie auf den Tisch am Krankenbett legte und einen großen Schritt Abstand nahm. "Gut!" Die Schulärztin schien erfreut über das Essen und die Anteilnahme und ihr finsteres Gesicht wurde etwas sanfter. Sie trat an das Bett heran, richtete die Decken fast liebevoll und verließ den Raum schließlich, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Weder eines des Dankes, noch eines der Erklärung. Aber die war auch nicht nötig. "Er scheint oft hier zu sein!", brach Kleo das eingetretene Schweigen, als sie es sich bequem machten und sprach somit das aus, was alle für sich schon aus der Situation erschlossen hatten. "Die Alte behandelt Hyuniri wie eine Glucke ihre Küken!" Uriko lachte gezwungen, doch sein Versuch, die Stimmung weiter aufzuheitern, misslang kläglich. "Ich meine... ähm... Tja..." "Schon gut, Uriko..." Yano lächelte leicht und strich sich gähnend ein paar störende Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Mensch, bin ich müde!" "Geht mir genauso!" Der Rotschopf schloss sich seinem Gähnen an. "Weicheier!" Kleo setzte sich auf einen der vier Stühle und überschlug die Beine. "Dann warten wir mal, bis Hyuniri aufwacht!" Das Licht war grell, fast unerträglich. Es blendete ihn und trieb Tränen in seine Augen. Dabei hatte er gedacht, sie wären längst ausgeweint. Personen liefen auf ihn zu, doch gegen das Licht waren sie nur schwarze, undeutliche Schemen. Sie riefen Namen. Die Namen seiner Eltern. Aber sie würden nicht antworten. Er wandte sich in den Armen seiner Mutter um, die ihn noch immer hielt. Er versuchte, seine brennenden Augen in ihrer Kleidung zu verstecken und atmete den vertrauten Geruch, der in dem Stoff haftete, tief ein. Zwar konnte er die Personen nicht mehr sehen, aber er konnte sie hören. Sie riefen noch immer die Namen seiner Eltern. Aber sie würden nicht antworten. Er bat darum, dass sie endlich aufhören würden zu rufen. Dass sie ihr sinnloses Vorhaben doch bitte endlich einstellen mochten, damit er seine Ruhe hatte. Doch sie riefen. Sie riefen die Namen seiner Eltern. Immer wieder. Aber sie würden nicht antworten. Er selbst hatte zu lange nach ihnen gerufen, ohne eine Antwort bekommen zu haben. Sie würden nicht mehr antworten. Nie mehr... Wieder Stimmen. Es waren Stimmen, die Shina aufweckten. Doch sie riefen nicht die Namen seiner Eltern. Sie riefen nicht seinen Namen. Sie riefen niemanden. Es war ein beruhigender Fluss an Worten, der über ihn hinweg schwamm. Sie redeten nicht mit ihm. Nicht über ihn. Sie sahen ihn sicher nicht. Und das war gut so. Niemand sollte ihn sehen. Die Personen, die nach seinen Eltern gerufen hatten, hatten ihn gesehen und ihn seiner Mutter und seinem Vater entrissen. Hätten sie ihn nicht gesehen, hätte er für alle Zeit bei ihnen sein können. In den Armen seiner Mutter, die Hand seines Vaters haltend. Sie hätten ihm nicht geantwortet, wenn er nach ihnen gerufen hätte. Aber das war unwichtig... Er hätte bei ihnen sein können... Die Reste seines Traumes verflogen und mit ihrem Verschwinden kam sein Bewusstsein zu ihm zurück. Und die Bauchschmerzen, sowie das Ziehen, das in seinem Innern wühlte, das alles durcheinander wirbelte mit seinem Wunsch nach Erfüllung. Wohin wollte es ihn ziehen? Er öffnete langsam die Augen. Eine weiße Decke war über ihm. Etwa wieder die Krankenstation? Aber wie kam er hierher? Sonst war er immer allein hierher gekommen und nun...? Was hatte er überhaupt geträumt? Er konnte sich nicht mehr genau erinnern, aber es musste etwas mit seinen Eltern zu tun gehabt haben. Er musste sie doch endlich vergessen können! Wieso verfolgten seine verstorbenen Eltern ihn noch immer im Traum? Wenn er so recht überlegte, wollte er gar nicht wissen, was genau er geträumt hatte... Denn das hieße, sich an den Tag zu erinnern, an dem sie gestorben waren. Und er war froh, dass er es nicht konnte. Plötzlich tauchte ein Gesicht über seinem auf. "Tee?", fragte die Person mit einem Grinsen. Shina schrie auf und wich, von aufflammender Panik erfasst, zurück. Die Schwere des Schlafes fiel mit der kommenden Angst von ihm ab und sein Herz, das ohnehin wegen des Traumes schon rasend schnell geschlagen hatte, machte einen erschrockenen Sprung in seiner Brust. Kaum, dass sein eigener Schrei ertönt war, hörte er den anderen Jungen auch aufschreien und sah ihn mit einem Ruck vor ihm zurückweichen. Die Tasse in seiner Hand schwankte gefährlich und ihr Inhalt drohte, verschüttet zu werden. Ein Gerangel entstand, als sich die zweite Person in dem Raum auf den mit der Tasse stürzte und versuchte, sie ihm zu entreißen. Jetzt erkannte er sie. Das waren Kitayas Zimmerkameraden. Der seltsame Uriko war es gewesen, der ihm die Tasse entgegengehalten hatte und der Dunkelhaarige, er glaubte, er hieß Kleo, war derjenige, der sie ihm nun erfolgreich abgenommen hatte, ohne, dass auch nur ein Tropfen an den Boden verschwendet worden war. Bloß... wo war Kitaya? Die Tür öffnete sich mit einem Mal und Besagter stürzte in den Raum. "Was ist los?", fragte er besorgt. "Ich habe Schreie gehört!" "Er ist aufgewacht..." Der Rothaarige war ganz blass um die Nasenspitze. "Ich glaube, ich gehe jetzt doch aufs Klo..." Er verschwand durch die kleine Tür in das Badezimmer der Krankenstation, aus der Kitaya gerade gekommen war und es wurde still in dem Zimmer. Was war nur mit diesem Uriko? "Na, gut geschlafen?" Der Dunkelhaarige hielt ihm vorsichtig den Tee hin und deutete ihm mit den Augen, ihn anzunehmen. Shina ignorierte die Aufforderung und starrte den Mitschüler misstrauisch an. Er konnte doch nicht einfach diese Tasse nehmen und ihnen ohne weiteres vertrauen... da konnte Gift drin sein. Oder eine Droge. Oder sie hatten hinein gespuckt. Alles war möglich. Nein, sicher war immer noch sicher und sie sollten das Zeug einfach selbst trinken, wenn es genießbar war... Warum sollten sie ihm auch ohne Grund Tee anbieten? Da MUSSTE eine versteckte Absicht hinter stecken. Niemand verschenkte etwas, ohne etwas anderes im Gegenzug haben zu wollen. Es war ein einfaches Konzept. Wer etwas nahm, musste etwas geben und wer etwas gab, wollte etwas zurückbekommen. Der einzige Mensch, der anders war, war seine Tante. Nur sie verstand, was Fürsorge bedeutete. Sie war seine Familie, sie gab und verlangte dafür nichts. Und er schämte sich, ihr nichts geben zu können, außer seiner ganzen Zuneigung. "Du kannst den Tee wirklich trinken!", versicherte der Dunkelhaarige ihm ungeduldig. Shina fürchtete sich vor der Kälte, die er ausstrahlte. Warum sah er so gleichgültig aus? Warum konnte er ihm nicht einfach seine wahren Gefühle zeigen, anstatt diese unheimliche Maske aufzusetzen? Spott? War da Spott? Verachtung? War da Verachtung? Er wusste es nicht. Er hasste Ungewissheit. "Hey, du..." Kitaya war an das Bett herangetreten und sah ihn mit seinen warmen, braunen Augen an. "Der Tee ist sicher gut. Wir haben auch etwas zu Essen." Shina sah den Blonden erstaunt an und unterdrückte eine Grimasse des Schmerzes. Das Ziehen in ihm war stärker geworden, seit er richtig wach war und es hatte inzwischen wieder eine Intensität erreicht, die ihm die Ruhe rauben würde, bis die Erschöpfung ihn nieder riss. Woran lag das? War er wirklich krank? Immerhin lag er auf der Krankenstation und erinnerte sich nicht mehr, wie er hierher gekommen war. Ob er wohl aufstehen und gehen konnte, damit er hinterher vor sich selbst behaupten konnte, es wäre nichts gewesen? Kitaya setzte sich plötzlich auf die Bettkante und nahm dem Dunkelhaarigen die Tasse aus der Hand. "Trink.", verlangte er sanft und hielt sie ihm an die Lippen. Shina wagte es nicht, den Augenkontakt zu brechen. Die kühle Flüssigkeit des Tees benetzte seine Lippen, doch er öffnete sie nicht. Er wollte zurückweichen, doch die Wand in seinem Rücken ließ das nicht zu. Mit großen Augen betrachtete er das ernste Lächeln des Blonden. "Sag mal..." sprach Kitaya gedehnt. "Was würdest du jetzt am Liebsten tun?" Verwirrt blinzelte Shina. Was sollte denn das heißen? Er öffnete den Mund, um zu einer Antwort anzusetzen, spürte jedoch statt dessen einen süßen Geschmack auf seiner Zunge und die Flüssigkeit des Tees in seinem Mund. Er schickte Kitaya einen Blick, der >Betrüger< schrie, denn die Frage war pure Absicht gewesen, damit er trank. Dann jedoch setzte die vertraute Angst wieder ein. Eine Falle? Kitaya schien die Veränderung zu bemerken, denn er zog die Tasse sofort zurück. Shina hustete, da er sich vor Schreck verschluckt hatte und prüfte den Geschmack in seinem Mund nach, ob er bitter war oder ähnliches. Er war normal. Tee. Früchtetee, um genau zu sein. Es war der Tee, den es Samstags immer gab. "Du musst nicht immer so ängstlich sein...", murmelte Kitaya traurig. "Weißt du... niemand hier will dir etwas Böses..." Shina rutschte rastlos hin und her. Sein Körper schien zu brennen. Das Ziehen raubte ihm den letzten klaren Verstand. Was hatte Kitaya eben gesagt? Sie wollten ihm nichts Böses? Warum ging es ihm dann so schlecht? Wieso sollten sie ihm nichts Böses tun wollen? Es gab keinen Grund für selbstlose Gesten! Es gab einfach keinen Grund!! "Ich muss gehen..." Shina schob sich rasch vom Bett und duckte sich unter dem Arm des Dunkelhaarigen hindurch, der ihn zurück in die Kissen drücken wollte. Glücklicherweise kannte er sich hier aus und würde sofort die Tür finden. Er stolperte in Richtung Ausgang, die erschrockenen Ausrufe seiner Mitschüler im Rücken. Doch er sollte dort nie ankommen, denn er rannte in jemanden hinein. "Wah!", rief Uriko perplex aus und Shina spürte zwei feste Hände seine Oberarme umschließen, als er zu fallen drohte. "Hyuniri!" "Er sollte besser im Bett bleiben!", hörte er Kleos Stimme. Der Rothaarige brachte ihn zurück zu den anderen und Shina war viel zu erschöpft, um sich wehren zu können, selbst, wenn seine Berührungsangst gegen den Griff an seinen Armen aufbegehrte und er am Liebsten davongerannt wäre. "Warum soll ich dableiben?", fragte er verzweifelt und blickte zur Ausgangstür. "Weil es dir nicht gut geht!", sagte Kitaya ernst. "Aber mir geht es gut!", protestierte Shina schwach. "Mir geht es gut..." "Eben nicht!", grummelte der große Dunkelhaarige und gemeinsam brachten er und Uriko ihn zurück unter die warmen Decken. Er wollte hier nicht sein. Auf der Krankenstation zu liegen, bedeutete, man war schwach. Das bedeutete, man konnte nicht allein mit seiner Situation fertig werden und war von anderen, fremden Menschen abhängig, vor denen er sich fürchtete. Das durfte nicht sein. "Guck nicht so verschreckt und iß das hier lieber!" Kleo hielt ihm ein Brötchen unter die Nase, doch der Geruch verursachte ihm nur Übelkeit. Er zwang sich zwar immer dazu, wenigstens ein paar Bissen hinunterzuwürgen, aber im Moment war ihm überhaupt nicht danach. Also schüttelte er den Kopf und rümpfte die Nase. "Hör mal..." Kitaya hatte sich wieder auf die Bettkante gesetzt, ebenso wie Kleo und Uriko. "Wenn du nichts isst, wird es dir ganz bestimmt nicht besser gehen! Wenn man isst, wird man schneller gesund!" "Warum sollte euch interessieren, ob ich gesund bin oder nicht?!", fragte Shina mit schriller Stimme und versuchte, aufzuspringen, doch Kitayas Hand auf seiner Brust hielt ihn unten. Das Ziehen in seinem Innern nahm auf einmal ab und wurde zu einem dumpfen Pochen, das nur noch schwach auf seine Nerven trommelte. Überrascht hielt Shina inne und starrte in die hellen, braunen Augen des Blonden. Was war das? Warum...? Kitaya sah nach unten auf seine Hand und Entsetzen zeichnete sich in den braunen Tiefen ab, die Shina mit ruhigem Erstaunen betrachtete. Er fühlte sich hin und her gerissen zwischen dem Drang, der Berührung zu entkommen und dem Wunsch, sie beizubehalten, wenn das bedeutete, der seelische Schmerz würde verschwinden. Doch die Entscheidung musste getroffen werden. Spätestens, als Kitaya seine Hand zurückriss und die Pein mit aller Macht zurückkam. Automatisch streckte Shina sich und hielt die Hand fest, woraufhin die Schmerzwelle erneut abebbte und ein nur noch dumpfes Pochen zurückließ. "Was-...", keuchte Kitaya und Fassungslosigkeit bildete sich in den Mienen der beiden anderen Jungen. Selbst in Kleos Gesicht, das sonst emotionslos war, zeigte sich die Verwunderung und leichtes Entsetzen, ähnlich dem, das er in Kitayas Augen hatte sehen können, als dieser ihn berührt hatte. Doch es interessierte ihn in diesem Moment nicht mehr. Angst, ja, die hatte er. Aber er war so verdammt müde. Er war seiner ganzen Situation nicht mehr gewachsen und hatte keine Lust auf immer neue Herausforderungen, die er nicht annehmen konnte. Das ganze Leben war ein Kampf, der ihn überforderte. War es denn verboten, dass er sich mal für eine Weile ausruhte? Und wenn er noch näher an Kitaya herankäme... würde der seelische Druck dann ganz verschwinden? Würde mehr Kontakt ihm auch mehr Linderung bringen? Innerlich krümmte er sich zusammen bei dem Gedanken an Körperkontakt mit einem fremden Menschen, aber wenn es doch so angenehm war, geistige Ruhe zu verspüren und das Nervenfeuer endlich loszuwerden? Shina setzte sich auf und ließ sich seufzend gegen den Blonden sinken, der nur versteift dasaß und ins Leere sah. "Yano, was soll das...?", hörte er Urikos Stimme zögerlich sprechen. Shina überhörte den erstickt klingenden Einwurf geflissentlich, konnte jedoch nicht vermeiden, dass sich auch ihm diese Frage stellte. Was tat er hier eigentlich?! To Be Continued... Oh, je, das nenne ich einen Cliffy... Tut mir leid, aber es musste einfach sein, weil jetzt kurz danach die Sache aufgeklärt wird und ich vorher ein Bonus-Chapter veröffentlichen will! Und das wären die Tagebucheinträge von Kleo und Uriko!! Ja, die beiden haben etwas Nettes für euch und mir hat es wirklich Spaß gemacht, mal in ihre Haut zu schlüpfen. Uriko war der Schwierigste, was ich ja seltsam fand. Kleos Eintrag hingegen ging mir ganz leicht von der Hand. Ich habe auch noch zwei ganz kurze Sachen von Yano und Shina, wenn ihr die also auch irgendwann einmal lesen wollt, sagt Bescheid! Und jetzt einen riesigen Dank an meine Leser und an die, die Kommentare geschrieben haben! Und das wären: Assassin, Shiruy, herminegranger, Jenny-chan, access_jep, claudikai und Marn! Danke, danke, danke! Kommis bauen immer wieder neu auf!! ^^ Ich freue mich auch immer wieder, eure Meinung zu hören, weil ich dann erfahre, wie jemand die Story sieht, der mich nicht direkt kennt. Also neutral ist. Einfach klasse! Ich beantworte wohl hier mal Fragen, die ihr gestellt habt: 1) Was hat Hiroshi Takashi jetzt eigentlich getan? Takashi hat Yanos Schwester nicht entführt... ^^ Er ist zwar hinterhältig, aber es würde doch auffallen, wenn ein Schüler einer Jungenschule im Schrank ein geknebeltes Mädchen versteckt... Oh, je, das ist übertrieben... Aber man muss immer im Hinterkopf behalten, dass das auch nur Schüler sind. Er wird ihr die Kette wohl geklaut haben! ^^ Aber das war eine berechtigte Frage! 2) Ist Hyuniri krank? Ja, was ist mit ihm los? Das werdet ihr im nächsten Kapitel genauer erfahren, aber ich kann schon verraten, dass es etwas mit dem Plot zu tun hat... ist in diesem Part ja recht offensichtlich geworden. Ich find's klasse, dass du das bemerkt hast, Marn! ^^ *froi* Ich war mir nicht ganz sicher, ob man es gleich merkt! 3) Was ist mit Yano los? Oi, da fällt es mir ganz schwer, etwas zu sagen... Yano ist... ähm... ja... Ich sage soviel: Yano darf andere Menschen nicht berühren. Warum... ist noch geheim! Äh... Er kann sie schon berühren, es kommt aber auf das Ausmaß der Berührung an. Er kann jemanden verprügeln, um sich einen schlechten Ruf aufzubauen, damit andere ihm fernbleiben. Schlagen kann er sie, umarmen sollte er sie besser nicht! Versteht ihr, wie das gemeint ist? Gut, das war's! Bis zum nächsten Chapter! Ciao Tara Kapitel 4: To Belong Together Forever ------------------------------------- Hi!! Sorry, dass es einen Tag länger gedauert hat, als versprochen, aber mein Vater war gestern, entgegen meiner Erwartung, nicht weg und ich konnte nicht an seinen Computer. Aber jetzt ist es da! Dies ist bereits das vierte Kapitel und es ist diesmal ein besonders langes! Also, macht euch bereit auf die ultimative Erklärung für das seltsame Verhalten meiner immer recht seltsamen Charaktere! Yep, viel Spaß beim Lesen, mehr gibt's im Nachwort! Soulmates - Seelenverwandte Kapitel 4: To Belong Together Forever Yano sah perplex auf den braunhaarigen Jungen hinab, der sich an ihn schmiegte, die Augen fest geschlossen und einen leichten Rotschimmer auf den Wangen. Verzweifelt sah er zu seinen Freunden auf, die ihn anschauten, als wäre er schuld an allem. Dabei konnte er doch nichts dafür! "Ich..." >Ich habe damit nichts zu tun!