Fire in the Rain von Schangia (Wichtelgeschichte für ChocolateChip) ================================================================================ Kapitel 5: Sprühregen --------------------- Nach dem Gewitter in der Nacht zuvor war der Boden an diesem Morgen von unzähligen Pfützen überzogen. In ihnen spiegelte sich der Himmel, sodass es viel eher so wirkte, als würden sie auf flüssigem Silber laufen als auf braunem Grund. Es regnete zwar immer noch, doch selbst die Mugiwara hatten sich mittlerweile so sehr daran gewöhnt, dass sie der leichte Niesel nicht mehr störte. Sie waren mit dem Sonnengang aufgestanden und machten sich seit etwa einer halben Stunde bereit zum Aufbruch. Kalan hatte Nami am Vorabend noch eine Karte gezeichnet, die ihnen den Weg höher auf den Berg einfacher machen sollte. Savi und er selbst würden im Dorf zurückbleiben, während ein Dutzend junger Männer mit der einen Gruppe zum Krater gehen würde. Luffy hatte darauf bestanden, dass sie Verpflegung mitnahmen, und nachdem diese verstaut und sie ihr Vorgehen ein letztes Mal durchgegangen waren, verließen die zwei Gruppen das Dorf aus unterschiedlichen Ecken. Zoro, Sanji, Usopp und Nami – die mit der Karte in der Hand vorausging – liefen Richtung Norden auf einem schmalen Pfad, der sich den Berg hinaufwand. Je höher sie kamen, desto steiler wurde der Aufstieg. Laut Kalan befand sich die Basis von Samidares Bande an einem anderen Vulkankrater, dem höchsten auf der Insel. Sie verbrachten einen Großteil des Weges schweigend, sodass jeder seinen eigenen Gedanken nachhängen konnte. Mit der Zeit geriet Usopp ins Grübeln und kratzte sich ab und an nachdenklich am Kinn. »Ist es wirklich okay, wie wir das handhaben?«, fragte er schließlich, den Blick besorgt gen Himmel gerichtet. Sanji warf ihm einen kurzen Blick zu. »Was meinst du?« »Na, wie wir an die ganze Sache herangehen. Wir haben ja nicht einmal einen richtigen Plan!« »Wann hatten wir den je, wenn es nur darum ging, den Gegner zu besiegen?« Zoros Auflachen war so ungeniert amüsiert, dass Usopp es ihm fast schon übel nahm. Am liebsten hätte er mit etwas Cleverem oder sogar Beleidigendem gekontert, doch aus Angst um seine körperliche Unversehrtheit hielt er sich zurück. »Und du meinst nicht, dass wir uns damit irgendwann mal richtig auf die Nase legen?« Es war Sanji, der darauf antwortete: »Du hast doch gesehen, wie schwach Samidares Leute waren. Wenn das bereits die Hälfte seiner Bande war, mache ich mir eigentlich keine Sorgen um uns.« Usopp sah so aus, als würde er sich am liebsten einige Büschel Haare ausreißen. Frustriert seufzend rieb er sich die Schläfen, ehe er zu einer Antwort ansetzte. »Dieses bodenlose Selbstvertrauen ist es, das euch irgendwann—« »Usopp, lass die beiden. Du weißt doch, wie sie sind«, unterbrach ihn Nami, die bisher schweigend zugehört hatte. Usopp seufzte erneut, diesmal resignierend, und fügte sich seinem Schicksal. Eigentlich hatten sie ja recht, aber er konnte nicht anders, als sich Sorgen zu machen. Wie enttäuschend wäre denn das Ende ihrer Geschichte, wenn ihre Gegner tatsächlich so schwach waren, wie sie den Anschein machten? Eine Weile lang folgten sie schweigend dem Weg, achteten mal mehr, mal weniger auf ihre Umgebung. Wenn sie nach links in Richtung Abgrund blickten, konnten sie etwas weiter oben sehen, wie sich der Pfad, auf dem sie sich befanden, immer weiter hinaufschlängelte. Plötzlich fiel Usopps Blick auf einen Abschnitt, der etwas weniger dicht mit Bäumen bewachsen war als der übrige Weg. »Wartet mal.« Er hielt an und legte die Stirn in Falten. Dann hob er einen Arm und zeigte den anderen die Stelle, die ihm eben aufgefallen war. »Seht ihr das? Dort drüben haben sich einige von ihnen auf die Lauer gelegt, um uns zu überraschen.