Soulmates - Seelenverwandte von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: Bullies ------------------ Hi!! Hier ist der zweite Part von Soulmates! Ähm, ich sage heute mal nicht viel dazu und lasse euch einfach lesen! Kann ja nicht schaden, eh? Shina hörte die Tür mit einem leisen Klicken zufallen und sah den leeren Gang mit großen Augen hinab, bis sie das Fenster erreichten, hinter dem ein blauer Himmel zu sehen war. Nichts. Sie waren einfach gegangen, ohne ihn zu zwingen, mitzugehen. Sie hatten ihn tatsächlich nicht verprügeln wollen! Und er hatte sein Buch zurück. Seine Arme schlossen sich fester um Besagtes und drückten es an seinen jetzt seltsam zittrigen Körper. Er zitterte vor Erleichterung. Seine Beine schienen ihn nicht mehr tragen zu wollen und seine Brust fühlte sich wie zugeschnürt an. Langsam ließ er sich auf die Knie sinken, das Buch noch immer fest an sich gedrückt. Ein trockener Schluchzer entrang sich seiner Kehle und die nur allzu bekannten heißen Tränen brannten sich ihren Weg über seine Wangen. Doch diese Tränen und Schluchzer waren anders, als die, die er gewohnt war. Es waren die der Erleichterung. All die Angst, die ihn gelähmt hatte, das ganze Verkrampfen seines Innersten, das sich mit einem Male löste, ließ ihn nun am ganzen Körper bebend zurück. Er rang nach Atem und richtete sich langsam wieder auf. Die Erkenntnis, dieses Mal den Schlägen und Erniedrigungen entkommen zu sein, flutete seine Gedanken und schwemmte die Angst und Beklommenheit fort. In diesem Moment war er einfach nur noch glücklich. Ein unstetes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht und er wischte rasch die Tränenspuren von seinen Wangen. Nur, warum waren diese Menschen so nett zu ihm gewesen? Mit diesem Rätsel machte er sich auf, um zurück auf das Zimmer zu gehen, das er mit drei anderen Schülern teilte, von denen er recht wenig wusste. Sie ignorierten ihn vollkommen, ärgerten ihn manchmal ein wenig, indem sie ihm Zahnpasta oder Haargel auf die Türklinken schmierten oder das Toilettenpapier versteckten. Doch er hatte damit umzugehen gelernt und war auf jeden ihrer gemeinen Tricks vorbereitet. Er musste hinter jeder ungewöhnlichen Bewegung eine neue Gemeinheit vermuten und sein Misstrauen war seiner Meinung nach genau das, was ihn über Wasser hielt. Übermäßiges Vertrauen war keine Basis zum Überleben, wenn man sich in seiner Position befand. Shinas Gedanken wanderten zurück zu Yano. Er hatte eine schlechte Reputation und er hatte heute ganz entgegen dem gehandelt, was man so geläufig über ihn hörte. Das musste einen Grund haben. Niemand tat das, was er tat, grundlos. Die Motive seines Mitschülers waren einfach unklar. Er wünschte, er würde sie verstehen. Niemand hatte sich ihm gegenüber je so verhalten. War das eine neue Masche? Wollte man jetzt erst seine innere Verteidigung niederreißen, ehe man ihn vollkommen zerstörte? Nein, das durfte er auf keinen Fall zulassen. Seine Tante hatte ihm gesagt, er sollte stark sein, stärker als alle anderen. Vertraue niemandem. Das war in seinem Grunddenken so verankert, dass er, selbst wenn seine Tante bloß Essen kochte, dahinter irgend eine Taktik vermutete, ihn aus der Reserve zu locken. Dabei war das völlig unlogisch und das wusste er. Aber so war er eben und so leicht ließ sich sein Misstrauen nicht abschütteln. Es saß einfach schon zu tief in seinen Knochen, vor allem, da es in der Vergangenheit zu oft bestätigt worden war. Shina hatte die Tür zu seinem Zimmer erreicht und betrachtete den Türknauf. Er fand alles vor wie gewöhnlich. Seine Mitschüler mussten jetzt wie üblich ihrer AG beiwohnen, und er vermutete niemanden in dem Zimmer. Oh, wie man sich doch täuschen konnte. Als er vorsichtig die Tür öffnete, entdeckte er sofort den Schemen, der nicht hierher gehörte. Er folgte dem dunklen Schatten auf dem Boden zu der Person, die ihn warf und sog scharf die Luft ein. "Takashi?!", keuchte er und machte Anstalten, auf der Stelle kehrt zu machen und einfach wieder zu verschwinden. Doch damit schien man gerechnet zu haben, denn er kam nicht einen Schritt weit. "Hiergeblieben, Kleiner!" An der Tür tauchte noch eine zweite Person auf, die ihm den Fluchtweg versperrte. "Wir sind extra wegen dir hier, da kannst du doch nicht einfach wieder gehen." Der große, bullige Typ vor ihm schubste ihn ganz in den Raum und verriegelte die Tür. Shina steckte in der Falle und er wusste es. Die allgegenwärtige Angst begann ihn mit einem Male bis zu einem Punkt zu lähmen, an dem er nicht einmal mehr zu blinzeln vermochte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er den Eindringling an, sich der Anwesenheit des Schlägers in seinem Rücken wohl bewusst, der gegen die Tür gelehnt seinen Anführer und ihn beobachtete. Der Schüler vor ihm war der Kopf einer Bande von Oberklässlern war, die keine Skrupel kannten und sich bis jetzt immer irgendwie aus der Affäre hatten ziehen können. Hiroshi Takashi hatte immer das Recht auf seiner Seite gehabt, bei den Lehrern machte er stets einen fabelhaften Eindruck. Seine Noten waren fast die Besten der ganzen Schule. Nichts vermochte den Ruf dieses Schülers zu trüben. Seine Weste war weiß und rein. Äußerlich... Shina hatte anderes gehört und betrachtete den großen athletischen Jungen mit dem feinen schwarzen Haar eingehend, als der sich lässig auf ihn zu bewegte. Mit jedem Schritt, den er auf ihn zu machte, vergrößerte sich Shinas Furcht und er sah in banger Erwartung des Schlimmsten zu Takashi auf. "Sieh mal einer an, welch große Angst unser kleiner Hyuniri vor mir hat...", erhob Takashi schließlich die Stimme, als er nah vor