<, wollte er sagen, doch kein weiterer Laut entwich seiner auf einmal sehr trockenen Kehle. Plötzlich wandten seine beiden Kameraden sich einander zu, Kleo ernst wie immer und Uriko mit einem breitem Grinsen, das er in dieser merkwürdigen Situation nicht verstand. "Glaubst du, es ist das, was ich denke, das es ist?", fragte Uriko kichernd. Kleo warf Hyuniri nur einen prüfenden Blick zu und nickte dann zustimmend in die Richtung des Rothaarigen. "Eindeutig!" "Was ist hier los?!", schrie Yano frustriert. Er wusste, er sollte den Brünetten von sich stoßen, doch er konnte es nicht. In seiner Wut zog er ihn nur näher an sich heran, ja, er wollte ihn nah bei sich wissen. Aber warum?! "Merkst du es nicht?", fragte Uriko glücklich. Hyuniri schien aufmerksam zu lauschen, jedenfalls hatte er seine Augen halb geöffnet und schaute verwirrt und erschrocken über seine Schulter in die Runde. Dennoch schien auch er nicht in der Lage zu sein, auf Abstand zu gehen. "Seelenverwandt!" Kleo lächelte ein für ihn sehr seltenes, warmes Lächeln und Yano fragte sich, wie dumm sein eigener Gesichtsausdruck wohl gerade sein musste. Der kleine brünette Junge mit den tiefblauen Augen sollte sein Seelenverwandter sein? Er sollte die Person sein, die er schon so lange suchte, nach dem sein ganzes Sein sich sehnte? Seine andere Hälfte?! "Kann nicht sein!", rief er geschockt aus. "Wieso nicht?", grinste Uriko schalkhaft und klopfte ihm kräftig auf die Schulter. "Ähm... Hyuniri?" Der Rotschopf hatte sich an den Kleinen gewandt, die Stimme zögerlich. "Hm?", fragte der Brünette gedämpft und versteckte sich tief in Yanos Kleidung. "Ist dir zufällig in den letzten Tagen etwas Ungewöhnliches aufgefallen?" Uriko lehnte sich hoffnungsvoll vor. "Ein komisches Gefühl vielleicht?" Hyuniri blinzelte aus ängstlichen Augen zu seinem Mitschüler herauf, nickte jedoch kaum merklich. "Ich wusste es!!", platzte der Rothaarige lachend heraus, sprang vom Bett auf und tanzte ausgelassen durchs Zimmer. "Endlich, endlich! Wir haben es geschafft!!" "Uriko, du weißt doch noch gar nicht sicher, ob...", begann Yano, doch der Chaot hörte offensichtlich nicht zu und sang aus vollem Hals weiter, die Beschwerderufe aus dem angrenzenden Raum ignorierend. Hyuniri erschreckte sein Geschrei scheinbar, denn er rückte wimmernd noch näher an den Blonden heran, der sich das mit einem kleinen Lächeln gefallen ließ. "Er ist es." Eine klare Feststellung von Kleo, der die Ausgelassenheit ihres grölenden Freundes offenbar nicht teilte, sondern sich im Stillen freute und zugleich sehr nachdenklich wirkte. "Sonst würde er nicht so an dir hängen, sondern eher weglaufen!" "Meinst du?" Yano sah an sich herunter und betrachtete das warme Bündel, das halb auf ihm lag. Das kam für ihn alles so plötzlich und doch klang es so plausibel. Er konnte ihn berühren, ohne, dass dem Kleinen etwas geschah. Wenn es wirklich stimmte... dann... ja... was dann? Er war ratlos. Was würde er dann tun? "Hyuniri, ich muss dir etwas erklären..." Yano seufzte und strich dem Brünetten über den Rücken, was dem jedoch nicht zu gefallen schien, denn er versteifte sich dagegen. Also stoppte er in der ohnehin unbeabsichtigten Bewegung und erzählte weiter. "Meine Familie unterliegt einem Fluch, der alle männlichen Mitglieder dazu zwingt, ihren Seelenverwandten zu finden, um ein normales Leben führen zu können. Bis sie ihn gefunden und das Band zwischen ihnen aufgebaut ist, können sie niemanden berühren, ohne, dass diese Person dem Wahnsinn verfällt. Das ist mein Schicksal, sowie das meiner Brüder und es war auch das meines Vaters und meines Großvaters. Wie weit das zurückgeht, weiß ich nicht. Ich selbst habe schon lange gesucht und wäre nicht hier, wenn es sich vermeiden ließe. Ich bin eine Gefahr für alle Menschen hier. Aber du..." Yano stockte, da die Erkenntnis ihn traf, dass all das jetzt vorbei sein konnte, dass er endlich wieder in Ruhe leben würde... vielleicht... wenn nur... Kitaya hatte zu Reden aufgehört und Shina, dem allein schon vom Zuhören der Kopf schwirrte, versuchte, zu verarbeiten, was der Blonde ihm gesagt hatte. "Du kannst... niemanden hier berühren?", fragte er ungläubig und mit unsicherer Stimme. Die Frage war spontan gewesen und keineswegs hatte er beabsichtigt, zu sprechen. "Niemanden außer Uriko und Kleo." Kitaya lächelte leicht, als er einen Blick hinauf in sein Gesicht riskierte. "Sie sind beide entfernt mit mir verwandt und die Verwandtschaft neutralisiert die Wirkung des Fluches. Allerdings geht der Fluch nur auf die direkten Vorfahren meiner Familienlinie zurück und sie sind nicht beeinträchtigt. Wäre auch schlecht für Uriko und seine Knuddelmanie!" "Hey!", rief Uriko empört, hörte auf, Freudentänze aufzuführen, kam zurück an das Bett heran und setzte seine grausamste Attacke ein: Er riss Kitaya und somit auch Shina in eine deftige Umarmung. Der Brünette quietschte panisch auf und flüchtete sich aus dem Griff, ohne von seinem blonden Mitschüler abzulassen. "Knuddelmane!", spottete Kleo mit einem schiefen Grinsen und sah sehr glücklich aus, nicht auch gedrückt worden zu sein. "Das hättest du nicht sagen dürfen...", stellte Shina automatisch und ohne nachzudenken fest. Für ihn war es einfach logisch, dass man in so einer Situation nicht die Aufmerksamkeit auf sich zog. Kaum, dass er die unbedachten Worte gesprochen hatte, verzog er sich wieder in Kitayas Kleidung. "Der Kleine hat recht..." Uriko hatte ein düsteres Grinsen auf den Lippen, die Augen halb von seinen roten Strähnen überschattet. Shina bekam es mit der Angst zu tun und klammerte sich schutzsuchend an Kitaya, der ihm als Antwort beruhigend mit einer Hand durchs Haar fuhr. Der Rothaarige stürzte sich auf Kleo und schon landeten beide auf dem Boden, da die Wucht des Aufpralls beide vom Bett gerissen hatte. "Idiot!!", hörte Shina den Dunkelhaarigen aufgebracht rufen. "Ha, kommt davon!! Lass dich drücken!!" "Drücken heißt nicht Erdrücken!!" Shina hörte eine Weile den Beschimpfungen mit halbem Ohr zu, doch innerlich versuchte er jeden Fetzen Mut aufzubringen, den er besaß, um sich an Kitaya zu wenden. "W-was heißt das denn... Seelenverwandt?", fragte er bange. "Das heißt, wir sind... na, ja... auf eine gewisse Weise von unserer Geburt an füreinander bestimmt." Kitaya zuckte verlegen die Schultern. "Wie?!", keuchte Shina entsetzt. Doch nicht etwa...?! "Nicht so wie du denkst!!" Kitaya wurde puterrot im Gesicht, ein befremdender Anblick für den Brünetten. "Mein Vater und meine Mutter haben sich ineinander verliebt, das stimmt schon, aber die Seelenverwandtschaft schließt das nicht mit ein. Mein älterer Bruder hat auch seinen Seelenverwandten gefunden und sie können sich nicht ausstehen! Es ist wirklich manchmal lustig mit anzusehen, wenn sie sich streiten, aber sich nicht einmal verbal weh tun können..." Kitaya schwieg nach dem Wortschwall, noch immer das auffällige Rot auf seinen Wangen. Shina fand es auf eine verrückte Weise beruhigend. Es zeigte seine menschliche Seite und dass Kitaya überhaupt dazu bereit war, sie ihm zu offenbaren, musste ein gutes Zeichen sein. Das hieß, er war ihm nicht böse für das Eindringen in sein Leben. Er hatte eine Art Vertrauen in ihn, das ihm erlaubte, seine innere Verteidigung fallenzulassen. Shinas Gedanke stockte an dieser Stelle. Kitaya schenkte ihm Vertrauen...? "Ähm..." Der Blonde schien sich langsam wieder zu fangen, doch das sollte wohl nicht lange halten. Noch ehe seine Gesichtsfarbe sich normalisieren konnte, vertiefte das Rot sich noch weiter und er sah peinlich berührt zur Seite. "Da gibt es allerdings noch ein kleines Problem... Wir kommen nicht voneinander weg, bevor das Band nicht mit unserem Familienritual geschlossen worden ist. Du weißt, was ich meine?" "Was?" Shina starrte ihn ungläubig an. "Das Ritual können wir nur bei mir zu Hause vollziehen.", erklärte Kitaya weiter und schüttelte verzeihungsheischend den Kopf, als er aufsah. "Tut mir wirklich leid... ich kann das nicht ändern. Selbst, wenn du versuchtest, mir fern zu bleiben, du würdest schon bald daran verrückt werden." Der Brünette ließ den unbemerkt angehaltenen Atem langsam ausströmen, als sein Blick sich von Kitayas Gesicht löste und die Wand hinter ihm fixierte. "Das heißt... ich muss dich berühren... die ganze Zeit?" Er konnte den verletzten Ausdruck auf dem Gesicht des Blonden nicht sehen, aber er fühlte ihn, als würde er seine Empfindung teilen. Das war alles so verwirrend. "So schlimm bin ich auch nicht...", lachte der Schläger leise. Es klang aufgesetzt. Es war aufgesetzt. Shina konnte es spüren, in jeder Faser seines Körpers. "Es... es ist nicht... nicht wegen dir..." Sein Versuch war kläglich, das wusste er. Aber Kitaya schien ein wenig besänftigt. "Ich... habe Berührungsangst." Er sah dem Blonden wieder in die Augen, in deren heller Klarheit Überraschung und Verstehen schwammen. "Jetzt kapiere ich das erst!", rief er aus. "Deshalb weichst du immer jedem aus, der dir zu nahe kommt. Ja, das macht Sinn..." "Ich kann dagegen nichts machen, ich habe es wirklich versucht." Shina wich Kitayas Blick wieder aus. "Selbst jetzt ist es mir unangenehm." Er sah zurück in die braunen Augen, die nachdenklich und leicht abwesend waren. Kitaya schien mit sich zu ringen, als müsste er eine Entscheidung fällen, die ihm nicht gefiel. Shina blieb ruhig sitzen und wartete auf eine Reaktion. Schließlich schien er sich durchgerungen zu haben, denn er sah ihn geradewegs an, das Braun der Augen leicht überschattet. "Dann müssen wir es so versuchen..." Er rückte etwas ab und nahm die Arme, die er um Shina gelegt hatte, langsam weg. Der Brünette spürte den Druck auf seine Nerven zurückkehren, doch strengte sich an, seine Miene nicht zu verziehen. Es gelang ihm nicht. Als der Körperkontakt unterbrochen wurde, kehrte das Ziehen mit einer Stärke zurück, die es zuvor nicht ein einziges Mal gehabt hatte. Shina krümmte sich unter Schmerzen und warf sich verzweifelt nach vorn, eine instinktive Handlung. Er schlang seine Arme um den Blonden und drückte sich gegen ihn. Je näher er ihm war, desto besser ging es ihm. Diesmal war es ihm egal, ob er ihn dafür berühren musste. Unangenehm blieb es zwar, aber das war eindeutig immer noch die bessere Lösung. Das Nervenfeuer war viel schlimmer als die Berührung eines anderen Menschen. Er schien wirklich an Kitaya gebunden zu sein, denn jetzt konnte er ihn ja nicht einmal mehr loslassen, ohne dabei den Verstand zu verlieren. "Hyuniri?", fragte Kitaya gedämpft. Shina zuckte leicht zusammen, doch rührte sich ansonsten nicht. Er konnte nicht. Das alles war so... fremd. Beängstigend. Er war an einen auf der ganzen Schule bekanntem und berüchtigten Schläger gefesselt. Er war... ja, er war abhängig von ihm. Er brauchte seine Berührung, um klar denken zu können. Und die Konsequenz all dessen wurde ihm mit ihrer ganzen Tragweite plötzlich vollkommen bewusst. Kitaya konnte ihn einfach fallenlassen. Ihn von sich stoßen und seinem Schicksal überlassen. Er würde das nicht überleben, das wusste Shina. Sein ganzes Dasein lag in der Hand eines als kalt und rücksichtslos geschimpften Schlägers. Und Kitaya war unleugbar ein Schläger! Jemand, der sich nur um sein eigenes Glück kümmerte. Was sollte es ihm schon bedeuten, einen kleinen schmächtigen Jungen hinter sich zu lassen, für den sowieso niemand aufstehen und kämpfen würde, wenn er doch schon so viele Stärkere besiegt hatte? Er fühlte sich so verdammt schwach! Bisher hatte er es doch auch immer allein geschafft, wieso denn jetzt nicht?! Wieso konnte er sich nicht einfach losreißen und davonrennen? Wieso? Wieso konnte er nicht verhindern, dass Kitaya ihn zerstörte? Wieso hatte er keine Kontrolle mehr über sein Leben? Und wieso nur hielt Kitaya ihn so fest an sich gedrückt, als hätte er Angst, er könnte ihn aus seinem Griff verlieren? Seelenverwandt... Wieso durfte ein grausamer Mensch wie er einen so schönen, warmen Begriff mit einer solch starken Ausdruckskraft in den Mund nehmen? Was stand für ihn hinter diesem Begriff? Was bedeutete ihm dieses Wort? "Du zitterst..." Shina schrak aus seinen Gedanken. Ihm schwirrte der Kopf vor lauter Fragen, die sich ihm nicht beantworten wollten. Aber er traute sich nicht, auch nur eine von ihnen auszusprechen. Sein ganzer Mut, der ohnehin nicht viel gewesen war, hatte ihn verlassen, nachdem die Erkenntnis, dass er nun jemandem so schutzlos ausgeliefert war, ihn mit aller Wucht getroffen hatte. Sie hatte ihn noch mehr geschwächt und er war sich dessen nur allzu bewusst. Er fühlte sich hilflos. Sein Leben lang war er geflohen, hatte zumindest immer die Hoffnung auf Flucht gehabt. Aber diesmal... keine Chance zu entkommen... "Was ist denn nun mit ihm?" Das war Urikos Stimme. Shina drehte den Kopf leicht zur Seite und schielte an der Kleidung, in der er sein Gesicht vergraben hatte, vorbei und in Richtung der beiden besten Freunde Kitayas. Beide hockten noch halb auf dem Boden, auf den sie gefallen waren. Kleo hatte sich mit den Ellenbogen auf das Bett gestützt und sah neugierig zu ihm herüber. Uriko hingegen lugte nur scheu über die Bettkante hinweg und wartete mit halb ängstlichem, halb hoffnungsvollem Gesichtsausdruck auf eine Antwort. "Er muss erst einmal verarbeiten, was er gehört hat.", hörte Shina Kitaya leise murmeln. "Könnt ihr beide bitte eine Weile rausgehen? Ich meine, ich würde ihn selbst jetzt in Ruhe lassen, aber das wird nicht möglich sein..." Er schwieg einen Moment, ehe er fast unhörbar weitersprach. "Und ich würde es nicht wollen..." Die letzten geflüsterten Worte, die wohl für niemandes Ohren bestimmt gewesen waren, ließen Shina verwirrt in allen Gedanken innehalten, die ihn plagten. Warum wollte Kitaya ihn nicht in Ruhe lassen? Was sollte das heißen? Nur schwerlich hörte er die sich entfernenden Schritte, eines der Paar Füße hastig und unbekümmert, das andere gemäßigt und genau kontrolliert. Kein Wort fiel mehr zwischen Kitaya und seinen Mitschülern. Dann schloss sich die Tür mit einem leisen Klicken und es wurde völlig still. Nur Atemgeräusche durchbrochen das eiserne Schweigen. "Seelenverwandt..." Shina merkte erst, dass er das Wort laut ausgesprochen hatte, nachdem es seine Lippen verlassen hatte. Erschrocken riss er die Augen auf, auch, wenn er gegen die Kleidung des anderen Jungen nichts sehen konnte und wünschte sich, die Erde mochte sich auftun und ihn verschlucken. "Hm?", fragte Kitaya und bewegte sich leicht, wie um eine bequemere Position zu finden. "Verwandte Seelen...", murmelte Shina. Ihm war, als müsste er weitersprechen. Er konnte den Anfang nicht offen in der Luft hängen lassen. "Was genau bedeutet das jetzt für uns?" "Für mich bedeutet es... wieder ein geregeltes Leben führen zu können..." Shina spürte ein Lächeln in den Worten und die Freude, die mit ihnen verbunden war, ließ keinen Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit zurück. "Und für dich bedeutet es..." Kitaya zögerte unsicher. Er hatte geklungen, als würde er genau wissen, was er sagen wollte, aber im letzten Augenblick hatte er sich unterbrochen. "Was?" Shina horchte bange, der ganze Körper gespannt wie ein Drahtseil, an dem ein zu schweres Gewicht hing. "Sicherheit." Die Stimme des Blonden klang auf einmal fest. "Ich beschütze dich." Er sagte das, als sei es eine Tatsache, nicht bloß eine wage Möglichkeit, die er in Betracht zog. War es ihm etwa ernst?! "Du... du lässt mich nicht...?" Shina hob ungläubig den Kopf. Das konnte nicht wahr sein. Nein, warum denn? Warum sollte es Kitaya interessieren, ob es ihm gut ging, oder nicht? Er hatte sogar die beste Gelegenheit, ihn selbst zu verprügeln, da er ihm nicht einmal ausweichen konnte. Was war nur in ihn gefahren? War das alles bloß eine Vorbereitung für die richtige Folter? Hyuniri hatte den Satz offen gelassen, doch das Misstrauen, das aus seinen Augen sprach, beendete ihn besser als alles, das er hätte sagen können. Tatsächlich schien der kleine Brünette in der festen Überzeugung zu leben, alle Menschen wollten ihn ausnutzen und betrügen. Sah er denn keinen Funken Gutes in ihnen?! Nicht einmal ein Glimmen von Hilfsbereitschaft oder von... wie sollte man es anders bezeichnen, als mit Menschlichkeit? Erwartete er denn wirklich immer nur das Schlechteste von jeder Person, die er traf? Das machte Yano wütend, doch er zwang sich zur Ruhe. Jetzt, wo Hyuniri wenigstens schon einmal mit ihm sprach, wollte er das bisschen Zutrauen nicht verlieren, das er gewonnen hatte. "Ich werde dich nicht hängen lassen, auch, wenn du ein fast Fremder für mich bist.", sagte er bestimmt und funkelte Hyuniri entschlossen an. Ja, er würde ihn vor der Welt beschützen, die ihn zu dem gemacht hatte, was er jetzt war! "Du... was?" Der Kleinere hatte längst aufgehört zu zittern und endlich, endlich sah Yano den kleinen unbewussten Funken Hoffnung in seinen tiefblauen Augen aufblitzen, die vor Erstaunen groß wie Untertassen sein mussten. Yano unterdrückte ein Kichern bei dem Gedanken und lächelte Hyuniri versichernd an. "Warum?" Das war die Schlüsselfrage, die den Brünetten verfolgte. Yano war sich dessen bewusst und hatte darauf gewartet, dass er sie stellen würde. Er legte den Kopf leicht schief, das Lächeln noch breiter und den Blick auf die kleine Person in seinen Armen fixiert. "Weil du etwas ganz Besonderes bist.", murmelte er und strich Hyuniri eine vorwitzige Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich dort hartnäckig hingelegt hatte und sich weder durch unbewusstes Rucken des Kopfes, noch durch das Pusten des Kleinen entfernen ließ. Er hatte die Arme eng um ihn gelegt und schien nicht zu wagen, sie auch nur einen Millimeter zu bewegen, um die lästige Strähne selbst wegzuschieben. "Ich hätte dir auch geholfen, wärst du nicht mein Seelenverwandter...", sprach er weiter zu dem erstaunten und noch immer hauptsächlich misstrauischen Mitschüler. "Denn es ist ganz normal, dass man anderen hilft, besonders, wenn sie diese Hilfe so nötig haben wie du." Er sah ihn eine Zeit lang schweigend an, ehe er fortfuhr. "Du bist ganz allein, nicht wahr?" "Allein?" Hyuniri klang verwirrt, als verstände er nicht, wovon er sprach. "Wieso allein? Du bist doch hier?" "Ich meine einsam. Du bist einsam." Jetzt war es an Yano, verwirrt zu sein. Noch immer schien der Brünette nicht zu verstehen, worauf er hinauswollte. "Du hast keine Freunde, oder?" "Nein." Hyuniri sah nicht ein bisschen traurig aus. Er sagte es mit einem Schulterzucken, als würde es ihm nichts bedeuten. "Nicht alle Menschen haben Freunde." "Aber..." Yano schüttelte in Unverständnis den Kopf. "Macht dir das denn nichts aus?" "Nein, warum?" "Macht dich das überhaupt nicht traurig?" Yano war verzweifelt. Was war nur mit diesem Jungen los, dass er so dachte? Oder irrte er sich und sie sprachen von zwei verschiedenen Dingen? "Ich habe keine Freunde." Hyuniris Blick wurde erstaunt und er schien seine Angst für einen Moment vergessen zu haben. "Sollte ich denn welche haben?" "Ja, verdammt!" Yano packte den Brünetten bei den Schultern und zog ihn in eine enge und warme Umarmung, um sein entsetztes Gesicht verbergen zu können. Hyuniri brauchte dringend Hilfe. Shina verstand Kitaya nicht. Seine Empfindungen wechselten so rasend schnell, dass er sich einfach nicht vorher auf sie einstellen konnte. Er konnte wirklich nicht mit Menschen umgehen. Er war es ja nicht einmal gewohnt, so viel mit jemanden auf einmal geredet zu haben. Und da kam Kitaya an, mit seinen ganzen Stimmungsschwankungen und schaffte es doch zugleich, ihn immer irgendwie aus der Reserve zu locken und ihn zum Sprechen zu bringen. Wieso fühlte er sich jetzt wohler als vorher? Wieso konnte ein Gespräch ihn innerlich so auflockern? "Was machen wir jetzt?", fragte er unsicher im Flüsterton. "Wir müssen zu meinem Onkel.", erklärte Kitaya leise. "Er ist der Schuldirektor und der Grund, warum ich auf diese Schule gekommen bin. Ich sollte eigentlich auf eine Privatschule, weißt du..." "Was wird er tun?" Ängstlich lehnte Shina sich zurück und sah in die hellen Augen Kitayas. "Er wird unsere Fächer so legen müssen, dass wir zusammen Unterricht haben." Der Blonde grinste leicht, mit einem Aufblitzen von warmen Gold in seinem Blick. "Außerdem muss er in der Schule offiziell bekannt geben, dass es alles seine Ordnung hat, dass wir... na, ja... nicht voneinander wegkommen." Kitaya schaute kurz zur Seite, doch sah ihn direkt wieder an, leichte Nervosität in seiner Miene. "Und noch eine weitere Sache gibt es, die er regeln muss. Und die wir regeln müssen..." "Und die wäre?" Shina erstarrte. Er hatte doch gewusst, dass da ein Haken sein musste! Es gab immer einen und jetzt offenbarte Kitaya ihn. Jetzt, wo es zu spät war. "Wie es aussieht, müssen wir wohl in einem Bett schlafen..." Der Blonde wurde rot und grinste schief. Shina schluckte schwer. Es war nicht die Art von Haken, die er erwartet hatte, aber immer noch ein sehr großer Haken. Keiner, der Betrug, Spott oder Verachtung beinhaltete, aber immer noch... ein Haken. Wenn das so weiter ging, würde er sich noch in seinen verstrickten Gedanken verhaken... oh, welche Ironie... Seit wann dachte er ironisch? Absolut mit allem überfordert, blinzelte Shina ein paar Mal und nickte dann lahm. "Okay...?" "Okay?!" Kitaya sah mehr als überrascht aus. "Du hast also kein Problem damit...?" "Äh... nein." Eigentlich schon, aber er konnte es ja eh nicht vermeiden, deshalb schüttelte er schnell den Kopf. Ein bisschen zu schnell vielleicht. Kitaya seufzte tief und schloss die hellen braunen Augen, um mit der Handfläche über sie streichen