« Die Blicke der anderen folgten seinem ausgestreckten Arm, und an ihren Gesichtsausdrücken, die irgendwo zwischen Unglaube und Ärger lagen, erkannte er, dass sie wussten, was er meinte. Niemand von ihnen wusste so recht, was er sagen sollte. Letzten Endes erbarmte Nami sich, wenn auch zögerlich. »Liegt es nur an mir, oder wirken die auf euch auch sehr... einfach gestrickt?« Sie alle nickten zustimmend. »Der Einzige, der in so eine offensichtliche Falle laufen würde, ist Luffy«, murmelte Zoro genervt, während Sanji sich an Usopp wandte. »Kannst du dich darum kümmern?« »Verlass dich drauf!« Selbstbewusst klopfte er sich mit einer Faust auf die Brust, ein breites Grinsen auf den Lippen. Während er in seiner Tasche nach einigen Geschossen kramte, fügte er bemüht beiläufig hinzu: »Am besten, ich lenke sie von hier ab, während ihr dem Pfad folgt.« Eine gute halbe Minute herrschte Stille zwischen ihnen. Je länger sich das Schweigen zog, desto schwerer wurde es für Usopp so zu tun, als ob er immer noch nach seiner Munition suchen würde. »Und was machst du danach?«, meinte Nami irgendwann, die Stimme flach und trocken. Ertappt sah Usopp auf, rieb sich den Hinterkopf und begann nervös zu lachen. Neben ihm legte Zoro genervt den Kopf in den Nacken und stöhnte laut auf. »Gib doch einfach zu, dass du keinen Bock hast, den Rest des Berges zu besteigen.« Anstatt ihm darauf zu antworten, warf Usopp sich in eine theatralische Pose und räusperte sich leise, bevor er mit perfekt eingeübter Dramatik einen Monolog begann. »Meine teuren Freunde, trauert nicht um meinen Verlust! Behaltet mich in Erinnerung als den tapferen Helden, der bereitwillig sein Leben für euch gab, um euch vor den gegnerischen Truppen zu retten. Wisset, dass euch mein Geist auf eurem Weg auf diesen unnötig steilen, nassen Berg begleiten wi—« »Lasst uns einfach gehen. Vermutlich reicht sowieso einer von uns aus, um das zu regeln«, unterbrach Sanji ihn monoton und setzte sich dann in Bewegung. Zoro und Nami folgten ihm wortlos, sodass nur noch Usopp zurückblieb, dem ein wenig Schamesröte ins Gesicht stieg. »H-hey, ich war noch nicht fertig!« Ohne stehen zu bleiben oder sich umzusehen hob Nami den Arm und winkte ihm zu. »Erzähl uns den Rest, wenn du als Geist hinter uns her schwebst.« Darauf wusste Usopp keine schlaue oder notfalls sarkastische Antwort, also beließ er es bei einem missmutigen Grummeln, bis die drei außer Hörweite waren. Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, bereitete er sich darauf vor, die Bandenmitglieder von seinem Standpunkt aus auszuschalten. Sie hatten sich so furchtbar dilettantisch versteckt, dass er sogar kurz darüber nachdachte, ob das nicht ein Trick sein könnte. Da es aber letzten Endes egal war – schließlich würde er sie so oder so mit einem Schuss außer Gefecht setzen –, zuckte er nur mit den Schultern und wartete auf den richtigen Moment, um seinen Freunden den Weg zu bereiten. Luffy rannte schon seit einigen Minuten mehrere Meter von seiner Gruppe entfernt voraus, obwohl er den Weg zum Krater gar nicht wusste. Die Dorfbewohner, die sie begleiteten, schien das nicht sonderlich zu beunruhigen, immerhin hatten sie mit eigenen Augen miterlebt, wie stark der junge Pirat war. Die anderen Crewmitglieder waren jedoch wenig begeistert von seinem Verhalten. Als es Robin zu anstrengend wurde, ihn immer wieder zu ermahnen, ließ sie einen Arm aus dem Boden vor ihrem Captain wachsen, packte ihn fest am Knöchel und brachte ihn so zu Fall. Er schrie zwar auf, landete jedoch mit dem Gesicht voraus auf dem Boden und verstummte deshalb fast augenblicklich wieder. »Rooobiiin, wiesooo?