ihm stand. "Du erinnerst mich an ein Rehkitz, das dem Schutze seiner Mutter entrissen wurde und nun den Raubtieren ins Auge blicken muss." Das folgende leise Lachen des Schülers der oberen Klassen klang kalt und Shina sah schnell zu Boden, als es ihm durch Mark und Bein drang. "Weißt du, kleiner Hyuniri...", fuhr Takashi fort und strich dem zitternden Jungen fast liebevoll anmutend durchs Haar, ehe er sich einen Haarschopf packte und Shinas Kopf ruckartig in den Nacken riss, dass der Junge vor Schmerz kurz wimmerte. Gezwungen, den Oberklässler anzusehen, schloss Shina fest die Augen. Er ertrug es nicht, den Spott und die Verachtung aus jedem Millimeter des Mitschülers sprechen, geradezu schreien zu sehen. "... ich hasse es, wenn man sich von mir abwendet!", grollte Takashi. "Sieh mich also an, wenn ich mit dir rede!" Das nächste, was Shina spürte, war ein explodierender Schmerz in seiner linken Gesichtshälfte, als der Handrücken der freien Hand des Schlägers sein Ziel traf. Er zwang sich, die Augen zu öffnen und Takashi anzusehen, in der Hoffnung, er würde dann einfach tun, wozu er gekommen war und ihn anschließend in Ruhe lassen. Takashi war niemand, der einfach nur aus Spaß Schwächere verprügelte. Für ihn war alles bloß Geschäft. Es ging um Geld, um Noten oder einfach nur darum, einen Vorteil mit den Schulregeln zu erlangen. "Ja, schau mich nur brav an, kleines Rehkitz!", spottete Takashi, ohne den Griff in seinem Haar auch nur im Geringsten zu lösen. "Ich will nicht viel von dir, du sollst mir nur einen kleinen Gefallen tun!" Innerlich starb Shina tausend Tode. Er sollte Takashi einen Gefallen tun?! Das konnte nichts Gutes heißen! Takashi einen Gefallen zu tun, bedeutete, seine Drecksarbeit zu erledigen und das konnte nur etwas Verbotenes oder Gefährliches sein. Etwas, das Takashi weder sich, noch seinen Leuten zumuten wollte. "Man will heute gesehen haben...", sprach Takashi in einem lässigem Ton weiter, als spräche er über etwas Alltägliches, griff dabei nach Shinas Kragen und riss ihn beinahe auf seine eigene Augenhöhe, so dass der Kleine den Boden unter den Füßen verlor. "...dass Kitaya dich in der Cafeteria angesprochen hat. Das stimmt doch, nicht wahr, mein niedliches, kleines Rehkitz?" Shina würgte eine schwache Bejahung hervor und griff sich verzweifelt an den Hals. Der Stoff schnitt schmerzend in seine Haut und er bekam kaum noch Luft. Doch Takashi schien das nicht einmal zu sehen, nur ein eindeutig zufriedenes Grinsen zog über sein Gesicht. "Das ist schön, sehr schön!", grinste er mit düsterer Miene. "Hör mir zu! Du wirst..." Er brach verärgert ab, als der hilflose Junge sich mehr gegen den Griff zu wehren begann. Shina merkte, dass ihm die Luft auszugehen drohte. Ihm schwindelte und er hatte Angst davor, sein Bewusstsein zu verlieren. Irgendwie musste er loskommen, irgendwie. Er japste panisch und zog an den schlanken gepflegten Fingern, die ihm mit dem Stoff seiner Kleidung die Luft abschnürten. "Hör mir gefälligst zu, verdammt!!", verlangte Takashi laut und schüttelte ihn fest durch, was seine Gegenwehr erlahmen ließ. "Du Schwächling! Du wirst zu Kitaya gehen und ihm das hier geben! Und zwar gleich!" Shina spürte, wie der Griff sich löste, als er grob zu Boden geworfen wurde und die Luft seine Lungen endlich wieder erreichte. Bunte Flecken tanzten vor seinen Augen und seine Sicht war seltsam unklar. Er war nicht dazu in der Lage, sich zu bewegen, er wollte es nicht. Nur hier liegen und die Luft in seinen Lungen spüren. Die einzige Person, an die er jetzt denken konnte, war seine Tante. Seine liebe, alte Tante mit ihrem gutmütigen Lächeln und den Lachfältchen, die sie immer um die Augen hatte, wenn die fröhlich war. Seine Tante... der einzige Mensch auf der Welt, der ihm etwas bedeutete... "Denk daran, Rehkitz, was ich dir gesagt habe!", hörte er Takashi erneut sprechen, ohne, dass die Worte sein Gehirn richtig erreichten. "Ich bin mir ganz sicher, dass wir uns wiedersehen... und das eher, als du dir das wünscht, wenn du nicht tust, was ich dir gesagt habe!" Ein Tritt traf ihn direkt in den Magen und Shina keuchte vor Schmerz auf. Ein zweiter folgte und dann waren nur noch sich entfernende Schritte zu hören. Shina kauerte sich zusammen und presste seine Hände auf den Bauch, der jetzt entsetzlich weh tat. Die Augen fest zugedrückt, wartete er darauf, dass endlich vollkommene Stille eintrat und die Welle an Schmerz abebbte. Er wollte nur noch seine Ruhe haben. Er musste eine halbe Stunde so gelegen haben, nur der Stille lauschend und seinem eigenen schnellen Herzschlag zuhörend, der sich erst langsam beruhigte, ebenso wie sein Atem. Er wollte am Liebsten schlafen, doch zwei gute Gründe sprachen dagegen. Erstens hatte Takashi gesagt, er sollte ,jetzt gleich' zu Kitaya gehen und er war nicht dumm genug, sich ihm zu widersetzen und zweitens würden seine Zimmerkameraden in Kürze zurück sein und er wollte in seiner Verfassung nicht allein mit ihnen in einem Raum sein. Vor allem nicht schlafend. Dieses Gottvertrauen besaß er nicht! Shinas Blick wanderte über den Boden und er entdeckte ein kleines Päckchen, das Takashi zurückgelassen haben musste. Er war auf eine gewisse Art neugierig, was sich darin wohl befinden mochte, dass der athletische Junge es nicht selbst zu überbringen vermochte, aber er wusste genau, darauf würde er niemals eine Antwort bekommen. Er war nur der Botenjunge. Unfreiwillig wurde er in eine Sache mit hineingezogen, die ihn eigentlich nichts anging und mit der er auch nichts zu tun haben wollte. Den dumpfen Schmerz in seinem Bauch ignorierend, stand er auf und richtete seine