zu können. "Ich wusste, du würdest Probleme damit haben...", meinte er müde. "Aber ich sagte doch gerade...", begann Shina zögernd. Kitaya lachte leise und strich mit einem Zeigefinger sanft an seiner Wange entlang. Shina erschrak leicht bei der kitzelnden Berührung, wehrte sich jedoch nicht dagegen. "Ich sehe doch, dass du nicht meinst, was du sagst!", murmelte Kitaya lächelnd. "Aber wie...?" Shina war durcheinander. Ihm fehlte eindeutig Erfahrung mit anderen Menschen. Nur seine Tante hatte ihm immer ansehen können, wie er sich fühlte, nicht jedoch ein Fremder. Oder lag das bloß an der Seelenverwandtschaft? "Könntest du dich selbst sehen, wüsstest du, was ich meine!" Kitaya grinste frech und er zog ihn mit sich auf die Füße, als er aufstand. Der Brünette folgte ihm gezwungenermaßen. Er wäre lieber sitzengeblieben, denn seine Bauchschmerzen schienen bei dem Körperkontakt mit dem Blonden nicht verschwunden zu sein wie das Ziehen, sondern meldeten sich mit einem Stechen zurück. Shina schnappte nach Luft und lehnte sich Halt suchend an Kitaya, bis der Schmerz zu einem dumpfen Pochen abgeflaut war. "Was ist?", fragte sein Gegenüber mit besorgter Stimme. "Wieder dein Bauch?" "Ja...", antwortete Shina gepresst. "Aber ist schon gut..." Er richtete sich wieder ganz auf und griff rasch nach Kitayas Arm, um den Kontakt nicht zu verlieren. "Dann lass uns jetzt zum Direktor gehen." Shina war dem Blonden dankbar dafür, dass er das Thema so einfach fallen ließ, hörte er doch die Sorge aus seinen Worten. Es erschien ihm unverständlich. Warum sollte er sich um ihn kümmern? Er hatte keinen Grund und doch hatte er ihm versichert, er würde ihn beschützen, egal, wer er war. Das war unglaublich, schien aber wahr zu sein. Er hoffte, dass es wahr war. Konnte es denn sein? "Okay." Er schaffte es sogar, ein schwaches Lächeln zustande zu bringen, als er in die sorgenvollen braunen Augen sah. "Lass uns gehen..." Es war ein seltsames Gefühl, das Wort ,uns' zu gebrauchen. In Gedanken jemanden zu sich zu zählen, war befremdlich. Diesmal war es ,er und jemand anders' und nicht wie sonst immer ,er gegen jemand anders'. Doch es war ein schönes Gefühl. Seltsam, aber schön. Schüchtern sah er zu Kitaya hinauf. Er konnte nicht anders, er glaubte ihm, dass er ihm nicht weh tun würde. Aus irgendeinem ihm unbekanntem Grund glaubte er ihm. Vertrauen? Nein. Das war etwas, das er nur mit seiner Tante in Verbindung brachte. Mit ihr und nur mit ihr! Mit niemandem sonst... Kitaya führte ihn zur Tür und er folgte ihm ohne Zögern. Sein Blick ruhte auf dem blonden Schopf Haar, der beim Gehen leicht auf und ab wippte. Vertrauen... Was war denn Vertrauen eigentlich? Yano klopfte an die schwere hölzerne Tür des Direktorenzimmers. Es war still auf dem Flur. Die Schüler hatten sicher gerade Mittagspause und saßen im Café oder auf dem Schulhof, unter anderem auch Uriko und Kleo, die sich verabschiedet hatten. Uriko war einfach unmöglich. Wie konnte er in so einer Situation ans Essen denken? Heute war Samstag und alle freuten sich auf das baldige Ende des Unterrichts. Aber ihm war mulmig zumute. Was würde sein Onkel zu dem kleinen Hyuniri sagen? Würde er den Jungen akzeptieren? Dulden musste er ihn auf jeden Fall, soviel stand fest, denn es gab nur einen Seelenverwandten auf der ganzen Welt für ihn. Nur eine andere Hälfte. Aber würde er ihn auch akzeptieren? Hyuniri war nicht reich und hatte auch keinen guten Ruf an der Schule. Er hatte nichts Besonderes vollbracht, das seine Familie beeindrucken würde. Würden sie etwa bloß verächtlich auf ihn herabsehen, weil er ihnen nicht gut genug war? Nein, das würde er nicht zulassen! Das war einfach nicht richtig! Er würde Hyuniri beschützen! Koste es, was es wolle! Er umklammerte den dünnen Arm an seiner Seite fester bei dem Gedanken und öffnete mit finsterer Miene die Tür, als sie hinein gerufen wurden. Bei ihrem Eintreten entdeckte er den Direktor in seinem riesigen ledernen Bürostuhl sitzend, mit gerunzelter Stirn über einige Dokumente gebeugt. Erst jetzt sah er auf und sein ohnehin schon frustrierter Gesichtsausdruck verdunkelte sich noch um ein paar Stufen, als er seinen Neffen erblickte. "Yano?!" Die Stimme seines Onkels klang warnend. "Was hast du jetzt schon wieder angestellt?!" "Nichts, Onkel Izumi." Yano schob sich halb vor Shina, der sich ängstlich duckte, als hätten die harschen Worte des älteren Mannes ihm gegolten. Er knurrte warnend. Ihm gefiel das nicht. Sein Onkel durfte Hyuniri keine Angst machen. Das würde er nicht erlauben. "Wer ist das da?", fragte Direktor Katora, sich vorbeugend, Strenge noch immer in den Worten spürbar. Er stockte dann jedoch erschrocken und zuckte zurück. "W-was?!" Ihm entgleisten die Gesichtszüge. "Das ist Hyuniri Shina.", erklärte Yano grollend. Er stellte sich rasch ganz vor den Brünetten, um ihn vor dem suchenden Blick seines Onkels zu schützen. Hyuniri hatte Angst und Yano hasste es, diese Angst zu fühlen. Der Kleine wollte nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Er wollte sich verstecken, wollte davonrennen. Yano spürte diesen Wunsch, als wäre es sein eigener, doch er unterdrückte das düstere Gefühl, das seinen Geist zu überwältigen drohte. "Und warum kannst du ihn...?" Sein Onkel hob langsam eine leicht zittrige Hand und fuhr sich durch das wenige Haar, das sein Alter ihm noch gelassen hatte. "Du kennst die Antwort." Yano lächelte finster. "Er ist mein Seelenverwandter. Er gehört zu mir. Er ist der, den ich mein ganzes Leben lang gesucht habe." "Dann zeig ihn mir." Izumi Katoras Stimme hatte einen festeren Klang angenommen und er schien sich allmählich wieder zu fangen. "Ich will ihn sehen!" Yano rümpfte widerwillig die Nase. Hyuniri hatte Angst. Er wollte nicht dem Blick seines Onkels ausgesetzt sein und der Blonde wollte ihn am Liebsten in Sicherheit bringen. Einfach weglaufen. Ihn dorthin bringen, wo niemand sonst war. Auf einen hohen Baum vielleicht, der viele große Blätter hatte, zwischen denen sie sich verstecken konnten. Innerlich musste er sich dann jedoch zur Ordnung rufen. Er musste Hyuniris Gefühle abschütteln. Hier waren sie nicht in Gefahr. Das war bloß das Zimmer des Direktors und nicht der Vorhof zur Hölle. Er durfte sich nicht von den Empfindungen des Brünetten beeinflussen lassen. Mit einem Seufzer griff er nach hinten, legte seine Hand auf Hyuniris schmalen Rücken und schob ihn nach vorn. Der Schreck, der seinen Körper durchfuhr - Hyuniris Schreck - ließ ihn beinahe innehalten, doch er hielt sich unter Kontrolle. Er zog den zitternden Jungen vor sich und drückte ihn schützend an seine Brust, die Augen warnend auf den Auslöser der Furcht gerichtet. "Alles in Ordnung.", wisperte er leise an Hyuniris Ohr, ohne den Blick von dem älteren Mann abzuwenden. "Ich passe auf dich auf." Der Gefahreninstinkt wurde schwächer. Tatsächlich schienen die beruhigenden Worte ihre Wirkung zu erzielen und dem Brünetten zu helfen. Yanos Geist klärte sich mit dem Schwund des übermächtigen Gefühls. Konnte er jetzt endlich wieder klar denken? War es denn wirklich wahr, dass der Seelenverwandte besonders starke Empfindungen des anderen durch ihre Verbindung mitfühlen konnte? "Also hast du deinen Seelenverwandten endlich gefunden." Erleichterung und Unmut zeichneten sich auf dem Gesicht des Direktors ab. "Er ist nicht das, was ich mir erhofft habe... aber es ist wohl nicht zu ändern..." Yano verzog wütend die Mundwinkel. Wie konnte er es wagen...?! "Sprich nicht so von Hyuniri, als wäre er nicht da!", knurrte er aufgebracht. "Ich weiß, du bist unzufrieden, aber ich bin froh... froh, dass es jemand wie er ist. Jemand, der sich nicht wie du und deine ganze reiche Gesellschaft vor anderen verstellen muss. Jemand, der keine falschen Spiele spielt..." Er wandte sich dem Kleineren zu. "Jemand, dem ich vertrauen kann..." Hyuniris Gesicht strahlte vor Erstaunen und milder Ungläubigkeit. Yano spürte das Lächeln fast mehr, als er es sah, doch die sonst dunklen blauen Augen leuchteten vor Freude hell auf und alles, was an Angst noch zurückgeblieben war, verschwand spurlos. "Onkel Izumi, du solltest einfach froh sein, dass du dich nicht mehr darum kümmern musst, mich von anderen Menschen fernzuhalten.", murmelte Yano, unfähig, den Blick von dem Gesicht seines Seelenverwandten abzuwenden. "Denn bald ist alles vorbei. Wenn unsere Seelen erst richtig verbunden sind, bin ich frei von dem Fluch..." Grummelnd stand der Direktor auf und begann, in einer Schublade zu kramen. "In welcher Stufe ist dein kleiner Freund?", fragte er mit unverhohlenem Spott und ignorierte die Worte seines Neffen einfach. Yano ballte die Fäuste, die Arme noch immer um Hyuniri gelegt. Er hätte sich auf seinen Onkel gestürzt, hieße das nicht, den Körperkontakt zwischen ihnen zu brechen. Doch der ältere Mann schien auch so zu merken, dass der Brünette ein empfindliches Thema war, denn er schwieg daraufhin nervös. "Vierte Stufe, in meiner Parallelklasse...", presste Yano mit mühsam unterdrückter Wut hervor. "Ich habe zwei Kurse mit ihm, die restlichen musst du ändern." Kitaya und Direktor Katora arbeiteten an einem Ordner, immer wieder strich der ältere Mann etwas durch, um es mit einem hastig gekritzeltem Wort zu ersetzen. Shina hatte es aufgegeben, dem Gespräch zu folgen. Es ging ohnehin nur um Fächer und Kurse. Sein Bauch tat weh und das war eine unangenehme Ablenkung. Er wünschte, er könnte sich irgendwo hinsetzen und ausruhen. Der Blonde warf ihm immer wieder kurze Seitenblicke zu, die braunen Augen versichernd und warm. Das war das Einzige, das ihn auf den Beinen hielt. Er wollte Kitaya zeigen, dass er das hier durchhalten konnte. Er schaffte das! "So, das wär's.", murmelte der Direktor schließlich und ließ den Ordner mit einem leisen, aber endgültigen Knall zuschnappen. "Und ihr geht gleich zurück in den Unterricht. Jetzt ist noch Mittagspause, ich werde also den Lehrern Bescheid geben." Shina sah Kitaya daraufhin nur nicken, ehe er sich ihm zuwandte. "Lass uns gehen..." Sie erreichten die Cafeteria und traten gemeinsam durch die große Doppeltür. Lautes Geschnatter füllte den Raum, doch einige der lautstarken Gespräche verstummten bei ihrem Eintreten und die Geräuschkulisse nahm augenblicklich ab. Shina fühlte sich unwohl und versteckte sich so tief in der Kleidung des Blonden wie er konnte. Aber jeder Versuch, sich unsichtbar zu machen, schlug fehl. Die Blicke, die auf das Paar gerichtet waren, wurden nur noch eindringlicher. Er hasste es, wenn Leute ihn anstarrten, er hasste es wirklich. Plötzlich fühlte er einen schützenden Arm um seiner Schulter, der ihn vor den starrenden Augen abschirmte. Er schrak leicht vor der unnötigen Berührung zurück, spürte den bekannten Drang, den Arm wegzuschieben, doch zugleich wollte er sich noch mehr hinter ihm verbergen. Und wieso eigentlich nicht? Er blinzelte leicht zu Kitaya hoch, der seinen Blick durch den Raum schweifen ließ. War es der günstige Lichteinfall oder waren seine Augen tatsächlich leuchtend golden? Und warum sah er so wütend aus? Ratlos umklammerte Shina den warmen Körper fester und folgte dem Beispiel des Größeren, indem er seine eigenen Blicke auf Wanderschaft schickte. Tatsächlich. Alle starrten sie an. Es war beinahe ganz still in der großen Cafeteria, bis auf eine Gruppe schwatzender Schüler und ein paar Jungen, die scheinbar absichtlich ihre Stimmen zu heben begannen, damit man sie bis hierher hörte. "Sieh mal, Kitaya scheint jetzt Schutzengel zu spielen!", höhnte einer von ihnen. Er hatte braunes Haar, das zu allen Seiten wild abstand und trug seine blaue Schuluniform unordentlich, ebenso wie seine Kumpanen. "Ja, sieht ganz so aus." Die zweite Stimme erkannte Shina. Erschrocken schnappte er nach Luft. Das war der bullige Typ, der ihm zusammen mit Hiroshi Takashi aufgelauert war. Der, der die Tür und somit seinen Fluchtweg blockiert hatte. Mit angsterfüllten Augen schaute er zu Kitaya auf. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Er war nicht mehr bloß wütend. Das war keine Wut mehr. Das, was er da an die Oberfläche seiner Seele kommen sah, war blanker Hass. Grundloser, kalter Hass. Der innere Teufel, dem Shina bisher nur einmal begegnet war, schien wieder in seine Augen zurückgekehrt zu sein und machte sie zu dunklen, schwarzen Sümpfen. Er hatte Angst vor diesem Kitaya. Vor diesem Dämon in ihm. Er wollte sich losreißen und davonlaufen, sah sich doch zugleich nicht dazu in der Lage, wenigstens eines von beidem zu tun. Der Griff um seine Schulter schien von einem Stahlarm auszugehen und er hatte keine Chance, sich ihm zu entwinden. Und er wollte es nicht. Er konnte nicht, weil er an ihn gebunden war. Und er wollte nicht. Er wollte einfach nicht. Innerlich zerrissen sah er den Blonden an, in der Hoffnung, seine menschliche Seite zu entdecken. Sie musste doch da sein. Warum passierte das bloß? Was war mit Kitaya geschehen? Er wollte sie zerfetzen, niederreissen, büßen lassen für die Beleidigungen, die sie seinem Seelenpartner zugefügt hatten. Das waren Takashis Leute. Die gehörten zu dem Jungen, der den Kleinen geschlagen und verspottet hatte. Er verachtete sie, verabscheute sie mit jeder Faser seines Körpers, seiner Seele, seines ganzen Seins. Er wollte nichts lieber tun, als ihnen zurückzahlen, was der hilflose Brünette, sein hilfloser Freund, hatte durchmachen müssen. Sie sollten den dreifachen Preis für jede Wunde, jeden Kratzer und jede Schramme bezahlen, die Hyuniri erlitten hatte. Und sie *würden* diesen Preis zahlen. Dafür würde er schon sorgen. Er wollte sie leiden sehen. Sie sollten den Schmerz fühlen, der in den blauen Augen Hyuniris gestanden hatte, sollten seine Angst fühlen, die er in gerade diesem Augenblick durch seinen Körper rauschen spürte, als wäre es seine eigene. "Glaubt ihr, ich weiß nicht, zu wem ihr gehört und was euer lieber ,Boss' getan hat?" >Natürlich wisst ihr das. Sonst würdet ihr nicht so spotten. Ihr wisst es so gut wie ich...< "Glaubt ihr, ich sehe nicht, dass das alles ein faules Spiel ist?" >Und ihr wisst doch sicher, dass ich nicht für solche Spiele zu haben bin, oder?< "Wie sieht's aus? Hat Takashi euch dazu angestiftet?" Er grinste verächtlich, als er die unsicheren Gesichter seiner Mitschüler sah. >Na, jetzt seht ihr sicher, dass man sich mit mir nicht anlegt. Aber jetzt ist es wohl zu spät für euch. Ihr habt mehr als verdient, was mit euch passiert...< Einer der beiden, der bullige Junge, kam auf ihn zu, eine Maske der Selbstsicherheit aufgelegt und die Hände lässig in den Taschen seiner Uniform vergraben. Der schmächtigere mit der Wirbelfrisur folgte ihm mit etwas nervöseren Schritten, schien es jedoch seinem Kumpanen gleichtun zu wollen. "Ja, Takashi hat uns aufgetragen, dem Kleinen da eine Nachricht zu überbringen." Der Bullige zuckte mit den Schultern. "Und? Was dagegen? Und jetzt zisch ab, damit ich die Sache erledigen kann!" Eine der breiten Hände schnellte vor und griff nach Hyuniris Arm. Der Brünette schrie auf, die Stimme schrill vor Panik, als der Fremde ihn nicht bloß berührte, sondern gewaltsam an seinem Arm riss. Yano spürte eine Welle der Angst über sich hinweg rollen und etwas tief in seinem Innern zerbrach mit einem kalten Schnappen. Die letzte Rücksicht war geschwunden, jede Hemmschwelle überwunden. Er ließ dem Wahn in ihm, der sich mit dem Fluch in seiner Familie festgesetzt hatte, freien Raum und überließ bereitwillig alle Kontrolle dem finsteren Ungeheuer, das nun mit einem Grollen durch die Oberfläche der tiefen braunen Seen seiner Seele brach. Das finstere Grinsen, das seine Lippen umspielt hatte, wurde breiter, als er mit einem Krachen seine Faust auf das Kinn des muskulös gebauten Jungen treffen ließ. Die ganze Masse des schweren Bulligen landete mit einem dumpfen Laut auf dem Fliesenboden, als er zu Boden ging. Mit einem sadistischen Funkeln in den schwarzen Augen sah Yano auf den erschrockenen Schüler herab, mit einem Arm Hyuniri fest an seine Seite drückend. "Du bist das Letzte.", schnaubte er, den Blick an den Augen seines Gegenspielers festgesaugt, als wollte er ihm bis in die tiefsten Tiefen seines Wesens sehen. Er wollte nicht nur, er tat es auch. Sein breit gebauter Mitschüler war nicht mehr als ein bemitleidenswertes Nichts mit Gesicht und Körper. "Etwas Niedrigeres als dich habe ich schon seit langem nicht mehr erblicken müssen..." >Warte nur, bis ich dich in der Luft zerreisse. Hast du Angst? Nein? Die solltest du haben...< Denn er wollte Blut sehen. *Niemand* fasste seinen Seelenverwandten an. Nicht, wenn es in seiner Macht lag, das zu verhindern. Und die beiden gehörten zu dem, der ihm weh getan hatte. Hyuniri hatte gelitten. Und er litt immer noch! Allein wegen ihnen! "Kitaya, du bist verrückt!" Die entsetzten Jugendlichen wichen leicht zurück. Die Fassaden der Selbstsicherheit waren geschwunden und hatten den wahren Feiglingen Platz gemacht, die sie wirklich waren. Yano lachte leise. Es würde ein Spaß werden, die beiden Stück für Stück auseinanderzunehmen. "Verrückt?" Er trat auf den Bulligen zu und beugte sich zu ihm herunter, um ihm mit einem gespielt unschuldigem Lächeln, das so offensichtlich von Gift getränkt war, dass es selbst derjenige im hintersten Teil des Raumes sehen musste, nach dem knittrigen Kragen der Schuluniform zu greifen, die sein erstes Opfer trug. "Ich glaube eher, du bist verrückt. Du hast es gewagt, Hyuniri anzupacken und das wirst du bereuen. Ja, ich schwöre dir, dass du es zehntausendfach bereuen wirst, wenn ich erst einmal mit dir fertig bin! Das heißt, wenn du dann überhaupt noch kannst..." "Mann, Alter..." Das Gesicht des Jungen zeigte blankes Entsetzen. Yano grinste düster und hielt Hyuniri vorsichtig ausser Reichweite des Bulligen, als er noch näher an ihn herantrat. Konnte sein Gegenüber den Wahnsinn schon spüren, der in ihm hauste? Er wusste, würde er ihm noch näher kommen, würde der Wahn auf ihn übergehen und mit seiner tödlichen Präzision sein Hirn durchstoßen, dann dort einen irreparablen Schaden anrichten, der ihn auf ewig zu einem Zombie machen würde. Der Fluch machte keine Ausnahmen. >Kannst du den Wahnsinn spüren? Spürst du ihn? Spürst du ihn? Er kratzt schon an deiner Seele, er wartet schon darauf, dich zu einem sabbernden Irren zu machen, der nicht mehr weiß, wo oben und wo unten ist. Kannst du ihn spüren?