« Luffy hatte sein Gesicht zur Seite gedreht, lag nun auf seiner rechten Wange und starrte empört nach oben, als Robin und die anderen an ihm vorbeigingen. »Wir wissen nicht, ob Samidare einige seiner Leute zum Krater geschickt hat, also sollten wir vorsichtig sein«, erklärte sie lächelnd. Franky konnte sein Lachen nicht ganz so gut zurückhalten und drehte Luffy vorsichtshalber den Rücken zu. Luffy schob seine Unterlippe vor und blieb noch eine Weile beleidigt liegen. Sobald er die anderen kaum noch sehen konnte, sprang er auf und schloss eilig zu ihnen auf, auch wenn er sie keines Blickes würdigte. Seinen Platz an der Spitze der Gruppe hatte er schnell wieder eingenommen. Eine Weile folgten sie dem Weg ohne Probleme. Robin und Chopper unterhielten sich angeregt mit den Rappahan, Franky und Brook redeten darüber, wie sie möglichst effizient große Mengen des Wassers transportieren konnten, und Luffy schmollte immer noch leise vor sich hin. Als plötzlich ein Mann aus dem Gebüsch sprang und sich mit wildem Geschrei auf sie stürzen wollte, holte er wortlos mit einem Arm aus, traf ihn in der Körpermitte und schleuderte ihn mindestens zehn Meter durch die Luft. »Hast du sie nicht gehört? Wir sollen vorsichtig sein«, maulte er, den Blick immer noch auf den Weg vor sich gerichtet und ohne zu bemerken, dass er soeben einen von Samidares Männern ausgeschaltet hatte. Nami, Sanji und Zoro hatten mittlerweile fast den Krater erreicht, an dem sich Samidares Basis befand. Der Regen war stärker geworden, doch das konnte auch schlichtweg daran liegen, dass weniger Bäume am Wegesrand wuchsen, die das Wasser mit ihren Kronen abfangen konnten. Da sie sich nur noch wenige Minuten Fußweg von ihrem Ziel entfernt befanden, musterten die drei ihre Umgebung etwas genauer und bemühten sich darum, möglichst vorsichtig zu sein. »Wer schlägt dem Dreckskerl eigentlich gleich den Schädel ein?«, fragte Sanji in die Runde. Nami wollte ihm darauf antworten, doch Zoro packte beide an der Schulter und zwang sie zum Stehen. Gerade als die beiden protestieren wollten, schlug eine Kugel im Boden vor ihnen ein. Sofort schossen ihre Blicke in die Richtung, aus der die Attacke gekommen war. An der Wegkreuzung einige Meter vor ihnen traten zwei Gestalten aus dem Gebüsch, ein Mann und eine Frau. Letztere fuhr sich mit einer Hand durch ihr langes, hellblaues Haar und brach in schallendes Gelächter aus. »Sie sind besser als gedacht, nicht wahr, Anan?« »Aber das wird sie auch nicht retten, Aria«, belehrte der Mann sie. Seine Haare hatten die gleiche Farbe wie ihre, doch im Gegensatz zu ihr trug er einen Afro. Ihre Kleidung, zum größten Teil in verschiedenen Gelb- und Orangetönen gehalten, stach sich unangenehm mit ihrer Haarfarbe. Beide hielten eine Pistole in der Hand; der Mann trug zusätzlich noch ein Gewehr auf dem Rücken. »Was sind das denn für Vögel?«, fragte Sanji skeptisch, erhielt jedoch keine Antwort von Nami oder Zoro, sondern von ihren Gegnern persönlich. »Wie unhöflich! Wir sind Samidares rechte und linke Hand«, rief die Frau laut und zeigte dann in einer dramatischen Pose auf sich selbst. »Aria!« »Und Anan!«, fügte der Mann hinzu, während er sich ähnlich peinlich in Pose warf. »Unter Samidare haben wir uns als die Teufelszwillinge einen Namen gemacht und sind auf der Grand Line bekannt und gefürchtet. Geboren unter einfachen Verhältnissen im North Blue haben wir uns seiner Bande vor vielen Jahren angeschlossen. Seitdem fürchtet uns die Marine so sehr, dass sie sich nicht wagen, ein Kopfgeld auf uns auszuse—« Mehr hielt Zoro nicht aus; er stöhnte so genervt auf, dass Aria irritiert innehielt. »Warum denken solche Typen immer, dass man sich für ihre Lebensgeschichte interessiert?