Kleidung. Der Kragen war ganz zerknittert, aber darauf würde eh niemand achten. Ihm wurde kurz schwarz vor Augen, als er einige gequälte Schritte in Richtung Tür tat und er wischte sich müde über die Augen. Er umklammerte fest das Paket und machte sich auf den Weg, um Kitaya ein drittes Mal an diesem Tag zu treffen, wobei ihn jeder Schritt mit einem Stich im Magen daran erinnerte, dass es weit Schlimmeres gab, als den blonden Schläger zu besuchen. Ein leises Klopfen an der Tür ließ Yano von seinem Buch aufsehen und die Tür anstarren. Kleo hörte auf, in sein Schulnotizbuch zu kritzeln, um ebenfalls aufzusehen. Nur Urikos Reaktion auf den unerwarteten Besuch fiel mal wieder völlig aus dem Rahmen. Überschwenglich sprang er auf, um die Person gleich zu empfangen, statt sie nur hereinzubitten. "Wer mag das wohl sein...", redete er laut, als er die Tür aufriss. Erstauntes Schweigen trat ein und Yano war der erste, der es brach. "Hyuniri?", fragte er überrascht. "Du hier?" "Wolltest du uns doch besuchen?", lachte Uriko herzlich und zog den Kleinen sofort ins Zimmer, der sich taumelnd seinem Schicksal fügte und unschlüssig in der Mitte des Raumes zum Stehen kam. "Mensch, du bist ja leichenblass!", rief Yano aus und stand erschrocken auf. "Was ist los? Und... was ist mit deinem Gesicht passiert?" "Ich s-soll... soll...", stotterte der Gast mit hilflosem Gesichtsausdruck. "... soll... d-dir... das hier... von... von... T-Takashi g-geben..." Mit einem Ruck streckte er die Hand aus und hielt ihm das kleine Päckchen entgegen, das die drei Zimmergenossen nur fassungslos betrachteten. "Takashi?", keuchte Kleo in seiner Ecke. "Etwa der Takashi? Hiroshi Takashi?!" "J-ja..." "Hat er dir das angetan?", fragte Yano leise, nahm Hyuniri das Paket aber dennoch aus der Hand. Er steckte es erst einmal achtlos in eine seiner Taschen, um sich dem kleinen Jungen wieder ganz zuwenden zu können. Der hob verwirrt eine Hand und strich sich über die linke Gesichtshälfte, als realisierte er erst jetzt, dass seine Wange angeschwollen war und sich dort rot-violett verfärbt hatte. . "Was hat Takashi gemacht?", fragte Uriko, der erst jetzt seine Sprache wiedergefunden hatte. "E-er wollte, dass i-ich... d-das P-Paket... zu K-Kitaya bringe...", stotterte Hyuniri und sah zu Boden. Yano fiel sofort auf, wie unordentlich seine Kleidung und sein Haar waren. Takashi musste ihm ziemlich zugesetzt haben. "Setz dich da hin, okay...", bat er also mit ruhiger Stimme und lief zur Tür. "Ich gehe etwas Eis holen!" Er verließ das Zimmer, hörte noch Uriko auf Hyuniri einreden, er könne sich wirklich setzen und schloss dann die Tür. Was dachte sich dieser Takashi eigentlich?! Der arme Junge hatte es nicht verdient, dass man ihm so etwas antat. War er selbst etwa zu feige, ihm dieses blöde Päckchen zu bringen? Über dessen heiklen Inhalt mochte er sich momentan lieber keine Gedanken machen. Hyuniri war jetzt wichtiger! "Ich hab' das Eis!" Yano öffnete die Tür und fand den Raum genauso vor, wie er ihn verlassen hatte. Nur, dass jetzt drückendes Schweigen über allem lastete, als sich Kleo, Uriko und Hyuniri ihm zuwandten. "Was ist?", fragte er verwirrt. "Hyuniri sagt nicht ein Wort!", erzählte Uriko aufgebracht in seiner ihm typisch ehrlichen Art. "Ich kann sagen, was ich will! Alles, was er herausgebracht hat, war ein ,Ich würde jetzt lieber gehen...'. Das macht mich verrückt!" "Du bist schon verrückt!", witzelte Kleo. Ein gescheiterter Versuch, die Stimmung aufzuheitern. Seltsame Blicke streiften ihn kurz nach dieser unpassenden Bemerkung, ehe man sich Hyuniri wieder zuwandte. "Dann lass jetzt erst einmal deine Verletzung behandeln.", seufzte Yano und ging auf den Jungen zu, der erschrocken zurückwich. "Ja, bevor das Eis schmilzt!", fügte Uriko hinzu und lächelte den Kleinen aufmunternd an. Yano setzte sich zu Hyuniri auf die Couch, dabei darauf achtend, langsame Bewegungen zu machen und ihn nicht noch weiter zu verschrecken. Er fragte sich ohnehin, wie er den Unterricht mit seiner ängstlichen Einstellung verkraftete, da er dort ja immer mit Menschen zu tun hatte und auch zwischendurch Gruppenarbeiten anstanden. "Halt still!", murmelte er, als der Junge seiner Hand auswich, die das Eis an seiner Wange halten sollte. "Sonst kann ich dir nicht helfen!" Bei dem Satz zuckte Hyuniri sichtbar zusammen, hörte jedoch zugleich auf, ihm auszuweichen und starrte ihn perplex an. Das ließ dem Blonden die Möglichkeit, das Eis vorsichtig auf die Wunde zu legen. Hyuniri zuckte bei dem Kontakt der Kühlpackung mit seiner warmen Haut nur kurz zusammen, hielt dann jedoch still. "Helfen?!", fragte er mit schwacher Stimme. "Wieso... Aber..." Yano seufzte schwer und nahm aus dem Augenwinkel wahr, wie Uriko aufsprang und zu einer deftigen Predigt ansetzte. Nur knapp wurde er von Kleo zurückgehalten, der ihrem zappelndem Zimmergenossen den Mund zuhielt und daran schwer zu kämpfen hatte. "Ja, wir wollen dir helfen!", sagte der Blonde daraufhin mit ruhiger Stimme. Ihm schwebten noch immer die Bilder vor Augen. Takashi, der Hyuniri schlug, ihm weh tat. Er hatte es vielleicht nicht selbst gesehen, aber er konnte es sich lebhaft vorstellen. Und es machte ihn wütend. Sehr wütend. "Aber..." "Dieser Takashi wird noch bereuen, dich geschlagen zu haben, glaube mir!", unterbrach Yano den zögerlichen Einspruch Hyuniris mit einem Knurren, das schwer unterdrückte Wut zeigte und Vergeltung versprach. "Nein, ich..." Ein leichter Zug an seinem Ärmel ließ Yano aus seinen Gedanken schrecken. Der Blick des Jungen an seiner Seite war fast verzweifelt, flehentlich gar. "Es wäre mir lieber, wenn ihr mich