< Kalt lächelnd trat Yano einen winzigen Schritt zurück. Nein, noch nicht. Das war alles viel zu harmlos. Das ging alles viel, viel zu schnell. Er wollte ihn erst richtig leiden sehen, bevor er ihn zu einem Sklaven seiner selbst machte. Er wollte die Macht ausnutzen, die er über ihn hatte. Er sah zwar die Furcht, doch das befriedigte die enorme Rachsucht in ihm nicht. Er wollte sein Gesicht in ein schmerzverzerrtes Wrack schrumpeln sehen, wollte ihm unter die Haut fahren und ihn innerlich zerfleischen, ihm die Folter bereiten, die sein nun von Furcht geplagtes Herz verdiente. "Du widerst mich an." Seine düstere Stimme klang laut in der Stille des großen Raumes, obwohl er fast flüsterte. "Willig befolgst du jeden schmutzigen Befehl, den Takashi dir gibt. Doch du solltest demnächst vielleicht mal vorher überlegen, welchen Preis dich seine Drecksarbeit kostet... och, warte..." Er kicherte sarkastisch und ließ den Kragen los, um seine Hand an die Wange des bulligen Jungen zu heben. "Es wird ja kein nächstes Mal geben..." Und somit krümmte er seine Finger wie die Krallen einer Raubkatze und zog eine blutige Spur vier paralleler Kratzer bis hinab zum Kinn. Er genoss das schmerzerfüllte Wimmern, das sich der Kehle des Handlangers Takashis entrang. "Du hast Hyuniri angefasst." Sein Grinsen war zu einem Zähnefletschen geworden. Mit der blutverschmierten Hand hielt er das Kinn des Bulligen fest, als der zurückweichen und davonrennen wollte. "Damit kommst du nicht durch. Und wenn du schon denkst, diese paar Schrammen seien schlimm, dann solltest du erst einmal genau hinschauen, was ich noch mit dir vorhabe..." Er hob den Blick und starrte den zweiten der beiden an, der die Szene fassungslos wie alle umstehenden beobachtete. "Ein gebrochener Arm als Anfang? Ober lieber ein Bein?" Shina wusste nicht, was er tun sollte. Kitaya schien wirklich völlig verrückt geworden zu sein. So hatte er ihn noch nie gesehen. Auch nicht, als er Takashi verprügelt hatte. Da schien er wenigstens noch Kontrolle über sich gehabt zu haben. Aber jetzt... diese fremde, eiskalte Kitaya ängstigte ihn. Doch er vermochte nicht zu fliehen. Er konnte sich nur fester an ihn drücken, in der Hoffnung, er käme zur Vernunft und würde dieses grausame Spiel beenden. Der Blonde würde ihm nicht weh tun, zumindest das wusste Shina mit Sicherheit. Aber trotzdem... Plötzlich passierte etwas. Ein Aufblitzen von rotem Haar. Das war Uriko. "Es reicht!!", schrie der Rotschopf und stellte sich breitbeinig zwischen Kitaya und dem bulligen Jungen auf, der wie erstarrt auf dem Boden hockte und das Blut achtlos von seinem Kinn auf den Boden tropfen ließ. Stille trat ein. Selbst das Auftreffen der kleinen roten Tropfen war zu vernehmen, die ungehindert weiter fielen. "Geh mir aus dem Weg..." Kitayas Stimme war bedrohlich ruhig und kein Zögern zeigte sich in ihr, als er sprach. "Nein, jetzt ist Schluss!" Uriko schüttelte wild den Kopf und breitete die Arme in einer Geste des Schutzes aus. "Kleo sagte mir die ganze Zeit, ich sollte warten, bis du von selbst wieder klar denkst, aber ich halte das nicht mehr aus! So extrem war es noch nie! Hör auf mit dem Unfug!!" "Unfug?! Welcher Unfug?!" Kitaya ballte eine seiner Fäuste, die in unterdrückter Wut zitterte, als müsste er sich mit aller Kraft zurückhalten, um sich nicht auf seinen langjährigen Freund und Verwandten zu werfen. "Hyuniri fürchtet sich vor ihm! Der Mistkerl hat ihn angefasst! Niemand, hörst du, *niemand* fasst ihn an! Er gehört zu mir!! *Er gehört zu mir* !!" "Yano, du machst mir Angst..." Verzweiflung spielte auf dem Gesicht des Rothaarigen. Er ließ die Arme sinken. Shina spürte, wie sein nervöser Blick seinen suchte und wandte rasch die Augen ab. Er sollte nicht so flehend schauen! Er konnte doch auch nichts tun! Was sollte er denn schon erreichen können? Er fühlte sich beschämt von Kitayas Worten. Es mochte ja sein, dass sie zusammengehörten, sie waren schließlich seelenverwandt... aber musste er denn gleich so tun, als würde er ihm ganz und gar gehören? Mit Haut und Haar? Mit Körper und Seele? War es denn wirklich so? "Uriko...", knurrte Kitaya nach einigen Sekunden, die sie geschwiegen hatten. Shina sah zu ihm auf, die Arme noch immer eng um ihn gelegt, und entdeckte denselben haßerfüllten Gesichtsausdruck, nur gemildert durch ein Stirnrunzeln, das eine Spur Unsicherheit verriet. "Ich möchte dich nicht verletzen..." Shina spürte mit einem Mal einen Ruck, als Yano nach vorne sprang, wurde jedoch sicher durch den Arm gehalten, der noch immer um seinen schmalen Körper lag. "...aber wenn es sein muss, tue ich auch das!!" Er hörte einen erstickten Schrei und sah den Rothaarigen zu Boden purzeln. "Uriko!", rief er erschrocken aus, worauf Kitaya innehielt und ihn verwirrt ansah. "Was sagtest du?", fragte der Blonde mit einem fast panischen Unterton und seine schwarzen Augen verengten sich in etwas, das aussah wie Schmerz. "Ich will nicht, dass du ihn schlägst!" Shina krallte seine Finger in die Kleidung seines Seelenverwandten, während er weiter über seine Worte stolperte. "Das ist doch Uriko..." "Hyuniri..." Der Rotschopf richtete sich halb wieder auf, die Augen in Überraschung weit aufgerissen. Kitayas Kopf fuhr zu ihm herum und er musterte ihn feindlich. "Er gehört zu mir!" Sein zweiter Arm fand seinen Weg in den Nacken des Brünetten und drückte ihn noch näher an ihn heran. Shina keuchte leise auf. Was sollte denn das jetzt wieder bedeuten? "Zu mir! Und nicht zu dir! Er ist *mein* Seelenverwandter! Meiner, nicht deiner! Wag es ja nicht, ihn anzurühren! Er gehört zu mir, zu mir!" Seine Worte steigerten sich in eine defensive Tonlage und Shina spürte sich von dem Rothaarigen weggezogen. Was hatte Kitaya denn jetzt? Würde er denn gar nicht mehr normal werden? Woher kam dieser Ausbruch an Wahnsinn?! "Du kannst ihn mir nicht wegnehmen!", sprach der Blonde weiter. "Du hast nämlich keinen Seelenverwandten. Nein, nein, Hyuniri gehört zu mir, du kannst nicht einfach..." Ein Knall ertönte. Ein Klatschen wie von einer Peitsche. Ihr Rückzug stoppte und verwirrt schaute Shina sich um. Kleo. Sein Auftritt war unerwartet gewesen. Der Dunkelhaarige stand plötzlich einfach da, die Hand noch immer erhoben, die soeben auf Kitayas Wange niedergesaust sein musste, was das Klatschen offensichtlich ausgelöst hatte. "Kommst du endlich mal zu dir?!", fragte Kleo in seiner üblichen ruhigen Art. "Das ist ja nicht zum Aushalten! Die Leute hier wollen essen und du verdirbst ihnen den Appetit!" Shina schluckte ängstlich. Kleo war wirklich ein seltsamer Mensch. Was dachte er sich denn bloß? Kitaya war wie vom Wahnsinn befallen! Wie konnte er da vom Essen reden?! Er verstand die Welt nicht mehr... verfolgte er ein gewisses Ziel oder dachte er wirklich in solch obskuren Wegen...? Yano starrte seinen dunkelhaarigen Kumpanen ungläubig an. Er... hatte ihn geschlagen... Der Blonde fasste sich an die brennende Wange und rückte ein Stück weiter von Kleo ab, seinen Seelenpartner immer dicht an seiner Seite. Dann sanken die Worte in seine mit einem Mal sehr schwerfälligen Gedanken... Andere Leute wollten essen... er verdarb ihnen den Appetit...? Er sah sich um. Seine Mitschüler wirkten entsetzt und verängstigt, viele liefen davon, kaum, dass sein Blick sie streifte. "Wir sind hier in der Cafeteria!", fuhr Kleo streng fort und unterstrich das Gesagte mit einem kleinen abwertenden Kopfschütteln. "Halt dich etwas unter Kontrolle, ja? Damit ich essen kann." Er wandte sich um und verschwand in Richtung seines Tisches. Die ungläubigen Blicke der Schüler folgten ihm. Yano knurrte leise, doch sah beschämt zu Boden. Er verdarb den Leuten den Appetit und hielt sie vom Essen ab. Und Kleo war böse auf ihn. Das war nicht gut. Mit gesenktem Kopf schlich er hinter dem Dunkelhaarigen her, sah aus dem Augenwinkel, wie die anderen Schüler ihm auswichen und flohen. Das war ihm egal. Hauptsache Hyuniri war bei ihm. Das war das Wichtigste. Mehr zählte nicht. Als er Uriko passierte, dessen Augen mit etwas wie Erleichterung auf ihm ruhten, machte er einen extra großen Bogen um ihn und schoss ihm einen warnenden Blick zu. "Meins.", murrte er, so dass nur der Rothaarige es hören konnte. "Okay!", kam die Antwort mit einem Grinsen. "Deins!" Fürs Erste war Yano damit zufrieden, doch sein Misstrauen war noch immer vorhanden. Sollte Uriko auch nur eine falsche Bewegung machen, würde er ihn mit bloßen Händen erwürgen. Und das meinte er durchaus ernst. Die ganze Welt musste Kopf stehen. Kitaya war zwar ruhiger geworden und schien nicht mehr darauf aus zu sein, alle anderen Menschen in seinem nächsten Umfeld umzubringen, aber der Wahnsinn lauerte immer noch in ihm. Kleo hatte ihn erfolgreich zurück auf den Boden der Tatsachen geholt und inzwischen verstand Shina, was er mit seinen Worten beabsichtigt hatte. Er hatte Kitaya behandelt wie ein trotziges Kind und der Blonde hatte darauf anders reagiert als auf die Angst und Verzweiflung, die ihm der bullige Typ und Uriko gezeigt hatten. Als seine Gedanken zu dem Bulligen kamen, wandte er sich automatisch im Gehen um und betrachtete den Jungen. Er wirkte gebrochen. Als hätte Kitaya ihn in Stücke gespalten. Zersplittert. Vergeblich versuchte sein Kumpan zu ihm vorzudringen, doch sein Blick blieb starr auf die schmutzigen Fliesen der Cafeteria geheftet und eine seiner Hände strich wiederholt über die verletzte Wange. Mitleidig betrachtete Shina die traurige Szene. Sein Mitschüler würde eine ganze Weile brauchen, um allein den Schock zu verarbeiten. Kitaya hatte aber auch wie ein Mörder gewirkt. Er war schon froh, nicht in seiner Position gewesen zu sein, auch, wenn es ihm irgendwie grausam erschien, erleichtert zu sein. Sie kamen an Kleos und Urikos Tisch an und der Dunkelhaarige wies ihnen zwei Plätze ihm gegenüber. "Setzt euch.", sagte er kühl und begann ohne Umschweife zu essen. "Ihr könnt euch von mir etwas nehmen. Ich habe mir schon gedacht, dass euer erster Auftritt Probleme bringen würde..." Ein strafender Blick traf Kitaya und er schien tatsächlich beschämt zur Seite zu blicken. "Yano, ich hatte wirklich gehofft, du würdest niemanden anfallen, aber es war wohl verschwendete Müh. Hier, putz dir die Hand ab." Kleo seufzte und hielt dem Blonden ein feuchtes Tuch hin, damit der das nun getrocknete Blut von seiner Hand wischen konnte. Als Kitaya getan hatte, was ihm aufgetragen worden war, reichte Kleo ihm und Shina jeweils ein Croissant, das mit Schokolade gefüllt zu sein schien. Diesen Augenblick nutzte Uriko, um zu ihnen zu stoßen und ließ sich vorsichtig auf seinen Platz neben dem Dunkelhaarigen gleiten. "Hallo...", murmelte er und wurde mit einem Grollen aus Kitayas Richtung begrüßt, das verdächtigt nach >Meins< klang und Shina wurde demonstrierend umarmt. Der Brünette ließ seine Stirn auf die Tischplatte sinken und atmete tief ein und aus. Hatte das denn kein Ende? Wurde Kitaya denn nicht endlich mal wieder normal? Als er Takashi verprügelt hatte, ging es doch auch ganz schnell. Wieso waren seine Augen immer noch so verdammt dunkel, dass es ihm fast weh tat? "Keine Sorge, Hyuniri." Kleo biss von einem Brötchen ab und kaute bedächtig, ehe er weitersprach. "Das ist Teil des Fluches und ist spätestens morgen wieder ganz weg. Es ist selten, aber manchmal, wenn etwas ihn sehr wütend macht, kommt diese Seite von ihm zum Vorschein. Wenn erst einmal das Ritual durchgeführt worden ist, passiert das nicht mehr. Aber jetzt bräuchte er Ruhe. Im Schlaf legt sich der Wahnsinn von allein, aber im Wachzustand braucht er seine Zeit. Schon die kleinste Reizung kann ihn zum Ausflippen bringen..." "Bist du bald mal fertig?!" Kitaya sprang halb auf und zischte den Dunkelhaarigen wütend an, der dies nur mit einer erhobenen Augenbraue registrierte, als hätte der Blonde eben etwas unpassendes gesagt. Knurrend fiel Kitaya in seinen Sitz zurück und kuschelte sich mit einem schmollenden Verziehen der Mundwinkel an Shinas Seite. "Also geht das wieder weg?", fragte der Brünette und legte das halb angeknabberte Croissant zur Seite. Er fühlte sich nicht danach, zu essen. Die Situation war einfach viel zu verwirrend. "Iß weiter...", schnurrte da Kitaya neben ihm und sah ihn mit funkelnden Augen an. Ein Lächeln zierte seine Lippen und hellte sein Gesicht auf. Doch das war noch immer nicht der Kitaya, den er kannte. Dieser Kitaya wirkte wie ein kleines Kind. Er erkannte den Unterschied und wünschte sich, der Wahn hinter den dunklen Augen würde bald schwinden. "Na, los." Der Blonde grinste liebevoll und schnappte sich das Croissant, das auf dem Tisch lag. "Mund auf." Shina zögerte kurz, tat dann jedoch, wie ihm geheißen und beobachtete, wie Kitaya einen Happen von dem Brötchen löste und in seinen Mund schob. Damit rechnend, dass der andere seine Hand direkt zurückziehen würde, schloss er ihn wieder und riss erschrocken die Augen auf, als er den Daumen und Zeigefinger bemerkte, die noch zwischen seinen Lippen steckten. Er schmeckte die Schokoladencreme auf ihnen, als er unbewusst mit der Zunge an ihnen entlang strich und zog schnell seinen Kopf zurück. Oh, je, wie peinlich... Kitaya betrachtete ihn nur fasziniert und legte den Kopf leicht schief, das leichte, unbekümmerte Lächeln noch immer auf dem Gesicht. Er war momentan ein Mensch, der keine Probleme hatte. Ein glücklicher Mensch. Doch es brauchte nur jemand etwas falsches zu sagen oder tun und die Wut beherrschte sein Denken und Handeln. Er wollte das verhindern, denn er war nicht dazu bereit, noch einmal einer Situation wie der von eben gegenüberzustehen. Er hatte genug für einen Tag. Er würde versuchen, ihn in diesem Zustand zu halten, vielleicht blieb ihm dann weiteres Unglück erspart. Er schien ja irgendwie in der Lage zu sein, ihn zu beeinflussen. Und wenn das hieß, etwaige peinliche Dinge tun zu müssen... Na, ja... wenn es nicht *zu* peinlich war... "Hyuniri..." Ein Zupfen am Ärmel ließ ihn aufschrecken. Uriko schaute ihn fragend an. "Sag mal, hat der Direktor das mit den Kursen denn jetzt schon... ahh!!" Sein Satz war abrupt unterbrochen worden, als Kitaya ihn rüde von seinem Stuhl und auf den Boden geschubst hatte. "Rühr' ihn nicht an!!", schrie er und die einzelnen Schüler, die sich noch trauten, im Café zu sitzen, sahen ängstlich herüber. "Meins! Meins!" Shina konnte sich einer leichten Röte im Gesicht nicht erwehren. Musste er denn so laut rufen, wenn er in diesen >Meins<-Modus geriet?! Das war ja schrecklich. "Hey, Yano..." Uriko hielt die Handflächen offen vor sich und stand langsam auf. "Schon in Ordnung. Ich möchte ihn dir nicht wegnehmen!" Shina fühlte sich plötzlich gepackt und besitzergreifend an Kitaya gedrückt. "Ganz genau!" Unter dem strengen Blick von Kleo wurde der Blonde wieder etwas ruhiger und schließlich schien Kitaya es zu wagen, seinen forschenden Blick, mit dem er den Rothaarigen zuvor festgenagelt hatte, Shina wieder zuzuwenden. Der atmete beruhigt auf. Kein großer Ausbruch. Er sah seinen Seelenverwandten direkt an und lächelte versichernd. "Wir gehören zusammen.", sagte er leise. Er mochte es zwar nicht bestätigen, aber er musste sichergehen, dass Kitaya sich nicht wieder auf Uriko stürzte, der leider Gottes wohl sehr gedankenlos war. Wie kam er auf die Idee, ihm am Ärmel zu zupfen oder gar anzusprechen, nachdem er mitbekommen hatte, wie empfindlich der Zustand seines Freundes war?! "Zusammen." Kitaya nickte mit einem schelmischen Grinsen. "Hyuniri, ich..." "Sag ruhig Shina zu mir." Der Brünette fühlte sich unsicher unter dem nun eindringlichen Blick des Schlägers. Was hatte er da gerade gesagt? Nur seine Tante sprach ihn mit seinem Vornamen an. Niemand sonst. Aber... "Dann nenn du mich Yano!" Sein Gedankengang wurde abgerissen, als er in eine fröhliche Umarmung gezogen wurde und er konnte nicht anders, als sich entspannen. Vielleicht würde dieser Tag noch ein gutes Ende nehmen. Ein gutes Ende... Wann hatte er das letzte Mal auf ein gutes Ende hoffen können? Für den Moment glücklich, schloss Shina die Augen und genoss die Sicherheit, die Kitaya... halt... *Yano* ausstrahlte. Ja, vielleicht nahm der Tag nach langer Zeit einmal wieder ein gutes Ende... To Be Continued... Ein gutes Ende? Ja, das war doch mal ein gutes Ende! Und kein Cliffy, oder? Ich hörte schon Leute munkeln, ich würde dauernd Cliffys bringen... Nun, gut, diesmal gibt es viel zu sagen und ich wette, es gibt eine Menge Fragen. Ich versuche, einfach noch einmal eine komplette Zusammenfassung der Situation zu machen: Yanos Familie steht unter einem Fluch. Alle männlichen Mitglieder der Familie sind von diesem Fluch belastet (unter welchen Umständen das alles passiert ist, werde ich noch nicht verraten) und Yano darf keinem anderen Menschen zu nahe kommen. Schlagen kann er sie sicher noch, aber viel näher zu kommen, wäre schlecht für denjenigen, der Yano gegenübersteht. Der wird vom Wahnsinn befallen, also schlichtweg verliert er den Verstand, verliert einen großen Teil seiner Erinnerung und er wird einfach... verrückt. Yano hat übrigens noch zwei ältere und einen jüngeren Bruder! Oh, oh... Und da kommt Shina ins Spiel. Shina wurde von dem Fluch beeinträchtigt seit Yano ihn das erste Mal berührt hat. Im Gegensatz zu Yano bekommt er die Folgen des Fluchs also auf seine eigene Weise zu spüren. Er muss Yano berühren, damit er selbst *nicht* den Verstand verliert, also... sozusagen umgekehrt. Der Fluch bindet ihn an Yano. Noch Fragen? Bei Shina ist das mit dem Fluch besonders schlimm, nicht nur wegen seiner Berührungsangst. Er ist so misstrauisch und so verängstigt. Er kennt sich wirklich nicht mit Freundschaft und überhaupt mit anderen Menschen aus. Er hat einfach keinen Kontakt zu ihnen. Und da wird er einem wildfremden Jungen, den alle für einen gemeinen Schläger halten, einfach mal eben in die Arme geworfen und ist von ihm abhängig. Das gibt natürlich Schwierigkeiten für ihn... Öh... ja... Soviel dazu. Mein Dank geht wie immer an die Leser und an die Kommi-Schreiber. Wer war diesmal so dabei? Ich danke: Marn, Jenny-chan und Tinemine! Danke, danke, danke!! Ich finde es toll, dass ihr meine Story lest! Also, Veröffentlichung immer freitags, der nächste Teil kommt bis dahin auch raus! Was sagte meine beste Freundin nicht noch, als sie an dieser Stelle der Geschichte war...? "Oh, je, was wird wohl erst abends, wenn sie ins Bett müssen?!" Sie hat recht... In dem Zustand, in dem Yano sich befindet... Au, weia... Ciao Tara Kapitel 5: Special ------------------ Hi!! Das hier ist keine Fortsetzung der Story, sondern ein Special! Was erwartet euch? 1 - Ausschnitte aus Kleos Tagebuch 2 - Ausschnitte aus Urikos Tagebuch 3 - Kleiner Text von Shina 4 - Kleiner Text von Yano Nächste Woche kommt auf jeden Fall der nächste Teil, also... -.