«, motzte er, das Gesicht in einer Handfläche vergraben. Sanji rollte nur mit den Augen. »Lass die Dame zumindest ausreden. Ein Gentleman fällt Frauen nicht ins Wort.« Zoro konnte nicht ganz fassen, was der andere da gesagt hatte und starrte ihn mit offenem Mund an. Ehe er jedoch etwas erwidern konnte, ergriff Nami das Wort. »Wir haben jetzt keine Zeit, uns mit den zwei Lachnummern zu begnügen. Lasst sie uns schnell erledigen, damit wir weiter können.« Sie wirkte unruhig, unausgeglichener als sonst, und hatte die Stirn in Falten gelegt. Zoro und Sanji tauschten einen wissenden Blick aus und nickten sich kaum merklich zu. »Nami-san, mach dir keine Gedanken um die zwei hier und geh schonmal ohne uns vor«, schlug Sanji in einer Tonlage vor, in der man für gewöhnlich übers Wetter redete. Zoros Stimme klang ähnlich, nur dass man sein Grinsen noch heraushören konnte. »Wir regeln das, kümmere du dich um Samidare.« Nami wusste im ersten Moment nicht, was sie darauf sagen sollte. Nach einiger Zeit fragte sie zögerlich: »Seid ihr euch sicher?« »Ich kann mir niemanden vorstellen, der es mehr verdient, so einen Typen zu Fall zu bringen.« Sanjis Lächeln trieb ihr fast Tränen in die Augen. Hastig wischte Nami sie weg, atmete einmal tief durch und nickte dann entschlossen. »Danke, Jungs. Seid vorsichtig!« Damit lief sie los, vorbei an Aria und Anan, die sie gewähren ließen und nicht einmal daran zu denken schienen, ihr zu folgen. Es dauerte nicht lange, bis sie vollständig aus ihrem Sichtfeld verschwunden war. Ihre zwei Gegner waren derweil viel zu sehr mit ihren Posen beschäftigt, als dass sie sich darum hätten kümmern können, Nami hinterher zu rennen. »So nobel von euch, das Mädchen entkommen zu lassen«, tönte Aria, während sie sich in gespielter Dramatik eine Hand an die Stirn legte. Ihr Bruder pflichtete ihr bei. »Aber auch so töricht«, rief er laut, zog seine Silben unnatürlich lang. Zoro rieb sich die Schläfen und seufzte tief. Das Theater der beiden bereitete ihm allmählich Kopfschmerzen, also wollte er den Kampf – von dem er sich nicht viel Spannung erhoffte, wenn er ehrlich war – so schnell wie möglich hinter sich bringen. »Die zwei gehen mir jetzt schon auf die Nerven«, murmelte er, worauf Sanji zustimmend nickte. »Dann lass sie uns schnell besiegen und Nami-san folgen.« Sie wollten sich zum Angriff bereit machen, doch Arias schrilles Lachen ließ sie innehalten. Zoro hielt sich mit einer Hand die Ohren zu, und sogar Sanji verzog das Gesicht. »Ihr wollt uns besiegen? Schwachsinn!« Neben ihr stützte Anan sich auf einem Knie ab und räusperte sich. »Meine große Schwester hat die Toki Toki no Mi gegessen. Damit kann sie die Zeit aller leblosen Dinge in einem Umkreis von 5 Metern langsamer oder schneller laufen lassen. Gepaart mit unseren Schusswaffen sind wir unschlagbar! Ihr habt keine Chance gegen uns!« Für einen Moment schien es so, als hätte sogar der Regen gestoppt. Oder vielleicht demonstrierte Aria auch gerade ihre Teufelskraft, indem sie die Zeit der einzelnen Regentropfen langsamer vergehen ließ. So oder so war Zoro mehr als genervt von den beiden. »Wieso erzählt ihr uns das? Wäre es nicht klüger, wenn ihr das für euch behalten würdet?