da raushaltet..." "Was?!" Der Blonde wagte nicht, die Stimme zu heben, wenn er auch am Liebsten geschrien hätte. "Du kannst dich doch nicht einfach so verprügeln lassen!" "Es ist nicht schlimm!", versicherte Hyuniri in mehr als unsicherer Tonlage, die Finger in Yanos Ärmel verkrampft. "Das passiert öfter, es ist nichts Besonderes! Bitte... Sei mir nicht böse... Bitte? Ich möchte nur nicht, dass... dass sie zurückkommen, ja?" "Öfter?" Yanos Rage wuchs von Sekunde zu Sekunde mit jedem Wort, das er hörte. Er konnte sich kaum noch unter Kontrolle halten. "Wenn ich jetzt nichts tue, lassen sie mich in Ruhe...", flüsterte der Brünette zittrig, die Finger verkrampften sich stärker in dem Kleidungsstück. "Nein, eben nicht!", erklärte Yano mit einem gefährlichen Vibrieren in der Stimme, das verriet, wie sehr er um Selbstkontrolle kämpfte. Es war lange her, dass er solche Probleme mit seinem Temperament gehabt hatte. Was war nur an Hyuniri, dass er ihn beschützen wollte? Er hatte noch niemanden beschützen wollen, außer seine Freunde vielleicht, aber die kannte er auch, seit er ein kleines Kind gewesen war. "Dieser Takashi kann was erleben!!" Uriko hatte sich offenbar aus Kleos Griff befreit und brüllte seinen eigenen Zorn heraus. Er konnte nie an sich halten und Yano hätte seinen besten Füller darauf verwettet, dass er Hyuniris Schmerz geradezu körperlich nachfühlen konnte. So war Uriko eben. "Hyuniri, ich verspreche dir...", fuhr Uriko mit bekräftigendem Nicken fort. "...wir werden dich rächen... äh... Yano wird dich rächen und wir halten Takashi fest..." "Uriko!!", schimpfte Kleo im Flüsterton, aber es war im ganzen Raum hörbar. "Das ist fies!" "Dass wir ihn rächen, ist fies?!", fauchte Uriko herumwirbelnd. "Nein, das mit dem festhalten..." Uriko und Kleo fingen wieder an, hitzig zu debattieren, was nun ehrenhaft und was fies war. Nachdem Yano eine Weile zugesehen hatte, wandte er sich dem Kleineren neben ihm wieder zu. "Sind die beiden immer so?" Die zögerliche Frage Hyuniris brachte ein leichtes Lächeln auf Yanos Gesicht, das erst nach einigen Augenblicken kaum merkbar erwidert wurde. Hyuniri lächelte. Es war zwar kaum sichtbar und wirkte ein wenig erzwungen, aber es war ein Lächeln. Yano spürte, wie sein Innerstes sich angenehm daran erwärmte. Der Kleine taute scheinbar langsam auf. Oder? Kitaya lächelte ihn an? Das war unfassbar... Hatte er etwa das Richtige gesagt? Er betrachtete das schöne Gesicht vor ihm vorsichtig. Ja, er fand Kitayas Gesicht schön. Es war so voller Leben und Energie. Die Augen waren einfach... lebendig. Viel lebendiger als er sich fühlte. Sie waren warm... wärmer als er selbst es war. Er schien ihnen gegenüber wie aus Eis. Kalt und leer. Gebrochen. Er beneidete Kitaya für seine Kraft und innere Stärke. Er würde sich nicht so einfach von einem Schläger wie Takashi unterdrücken lassen. Er wünschte, er hätte auch nur einen Teil dieser Kraft, damit er seinen Ängsten etwas entgegenzusetzen hatte... "Hyuniri..." Der Ton in Kitayas Stimme sagte eindeutig, dass er ihm etwas wichtiges erklären wollte. Shina legte leicht den Kopf schief und blinzelte verwirrt. "Du weißt, dass ich als Schläger bekannt bin, nicht wahr?" Daraufhin schluckte Shina nervös. Was kam denn jetzt? War das also doch alles ein Spiel gewesen? Die Hilfe? Die Sorge? Sofort kam sein Misstrauen wieder zum Vorschein und übernahm die Oberhand über seine Handlungen. Er wollte zurückweichen, doch Kitayas Hand schnellte vor, packte seine Schulter und hielt ihn an Ort und Stelle. Die andere hielt noch immer das Eis gegen seine Wange und die Kälte brannte sich langsam aber sicher in sein wundes Fleisch, ebenso wie die Hand an seiner Schulter es tat, indem sie nur dort lag, sich durch seine Kleidung und Haut bis hinunter auf seine Knochen zu fressen schien. Er wollte sie abschütteln, fand sich jedoch nicht in der Lage dazu. "Ich muss zugeben, es stimmt, was die Leute sagen...", murmelte der Blonde und die braunen Augen bohrten sich mit einer unglaublichen Intensität in Shinas blaue. "Ich habe schon oft gekämpft und bin bisher immer siegreich gewesen..." Wie erstarrt blickte Shina Kitaya entgegen. Also doch... Die Gerüchte, die seine Ohren erreicht hatten, waren wahr. Sie kamen schließlich nicht von ungefähr. Was nun? Was tun? Wie entkommen? "Aber..." Kitaya senkte den Blick und Shina wurde von den stechenden Augen befreit. "...setz mich nicht mit Takashi oder einem seiner Sorte auf eine Stufe! Ich kämpfe fair und nur gegen Gegner, die gleichstark sind, oder meine Wut herausgefordert haben... ich schlage niemanden grundlos und schon gar nicht, wenn er so hilflos ist, wie du..." "W-wa... was?" Shina fühlte sich nicht dazu imstande, klar zu sprechen. Er war einfach zu sehr gefangen in dem Misstrauen, das es nicht zuließ, Kitayas Worten Glauben zu schenken. Wer sagte ihm denn, dass das alles nicht bloß ein Trick war...? Plötzlich sah der Blonde wieder auf und ein Lächeln ließ seine zuvor fast dämonisch wirkenden Gesichtszüge weicher wirken. Seine Augen waren nicht länger die eines Raubtieres, dessen braune Tiefen an bittere Schokolade erinnert hatten. Jetzt schien jemand süße Sahne hinzu gemischt zu haben, die sie extrem erhellte und einfach nur einlud, in ihnen zu versinken. Staunend betrachtete Shina die Veränderung. Kitaya schien eine sehr ausgeprägte Persönlichkeit zu haben. In einem Moment war er einfach nur der Schläger, als den man ihn beschimpfte, unberechenbar und tödlich, und im anderen so sanft wie ein Kätzchen, das seine Krallen geschickt einziehen konnte und mit seinen Samtpfoten niemanden zu verletzen gedachte. Er war ein