- Hey, jetzt guckt nicht gleich so. In den Tagebucheinträgen geht es natürlich auch um Yano und Shina... eigentlich NUR um Yano und Shina... *räusper* aber egal... ahem... Na, dann... viel Spaß beim Lesen!! Ausschnitte aus Kleos Tagebuch: Erster Eintrag: Entstanden: Also, geschrieben hat Kleo den Eintrag kurz nach der Szene in der Cafeteria, in der Yano zu Shina an den Tisch gegangen ist, um ihm wegen dem Buch Bescheid zu sagen. Denkt euch also noch einmal ganz an den Anfang zurück. Nur diesmal... aus Kleos Sicht. Und er sieht Dinge, die Yano und Shina nicht einmal bemerkt haben ^^ ... Ich weiß nicht genau, wie es angefangen hat. Wir saßen beim Essen. Uriko, Yano und ich. Der Vielfraß hat sich mal wieder vollgestopft und Yano schien sich eigentlich so zu verhalten wie immer. Ich wüsste wirklich gerne, was zuvor geschehen ist, wie es begonnen hat. Wir haben uns ganz normal unterhalten. Nur plötzlich schien Yano abwesend zu sein und starrte gebannt an Uriko und mir vorbei. Als ich seinem Blick folgte, entdeckte ich Hyuniri, der allein in seiner Ecke hockte, an dem Tisch, an dem er immer saß. Ich glaube nicht, dass einer der anderen ihn vorher schon einmal bemerkt hat. Den kleinen Jungen, der jeden Tag dort sitzt, meist vertieft in ein Buch, ohne das Essen zu beachten, das hinterher unberührt zum Abfall wandert. Den kleinen Jungen, der manchmal so einsam und verlassen wirkt, dass es selbst mir fast weh tut. Dabei ist das ungewöhnlich für mich. Ich muss zugeben, ich sorge mich eigentlich nie sonderlich um Personen, die mir nicht nahe stehen. Jedenfalls schaute ich wieder zurück zu Yano, dessen Blick noch immer wie fixiert an dem Jungen hing, als hätte er ihn zum ersten Mal gesehen. Ich meine, richtig gesehen. Es besteht ein Unterschied dazwischen, ob man eine Person nur sieht oder sie auch richtig bemerkt. Ich war mir in dem Augenblick eigentlich sicher, dass er ihm zuvor zumindest schon einmal begegnet sein musste. Schließlich ist Hyuniri in unserem Jahrgang und nach vier Jahren kennt man doch alle Gesichter eigentlich. Wenigstens flüchtig. Nur, was ich in seinem Blick gesehen habe, hat mich stutzig gemacht. So unüblich, wie es für mich ist, Fremden Sorge entgegenzubringen, so unüblich ist es für ihn... Interesse zu zeigen. Ja, es war Interesse. Ehrliches Interesse. Seine Augen leuchteten heller als sonst. Ich konnte den tiefen Haselnusston sehen, der sich nur zeigt, wenn ihn etwas emotional bewegt. Zum Beispiel, wenn wir seinen Geburtstag feiern und Geschenke überreicht werden. Dann leuchten sie. Er liebt Geschenke. Doch eigentlich kann man das Braun seiner Augen kaum sehen. Dann sind sie fast schwarz. Jemand, der ihm das erste Mal begegnet, würde sagen, sie wären schwarz. Beängstigend. Abweisend. Sie schreien sozusagen: "Komm mir nicht zu nahe!" und verdammt, er hat seine Gründe, andere Menschen fernzuhalten! Die hat er. Umso weniger verstand ich diese Reaktion von ihm. Er starrte den kleinen Brünetten an, als wäre er ein lang vermisster Freund. Als könnte er nicht fassen, ihn endlich wiederzusehen. Ja, so in der Art würde ich seinen Gesichtsausdruck deuten. Es war befremdlich und mit einem kleinen Seitenblick zu Uriko, dessen geweitete Augen auf unserem Blonden lagen, erwartete ich glatt von ihm ein "Wo hast du unseren Yano versteckt?!". So würde er es ausdrücken, glaube ich. Aber er war wohl sprachlos. Tja, und dann? Ja, dann sprang Yano auf, rief uns etwas zu, an dessen Wortlaut ich mich nicht mehr direkt erinnern kann und rannte nach vorne. Dabei blieb sein Blick die ganze Zeit an Hyuniri haften, der halb auf dem Tisch lag und nichts tat. Sein Essen stand neben ihm, jedoch rührte er es nicht an. Es lag also doch nicht an den Büchern, dass er das Essen vergaß. Ich beobachtete Yano, als er sein eigenes Tablett fast achtlos mit Essen füllte und sich - ohne Besteck mitzunehmen - vom Büfettisch abwandte. Er muss sehr durch den Wind gewesen sein. Ich habe ihn noch nie so... ich weiß nicht... durcheinander? Unbedacht?... sorglos gesehen... Mit sorglos meine ich, dass er nicht mehr auf seine Umgebung geachtet hat. Er lief einfach los, sah nicht nach vorn, nicht zurück. Nur zu ihm. Und das durfte er nicht. Ist ihm überhaupt klargeworden, dass er jemanden versehentlich hätte anrempeln können? Ich vermute mal, das ist ihm bis heute nicht aufgegangen! Als Yano sich von dem Büfett abwandte, erwartete ich natürlich, dass er zu uns zurückkommen würde. Jedoch bemerkte ich meinen Irrtum, als ich seinen triumphalen Blick sah, der noch immer an Hyuniri klebte. Ob er es gemerkt hat? Den Triumph? Ob er gewusst hat, wie hell das Braun in seinen Augen geleuchtet hat? Mein erster Gedanke war: "Wieso Triumph?", gefolgt von der Erkenntnis, dass er nicht vorhatte, zu unserem Tisch zurückzukehren, sondern, dass er zu ihm gehen würde. Ich muss einem Schockzustand verfallen gewesen sein, denn selbst, als Uriko neben mir entsetzt aufkeuchte, sah ich ihn nicht an. Mein Blick folgte Yano, der schnurstracks, aber dennoch mit raubtierhafter Vorsicht, als versuchte er den Grund seiner Aufregung nicht aufzuscheuchen, auf den Tisch zulief, an dem Hyuniri saß. "Was... tut er?", fragte Uriko neben mir und seine Stimme klang rauh vom Schreck. Ich erinnere mich an diesen Teil der Unterhaltung noch besonders gut. Ich weiß nicht, er betraf eben etwas sehr Wichtiges und ich denke, ich kann sogar jedes einzelne Wort noch so wiedergeben, wie wir es gesprochen haben. "Weiß nicht...", war meine Antwort. Okay, mir ist klar, dass das für meine Verhältnisse sehr, sehr dumm gewesen ist, aber in der Situation konnte nicht einmal ich alles überschauen, wie ich es jetzt, nach einer Zeit des Nachdenkens, tun kann. Yano setzte sich zu Hyuniri, in einer schnellen, flüssigen Bewegung. Viel zu nah. Er war ihm viel zu nah. Sie berührten einander schon fast. Ich weiß immer noch nicht, ob er in dem Moment gewusst hat, was er tat. Ich glaube nicht, dass ihm das klar gewesen ist. "Ist er verrückt geworden?!" Urikos Stimme überschlug sich panisch. Sein Blick musste, ebenso wie meiner, an dem minimalen Abstand haften, der die beiden trennte. "Scheinbar...", murmelte ich leise. "Entweder das, oder das ist Absicht..." "Spinnst du?!" Ich spürte kurz den stechenden Blick des Rothaarigen auf mir, doch ich erwiderte ihn nicht. Ich sah vielmehr der kleinen Unterhaltung zu, die Yano und Hyuniri führten. Absicht, fragst du, Tagebuch? Wie kann das Absicht sein? Als ich die beiden beobachtete, erschien es mir schließlich selbst absurd, aber jetzt bin ich mir nicht mehr ganz sicher, ob ich so falsch gelegen habe. Yano verhielt sich seltsam. "Das kann keine Absicht sein!" Urikos Stimme klang ruhiger, wenn auch fest, als er kurz darauf noch einmal sprach. "Sieh mal, wie er den Kleinen ansieht!" Ich habe seine Augen gesehen, er hätte mich also nicht darauf ansprechen brauchen. Als er mit Hyuniri redete, flackerten sie unsicher. Unsicher! Yano Kitaya war nicht unsicher! Das war ebenso absurd wie der Gedanke, seine Handlungen könnten beabsichtigt sein. Tatsache war, er wirkte unsicher. Und Hyuniri? Hyuniri wirkte wie ein verschrecktes Reh, das sich so klein machte, wie möglich und misstrauisch seinem Feind entgegensah. Seinem Feind vielleicht nicht. Eher seinem Jäger, einem Raubtier. Doch Yano hätte ihm nichts tun können, selbst, wenn er gewollt hätte. Ich hätte das zu verhindern gewusst. Wenn es jemanden außer meinen Freunden und meiner Familie gab, den ich rückhaltlos beschützen würde, wäre das der kleine Hyuniri. Nenn es Beschützerinstinkt, nenn es wie du willst. Ich werde es ohnehin niemals vor jemandem offen zugeben. Sie würden mich alle nur blöd angucken. Besonders Uriko! Yano hätte noch so viel Diskretion im Leib, nichts dazu zu sagen, aber Uriko...?! Nein, ich habe keinen Grund, es ihnen zu sagen. Hyuniri tut mir bloß leid. Er tut sicher vielen Menschen leid. Und wenn ich jemals sehe, wie jemand versucht, ihn zu verprügeln, werde ich ihm helfen. Soviel habe ich schon durchschaut. Mensch, ich glaube, ich werde weich. Aber darüber weiter nachzudenken, bringt mich an dieser Stelle nicht weiter. Yano hätte ihm ohnehin nicht weh getan. Nicht mit diesem Ausdruck in den Augen. Außerdem kenne ich ihn gut genug. Er schlägt nur Leute, die ihm auf die Pelle rücken. Diesmal ist er jemandem auf die Pelle gerückt und er hat sich seinen Schlamassel selbst zu verschulden. Gott, es ist das erste Mal, dass er jemanden von allein auf die Pelle gerückt ist! Als er zu uns zurückgelaufen kam, schaute er uns an wie ein geschlagener Hund. Oder wie jemand, der einen Korb bekommen hat. Er floh geradezu von Hyuniris Tisch. Zu gern wüsste ich, was sie miteinander besprochen haben. Aber alles, was wir aus der folgenden Unterhaltung aus ihm herausbekommen haben, war, dass er Hyuniri getroffen habe und der Kleine sein Buch vergessen habe. Uriko versteckte sein Entsetzen über dieses sonderbare Verhalten gut. Wir versuchen, es zu vermeiden, Yano auf die Sache anzusprechen und selbst dir gegenüber, meinem Tagebuch, ist es zur Gewohnheit geworden, sie nicht auszusprechen... oder zu schreiben. Na, ja. Eigentlich müsste der Blondie ja wissen, was er falsch gemacht hat. Oder? Urikos anschließende Erheiterung wirkte irgendwie gespielt. Er wusste doch, dass die Bohnen, die ich hatte, nicht schmecken! Warum hat er sie dann gegessen? Das ist auffällig, natürlich weiß Uriko, was von dem Essen in der Cafeteria schmeckt. Aber ich glaube, Yano hat es nicht einmal bemerkt. Was wohl eher daran lag, dass er gedanklich nicht ganz beim Gespräch anwesend war. Hyuniri starrte ihn über die Tische hinweg noch immer an. Die blauen Augen waren beinahe zu Schlitzen verengt, als versuchte er, Yano mit den stechenden Blicken aufzuspießen. Misstrauen. Und Yano schien sich dessen nur allzu bewusst zu sein. Hyuniris Gesicht, seine ganze Haltung, strahlte blankes Misstrauen aus, hinter dem eine tiefe Verwunderung lag. Gut, dass ich so ein aufmerksamer Beobachter bin, ansonsten wäre mir diese Emotion hinter der offensichtlichen Angst entgangen. Doch was mir an diesen blauen Augen am stärksten auffiel, war, dass in diesem Augenblick in ihnen das gleiche geschah, das in Yanos zu sehen gewesen war. Sie leuchteten. Bei all der Angst und dem Misstrauen und der Verwunderung schienen sie doch heller zu sein, als vorher. Warum? Ende des ersten Tagebucheintrags. Ausschnitte aus Urikos Tagebuch: Erster Eintrag: Entstanden: Hier gilt dasselbe wie bei Kleo. Gleiche Szene mit Sichtwechsel. Also, leg mal los, Uriko!! Oh, Mann! Ich glaub', diesen Tag werd' ich so schnell nicht wieder vergessen! Heute waren wir in der Cafeteria zum Essen. Ist schließlich nicht ungewöhnlich! Was rede ich da überhaupt?! Wir gehen jeden Tag um diese Uhrzeit da essen! Ich würde an dieser Stelle ja gerne über die neue Sorte Salat erzählen, die sie im Angebot hatten, aber es geschah etwas Wichtigeres als das. Und das hat schon was zu heißen! Ich hatte mir gerade ein Tablett geholt und zu essen begonnen, als mir auffiel, dass Yano sich anders verhielt als sonst. Im einen Moment sprach er noch ganz normal mit uns und im nächsten starrte er mit glasigen Augen in die Gegend. Er hat nicht einmal seinen Satz beendet. Dass es mehr als das bloße Abschweifen der Gedanken war, wurde mir erst klar, als ich Erkennen in seinen Augen aufblitzen sah. Er hat jemanden hinter uns betrachtet. Kleo neben mir hatte sich umgedreht und ich folgte seinem Beispiel. Ich könnte schwören, dass er dabei überrascht gewirkt hat, ja, fast erschrocken. Das Umdrehen geschah schnell, als würde er sich besonders beeilen zu sehen, was Yano sah. In dem Augenblick fragte ich mich, was so schlimm daran war, dass Yano jemanden anschaute, als ich die Person musterte. Es war ein kleiner Junge mit brünettem Haar und solch tiefblauen Augen, dass man ihre Farbe selbst noch aus der Entfernung ausmachen konnte. Ich erkannte diesen Jungen. Das war Shina Hyuniri, der wohl einsamste Junge unserer Jahrgangsstufe... Ich verbessere mich. Der wohl einsamste Junge unserer ganzen Schule! Er tut mir so leid! Schon oft wäre ich am Liebsten hingelaufen und hätte ihn einfach umarmt, um ihm meine Anteilnahme zu zeigen. Er sollte doch wissen, dass es auch Menschen hier gibt, die ihn nicht hassen. Aber wenn ich ehrlich sein soll... ich fürchte mich davor, das zu tun. Seine Angst macht mir Angst! Ich schrecke vor seiner Furcht zurück, weil ich einfach nicht weiß, was ich damit anfangen soll, wie ich damit umgehen soll. Also bleibe ich ihm fern. Ich hasse ernste Themen! Deshalb schreibe ich lieber mal wieder von Yano! Der starrte nämlich den kleinen Hyuniri eine ganze Weile an und als ich meinen Blick wieder von dem Brünetten abwandte, erkannte ich endlich den Grund, warum Kleo so erschrocken gewesen ist... Seine Augen! Es waren seine Augen! Yano sah den Kleinen an, als wäre er... sein Bruder? Nein, eher nicht. Yano hasst seine Brüder! Was war es dann, das seine Augenfarbe in dieses warme Braun driften ließ, das man sonst so gut wie nie sieht? Ich weiß es jetzt immer noch nicht, um die Wahrheit zu sagen! Und hätten mir nicht die Worte gefehlt, hätte ich ihn gefragt, wo er unseren alten Yano gelassen hat! Es erschien mir... zu intim, um bloß Freundschaft zu sein. Dieses Glitzern in den braunen Augen, die sonst immer beinahe schwarz sind, war... eine Mischung aus Überraschung und schnell Überhand nehmender warmer Empfindung, die einfach so... un-Yanohaft war, dass ich sie selbst nun, nachdem ich darüber nachgegrübelt habe, nicht beschreiben kann. Gerade habe ich das, was ich geschrieben habe, noch einmal gelesen. Ich erkenne mich darin gar nicht mehr wieder! Seltsam, das passt so gar nicht zu mir... Aber wenn es um Gefühle geht, ist man bei mir auf dem richtigen Gebiet! Das klingt arrogant? Darüber lache ich nur! Ähm, es liegt, glaub' ich, bloß daran, dass ich Yano schon kenne, seit wir drei Jahre alt waren. Da werde ich ja wohl wissen, was in ihm vorgeht! Zumindest sollte ich das wissen! Und dass ich dies nicht tue, obwohl er seine Gefühle in dem Moment so offen auf seinem Gesicht zur Schau getragen hat, beunruhigt mich! Yano neigt eher dazu, seine wahren Gefühle zu verbergen, Wut mal ausgenommen. Ich vermute mal, er hat nicht gemerkt, wie er Hyuniri angestarrt hat. Ansonsten hätte er seine Miene unter Kontrolle gehabt. Das ist ihm noch nie passiert, in all der Zeit, die wir zusammen waren. Schließlich trägt er sein blödes Problem mit sich herum, das ihn seit jeher zur Vorsicht gezwungen hat. Da würde er sich niemals so vergessen! Oh, ich weiß, ich rede wieder viel! Wenn ich nicht gerade esse, gehe ich meiner Lieblingsbeschäftigung nach: Analysiere das Gefühlsleben der Menschen in deiner nächsten Umgebung! Das mag lächerlich für mich klingen, aber ich habe nun mal ein weiches Herz! Hm, das sollte ein bisschen ironisch klingen, aber im gewissen Sinne... ich bin durcheinander... Ach, ich mach' einfach woanders weiter! Es passierte etwas Unerwartetes! Ich glaube einfach nicht, dass er das gemacht hat! Er ist aufgestanden, nein, aufgesprungen, rief uns etwas zu, das klang wie "Ich komme gleich wieder" und verschwand zum Büfett. Gut, hätte ich das getan, wäre das nichts Besonderes gewesen, aber Yano wirkte so befremdlich aufgeregt. Wie ein Teenager kurz vor seinem ersten Date. Ich wusste sofort, dass er nicht zu uns zurückkommen würde! Es war so eindeutig! Er hatte vor, Hyuniri einen kleinen Besuch abzustatten! Trotzdem ich wusste, was er tun würde, war ich entsetzt, als er sein so offensichtliches Vorhaben tatsächlich in die Tat umsetzte. Es war ein Schock! Er, der niemanden an sich heran ließ, der alle erfolgreich abschreckte, die auch nur versuchten, freundlich zu sein, der nie auch nur einen kleinen Schritt auf einen fremden Menschen zu getan hatte... kam freiwillig einem Mitschüler näher. Denn genau das war es, was er getan hat. Er ist ihm nahe gekommen! Viel zu nahe! Kaum, dass er sich ein äußerst hastiges und meiner Meinung nach schlecht zusammengestelltes Mahl bereitet hat, ist er nämlich an den Tisch herangeschlichen, an dem Hyuniri hockte. "Was.. tut er?" Das war eine sehr berechtigte Frage! "Weiß nicht..." Und dies hier war die dümmste Antwort, die Kleo mir je gegeben hat und das merkte er wohl selbst, denn er wurde daraufhin leicht rot im Gesicht. Nicht, dass er die Röte jemals zugeben würde. Solche Dinge verleugnet er... ein wirklich seltsamer Kerl, aber irgendwie mag ich ihn doch! Er lässt sich so leicht ärgern und ja, ich weiß, dass du das Grinsen auf meinem Gesicht sehen kannst, olles Tagebuch! Warum gebe ich mich überhaupt mit sowas wie dir ab? Irre, mehr konnte ich dieser Situation gedanklich nicht mehr beisteuern. Die Worte sprudelten erst wieder, als Yano sich neben den Kleinen setzte. Und zwar so nah, dass sich ihre Hüften und Oberarme fast berührten. "Ist er verrückt geworden?!" Den Schrecken, der mir in die Glieder gefahren ist, kann ich jetzt immer noch so lebendig nachfühlen wie in diesem Augenblick. Ich glaube, meine Stimme hat ziemlich schrill geklungen und hoffe, dass niemand außer Kleo es gehört hat. "Scheinbar...", antwortete der mir auf meine Panikattacke. Das waren seine Worte! Ich habe meinen Blick von Yano und Hyuniri kurz abgewandt, um ihn fassungslos anzustarren. Tja, daran kann ich mich noch genau erinnern, denn Kleos Augen waren leicht geweitet, auch, wenn er versuchte, seine eigene Fassung zu bewahren. "Entweder das, oder das ist Absicht..." "Spinnst du?!" Der finstere Blick, den ich Kleo gegeben habe, müsste deutlich für ihn spürbar gewesen sein. Das war ja auch eine unverschämte Unterstellung! Ich sah wieder zu Yano und Hyuniri herüber. "Das kann keine Absicht sein!" Dieser Gedanke ist so absurd! Ich weiß wirklich nicht, wie Kleo auf so einen Unsinn kommen konnte! Es war nicht Yanos Art, anderen aus eigener Intention weh zu tun! Sein Blick mochte zwar anders sein als sonst, aber es war doch eindeutig keine böse Absicht hinter seinem Verhalten zu sehen! Und darauf wollte ich Kleo mit meinen nächsten Worten hinweisen. Ich hoffe nur, er hat es begriffen! "Sieh mal, wie er den Kleinen ansieht!" Er antwortete mir nicht und so beobachteten wir unsere beiden Mitschüler schweigend. Ha, Yano war verlegen! Er war wirklich verlegen!! Wie oft habe ich versucht, mir sein Gesicht so vorzustellen?! Aber die Wirklichkeit übertrifft alles, was mein Kopf so hergibt! Kleo würde jetzt trocken bemerkten, das sei eh nicht sehr viel, aber ich gebe nichts auf seine Lästereien. Ich muss sagen, ich finde sie eher witzig und er bekommt jede blöde Bemerkung doppelt zurück... meistens... manchmal? Yano und Hyuniri sprachen miteinander. Der Kleine hat sich ganz schön erschreckt, als unser blondes Sorgenkind sich zu ihm gesetzt hat. Das mit anzusehen erscheint mir irgendwie falsch, aber es ist schwer, den Blick abzuwenden, wenn man vor Entsetzen wie gelähmt ist. Uriko und Entsetzen, das passt nicht zusammen? Ach, ich kann schon entsetzt sein, wenn Yano sich und jemanden anders fast ins Unglück stürzt! Ich bin schließlich nicht so gefühllos wie Kleo, der sich das alles nur seelenruhig ansieht! Hm, ich glaub', das war jetzt gemein. Kleo hat das hier eindeutig berührt. Er hätte nie so eine dumme Antwort wie "Weiß nicht..." gegeben, ließe ihn das alles kalt! Nein, er ist betroffen, so wie ich, nur auf seine eigene, verworrene Art. Ich konnte den Drang kaum unterdrücken, aufzuspringen und die beiden auseinander zu schubsen, aber Kleos Ruhe bewirkt bei mir entweder, dass ich ausflippe, weil sie mich wahnsinnig macht, oder, dass ich selbst ruhig werde, weil sie einfach so niederdrückend ist. Er kann damit wirklich mein Temperament zügeln. Ich würde diesen Einfluss gerne verleugnen, aber dieser Tag hat mir zur Genüge bewiesen, dass es stimmt. Yano sprach nicht sehr lange mit Hyuniri. Ich glaube fast, er wusste vor diesem kleinen Treffen noch gar nicht, wie misstrauisch und verängstigt der Brünette gegenüber anderen Menschen ist. Gegenüber ALLEN anderen Menschen wohlgemerkt. Nee, seinem blassen Gesicht nach zu urteilen, kannte er den Brünetten Winzling noch nicht. Warum dann das Erkennen in seinen Augen? Ja, das ist eine gute Frage, die mir beantwortet wurde, als er zurückkam. Ich versuchte natürlich, mein Erschrecken ob dieser