«, schrie er diesmal, während er mit den Armen fuchtelte und die Zwillinge beinahe schon vorwurfsvoll ansah. »Diskutier nicht mit denen, du weißt doch, wie solche Typen drauf sind«, versuchte Sanji halbherzig, ihn zu beruhigen, doch Zoro regte sich mittlerweile viel zu sehr auf, als dass er noch auf ihn hören würde. Es ärgerte Sanji, dass der andere nicht aufmerksamer war und ihre Gegner – so lächerlich sie auch waren – nicht ein wenig ernster nahm. Er hörte ihm nur noch am Rande zu, als er sah, wie Aria mit ihrer Pistole auf sie zielte. »Dir geht das doch genauso auf den Piss wie—« Zoro war so überrumpelt von dem lauten Schuss und dem plötzlichen Gewicht, das ihn zur Seite auf den Boden warf, dass er erstickt aufschrie. Er brauchte einige Augenblicke, um zu begreifen was geschehen war, und um zu realisieren, dass Sanji fast komplett auf ihm lag. »Spinnst du?! Was ist denn bei dir kapu— oi, alles in Ordnung?!« Nachdem Zoro die letzten Sekunden endlich verarbeitet hatte, wollte er sich gerade lauthals über Sanjis Aktion beschweren, als ihm dessen verzerrter Gesichtsausdruck auffiel. Sanji war bereits im Begriff sich aufzurichten, als Zoro instinktiv begann, seinen Körper nach Wunden abzusuchen. »Nur ein Streifschuss am Bein, nichts Dramatisches.« Sanji sah kurz zu Aria und Anan, die schallend lachten und sie momentan gar nicht mehr zu beachten schienen, ehe er sich wieder zu Zoro drehte und kurz innehielt. Er wusste nicht, wie er Zoros Blick zu deuten hatte, aber ihm missfiel, dass er meinte, Schuld darin erkennen zu können. Ehe er ihn jedoch darauf ansprechen konnte, schnalzte Zoro mit der Zunge. »Ich kann nicht glauben, dass wir nach einem Kampf gegen solche Idioten mit einem Verletzten zurückkommen.« Er hatte sich wohl verhört. Sanjis erster Impuls war, ihm dafür mitten ins Gesicht zu treten, aber er hielt sich zurück und kramte stattdessen nach einer Zigarette und seinem Feuerzeug, um sich zu beruhigen. »Ein ›Danke‹ wäre angebrachter, Grasschädel«, murrte er, nachdem er einen tiefen Zug genommen hatte. Er erwartete, dass Zoro ihm ebenfalls eine leere Beleidigung entgegenschleudern würde, so wie es bei ihnen üblich war, doch er tat nichts dergleichen. Vielmehr richtete er sich ebenfalls auf und starrte ihre Gegner so wütend an, dass es Sanji nicht gewundert hätte, wenn sie unter seinem Blick zusammengezuckt wären. »Wie wäre es, wenn ich ihnen aus Dankbarkeit die Schädel spalte?« Zoros Reaktion erstaunte und rührte ihn zugleich, aber warum der andere auf einmal so wütend war, konnte er auch später noch herausfinden. Er selbst brannte darauf, es den zwei Witzfiguren heimzuzahlen. »Hmpf, barbarisch wie eh und je.« Er zog ein letztes Mal an seiner Zigarette, fixierte Aria mit seinem Blick und legte die Stirn in Falten. »Die Lady gehört mir.« Nami rannte trotz der zunehmenden Steigung so schnell sie ihre Beine trugen. Je höher sie kam, desto mehr lichteten sich die Bäume und Büsche am Wegesrand. Den Krater, an dem sich Samidares Basis befand, konnte sie schon seit einigen Minuten sehen; er war mittlerweile nur noch wenige hundert Meter entfernt. Als der Weg vor ihr endlich breiter wurde und hinter einer weiteren Steigung plötzlich abzufallen schien, wusste sie, dass sie ihr Ziel erreicht hatte. Sie wurde langsamer und betrat vorsichtig das feindliche Gebiet. Die Basis, von der man im Dorf ehrfürchtig gesprochen hatte, bestand nur aus einigen kleinen Schuppen und einem größeren Gebäude, in dem die Bandenmitglieder vermutlich schliefen und das Wasser zwischenlagerten. Allzu viel Zeit sich umzusehen blieb Nami nicht. Kurz nachdem sie den Weg verlassen hatte, bemerkte sie einen hochgewachsenen Mann mit kurzen blonden Haaren, der in einigem Abstand vor der Basis stand und auf sie zu warten schien. »Oh? Ich dachte, Aria und Anan wollten sich um euch kümmern«, tönte er gespielt überrascht, ein selbstsicheres Grinsen auf den Lippen. Alles an seinem Auftreten machte sie wütend, ließ sie beinahe ihre eigene Galle im Mund schmecken. Herausfordernd reckte Nami ihm das Kinn entgegen und spiegelte seine arrogante Haltung. »Die beiden dürften schon längst besiegt am Boden liegen.