Rätsel. Ein Mysterium. "Yano hat schon so manchem Fiesling gezeigt, wo der Hammer hängt!" Uriko, dessen Grinsen von einem Ohr zum anderen reichte, klopfte Kitaya kräftig auf den Rücken, dass der Blonde leise aufkeuchte und vortaumelte. "Aber in Wirklichkeit ist er gar nicht so hart, wie alle denken!" Shina fing den anderen Jungen ab, als der gegen ihn fiel und starrte über seine Schulter hinweg den Rotschopf an, der jetzt Kleo im Schwitzkasten hatte und ihm das Haar zerstrubbelte. Er war scheinbar schon wieder bei einem anderen Thema und merkte nicht, was er da gerade eben getan hatte. Der Brünette war nämlich von der unerwarteten Berührung wie vom Schlag getroffen und beobachtete mit weit aufgerissenen Augen und leicht geöffneten Lippen Uriko, der durch das Zimmer rannte und vor dem Dunkelhaarigen floh, der sich für sein zerwühltes Haar rächen wollte. Und Kitaya? Der schien sich nicht zu rühren. Lehnte sich nur gegen ihn, den Kopf leicht auf seiner Schulter ruhend. Was sollte das? Wäre er dazu in der Lage, sich zu rühren, wäre er jetzt davongelaufen. Aber seine Berührungsangst ließ das nicht zu, sie hielt ihn fest und kalte Schauer jagten über seinen Rücken, als das fremde Gefühl eines warmen Körpers an seinem eigenen unbändige Angst in seinem Innern hervorrief. Er wollte weg von diesem Gefühl. Er ertrug es nicht. Warum konnte er sich nicht bewegen?! Er spürte den Schlag auf seinem Rücken und wie die Luft gewaltsam aus seinen Lungen gepresst wurde. Er keuchte vor Schmerz und Schreck auf und fand sich im nächsten Moment gegen etwas Warmes gedrückt, als der Druck ihn nach vorne warf. Das Eis entglitt seinen Fingern und landete irgendwo unbeachtet auf dem Fußboden. Urikos und Kleos Stimmen waren noch undeutlich im Hintergrund zu hören, doch sie schienen auf einmal so unbedeutend, dass er sie kaum noch wahrnahm. Ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit hatte sich auf ihn übertragen. Einfach so. Unerwartet und plötzlich. Und die Person, die es ausstrahlte, war niemand anders als Hyuniri. Derjenige, der sich vor allem fürchtete, der sich wahrscheinlich in diesem Moment gerade fürchtete, was sich durch die Anspannung jedes Muskels allzu deutlich interpretieren ließ. Das war einfach unlogisch. Wie konnte er sich bei einer Person sicher fühlen, die vor jedem wegrannte, egal, wer es nun war? Die jeder kleinsten Berührung entfloh, ihr auswich, sich ihr entzog? Die nichts an sich heran ließ, so schwach sie auch scheinen mochte? Die ihr eigenes Leben tief unter das eines jeden anderen stellte und das einfach als richtig und normal akzeptierte? Die ein Misstrauen gegen die ganze Welt hegte, das jede andere Person unlängst innerlich zerrissen hätte? Wenn er so recht darüber nachdachte, war Hyuniri stark. Er ertrug mehr, als er selbst jemals aushalten konnte. Und das war es, das ihn hier Sicherheit und Geborgenheit fühlen ließ. Der kleine Junge aus seiner Parallelklasse hatte eine Kraft, von der er selbst nichts wusste. Eine Kraft, in der man ertrinken mochte. Sie verbarg sich hinter der ganzen Angst, hinter dem Misstrauen. Und jetzt erst, wo er ihm so nahe war, erkannte er sie. Einen Augenblick... Nahe?! Was tat er da überhaupt?! Yano wich erschrocken zurück und starrte die reglose Figur des anderen entsetzt an. Hyuniris Augen waren geweiteter, als er sie jemals erlebt hatte. Die Angst schwamm in ihren Tiefen wie eine lebendige Substanz, die das Blau dunkler erscheinen ließ, intensiver... "Tut mir leid...", murmelte er mit sanfter Stimme, auch, wenn er nicht leugnen konnte, dass er es irgendwie nicht bereute. "Ich wollte nicht..." Er ließ den Satz unbeendet und wartete auf eine Antwort. Irgendeine Antwort. Zumindest eine Geste oder eine Regung in dem wie zu Stein erstarrtem Gesicht. "Schon gut...", rang sich Shina gezwungen ruhige Worte ab, als er endlich die Barriere zwischen sich und der Außenwelt zu brechen vermochte. Er fühlte sich seltsam. Als hätte etwas Dunkles ihn berührt und nicht bloß einer seiner Mitschüler. Als wäre soeben etwas Verbotenes, der restlichen Welt Unzugängliches, geschehen... und nicht bloß ein Unfall. Aber es war eindeutig etwas... na, ja, er konnte es nicht beschreiben... es war etwas Einzigartiges gewesen. Dieses Dunkle, das er hatte spüren können, war nicht direkt unangenehm gewesen. Anfangs vielleicht, aber es wirkte wie ein Pol, der ihn zurückziehen wollte. Zurück an diese seltsame, fremde Wärme. Zurück zu ihm. Doch gleichzeitig stieß ihn der Kontakt zwischen ihnen ab, seine Berührungsangst riss ihn fort und er wusste nicht mehr, wie er sich verhalten sollte... welchem Drang er nachgeben sollte. Vor oder zurück? Mut oder Flucht? Er blieb sitzen, starrte nur verwirrt in die braunen Augen des Anderen, die ihn forschend und fragend anblickten. Doch auch so wirkte er noch auf ihn, als wäre er zu allem fähig, als könnte er im nächsten Moment zu dem wütenden Dämon werden, der vielleicht sogar in ihm steckte. Kitayas Augen weiteten sich plötzlich, als wäre ihm etwas wichtiges eingefallen und Shina blinzelte verwirrt. Besorgnis? War es das, was er nun in dem schönen Gesicht lesen konnte? "Du...", stammelte der Blonde und etwas blitzte in dem Braun der Augen auf, das Shina nicht identifizieren konnte. "Wie fühlst du dich? Alles in Ordnung?" "Äh..." Shina wusste nicht direkt, warum er diese Fragen in diesem Augenblick stellte, nickte jedoch zögerlich. "Ja... mir geht's gut..." "Mensch, Yano!!" Der Rothaarige stand auf einmal neben ihnen, ganz blass um die Nasenspitze. "Was tust du denn?!" "Du warst es doch, der mich gegen ihn geschubst hat!", protestierte Kitaya und rückte noch ein