seltsamen Geschehnisse zu verbergen. Ich hoffe, er hat nichts gemerkt. Man sieht ihm das nie an. Als er sich neben uns setzte, war sein Blick unstet und er wirkte leicht verspannt. Ich glaube, das lag daran, dass ihm das pure Misstrauen in den Rücken starrte. In Form von Shina Hyuniri. Wäre ich nicht innerlich noch wie erstarrt gewesen, hätte ich offen über Yano gelacht, aber ich musste mich dazu zwingen, so fröhlich zu erscheinen wie ich noch vor dem ungewöhnlichen Ereignis gewesen bin. Er erklärte uns, er wäre Hyuniri auf dem Flur begegnet, wo der Kleine sein Buch verloren habe. Daraufhin beschloss ich, Desinteresse vorzutäuschen. Ich wusste genau, würde ich noch ein weiteres Wort davon hören, würde ich Yano anschreien, er sollte dem Brünetten gefälligst fernbleiben. Das konnte doch alles nicht gutgehen! War das etwa der Anfang einer großen Tragödie? Ähm, dieses Stück ist spontan entstanden und spielt noch VOR Yanos erstem Auftritt. Also... es geht darum, wie Shina gedacht hat, bevor er seinen Seelenverwandten gefunden hat. Mein Leben ist schon eine seltsame Sache. Tagaus, tagein passieren dieselben Dinge, mit denen ich mich am Vortag auseinandergesetzt habe, nur mit kleinen, fast unmerklichen Variationen, die mir wohl etwas Individualität vorspielen sollen. Ich wache auf, wohne dem Unterricht bei, mache am Nachmittag Hausaufgaben und gehe schließlich zu Bett. Die Bücher, die ich lese, sind auch alle auf ihre eigene verzwickte Art gleich. Und sie sind mein einziges Hobby. Wenn ich also mein Leben beschreiben sollte, wüsste ich wirklich nichts dazu zu sagen. Es ist ein einfarbiger Wirbel, in dem sich alles langsam im Kreise dreht. Einfarbig... Er besteht doch bloß aus Dingen, die jeder andere auch erlebt. Meine Vergangenheit ist eine andere Sache. Sie ist das einzige, das mir irgendwie eine Persönlichkeit zu geben vermag. Meine Eltern sind gestorben, als ich fünf Jahre alt war. Ich soll dabei gewesen sein, aber ich kann mich nicht mehr an den Tag erinnern. Manchmal ist mir, als hätte ich davon geträumt. Dann ist die Erinnerung ganz nah. Aber kaum, dass ich richtig wach bin, vergesse ich alles und der Wirbel dreht sich so einfarbig weiter wie zuvor. Das ist mein Leben. Angst ist es, die meinen Tag bestimmt. Ich bin wie abgestoßen von allen Menschen, obwohl sie das erleben, was ich auch erlebe. Sie stehen morgens auf, gehen in den Unterricht, machen Hausaufgaben und gehen schließlich abends zu Bett. So wie ich. Und doch sind sie wie zornige Götter, wie Raubtiere, die mit ihrer Beute spielen, oder wie Meister, die auf ihre Sklaven nieder schauen, versichernd, dass sie auch ja brav zu ihren Füßen kauern. Warum sind alle anderen stärker als ich?! Warum bin ich derjenige, der zu ihren Füßen sitzt?! Sind sie nicht eigentlich genau wie ich? Aber irgendwie scheint mir ein Teil zu fehlen. Etwas, das die anderen besitzen und ich nicht. In mir klafft ein großes Loch. Da, wo mein Mut und meine ganze Kraft sein sollte, ist einfach ein Nichts. Nichts. Nichts. Nichts. Leere. Sie macht mich wahnsinnig. Ich wünschte, ich hätte die Kraft, den einfarbigen Wirbel zu verändern. Mein Leben sollte nicht in so einem grauen Nebel liegen. Ich möchte nicht für immer und ewig nach einem Ausgang suchen müssen. Ich wünschte, es würde regnen und die kalten Tropfen würden mich aus meiner Starre reißen und den Nebel lichten. Aber ich tappe weiter in dem grauen Dunst. Weiter und weiter. Unendlich weit. Ich möchte raus. Ich möchte weg. Wo bleibt der Regen? Wieso kann ich mich nicht befreien? Wieso? Warum? Warum nur? Warum muss ich immer Angst haben? Warum kann ich nicht einfach mutig sein, so wie viele andere? Warum kann ich mich nicht einfach stur gegen sie stellen, egal, ob ich schwach bin? Warum bin ich so schrecklich feige? Warum? Warum...? Warum nur...? Wo ist die Kraft, die in die klaffende Lücke gehört? Tja, noch ein Stück. Diesmal von Yano. Und diesmal, NACHDEM die beiden sich gefunden haben. Yanos verzwickte Gedanken... Endlich. Nach all der Zeit, nach all den Jahren. Endlich fühle ich mich vollständig. Jetzt bin ich ein Ganzes. Die Lücke in mir wurde gefüllt. Gefüllt mit Wärme. Es ist die Wärme einer anderen Seele. Es ist die Wärme der fehlenden Hälfte, die ihren Weg zu mir gefunden hat. So wie ich den Weg zu ihr gefunden habe. Wir sind Eins. Wir gehören zusammen. Nichts darf uns je wieder trennen. Nur eine halbe Seele zu sein, das ist der wahre Fluch, der auf meiner Familie lastet. Nicht die Suche ist es, zu der wir gezwungen werden. Es ist das Gefühl, das etwas fehlt. Es hat fast weh getan, wenn ich mich darauf konzentriert habe. Oder wenn ich alleine war. Dann wollte ich am Liebsten nach draußen laufen und suchen und suchen, die ganze Welt absuchen, bis ich endlich den fehlenden Teil von mir selbst in den Armen hielte. Würde mein Seelenverwandter sich nicht vor der ganzen Welt verstecken, hätte ich ihn früher gefunden. Aber wenn die Angst ihn überwältigt, blockt er alles ab. Auch mich. Selbst den anderen Teil seiner Seele. Dabei muss es ihn fast zerrissen haben, als der Kontakt zwischen uns gebrochen wurde, nachdem er erst einmal zustanden gekommen war. Es muss ihm unheimliche Schmerzen bereitet haben. Auch er ist Teil des Fluches, der meine Familie belastet. Schließlich gehören wir zusammen. Wir gehören zusammen, zusammen für immer. Er gehört zu mir, ich zu ihm, wir ergänzen einander. Wie zwei Teile eines Puzzles, die perfekt ineinandergreifen, so dass nicht ein Spalt zwischen ihnen bleibt. Unser Band ist so eng, dass keine Macht der Welt es zerstören kann. Er ist ich, doch zugleich ist er nicht ich, denn er ist meine andere Hälfte. Eine Seele, die in zwei Teile gespalten ist. Auf der einen Seite sind wir ein und dieselbe Person, auf der anderen sind wir doch wieder verschiedene Menschen mit verschiedenen Lebenserfahrungen. Trotzdem... Er gehört zu mir... ich kann den Satz gar nicht oft genug wiederholen. Bei jedem Mal durchströmt mich ein Energiefluß von solchem Ausmaße, dass ich denke, ich könnte fliegen... und genau das tue ich. Ich fliege über tausend Länder, über den Wolken, gen Horizont, in das Licht der Sonne. Und manchmal, wenn ich ihn betrachte, glaube ich, ich werde verrückt vor übermütiger Freude und Verzweiflung. Dann habe ich Angst, ich ersticke ihn in meiner Umarmung. Ich möchte ihn noch näher wissen. Er ist da, direkt neben mir. Aber das ist nicht genug. Unsere Seelen sind noch immer getrennt voneinander. Erst das Ritual meiner Familie kann sie miteinander verknüpfen. Und solange dies nicht geschehen ist, sterbe ich beinahe vor Sehnsucht bei seinem Anblick. Ich würde ihn gerne in mich hineinziehen, ihn an und in mich binden, ihn aufsaugen wie die Wüste jeden Tropfen Wasser, der sie erreicht. Doch körperliche Grenzen hindern mich daran und ich kann ihn nur fest an mich drücken. Das sind die Momente, in denen er mich tröstet und nicht ich ihn. Dann bin ich schwach und er muss mich vor mir selbst retten. Vor meiner Sehnsucht, vor dem Drang nach Erfüllung... Ich kann nur hoffen, wir können bald zurück zu meiner Familie. Nie habe ich mir so sehr gewünscht, nach Hause zu gehen. Ich habe etwas Angst vor den Reaktionen meiner Eltern und Verwandten. Doch sie können nichts machen. Er gehört zu mir und ich zu ihm. Wir sind Eins! Happy End ... Äh... Oder nicht? Nein?... Na, gut... ich schreibe ja schon, ich schreibe ja schon... Der nächste Part wird eine Fortsetzung sein, versprochen. Das hier wollte ich nur mal zwischendurch loswerden. Also, am nächstem Freitag ist er da! Er liegt hier schon fertig auf meiner Festplatte und sollte mein Computer nicht eben mal so den Geist aufgeben, sollte eigentlich alles klar sein zum Update. Wem habe ich denn diesmal so zu danken? Da wären: access_jep, Jenny-chan, Moonlight_cat, Marn, Mistery und Tinemine Danke für eure Kommentare! *springt freudestrahlend durch die Gegend* Ähm... *kommt zurück* Ja, was soll ich denn diesmal so erzählen? Für die, die Anime auf RTL2 gucken... kennt jemand den Werbespot mit Yano, dem Geschichtenerzähler? Dieses komische Vieh macht mich krank! ,Yano' ist mein Name und ich habe ihn zuerst erfunden!! *groll* Allerdings habe ich, als ich den Spot das erste Mal gesehen habe, einen Lachkrampf bekommen, als die von Yano gesprochen haben. ^^ Es ist einfach lächerlich... Mehr fällt mir heute nicht ein, außer... Rayos Reise wird auf jeden Fall fortgesetzt. Der nächste Part ist schon fertig. Ich wäre schneller damit gewesen, würde diese Story hier mich im Moment nicht so fesseln. ^^ Aber ich habe ihn ja jetzt endlich fertig. Leider war ich auch noch in einer Sackgasse. Und das in einer so... hm... romantischen Szene... Ja, die wird es geben *hüstel* Gut, ich hoffe, das hat alle Anfragen beantwortet. Ich habe nicht vor, Rayo aufzugeben!! Nie!! Nun, dann bis zum nächsten Teil!! Bye Tara Kapitel 6: Wanna Stay By Your Side ---------------------------------- Hi!! Ich bin zurück!! Endlich die lang ersehnte Fortsetzung! Sorry, dass das mit dem Updatetermin nicht geklappt hat, aber ich durfte nicht ins Internet. Jetzt erlaubt mein Pa es mir wieder, ich darf bloß keine E-Mails mehr abrufen. -.- Na, jedenfalls... ch glaube, aus meiner Schreibblockade habe ich mich bald herausgearbeitet! Die Termine für die Updates findet ihr wie gesagt immer in meinem Steckbrief, also, wenn ihr wissen wollt, wann es weiter geht, schaut einfach nach! Und die Termine sind ernst gemeint! Ich werde mich daran halten. Wenn ich Probleme bekomme, muss ich sie allerdings ändern. ^^ Ja... das war's für das Vorwort erst einmal! Was ist im letzten Kapitel passiert? Yano hat der Wahnsinn befallen und er kann erst durch Schlaf ,kuriert' werden. Für Shina ist demnach ziemlich viel Action und Aufregung geplant! Wie es nach dem Ereignis in der Cafeteria also weitergeht, erfahrt ihr in diesem Kapitel! Soulmates - Seelenverwandte Kapitel 5: Wanna Stay By Your Side Yano starrte seine Mitschüler eindringlich an. Die Atmosphäre in der Klasse wirkte aufgeheizt und selbst der Unterricht wurde mit einer fast hastigen Nervosität gehalten. Niemand wagte es, den Fehler an der Tafel zu berichtigen und die Lehrerin des Mathematikkurses lächelte nur dünn, als sie die Blätter ihres letzten Tests austeilte, der überraschend positiv ausgefallen war. Shina, er liebte es übrigens, diesen Namen auszusprechen, saß eng an seiner Seite, beinahe schon auf seinem Schoß. Yano hatte ihn eigentlich auf seinem Schoß sitzen lassen wollen, doch der Brünette war seltsamerweise dagegen gewesen. Mit einem Schmollmund hatte er seine Entscheidung akzeptiert, doch würde einer ihm auch nur zu nahe kommen, würde er auf der Stelle die Initiative ergreifen. Die Lehrerin trat mit einem großen Abstand an seinen Tisch und streckte den Arm aus, um ihm ein beschriebenes Blatt Papier zu reichen. "Dein Test war besser als der letzte." Ihr Lächeln war fadenscheinig und er konnte ihre Angst beinahe riechen. Was hatte sie nur? "Und hier ist deiner, Hyuniri. Ausgezeichnete Leistung!" Sie drückte dem Kleinen rasch das Blatt in die Hand und verschwand nach vorn. "Fünfundneunzig Prozent!", staunte Yano beeindruckt. "Das ist ja... Wow!" "Na, ja..." Shina sah schüchtern auf seinen Test herab. "Doch, doch!" Der Blonde lehnte sich halb auf ihn und ignorierte die Lehrerin, die mit dem Unterricht fortfuhr. "Ich habe nur dreiundsiebzig Prozent!" Die Frau an der Tafel, die erst jetzt den Fehler entdeckte, der vorher gemacht worden war, sagte nichts zu der Ruhestörung und auch kein anderer schenkte dem Beachtung. "Psst!", machte Shina neben ihm mit einem Blick durch die Klasse. "Warum?", lachte Yano und machte es sich bequem, indem er seinen Kopf auf die Schulter des Kleineren legte. "Sagt doch keiner was!" "Hyuniri, Kitaya?" Fast panisch wandte die Lehrerin sich ihnen zu und die Kreide zerbrach in ihrer schwitzigen Hand. "Würdet ihr bitte auf den Flur gehen, damit wir Unterricht machen können?" Sie schwieg kurz, setzte dann jedoch hinzu: "Ihr könnt euch den restlichen Tag frei nehmen, ich werde alles regeln!!" "Dürfen wir?" Mit einem breiten, sehr erfreuten Grinsen schnappte Yano sich den Arm seines Seelenpartners und hüpfte erfreut durch das Klassenzimmer und hinaus. "Natürlich...", hörte er noch die schwache Antwort der Frau, dann schloss sich die Tür hinter ihnen. Shina wirkte blamiert und Yano verstand gar nicht, was er hatte. War doch alles in Ordnung? Oder hatte ihm jemand etwas angetan?! "Alles gut?", fragte er leise, mit einem unbeabsichtigt gefährlichen Unterton, den er nicht beherrschen konnte. "Ja, schon gut." Shina seufzte und ließ den Kopf hängen. "Wer war es?!" Er hatte es doch gewusst! Jemand hatte seinen Seelenverwandten verletzt oder Schlimmeres! Er musterte den Jungen von oben bis unter, konnte jedoch keine Wunden entdecken. Was war los?! Wer hatte das getan?! "Wie?" Shina blinzelte verwundert. "Mir geht es gut!" "Aber... was ist denn dann...?" In absoluter Ratlosigkeit konnte Yano sich nur durchs Haar fahren und seinen Schützling flehentlich anschauen. "Was ist los?" "Dein Benehmen." Shina schüttelte den Kopf und einige brünette Strähnen fielen ihm ins Gesicht. "Das ist los. Ist es dir denn völlig egal, was die anderen denken?" "Ähm... ja." Yano zuckte die Schultern. "Du bist das Einzige, das mich interessiert!" Shina wurde rot und senkte verlegen die Augenlider, so dass die feinen Wimpern sacht über seine Wangen strichen. "Ist das so?", fragte er fast unhörbar. Yano nickte lebhaft. Für was sollte er sich denn sonst interessieren? Shina war doch das Wichtigste in seinem Leben! "Mir ist es nicht egal, was die anderen denken.", sprach der Kleine weiter und sah vorsichtig auf. "Und es würde mir viel bedeuten, wenn du das berücksichtigen könntest..." Yanos Gesichtsausdruck war ernst geworden. Shina wusste, in diesem Zustand würde der Blonde ihm nichts verwehren. So seltsam das war, er schien ihn als eine Art Anker zu sehen, an dem er sich festhielt, durch den er standhielt. Er machte ihn zu etwas, das er nicht war und es machte ihn betroffen, wie ernst er jedes Wort nahm, das er sprach. Dabei fühlte sich Shina so schwach. Wie konnte er für jemanden ein sichernder Anker sein, wenn doch jeder Windhauch seine Verteidigung durchbrach und ihn davonwehte? Wie konnte sich jemand an ihm festhalten, wenn er doch bei jeder kleinsten Berührung zerbrach? Ja, es machte ihn betroffen, fast unglücklich. Er konnte diese unmögliche Last nicht tragen. "Warum schaust du so traurig?", hörte er Kitayas... *Yanos* ängstliche Stimme und schrak aus seinen verworrenen Gedanken. "Ich werde versuchen, mich so zu verhalten, wie du es magst! Ich möchte, dass du dich freust!" Das Funkeln in Yanos Augen erinnerte Shina an den Blick eines Kindes, das seine weinende Mutter zu trösten versucht, dabei Sätze wie >Alles wird gut< und >Wein doch nicht< spricht und selbst in Tränen ausbricht, weil es den Anblick nicht erträgt. "Lächle doch!", bat Yano und Shina konnte nicht anders, als ein kleines Lächeln auf seine Lippen zu zaubern, wie der Blonde es sich wünschte. "Ich war nur in Gedanken!", versicherte er hastig und war erleichtert, als er die Sorge gemildert sah. Er fragte sich dennoch, woher seine Worte überhaupt kamen. War das nicht noch immer der Schläger Kitaya, der allerlei Leute verprügelt hatte und dessen schwarze Augen seine Opfer in den Wahnsinn trieben? War das nicht Yano Kitaya?! Wieso sagte er solche Sachen zu ihm? Warum fühlte er sich momentan so mutig? War es vielleicht so, weil Yano ihm die Oberhand überließ? Weil er sich auch um ihn kümmern musste und nicht bloß umgekehrt? Weil sein Seelenverwandter abhängig von gutem Zuspruch und lieben Gesten war? Oder vielleicht gerade weil er sein Seelenverwandter war? Er wusste es nicht und er war nur froh, dass er es schaffte, so mutig zu sein. Er wollte Yano helfen, aus dieser Phase des Wahns herauszukommen und fasste es als seine persönliche Aufgabe auf, ihn davon abzuhalten, in Rage zu geraten. "Was sollen wir jetzt machen?", fragte er etwas verlegen und sah schüchtern in die dunklen Augen, dessen Blick unverwandt auf ihn gerichtet war. Als wäre er sein Haltepunkt. Das brachte ihn völlig durcheinander. "Wir machen, was du willst." Yano lächelte lieb und schaute ihn erwartungsvoll an. "Ich würde gerne..." Shina stockte und schüttelte den Kopf. "Nein, such du einfach etwas aus. Das wäre mir lieber..." Er fürchtete sich davor, noch mehr über sich preiszugeben. Es war, als würde er Yano seine Seele offenbaren und dazu fühlte er sich nicht bereit. Der Drang, sich vor allem zu verstecken, lag zu tief in seinem Denken, als dass er ihn eben mal so abschütteln konnte. Er war nicht die Art von Person, die ohne weiteres über ihren Schatten sprang. Er hatte schon einen sehr großen Schritt getan, mehr, als jemals zuvor in seinem Leben. Doch das war alles Schuld der Seelenverwandtschaft. Er vermochte sich nicht vor Yano zu verschließen, so sehr er es auch wollte. "Aber ich möchte nichts anderes, als dich betrachten, während du glücklich bist." Shina fühlte sich in eine warme Umarmung gezogen, wobei der Blonde noch immer den Augenkontakt hielt. Eine seiner Hände strich leicht durch die braunen Strähnen, die bei all der Hektik in sein Gesicht gefallen waren. Die Finger hielten an seiner Wange inne und berührten dort sanft die zarte Haut, als wäre sie aus etwas unglaublich Zerbrechlichem. Kein Druck war spürbar, nur diese federleichte Berührung. Unter anderen Umständen wäre Shina jetzt davongelaufen oder schreiend zurückgewichen. Aber dieser Kontakt von Haut an Haut erschien ihm anders. Es war nicht einmal so, als würde ein anderer Mensch ihn anfassen. Die Berührung fühlte sich wie fließendes Wasser an, nur rauher und beständiger. Es war einfach nur... Yano. Das war die einzige Beschreibung, die zutraf. Yano. "Shina, bist du jetzt glücklich?" "Ja..." Er wagte es nicht, sich zu rühren, aus Angst, dabei den Kontakt mit den Fingern an seiner Wange zu verlieren. Er konnte nur voller Erstaunen und Verwunderung die dunkelbraunen Augen betrachten. Er wünschte sich, sie würden wieder so golden werden wie zuvor, damit Yano nicht mehr so fremd und unberechenbar wirkte, wie in seiner Verfassung. Würde der Wahnsinn wirklich mit dem Schlaf von ihm weichen? Und was war dann mit ihm? Wie würde es zwischen ihnen weitergehen? Funktionierte so eine Seelenverwandtschaft überhaupt, wenn die beiden Menschen so verschieden voneinander waren wie Tag und Nacht? "Bleibst du bei mir?", fragte Yano mit unsicherer Stimme. "Du siehst aus, als würdest du gleich weglaufen..." "Ich bleibe bei dir." Shina sah ihn fest an, doch sein Blick bekam sogleich etwas unstetes und er wandte ihn lieber wieder zu Boden. "Es ist nur... Können wir denn zusammen sein? Wir sind so unterschiedliche Personen..." Er hatte also seine Zweifel geäußert. Ob es gut war, das gerade an diesem Tag anzusprechen, wusste er nicht und wartete bange auf die Erwiderung. "Wir müssen unterschiedlich sein." Er hörte das Lächeln aus den Worten heraus. "Wir sind zwei Teile einer Seele, natürlich sind wir verschieden! In einem anderen Leben hätten wir eine einzige Person sein können, aber der Fluch hat uns zweigeteilt und voneinander getrennt. Es ist unser Schicksal, uns zu finden." "Unser Schicksal...", murmelte Shina nachdenklich. "Ja, du gehörst zu mir und ich zu dir!" Die Umarmung wurde etwas fester und Shina fühlte sich gegen Yanos Schulter gedrückt. Er ließ sich diesmal, dieses eine Mal, einfach fallen. Das erste Mal, dass er völlig entspannt unter jemandes Berührung war. "Du gehörst zu mir... du darfst nicht weglaufen. Ich will, dass du hier bleibst. Ich will, dass du bei mir bleiben möchtest. Ich will..." Seine zum Ende hin erstickt klingenden Worte brachen ab. "Verstehst du, wie viel mir das bedeutet?", hörte Shina ihn kurz darauf flüstern. "Wie viel du mir bedeutest?" Ungläubig starrte er die Wand vor sich an. Sie war alt und brüchig. In einem schmutzigen Grau. So wie die ganze Schule. Und so wie sein Misstrauen Yano gegenüber. Brüchig... Es schrie ihm zu, dass diese Person Kitaya, ein Schläger, war und dass er in dem Wahn, der ihn festhielt, nicht mehr klar denken konnte oder dass das alles Absicht war, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Aber diese Stimme war leise geworden. In diesem Moment war sie fast so leise, dass er sie nicht mehr hören konnte. Vielleicht wollte er sie ja gar nicht mehr hören. Wer wusste das schon so genau? "Warum sagst du denn nichts?" Yanos Worte klangen traurig. Verzweifelt. Verletzt. Es zerriss Shina das Herz, ihn so zu hören. Er wusste nicht, warum, aber war das in diesem Moment wichtig, wo es einem Menschen so schlecht ging und nur er, ja, er, der nie in seinem ganzen Leben jemandem eine Hilfe hatte sein können, der sich seit jeher so nutzlos gefühlt hatte, diesen Schmerz lindern konnte? Nur er... das schien seinem Dasein irgendwie einen Sinn zu geben. Es gab eine Person, die ihn brauchte, wenn auch nur, um zu überleben. "Sag was, Shina..." Wieder die traurige Stimme seines Seelenverwandten. Er schluckte, kämpfte mit sich, doch die Schranke in seinem Kopf hielt ihn zurück. Achtung, riefen die Schilder vor der Absperrung ihm entgegen, warnten ihn, nicht weiter zu gehen. Er schluckte erneut, doch seine Zunge schien zu schwer, um mit ihr Worte zu formen. Er drückte sich näher an den warmen Körper des Blonden heran, das flaue Gefühl in seinem Magen ignorierend, das sich bei der Bewegung bildete. Er musste etwas sagen, das Yano half! Er musste diese unerträgliche Traurigkeit lindern! Er musste doch etwas sagen können! "Ich will bei dir bleiben." Er hatte es geschafft. Er hatte sich die schweren Worte abgerungen. Nur zu sagen, dass er bei ihm blieb, war etwas völlig anderes, als ihm zu sagen, dass er das auch wollte. Denn das bedeutete, dass er einen Teil von sich aufgab, einen Teil seines Lebens abschloss und hinter sich ließ. "Ich möchte bei dir bleiben, Yano..." Der Größere rückte ein Stück von ihm ab und musterte ihn fassungslos. "Du möchtest?", fragte er und legte leicht den Kopf schief. "Wirklich?" "Ja!" Shina nickte bestätigend und lächelte unsicher. Hatte er das Richtige getan? Würde er es vielleicht bereuen, das gesagt zu haben? Was war, wenn Yano wieder normal war? Wenn er wieder zu Kitaya werden würde und der Schläger wieder zum Vorschein kam, der jetzt von kindlich einfachen Emotionen beherrscht war? War es wirklich die richtige Entscheidung gewesen? "Ja...", wiederholte er und senkte den Blick, um seine Zweifel zu verbergen. Das leichte Lachen des Blonden ließ ihn wieder aufsehen und überrascht nahm er das breite Grinsen auf dem lebhaften Gesicht wahr. Dann fühlte er sich gepackt und schnappte erschrocken nach Luft, als er den Boden unter den Füßen verlor. "Ich bin der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt!", rief Yano lachend und wirbelte ihn herum, dass ihm schwindelig wurde. Nach ein paar Runden dieses Freudentaumels ließ er ihn herunter und grinste ihn schelmisch an. Dann ertönten abrupt Schritte, die sich ihnen näherten und zerstörten den freudigen Ausdruck auf Yanos Gesicht. Wachsamkeit kehrte in seine Züge zurück. Shina fühlte sich eilig aus der Sichtweite der Tür gezogen und konnte nur noch den Rücken seines Seelenverwandten betrachten, als der sich schützend vor ihn stellte. "Was ist los?", fragte er verwirrt. "Da kommt jemand!", erwiderte Yano düster zur Antwort. Das wusste Shina auch, aber warum war er denn so erschrocken? War das etwa schon wieder dieser Effekt des Wahns? Wenn ja, dann hoffte er, die Person, die dort kam, wusste damit umzugehen... Yano verengte seine dunklen Augen zu Schlitzen und fixierte den Gang, in den die Person gleich hinaustreten würde. Er hatte sich automatisch in eine Verteidigungsstellung gebracht und wartete nun auf das unvermeidliche Aufeinandertreffen. Niemand würde seinem Seelenverwandten zu nahe kommen, dafür würde er schon sorgen. Niemand! "Bleib zurück.", murmelte er, ohne den Kopf umzuwenden. Dann kamen die Personen in Sicht. Zwei ausgelassene Schüler liefen lachend auf sie zu und hatten ihn wohl noch nicht erblickt. Grimmig beobachtete Yano sie. "Ha, Taomo!", lachte der eine mit einem schelmischen Grinsen. "Du hast die Wette verloren!" "Na, und?" Der Zweite erwiderte das Grinsen mit einem Schulterzucken. Erst jetzt schienen die beiden Jungen ihren Mitschüler zu bemerken und blieben verwirrt stehen, als ein böser Blick sie traf. "Was'n das für einer?", fragte der Erste und sah seinen Freund blinzelnd an. "Ist das nicht Kitaya?" Der Zweite wandte sich ebenfalls seinem Freund zu, gespieltes Entsetzen in den Zügen. "Der Schläger?", murmelte der Erste und zog scheinbar erschrocken die Augenbrauen hoch. "Der heute so ein Theater in der Cafeteria veranstaltet hat?", fragte der Zweite und legte erschüttert eine Hand vor den Mund. Dann brachen die beiden Jugendlichen in schallendes Gelächter aus und drehten sich beinahe synchron zu dem wutschnaubenden Blonden um. "Guck mal!" Der Erste hob einen deutenden Zeigefinger. "Und ist das nicht der kleine Hyuniri?" "Ooch!" Der Zweite trat näher an Yano heran, um an ihm vorbeizuschielen. "Darf ich ihn mal sehen? Oh, bitte! Ja?" "Weg!!", brüllte Yano zornig und schubste den Jungen von sich. "Weg von ihm!!" Das war einfach zu viel! Es war zu viel! Er hatte sich zurückhalten wollen, Shina zuliebe, doch er hielt das einfach nicht aus! Er würde diese beiden Wanzen zerquetschen! Sie verspotteten Shina! Sie wollten ihm weh tun! Sie wollten ihm den Kleinen wegnehmen! Und das würde er nicht zulassen! Shina gehörte ihm und ihm allein! Kein so schwacher und gemeiner Mensch konnte daran was ändern! Nie! Nie!! "Ups, er scheint wütend zu sein." Der Zweite der beiden rappelte sich wieder auf und sah seinen Freund fragend an, der nur die Achseln zuckte. "Vielleicht isser'n Irrer?", vermutete der Erste ratlos, grinste dann jedoch spottend. "Was er wohl macht, wenn ich seinen wohl gehüteten Schatz stehle?" "Ist das nicht ein bisschen fies?" Die beiden sahen sich nachdenklich an, schüttelten dann jedoch zugleich die Köpfe und wandten sich Yano zu. "Nee!", sagten sie gleichzeitig und lachten kindlich. "Aber was ist, wenn er dir weh tut?", fragte der Erste darauf leicht zweifelnd und musterte ihren Kontrahenten, der jetzt vor unterdrückter Wut zitterte. "Mir?! Nie!" Der Zweite lächelte seinem Freund versichernd zu und zückte schließlich ein Taschenmesser. "Hiermit nicht!" Und in diesem Augenblick brach der Zorn in Yano endgültig hervor, doch anstatt ihm freien Lauf zu lassen, blieb er stehen und fast so etwas wie Ruhe kehrte in ihn ein. Die beiden Jungen wagten es, ihn und Shina mit einem Messer zu bedrohen? Sie wagten es, Shina zu bedrohen?! Shina?! Nein, soweit würde es nicht kommen, das wusste er. Er lächelte finster und schob Shina noch weiter hinter sich. Die beiden Ratten würden das nicht überleben. Nicht mit dem, das sie angerichtet hatten. "Was ist denn da los?", hörte er den Brünetten flüstern, der das Gespräch nur hatte mithören können. "Schon gut, bleib du einfach nur ganz nah bei mir.", antwortete Yano mit bedrohlich tiefer Stimme. Dann wandte er seine volle Aufmerksamkeit den Jungen zu, die vor ihm standen. Der Erste wog das Messer leicht in seiner Hand, ein Gefühl von Überlegenheit deutlich im Gesicht tragend. "Gib den Winzling raus, aber flott!", drohte er mit einem kleinen Lächeln. "Warum machen wir das überhaupt?", fragte der Zweite und blickte nachdenklich in die Runde. "Aus Spaß?", erwiderte der Erste und beide kicherten wie kleine Kinder, die im Garten einen Wurm gefunden hatten, den sie in ihrer Ahnungslosigkeit quälten. "Ach, dann macht es euch also Spaß, meinen Shina zu bedrohen?" Yano trat vor und griff langsam nach der Hand, die das Messer hielt. Der Junge vor ihm starrte etwas erschrocken auf das scharfe Instrument, das seinen Fingern wie von Zauberei entnommen wurde, ohne, dass er rechtzeitig zu reagieren vermochte. "Ey, was...?!", keuchte der Schüler und wich zurück, so dass er neben seinem Freund zum Stehen kam. "Ihr..." Yano musterte die beiden Jungen mit einem tödlichen Funkeln in den Augen. "...ihr wollt mir Shina wegnehmen?" "Äh..." Der Erste der beiden, der sein Messer an Yano verloren hatte, hob abwehrend die Hände und lächelte zittrig. "Wir wollten nur... äh..." "Kein Problem!" Der Zweite unterbrach seinen Kumpanen mit einer kleinen Handbewegung und zog nun selbst ein Taschenmesser hervor. "Er weiß sicher nicht einmal, wie man mit dem Ding umgeht!" "Aber..." Mit einem Stirnrunzeln verstummte der Erste und trat leicht zurück, um Platz zu machen. "Pass auf dich auf!" "Klar doch!" "Seid ihr endlich fertig?", fragte Yano grimmig und ging langsam auf den bewaffneten Jungen zu, der regungslos seine Bewegungen beobachtete. Shina war dicht hinter ihm und wirkte verängstigt, beinahe der Panik nahe. Yano knurrte wütend und stürzte vor, mit dem Messer weit ausholend. Er wusste zwar tatsächlich nicht, wie man es am Besten gebrauchte, aber die Hauptsache war doch, dass die scharfe Seite ihr Ziel traf. Und genau das hatte er vor. Er wollte den beiden ihre Gehässigkeit vom Gesicht schneiden. Sie wollten Shina, aber sie würden ihn nicht bekommen! Niemals! "Achtung!", rief der Junge aus dem Hintergrund und sein Freund blockte hastig den Schlag ab. Zumindest versuchte er es. Die Kraft, die hinter dem Angriff lag, hatte er nicht erwartet und das Messer wurde ihm aus der Hand gefegt und schlitterte über den Boden, bis es eine entfernte Wand traf und dort liegen blieb. Der nun entwaffnete Junge war fassungslos. "Gleich beim ersten Schlag...", murmelte er und schaute seine leere Hand an. "Das gibt's nicht!" "Los, weg hier!", rief der Erste der beiden von hinten und verschwand im Gang. Der andere folgte ihm und entging nur knapp dem Griff von Yano, als der sich auf ihn stürzte. "Na, wartet!!", schrie er aufgebracht und setzte zu einem Spurt an. "Ihr Feiglinge, euch kriege ich!!" Doch die Verfolgung sollte kläglich misslingen und er kam keine zwei Schritte weit, denn Shina hatte sich an ihn geklammert und hielt ihn zurück. Er stemmte sich gegen die Arme, die um seinen Bauch lagen, zappelnd und sich windend, aber er konnte sich ihrer nicht mit ganzer Kraft erwehren, da ihm immer die beißende Angst im Nacken lag, er könnte seinen Schützling dabei verletzen. Und als er Shinas Stimme hörte, hielt er vollends inne. "Lass sie gehen!", bat er flüsternd. "Was?!" Yano wirbelte herum. "Sie wollten dir weh tun! Sie wollten dich mir wegnehmen! Wie kannst du da so... so nett zu ihnen sein? Sie haben es verdient, dass ich sie..." "Yano, bitte leg das Messer weg..." Shina zitterte vor Angst und erschrocken nahm Yano wahr, wie fest er die Waffe umklammert hielt. Klappernd fiel sie zu Boden und er wich beinahe entsetzt vor ihr zurück, sich in die Arme seines Seelenpartners schmiegend. "Bist du jetzt böse?", fragte er weinerlich. "Du wolltest doch nicht, dass ich..." "Schon gut..." Er spürte, wie Shinas warme Arme sich ebenfalls um ihn legten und seufzte beruhigt. "Nicht böse?", fragte er leise. "Nein, ich bin dir nicht böse." Yano schloss dankbar die Augen und legte seinen Kopf auf die Schulter des Kleineren. Langsam wich die Spannung von ihm. Dann war also alles gut? Das war schön. Sehr schön... Hatte Yano sich tatsächlich beruhigt? Shina hoffte es wirklich, denn wenn der Blonde sich dazu entschloss, den beiden flüchtigen Jungen zu folgen, würde er ihn nicht mehr aufhalten können. Er hatte das Gefühl, dem Drängen des anderen nicht lange standhalten zu können. Leise aufseufzend wartete er also ab, dass Yano irgend etwas tat, denn er hatte bisher eigentlich immer die Initiative ergriffen und warum sollte er es jetzt nicht tun? Ihm war es lieber, wenn er sich einfach führen lassen konnte. Es geschah nichts und die Zeit verrann, ohne, dass einer von ihnen sich rührte. Warum tat Yano denn nichts? Warum machte er nicht einfach irgend etwas, so wie immer? "Yano...?", fragte er vorsichtig. Aber die einzige Antwort war ein Laut der Zufriedenheit und der Blonde schmiegte sich noch etwas mehr an ihn. Was sollte das? Was war das schon wieder für eine Phase? Shina versuchte, den Kopf umzuwenden, sah sich jedoch nicht in der Lage dazu, sich von dem Griff, der fest um seine Taille lag, zu lösen. Gerade, als er wieder etwas sagen wollte, erklangen erneut Schritte im Gang, die stetig lauter wurden. Und das war nicht der Schritt von zwei lauten, aufsässigen Schülern, soviel war sicher. Es war ein schwerer, schleppender Schritt, der von einem Rattern und Rasseln begleitet wurde. Shinas Magen krampfte sich in Furcht zusammen und er rüstete sich dafür, dass Yano sich ein weiteres Mal auf den Kommenden stürzen würde. Wieder geschah nichts. Yano atmete nur einmal tief ein und aus, bewegte sich ansonsten jedoch keinen Zentimeter von der Stelle. Die Schritte wurden immer lauter und lauter und schließlich erschien etwas am Ende des Ganges. Ein eckiger Kasten schob sich langsam aber stetig in den Flur, leise rappelnd und klappernd und blieb dann ruckartig stehen. Shina starrte an Yano vorbei das seltsame Gerät mit großen, von Furcht erfüllten Augen an. Was war das? Und warum machte Yano nichts? Wieso beschützte er ihn nicht? An dieser Stelle unterbrach Shina den Gedankenfluß. Warum erwartete er, dass Yano ihn beschützte? Durfte er das denn erwarten? Vertraute er ihm schon so sehr, dass er sich von ihm beschützen lassen wollte? Es wirklich wollte...? Eine beruhigende Hand strich plötzlich über seinen Rücken und er erschrak leicht bei der Berührung. Spürte Yano seine Angst etwa? Er versuchte, Yano ins Gesicht zu sehen, kam jedoch wie zuvor nicht von ihm los. Yano hielt an ihm fest, als hinge sein Leben davon ab. Das Klappern ertönte von Neuem und Shinas Blick schweifte sofort zurück zum Kasten. Der schwere Schritt erklang ebenfalls und Shina erzitterte schwach. Doch schon bald stellte sich heraus, was das alles zu bedeuten hatte. Die Situation erschien Shina beinahe lächerlich. Warum hatte er das nicht eher erkannt? Eine sehr beleibte Putzfrau war in Sicht gekommen und der Kasten, den sie vor sich herschob, beinhaltete ihr Putzzeug und -wasser. Sie kam wortlos näher, eine gleichgültige Miene auf ihrem dicken Gesicht tragend und blieb erst stehen, als sie auf ihrer Höhe war. Yano rührte sich noch immer nicht, gab nur ein leises Gurren von sich und vergrub sein Gesicht in dem brünetten Haarschopf. Er ignorierte offensichtlich die Frau, die ebenso wenige Zeichen von Interesse zeigte. Shina errötete heftig, als ihr Blick auf ihn fiel und sie ihn fragend musterte. Hoffentlich sagt sie nichts! Hoffentlich sagt sie nichts!! "Ist hier noch Unterricht?" Einer ihrer dicken Wurstfinger hob sich und sie deutete zur Klassentür, durch die sie noch vor Kurzem gekommen waren. Eilig nickte Shina. Die Frau murrte auf seine Bejahung hin nur mürrisch und wandte sich wieder nach vorn. Rasselnd und scheppernd verschwand sie mir dem Kasten im Gang und es wurde schließlich still. Sie waren wieder allein. Und Yano tat noch immer nichts. Eine Weile starrte Shina nur beschämt den nun leeren Gang entlang, bis er die hintere Wand erreichte. Wie peinlich war das denn gewesen?! Was die Frau wohl gedacht hatte? So wie sie hier standen... das wirkte ja fast so, als wären er und Yano... ein Paar. Das war definitiv eines der peinlichsten Erlebnisse seines Lebens. Warum musste Yano auch gerade jetzt so etwas seltsames machen?! Er musste wissen, was das zu bedeuten hatte. "Was ist los, Yano?", wagte er es nach ein paar Sekunden des Schweigens zu fragen. "...so warm...", hörte er den Blonden vor sich hin murmeln. "Was sagst du?" Shina war verwirrter denn je. Was war das nur wieder für eine Phase, in die Yano da geraten war? "Du bist so schön warm.", wiederholte sein Seelenverwandter tief durchatmend. "Und deine Haare riechen gut. Nach Sonne und Frühling...." "Was?" Die Röte, die erst gerade zurückgegangen war, schoss mit aller Macht zurück in seine Wangen und ließ dort ein Gefühl der extremen Hitze zurück. War das etwa eine Kuschelphase? Das konnte einfach nicht wahr sein... oder etwa doch? "Shina, darf ich..." Der Brünette hörte das leichte Zögern und hob den Kopf etwas an, um besser zuhören zu können. "...darf ich..." Gespannt lauschte Shina, doch eine lose Haarsträhne des Blonden kitzelte seine Nase und er wandte sich schnell ab. Der Nieser durchbrach die Stille des Flures und Yano verstummte sofort. Plötzlich kam rege Tätigkeit in ihn und Shina spürte, wie er sich rasch von ihm löste. Er erzitterte, als die kühle Luft an seinen Körper drang und das altbekannte Ziehen in seinem Innern ihn zu Yano zurückdrängte, der nun besorgt dreinschaute. "Bist du erkältet?", fragte er mit ängstlicher Stimme. "Nein, ich..." "Ich bring dich aufs Zimmer!", wurden seine leisen Worte unterbrochen und er konnte ein Aufkeuchen nicht unterdrücken, als er mit einer flüssigen Bewegung von den Füßen gehoben wurde. Yano sah mit einem besorgten Gesicht auf ihn herab. "Du musst dich hinlegen, ich kann dir auch Tee besorgen und..." "Ich bin gesund!" Shina zappelte etwas, konnte sich jedoch nicht befreien. "Das denkst du vielleicht jetzt, aber weißt du, wie schnell so eine Krankheit ausbrechen kann?" Yano lief los, drückte dabei das Bündel in seinen Armen an sich, um ihm so viel Wärme zu spenden wie nur möglich. Shina durfte nicht krank werden, er hatte doch so viel durchgemacht und er würde es nicht erlauben, dass er auf den kalten Gängen herumlief. Die Schuluniform erschien ihm auf einmal viel zu dünn und Shina schien noch blasser zu sein als sonst. Oder irrte er sich da? Nein, sicher nicht. Eine Person stand vor ihm auf dem Flur und er war schon bereit, ihr auszuweichen, als er seinen Namen hörte. "Yano, warum bist du nicht im Unter-..." Weiter hörte er nicht zu und stürmte an seinem Onkel vorbei, der eine Hand erhoben hatte und ihm deutete, stehen zu bleiben. Doch dazu hatte Yano keine Zeit. Shina konnte schwer krank sein, da würde er nicht warten und seinem Onkel zuhören. Nein, nein. Er würde den Kleinen in Sicherheit bringen. "War das nicht der Direktor?", hörte er Shina fragen und sah aus dem Augenwinkel, wie der Brünette einen Blick über die Schulter zurück warf. Jedoch schenkte er dem