Stück von Shina weg. Der war verwirrter denn je. Wieso dieser Aufruhr um einen kleinen Unfall? Sie wussten doch gar nichts von seiner Berührungsangst! "Aber du hättest besser aufpassen können!", fauchte der Rothaarige, der jetzt ungewöhnlich ernst für seine sonst immer fröhliche Art wirkte. "Du weißt doch, dass..." Er brach ab und die Blicke beider wanderten zu ihm und musterten ihn beinahe... erwartungsvoll? "W-was?", fragte Shina ängstlich. Was wollten sie denn jetzt von ihm? Wieso konnte er nicht einfach gehen und sich unter seiner Bettdecke verkriechen, damit er diesen höllischen Tag ein für allemal aus seinem Kalender streichen konnte? "Es ist vielleicht besser, wenn ich dich zurückbringe!", sagte Uriko mit einem befremdlich erleichterten Seufzer und wandte sich dem Dunkelhaarigen in der anderen Ecke des Zimmers zu, der die Szene aufmerksam beobachtet hatte. "Kleo, rede du mit dem Dickkopf!" Shina spürte, wie er am Handgelenk auf die Füße und in Richtung Tür gezogen wurde. Der vertraute Stich von Angst bei der Berührung und der drückende Schmerz in seinem Bauch, verursacht von Takashi, führten fast dazu, dass er sich losriss und zurückwich, aber er beherrschte sich und kämpfte das beißende Gefühl nieder. Statt dessen drehte er sich halb um und sein Blick traf auf Kitayas. Die braunen Augen strahlten Wärme aus und die merkwürdige, tiefe Verwunderung ließ sie sanfter erscheinen als sonst. Shina wäre am Liebsten umgekehrt und zu ihm zurückgelaufen, aber zwei plausible Gründe verhinderten dies. Der erste war einfach und klar: Uriko schleifte ihn mit sich. Sein Handgelenk war in einem festen Griff, als erwartete der Rotschopf, dass er zurückrennen würde. Der zweite... na, ja... Kitaya war ein berüchtigter Schläger und er selbst war eines der Opfer, die sich die Schläger gerne vornahmen. Das war einfach unlogisch! Und warum sollte er überhaupt zu Kitaya rennen wollen?! Die Tür schloss sich hinter ihm und die Spannung schien zu zerreissen wie ein zu fest gespanntes Band. Dennoch fühlte er sich innerlich leer, wie ausgehöhlt. Uriko, der seltsame Rothaarige, ließ sein Handgelenk mit einem Mal los und winkte ihn zu sich, so dass sie nebeneinander den Gang hinab liefen. "Du solltest Yano lieber etwas fernbleiben..." Ein schwaches Lächeln erhellte das zuvor angespannte Gesicht des Jungen. "Warum?", fragte Shina den etwas Größeren. Wenn er so recht darüber nachdachte, warum sollte er ihm nahe sein wollen?! "Er... ähm... hat Berührungsangst!" Shina war für einen Moment überrascht, bevor ihm aufging, dass das vollkommen gelogen war. Der Gesichtsausdruck des Rothaarigen bewies es, sowie Kitayas Umgang mit anderen Menschen. Er selbst hatte bittere Erfahrungen mit dieser Angst machen müssen und da er den Blonden schon beobachtet hatte, wusste er, dass es nicht Angst war, die ihn von seinen Mitschülern fernhielt. Er wich ihnen aus, jedoch war nie auch nur ein Anzeichen von Angst vorhanden gewesen. Schweigend lief er neben Uriko her. Er wollte nicht sagen, dass er über die Lüge Bescheid wusste. Der Rothaarige hatte sicher seine Gründe, nicht die Wahrheit zu sagen, denn er schien ein sehr ehrlicher Mensch zu sein, der es nicht gewohnt war, zu lügen, was man ihm von der Miene hatte ablesen können. Und außerdem ging es ihn auch nichts an. Er wollte nicht noch tiefer in die Angelegenheiten der drei Schüler hineingeraten, als ohnehin schon. Das musste nun wirklich nicht sein. "Sag mal, Hyuniri...", hörte er den Rotschopf neben sich sagen und bereitete sich innerlich auf das Schlimmste vor, so wie jedesmal, wenn jemand ihn ansprach. Er kam nicht dagegen an. Es war wie ein Schutzreflex, der bei der kleinsten Bewegung alle sorgfältig errichteten Mauern um ihn herum aufbaute. "Was denkst du über Yano?" Er hörte die Unsicherheit in der Stimme und fragte sich, worauf er wohl hinauswollte. Dass er etwas wollte, war klar. Er war ein viel zu offener Mensch, der seine Emotionen und Gedanken anscheinend nicht vor der Außenwelt verstecken konnte. "Er ist ein Mitschüler...", antwortete er also vorsichtig, achtete nebenbei darauf, den Abstand zwischen ihm und seinem Begleiter einzuhalten. "Und sonst?" Was sollte denn das bitte werden, wenn es fertig war? Was beabsichtigte dieser komische Uriko mit dieser Fragerei? Das machte ihm Angst. So viel passierte plötzlich um ihn herum, das er nicht verstand und dem er nicht entkam. "Er ist bekannt als Schläger..." Er versuchte, seiner Stimme einen festeren Klang zu geben als noch vor ein paar Sekunden, doch es misslang. "Ich... fürchte mich vor ihm..." Panik überkam ihn bei dem Gedanken, sie könnten etwas mit ihm vorhaben, von dem er nichts wusste und das er nicht kontrollieren konnte. Er fürchtete die Ungewissheit. Er hasste es, im Dunklen gelassen zu werden. "Okay..." Shina sah den Blick des anderen Jungen leicht unsicher abschweifen. "Das ist gut..." Die letzten gemurmelten Worte, die wohl nicht für seine Ohren bestimmt gewesen waren, machten ihn noch nervöser. Wieso war es gut, dass er Angst vor Kitaya hatte? Wollten sie das? Wollten sie seine Furcht sehen, um sich selbst stark vorzukommen? Das Gefühl von Macht über jemanden anders? Er hielt diese Tortur nicht mehr länger aus! Er musste hier weg! Shina lenkte seine Schritte rasch in einen schmalen Gang, der zu den Besenkammern führte und schob seinen zitternden Körper mit der Geräuschlosigkeit eines gejagten Tieres in eine der vielen Nischen. Er horchte angespannt, die Augen starr auf das Licht gerichtet, das aus dem Flur hereindrang. "Hyuniri?", war kurz darauf die verwirrte Stimme des Rothaarigen zu hören. "Wo bist du?" Die Tür fiel leise