nicht sehr viel Beachtung. Nicht, wenn es um Shinas Gesundheit ging! Er musste ihn auf dem schnellsten Wege ins Bett bringen. Vielleicht würde er ihm Wadenwickel machen, oder... "Yano, ich bin gesund!" Der Brünette zappelte erneut, doch Yano wusste, er musste jetzt tun, was das Beste für seinen Schützling war, auch, wenn der es nicht verstand oder wollte. "Lass mich runter, Yano! Yano!" Yano antwortete nicht. Okay, in Wahrheit wusste er einfach nicht, was er sagen sollte, deshalb lief er mit unbewegt besorgter Miene weiter, bis er den C-Trakt erreichte, in dem sein Zimmer lag. Mit einer Hand öffnete er die Tür und schob sich rasch in den Raum dahinter. "Yano, du übertreibst!", jammerte Shina, der es inzwischen aufgegeben hatte, sich in seinem Arm zu winden. Der Blonde setzte ihn auf dem Bett ab und kniete sich vor ihn hin, den Blick auf die verwirrten blauen Augen fixiert und die Hände noch immer an seinen Seiten liegend. Wieso verstand sein Seelenverwandter nicht, dass er sich ungeheure Sorgen machte? "Du musst dich hinlegen!", verlangte er mit sanfter Stimme und widmete sich seinen Schuhen, die er mit langsamen Bewegungen von seinen Füßen zog. "Bitte?" Drückende Stille kehrte ein, nur durchbrochen durch das Rascheln der Schuhe, als er sie zur Seite stellte. "Okay..." Er hörte einen schweren Seufzer und sah überrascht auf. Shina gab nach? "Wirklich?", fragte er ungläubig. "Ja." Yano richtete sich auf und lächelte erleichtert. Dann konnte er sich also um ihn kümmern, bis sicher war, dass er gesund war? Was konnte er denn tun? Ihn dick einkleiden, Tee kochen, ihm Wadenwi- "Aber keine Wadenwickel!" Ertappt zuckte Yano zusammen und schaute aus schuldbewussten Augen zu Shina auf. "Keine Wadenwickel?", fragte er traurig. Shina schüttelte stur den Kopf, ließ jedoch schließlich zu, dass Yano ihn nach hinten aufs Bett drückte und seine Beine hochschob. "Na, gut... Ich gehe dir einen Tee holen!", murmelte der Blonde dann und wollte aufstehen. Doch der erschrockene Gesichtsausdruck seines Seelenpartners hielt ihn zurück. "Du kannst nicht gehen!" Ein schmaler Arm schnellte vor und er spürte, wie die Finger seine Kleidung umklammerten und ihn zurückhielten. "Du kannst nicht..." Yano dämmerte es. Er und Shina hingen aneinander. Wie konnte er das vergessen? All die Sorge um den Kleinen hatte ihm scheinbar jeden klaren Gedanken geraubt. "Bleib hier...", bat Shina mit Angst in den Tiefen seiner blauen Augen. Yano fühlte sein Herz sich schmerzhaft zusammenkrampfen und nickte benommen. "Tut mir leid..." Verzeihungsheischend kuschelte er sich an die Seite seines Seelenverwandten und vergrub seinen Kopf in seiner Halsbeuge. "Tut mir schrecklich leid..." Zeit verging. Shina konnte nicht sagen, wie viel, aber die Stille, die eingetreten war, erschien ihm diesmal angenehm. Er hatte das Gefühl, dass Worte im Augenblick unnötig waren. Er musste nicht, sprechen, um eine Verbindung zu seinem Partner aufzubauen, denn es gab keine Sperre zwischen ihnen, die sie voneinander distanzierte. Nichts trennte sie, kein Gedanke und keine Empfindung. Yano lag dicht bei ihm. Er spürte die Arme, die leicht um ihn gelegt waren und zuließen, dass die Körperwärme des Blonden auf ihn überging. Es war bequem, so zu liegen. Nah bei ihm. Er wunderte sich zwar, dass seine Berührungsangst ihn nicht plagte, wollte aber auch nicht daran denken. Die Situation war einfach viel zu schön, um sie mit ihr zu ruinieren. Die Minuten verstrichen, ohne, dass einer von ihnen sich groß bewegte. Erst, als Shina das vorhin Erlebte noch einmal überging, fiel ihm eine spontane Frage ein, die er stellen wollte. "Yano?" "Hm?" Es wurde wieder ruhig. Die leise Bestätigung war ohne Umschweife gekommen, was hieß, dass Yano aufmerksam war, wie eh und je. "Was wolltest du mich eigentlich vorhin im Flur fragen?" Shina schluckte und zwang sich, weiterzusprechen. "Ich meine, bevor wir hierher gekommen sind?" Schweigen. Dann richtete Yano sich langsam auf seinen Ellenbogen auf und sah ihn lächelnd an. Mit einem kleinen Grinsen ließ er sich schließlich wieder fallen und landete direkt auf Shinas Brust, der überrascht nach Luft schnappte, als das Gewicht ihn traf. "Ich wollte fragen, ob..." Die Arme fanden wieder ihren Weg zurück an seine Seiten und strichen dort leicht auf und ab. "...ob ich dich immer so halten darf. Ob ich dich immer umarmen darf. Ob ich immer so bei dir sein darf wie jetzt..." "Oh..." Verblüfft sah Shina auf den hellen Haarschopf herunter, der die Augen seines Seelenverwandten halb verdeckte. "Darf ich?" Shina errötete leicht, nickte gleichzeitig jedoch benommen und lächelte schwach. "Ja..." Was hätte er auch anderes sagen sollen? Sie waren ja schließlich aneinander gefesselt. Dennoch konnte Shina sich nicht gegen den nagenden Gedanken erwehren, dass er die Bedeutung der Worte falsch interpretiert hatte. Aber wie sonst sollte er sie verstehen? Er wusste wirklich nicht, wie er das schwindelerregende Gefühl, das Yanos Blicke und Worte in ihm auslösten, anders deuten sollte. "Ich bin müde...", murmelte der Blonde nach einer Weile in die eingetretene Stille und Shina beobachtete, wie seine Augen sich langsam schlossen, ihre Wimpern sacht die Haut der Wangen berührten. Erstaunt betrachtete er die feinen Gesichtszüge, die nun friedlich und zugleich so unberechenbar ruhig wirkten, dass er die Vorsicht und Aufmerksamkeit fast körperlich spüren konnte, die von seinem Seelenpartner ausgingen. Erst als Yano noch näher gerückt war und er seinen Kopf mit einem tiefen, letztendlich entspannten, Atemzug an der Halsbeuge des Brünetten gebettet hatte, wich die Achtsamkeit aus seiner Haltung und Ruhe kehrte auch in Shina ein. Ja, er war ebenfalls müde. Der Tag war wirklich anstrengend für ihn gewesen. Nie hatte er mit einem dem Wahnsinn nahen Mitschüler fertig werden müssen, der sich plötzlich an ihn gehängt hatte und ihm erzählt hatte, er sei sein Seelenverwandter und sie müssten für immer aneinandergekettet leben. Es war einfach verrückt und es hatte ihn viel Kraft gekostet, allein die Information zu verarbeiten. Aber nun war er auf eine seltsame Weise glücklich. Er fühlte sich sicher, ein Gefühl, das er seit langer Zeit nicht mehr so stark verspürt hatte wie an diesem Tag. Nicht hier... und nicht zu Hause. Nirgendwo. Es war so fremd und so verführerisch zugleich... Sicherheit.... Jeder Mensch wollte ,sicher' sein. Manche gaben Millionen für ihre Sicherheit aus. Und er selbst bekam sie geschenkt, ja, fast aufgedrängt. Man hatte ihm zu seinem Glück zwingen müssen und nun fand er sich unendlich dankbar und unsicher zugleich vor. Es war einfach so. Obwohl er sich vollkommen sicher fühlte, war da doch noch diese Unsicherheit. Nur für diesen einen Moment würde er sie vergessen. Wann war er das letzte Mal mit dem Gefühl eingeschlafen, dass nichts ihm passieren konnte, dass jemand da war, der ihn beschützen würde, dass niemand ihm in seiner verletzlichen Verfassung weh tun konnte? Es musste Jahre her sein, viele Jahre. Um genau zu sein, er konnte sich nicht einmal daran erinnern, es je erlebt zu haben. Shina schloss seine Augen, die neuen Empfindungen mit jeder Faser seines Seins genießend. Der Schlaf übermannte ihn, doch diesmal fürchtete er sich nicht, seine Wachsamkeit schwinden zu lassen. Da war keine Angst vor dem Einschlafen mehr. Und er wusste ganz genau, dass er Yano für diesen einen Augenblick, für diese kurze Zeit, ehe der Schlaf die Gedanken umnebelte, für die nie gekannten Momente der völligen Sicherheit, bis in alle Ewigkeit dankbar sein würde. Und plötzlich war Yano da gewesen und hatte ihn aufgefangen, hatte ihn vor dem Absturz in die ewige Schwärze bewahrt. Er hatte ihm einen Herzenswunsch erfüllt, den sein Herz nicht einmal auszusprechen gewagt hatte, da keine Worte ihn beschreiben konnten, da keine Worte groß genug waren, keine Worte präzise genug waren, keine Worte tief genug gingen, um den Wunsch auch nur annähernd in menschlich begreifliche Muster zu bringen. Und nun spürte er Dankbarkeit, so große Dankbarkeit, dass er für sich schwor, alles, wirklich alles in seiner Macht stehende zu tun, um diesem Menschen dieses Geschenk zurückzugeben... um auch ihn fühlen zu lassen, was sein Herz sich ersehnte, wonach seine Seele schrie, so voller Verzweiflung, was ihm einst verwehrt worden war, geraubt worden war, das er aber doch so sehr brauchte. Er wusste, dass es ihn innerlich zerriss, dass es in ihm brannte wie ein alles verzehrendes Feuer. Er sah es, fühlte es, durchlebte es. Yano brauchte, ebenso wie er, etwas so dringend, dass er rastlos war und in seinem Falle sogar gefährlich. Denn während er selbst alles tief in seiner Seele vergrub, strahlte der Blonde es in die Außenwelt ab. Wut, Zorn, Rage... man mochte es nennen, wie man wollte, es blieb gefährlich. Sein Herzenswunsch war fordernd, er verlangte nach Erfüllung, wollte endlich, endlich, endlich einmal das tobende Ungeheuer zur Ruhe bringen, dieselbe Ruhe, die er so freigiebig verschenkt hatte. An ihn, an die andere Hälfte seiner Seele. Nur ein halbes Ich zu sein tat weh. Es verfolgte ihn schon sein ganzes Leben lang und er hatte es schon als normal akzeptiert gehabt. Doch das war gewesen, bevor er Yano kennengelernt hatte. Jetzt war alles anders. Alles hatte sich über Nacht verändert und er wusste, dass er sein altes Leben nicht mehr würde akzeptieren können. Nicht als normal. Er würde es nicht mehr verkraften können, er konnte sich ja nicht einmal mehr vorstellen, allein auf einem leeren Flur zu stehen. Er würde diese Einsamkeit nicht aushalten, so ganz ohne Yano. Hast du einmal einem Tier das gute Futter gegeben, wird es das alte nicht mehr anrühren. Nicht, wenn es anders sein kann. Nicht, wenn es besser sein kann. Und ihm ging es genauso. Köstlicher Nektar hatte seine Sinne getränkt, ein lieblicher Dämon sich an seiner Seite zum Schlafen niedergelegt, ein Funken strahlender Hoffnung seinen Pfad erhellt. Und er war nicht willens, all das so schnell wieder aufzugeben. Er war nicht mehr bereit dazu, sich wie die ganze Zeit zuvor dem Schicksal zu überlassen. Nein, nicht mehr. Nicht, bevor er Yanos Herzenswunsch erfahren und erfüllt hatte. Nicht angesichts der Ewigkeit, die vor ihnen lag. Diese Worte mochten seltsam für jemanden wie ihn klingen, unpassend vielleicht, aber er war nichtsdestotrotz überzeugt von ihnen. Schließlich lag die Ewigkeit vor ihm, die sein lieblicher Dämon ihm zu Füßen gelegt hatte. Yano beobachtete seinen kleinen Seelenverwandten fasziniert. Er wirkte schlafend so ruhig und... es war, als ob sein wahres Ich an die Oberfläche gekommen war und sich nun in seinem Gesicht widerspiegelte. Es war nicht dasselbe wie auf der Krankenstation, als der Kleine umgefallen war. Dort hatte er wachsam ausgesehen, als ob er versuchte, sich selbst im Schlaf vor der Außenwelt zu verbergen. Yano seufzte unterdrückt. Als er aufgewacht war, hatte er erst einmal einen riesigen Schrecken bekommen, da er es nicht gewohnt war, jemanden neben sich liegen zu haben. Nicht so nah und nie hatte es sich so... richtig angefühlt. Aber wie was es überhaupt dazu gekommen, dass sie zusammen hier lagen? Das letzte, an das er sich erinnern konnte, war die Cafeteria. Hyuniri und er waren gerade dort herein gegangen und dann... nichts mehr. Dann war er hier aufgewacht, neben dem Brünetten, der friedlich schlafend in seinem Arm lag, wie ein kleines Kätzchen, das sich zu einem kleinen Fellball zusammengerollt hatte. Er war so niedlich, wenn er das tat. Yano strich zärtlich einige Haarsträhnen aus dem so jung erscheinendem Gesicht, ein hingebungsvolles Lächeln auf den Lippen. Hyuniri schien es gemeistert zu haben, die Unschuld der ganzen Welt in seine Gesichtszüge zu brennen. Bewundernd streifte seine Hand durch das kastanienbraune Haar. So weich... Er würde sie ewig lange berühren können und dem nicht müde werden. Wie konnte jemand so weiches Haar haben? Wie Satin... oder Seide... wie etwas fließendes, sanftes... Plötzlich bewegte Hyuniri sich, rollte sich noch ein kleines bisschen mehr zusammen als zuvor und drückte sich näher an ihn heran. "...Yano...", wisperte er in einem Ton, der volle Zufriedenheit aussprach und drückte seine Nase in das blonde Haar. Yano hielt überrascht die Luft an. Das hatte er gewiss nicht erwartet. Und seit wann sprach Hyuniri ihm mit dem Vornamen an? Selbst im Schlaf müsste er doch sicher immer noch seinen Nachnamen benutzen, oder? "Wenn mein Haar nach Sonne und Frühling riecht, riecht deines nach..." Ein tiefes Einatmen war zu hören und dann schüttelte stilles Lachen den schmalen Körper, der sich an ihn kuschelte. "...deins riecht nach Früchten! Was nimmst du für ein Shampoo?!" "Du bist wach?!", fragte er mit leichtem Erschrecken. "Seit wann?" "Seit du meine Haare zerwühlt hast." Das Grinsen war deutlich aus den Worten herauszuhören und Yano fragte sich für einen Sekundenbruchteil, ob er auch wirklich der Hyuniri war, den er kannte. Oder auch nicht kannte. Was war nur in der Zeitspanne passiert, an die er sich nicht mehr erinnern konnte? Sowas passierte ihm doch nur, wenn er... oh, Gott... "Du hast sicher meine Frisur ruiniert, Yano...", murmelte der Brünette mit einem Gähnen. Sein Brustkorb hob sich dabei leicht an, was Yano spüren konnte, da kein einziger Spalt zwischen ihnen lag, der sie trennte und sanfter Atem kitzelte die Haut an seinem Nacken, so dass ein angenehmer schauer über seinen Rücken wanderte. "Was ist passiert, nachdem wir in die Cafeteria gegangen sind?" Yano ignorierte die scherzende Bemerkung seines Seelenverwandten, wenn er auch gerne etwas darauf erwidert hätte. Doch es gab etwas, das im Moment wichtiger war. Er musste wissen, ob er jemanden verletzt hatte. Ob der Wahnsinn ihn mal wieder befallen hatte und ihm die Kontrolle über sein Handeln genommen hatte. "Was?" Hyuniri schien erst jetzt richtig wach zu werden und die Situation zu realisieren, denn er löste sich vorsichtig ein wenig von ihm und sah ihn fragend an. Die Entspannung, die zuvor noch in seiner Haltung gelegen hatte, wich langsam und die alte Wachsamkeit kehrte in seine blauen Augen zurück und Yano wünschte sich, er hätte sich die Frage für ein wenig später aufgehoben. Aber er musste es jetzt wissen... "Als wir in die Cafeteria gegangen sind... was ist da passiert?" "Du erinnerst dich nicht?" Schüchtern senkte Hyuniri den Blick und sah ihn unter seinen Wimpern hinweg zögerlich an. "Nein..." Das war eindeutig nicht der alte Hyuniri, das wurde Yano nur zu deutlich bewusst. Selbst jetzt, bei einer offenen Konfrontation ihrer Blicke, bei all der Berührung, hatte der Kleine keine Angst. Nervosität vielleicht, aber keine Angst. Etwas musste passiert sein. Etwas hatte sich verändert. "Zwei Schüler haben dich provoziert.", erklärte der Brünette mit leiser Stimme. "Sie drohten, mir weh zu tun und dann... dann..." "Schon gut..." Yano seufzte. "Ich verstehe. Was habe ich getan?" "Du hast einem der beiden ziemlich zugesetzt.", fuhr Hyuniri fort und mied seinen Blick, den er auf seine Hände richtete, die momentan mit den Falten in der Bettdecke spielten. "Aber Uriko und Kleo haben dich aufgehalten, bevor du ihnen etwas schlimmes antun konntest. Du bist dann den ganzen Vormittag über so... so seltsam gewesen. Kleo hat mir erklärt, was geschieht, wenn du in diesen Zustand kommst..." "Habe ich dir weh getan?", unterbrach Yano den gemurmelten Redefluss seines Schützlings und musterte ihn mit ernsten Augen. "Oder bin ich dir irgendwie zu nahe getreten?" "Nein." Hyuniri lächelte leicht und sah ihn endlich wieder direkt an. "Wirklich nicht?" "Nein.", versicherte der Brünette und das Lächeln wurde noch etwas breiter. "Du hast mir geholfen..." "Wieso?" Hyuniri beugte sich nur mit demselben undeutbaren Lächeln auf den Lippen vor und ehe Yano auch nur blinzeln konnte, hatte sein Seelenverwandter ihm einen kleinen, federleichten Kuss auf die Wange gehaucht. "Danke...", hörte er ihn flüstern, als er sich langsam wieder zurückzog. Diesmal lag ein tiefer Rotton auf seinen Wangen und das Lächeln war etwas verlegener geworden. Yano machte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch kein vernünftiger Satz wollte sich in seinem Kopf formen und deshalb schloss er ihn schnell wieder. Statt dessen erwiderte er also das Lächeln seines Seelenpartners und zog diesen wieder näher zu sich heran, um seine eigene Verlegenheit zu verbergen und sein Gesicht in seinem weichen Haar zu verstecken. "Kleo!!" Die entsetzte Stimme des Urikos hallte vom Badezimmer aus in den Raum und die Seelenverwandten sahen erschrocken auf. "Ich habe mein Handtuch vergessen!!" Yano sah sich rasch in dem Zimmer um und erblickte den Dunkelhaarigen auf der anderen Seite in einem Stuhl sitzend, ein Bein über das andere geschlagen und ein Buch lesend. Hatte er etwa die ganze Zeit so da gesessen?! Kleo blickte ihn an und sein Blick wich auch nicht von ihm, als er dem Rothaarigen antwortete. "Keine Sorge, ich habe dir schon vor einer halben Stunde eins hingelegt!" Seine Stimme war wie immer ziemlich gleichgültig, nur das Anheben einer Augenbraue verriet sein Amüsement. Dann allerdings wandte er sich ganz an Yano und erhob etwas zögerlich die Stimme. "Hast du dich wieder ganz erholt?", fragte er mit leichter Besorgnis. "Dieses Mal war es ziemlich schlimm, es war sehr schwer, zu dir vorzudringen." "Tatsächlich?" Mit Schreck offen in seinem Gesicht stehen, drehte er sich zu Hyuniri um, der sein Gesicht blamiert in den Kissen vergraben hatte, seit er gemerkt hatte, dass jemand die ganze Zeit anwesend gewesen war. "Hyuniri? Ich verlange einen genauen Bericht!" To Be Continued... Hach, verdammt, wie endet man ein Kapitel ohne Cliffy?! Das geht doch nicht!! *rauft sich die Haare* Das wird mal wieder Ärger geben... Hm... so selten, wie ich ein Update mache... hehe... berechtigt, dass ihr euch darüber aufregt! Na, egal. *räuspert sich und schaut unbeteiligt drein* Wie hat euch das Kapitel gefallen? Das nächste wird auch etwas schneller kommen, versprochen. Trotz meiner Facharbeit und meinem Praktikum werde ich mir Mühe geben, etwas zu veröffentlichen! ^^'' WICHTIG!! Zu diesem Kapitel muss ich etwas erklären! Man könnte jetzt denken, alle, die auf der Schule herumrennen sind irre, oder so... das ist nicht so! Die beiden Jungen, die Yano mit den Messern bedroht haben, sind normalerweise total nett und harmlos. Die Messer sind bloß zum Schutz. Yanos Präsenz in diesem Zustand des Wahns wirkte sich negativ auf sie aus. Nicht auf alle Menschen hat er diese Wirkung, aber manche sind für den Einfluss offen. Andere wiederum bemerken die finstere Ausstrahlung kaum, höchstens im Unterbewusstsein. Das ist der Grund, warum alle solche Angst vor Yano bekommen haben... z.B. im Unterricht. Aber das alles werde ich im nächsten Kapitel noch einmal durch Kleo klarstellen. Ein großes Dankeschön geht auch wieder an meine Kommi-Schreiber! *winkt allen zu* Und mein Dank geht aaaaaaan *Trommelwirbel* : Casander, Mistery, Jenny-chan, claudikai, Dragoneye und Marn!! Vielen, vielen Dank! Ihr macht mich immer so glücklich!! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)