hinter den beiden zu und der Raum versank in unangenehmer Stille, bis Kleo schließlich seine Schulutensilien beiseite legte und aufstand. "Du solltest wirklich vorsichtiger sein!", warnte er unwirsch. "Uriko hat schon recht, es ist deine Sache, andere von dir fernzuhalten!" Wortlos beobachtete Yano, wie er auf ihn zukam und sich seufzend zu ihm auf die Couch setzte. Dorthin, wo Hyuniri vor einigen Augenblicken noch gesessen hatte. "Tut mir leid, ich habe nicht darüber nachgedacht...", gab er mit ruhiger Stimme zu. "Es ist schwer, immer alle Menschen meiden zu müssen!" "Du hast aber keine Wahl...", grollte Kleo und lehnte sich zurück. "Du hättest ihn..." "Erzähl mir nichts, das ich schon längst weiß!" Mit schwer unterdrückter Rage sprang Yano von der Couch auf und ballte seine Fäuste, als könnte ihm das helfen, die innere Spannung abzubauen, die ihn erfasst hatte. "Ihm ist nichts passiert! Fertig!" "Hm..." Ein kurzes Schweigen trat ein, welches der Dunkelhaarige nachdenklich wieder brach. "Was die Frage aufbringt: Warum ist ihm nichts passiert?" Yanos Wut verebbte bei den Worten schlagartig und er starrte Kleo verdattert an. Er hatte recht. Hyuniri hatte keines der bekannten Symptome gezeigt. Nur seine übliche Furcht. Das war ihm gleich aufgegangen, als er ihm in die Augen gesehen hatte. Nur warum nicht? Warum reagierte er nicht wie jeder andere auf den engen Körperkontakt, den sie gehabt hatten? "Das müssen wir dann wohl herausfinden...", murmelte er halb zu sich selbst, halb zu den Worten seines Freundes. "Wir werden es herausfinden..." Mit einem Knall flog die Tür auf und Uriko polterte ins Zimmer. "Hyuniri ist weg!", berichtete er panisch. "Wie bitte?!", kam es aus zwei Mündern gleichzeitig. "Er ist wie im Nichts verschwunden!", erzählte der Rotschopf und lief zu seinem Bett, auf das er sich erschöpft fallen ließ. "Im einen Moment war er noch neben mir und im anderen... weg! Einfach weg! Ich habe alles abgesucht!" Etwas beruhigt ließ Yano die Anspannung aus seinem Körper schwinden. "Du hast ihn vermutlich erschreckt!", versuchte er Uriko mit einem halben Grinsen zu beruhigen. "Hab ich nicht!", wehrte der Rothaarige sich. "Ich fragte ihn bloß, was er von dir hält und er sagte mir, er hätte Angst vor dir und dann sagte ich, es sei okay und dann..." "Bleib mal ruhig!" Kleo überschlug die Beine und stützte gelangweilt seine Ellbogen auf sie. "Langsam müsstest du doch wissen, dass er sich nicht wie jeder andere hier verhält!" "Aber er muss doch nicht dauernd wegrennen!", jammerte Uriko verzweifelt. "Ich gebe mir doch wirklich Mühe... äh... warum ist er überhaupt noch so wie vorher?" Der Stimmungswechsel kam unerwartet und doch verwunderte er niemanden. So etwas passierte öfter. "Wenn wir das mal wüssten..." Shina versuchte, ruhig in seinem Bett zu liegen und sich nicht allzu oft herumzuwälzen. Er wollte seine Zimmergenossen nicht auf sich aufmerksam machen. An diesem Tag war schon genug passiert. Er hatte eigentlich gedacht, wenn er erst einmal unter seiner Bettdecke liegen würde, hätte er endlich seine Ruhe und könnte leicht einschlafen, so wie fast jeden Abend. Aber er war rastlos und zudem schmerzte sein Bauch noch höllisch von der letzten Attacke. Er wusste nicht, warum er dieses Ziehen in seinem Körper verspürte, das ihm signalisierte, dass ihm etwas wichtiges fehlte. Nicht das Ziehen des körperlichen Schmerzes, den sein Bauch aussandte. Nein, es war ein seelisches Ziehen, das körperlichem Schmerz fast gleichkam, dennoch irgendwie schlimmer zu sein schien als dieser. Es war verlangender nach Linderung, nicht einfach nur ein dumpfes, drückendes Gefühl, das nach einer Zeit von selbst verschwinden würde. Shina drehte sich erneut um, doch es half nichts, außer, dass sein Magen bei der Bewegung kurz stechend protestierte. Das Ziehen blieb. Wenigstens hatte er vorhin vor diesem Uriko verhindern können, zu humpeln. Da konnte es seinen Bauch wohl doch nicht so schlimm erwischt haben, oder? Er wälzte sich herum und verzog unter Schmerzen das Gesicht. Es tat trotzdem unheimlich weh! Jetzt, wo er ruhig lag, war er sich dessen nur noch deutlicher bewusst. Takashi hatte doch wirklich nicht so fest zutreten müssen... Die Zeit verging schleichend und die Stille, nur unterbrochen von den Atemgeräuschen seiner schlafenden Mitschüler, wurde beinahe unerträglich. Das Ziehen in seinem Innern wollte einfach nicht aufhören. Vielleicht war er ja krank? Shina legte eine seiner schmalen Hände auf seinen Bauch und fühlte die wunde Stelle, die von den Tritten getroffen worden war. Doch sie war eindeutig nicht die Ursache des durchdringenden Ziehens. Das schien sich nämlich langsam, gefolgt von einer Gänsehaut, über seinen ganzen Körper auszubreiten und machte das normale Atmen fast unmöglich. Was war nur los mit ihm? Wurde er etwa tatsächlich krank? Er konnte sich nicht leisten, krank zu werden! Das würde ihn schwach und verletzlich machen. Nicht, dass er das nicht ohnehin schon war, aber in diesem Zustand würde er sich nicht vor seinen Peinigern verstecken können... Ein leichtes Zittern lief durch seinen Körper. Nein, er würde nicht krank werden. Das waren sicher keine Anzeichen einer Krankheit! Er musste sich irren! Versuchte er gerade, sich selbst zu überzeugen? Shina seufzte tief. Er musste sich irgendwie ablenken. Hier liegenzubleiben würde ihn nur verrückt machen! Er stand auf, wartete, bis die dabei entstandenen Bauchschmerzen langsam wieder zurückgingen und schlich schließlich auf Zehenspitzen zu seinem Schrank, dem er das schwere lederne Buch entnahm. Mit diesem tastete er sich in der Dunkelheit zur Tür des Badezimmers und schlüpfte lautlos in den düsteren Raum. Leise schloss er die Tür wieder hinter sich und schaltete erst dann das Licht an, damit der Schein nicht in den Schlafraum vordringen konnte. Ein kühl wirkendes Zimmer erwartete seine an die Dunkelheit gewöhnten Augen und er blinzelte mehrmals, als das Licht ihn blendete. Das fremde Ziehen in seinem Innern war noch immer da, aber nun, da er seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes richten konnte, schien es erträglicher. Er hoffte, er würde es für eine Weile verdrängen können. Shina ließ sich an der kahlen Wand hinab gleiten, bis er auf den kühlen Fliesen saß und sein Rücken gegen die unbequeme Wand lehnte. Er zog die Knie an seine Brust, verzweifelt nach etwas Wärme suchend und legte das Buch obenauf. Vorsichtig schlug er es auf und suchte die Seite, an der er aufgehört hatte zu lesen. Das würde offensichtlich eine sehr lange Nacht werden... und vermutlich ein noch viel längerer nächster Morgen, denn er würde sicher zum Umfallen müde sein... Yano saß auf seinem Bett und starrte das Päckchen in seinen Händen neugierig an. Er war aufgeregt und zugleich fürchtete er sich etwas vor dem, was die kleine Schachtel enthalten könnte. Zögernd zog er das Klebeband ab und hob den Deckel an. Der Inhalt ließ ihn verdutzt blinzeln. Ein kleiner Beutel und ein Umschlag? "Was ist drin?", fragte Uriko von seinem eigenen Bett aus, das seinem gegenüberlag. Kleo, der immer über dem Rotschopf schlief, blickte ebenfalls erwartungsvoll herüber. "Weiß noch nicht...", murmelte Yano als Antwort und nahm den Beutel in die Hand. Etwas kleines, schweres schien in ihm zu sein. Er drehte ihn um und ließ das kleine Etwas in seine offene Handfläche plumpsen. Yanos Augen weiteten sich und er starrte fassungslos das Schmuckstück an, das Takashi ihm hatte bringen lassen. "Was ist das?", fragte Kleo und beugte sich interessiert herüber. "Das ist... der Anhänger von... der Anhänger gehört meiner... Schwester..." Der Blonde ballte die Hand mit dem Schmuckstück wütend zu einer Faust, so dass sich die scharfen Kanten des Metalls schmerzhaft in seine Handfläche drückten. "Deine Schwester?", fragte Uriko verblüfft. "Du meinst Ihicho?" "Ja..." Yano grollte in purem Zorn und sprang auf. Die Schachtel fiel achtlos zu Boden und rollte ein Stück weit davon. "Den Kerl schnappe ich mir!!" "Yano!" Uriko reagierte prompt und hielt seinen Freund an den Schultern fest. "Lass mich los!", knurrte der Blonde und versuchte, sich loszureißen. "Das ist nicht der richtige Zeitpunkt!" Die ernste Stimme des Dunkelhaarigen ließ Yano innehalten. Uriko hätte keine Chance gehabt, ihn zurückzuhalten, wenn er sich wirklich hätte losmachen wollen, aber Kleos kühle Worte schafften es immer. "Willst du etwa jetzt losrennen?", fragte Kleo leicht abfällig. "Rauf zu den Oberklässlern? Und das, ohne vom Hausmeister gesehen zu werden, der direkt an der Treppe sein Büro hat? Du weißt, der alte Mann passt abends immer auf!" Yano grollte noch einmal, beruhigte sich jedoch langsam. Kleo hatte schon recht. Er durfte jetzt nicht von Emotionen getrieben handeln. Er begriff nun, warum Takashi ihm das Päckchen nicht persönlich gegeben hatte. Er wäre diesem Zimmer nicht wieder heile entkommen! "Nur... was soll das mit dem Anhänger?", fragte Uriko und schaute ratlos auf das schöne Schmuckstück, als Yano verwirrt auf seine Hand hinab sah. "Ich weiß es nicht!", antwortete er mit einem unangenehmen Gefühl im Magen. "Aber er hat meiner Schwester etwas angetan! Sonst hätte er ihren Anhänger nicht!" "Hier ist ein Brief!" Kleo bückte sich plötzlich und hob den weißen Umschlag auf, der aus dem Päckchen gefallen sein musste. "Gib her!" Yano entriss seinem Freund das Papier und öffnete den Brief mit ungeduldigen Fingern. Ein weißer Zettel kam zum Vorschein. Sein Blick fiel sofort auf die ordentliche, jedoch purpurrote Schrift. Viel stand dort nicht. Was dort stand, ließ allerdings das Blut in seinen Adern gefrieren. "Yano Kitaya, ich weiß alles über das kleine, dreckige Geheimnis deiner Familie. Deine schweigsame Schwester kann sehr viel reden, wenn man sie nur ein klein wenig dazu auffordert. Denk an meine Worte, wenn wir uns das nächste Mal treffen. Ich habe dich in meiner Hand und du wirst mir doch sicherlich gerne einen kleinen Gefallen tun, oder?" "Einen Gefallen?", fragte Kleo, der ihm über die Schulter geschaut hatte. Uriko, der nicht groß genug war, um dasselbe zu tun, hatte sich an Yanos Seite gedrängt, um mitlesen zu können und sah aus, als würde im nächsten Moment auch mit ihm das Temperament durchgehen. "Dieser Mistkerl hat Ihicho weh getan!!", platzte er heraus. "Sonst hätte sie ihm nie von dem Geheimnis erzählt! Er muss ihr weh getan haben!!" "Bleib ruhig." Yanos Stimme klang ruhig. Tödlich ruhig. Er konnte es beinahe selbst spüren. Es war wie die Ruhe vor dem Sturm. "Morgen.", sagte er fest. "Warte bis morgen." >Takashi, das wirst du noch bereuen...< Das Papier knisterte, als er es in unterdrückter Wut zerknüllte. To be Continued... Ja, ich weiß, eine dumme Stelle! Aber es passte gerade so schön! Ich bin schon megaweit in der Story (irgendwo bei Seite 60), konnte sie aber nicht veröffentlichen, was mich einige nerven gekostet hat! Aber jetzt dürften die nächsten teile recht schnell kommen, denn dieser rechner hat endlich ein Diskettenlaufwerk!! *jubel* Ich kann veröffentlichen!! So, das war's für heute! Ich danke noch einmal allen für die netten Kommentare und hoffe auf gutes Feedback! der Plot ist übrigens soweit ausgebaut, also gibt es da kein Problem! Na, denne Tara Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)