« Diesmal schien er tatsächlich ein wenig überrascht. »Dann hat euer Boss nicht nur dich auf die Jagd geschickt? So viel Grips hätte ich euch gar nicht zugetraut.« Samidare ging ein paar Schritte auf sie zu, doch Nami schwieg eisern. In ihren Augen gab es nichts, das der Mann vor ihr sagen konnte, um ihre Meinung von ihm zu ändern. Sie war gekommen, um ihn auszuschalten – nicht mehr und nicht weniger. Ihm schien es jedoch nicht zu gefallen, dass sie kaum reagierte. »Seid ihr auch hinter dem Wasser her?« Samidare verzog kurz das Gesicht, als ob er auf etwas Saures gebissen hätte, bevor sein Grinsen zurückkehrte. »Tut mir leid, euch zu enttäuschen, aber wir waren zuerst hier.« Namis Blick verdunkelte sich. »Falsch, die Rappahan waren zuerst hier.« Samidare sah sie überrascht an, brach jedoch bald in schallendes Gelächter aus, das so rau klang, wie sein Gesicht aussah. Er zelebrierte sein Lachen fast schon, zog es in die Länge und tat so, als wischte er sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Hör mal, Kleine. Ich weiß nicht, warum ihr denen helfen wollt, aber dass wir an ihrer Stelle mit dem Wasser Geld verdienen, steht uns zu. Wir sind nämlich—« »Spar dir den Atem, deine Geschichte interessiert mich nicht«, unterbrach Nami ihn mit harter Stimme, müde von seinem affektierten Gerede. »Kein Grund, mich so hasserfüllt anzugucken.« Abwehrend hob er die Hände vor seinen Oberkörper, doch sein Grinsen verschwand nicht. »Du kannst ohnehin nichts gegen mich ausrichten. Sogar das Wetter ist auf meiner Seite!« Er lachte erneut, laut und unnatürlich, doch es klang gedämpfter als zuvor. In den letzten paar Minuten war der Regen stärker geworden und prasselte nun gnadenlos auf sie nieder. Der Wind hatte an Geschwindigkeit zugenommen und dunkle Wolken über den Krater getrieben, auf dem sie sich befanden. Einige Blitze zuckten in den fast nachtschwarzen Wolkenbergen umher, sprenkelten sie mit hellen Flecken. Samidare schien so siegessicher, dass er Namis Grinsen nicht bemerkte, als sie ihren Klimataktstock hoch über ihren Kopf hielt. »Glaubst du, ja? Dann mach dich mal auf eine Überraschung gefasst.« Franky erwies sich als der wohl nützlichste Begleiter ihrer Gruppe. Sie waren vor einer guten Viertelstunde am Krater angekommen, der dank des Gewitters am Vorabend fast bis zum Rand mit dem besonderen Wasser gefüllt war. Es war klar und schien gerade vor dem tristen Grau der Insel blaugrün zu leuchten. Die Dorfbewohner waren direkt an die Arbeit gegangen, doch Franky hatte sie nach einigen Minuten gestoppt und ihnen Vorschläge gemacht, wie sie effizienter arbeiten und mehr Wasser in der gleichen Zeit gewinnen konnten. Sie wollten gerade richtig mit der Arbeit beginnen, als Luffy plötzlich angestrengt in die Richtung starrte, aus der sie gekommen waren. Nach einigen Augenblicken grinste er breit und winkte aufgeregt. »Usopp! Hier sind wir!« Die anderen blickten ebenfalls auf und warteten, bis Usopp zu ihnen aufgeschlossen hatte. »Das ging aber schnell. Wo sind die anderen?«, fragte Chopper neugierig, der momentan in seiner Rentierform vor einen Karren gespannt war, auf den später das Wasser geladen werden sollte. »Wir haben uns aufgeteilt. Die drei sind weitergegangen, während ich mich um diejenigen gekümmert habe, die uns einen Hinterhalt legen wollten.« Usopp sah sich interessiert um, damit er sich ein schnelles Bild von ihren Arbeitsschritten machen konnte. Dann grinste er in die Runde. »Kann man euch zur Hand gehen?« Sanji war letzten Endes doch nicht dazu in der Lage gewesen, ordentlich gegen Aria zu kämpfen. Wobei es sowieso kein ordentlicher Kampf gewesen war, zumindest nicht, wenn man ihn und Zoro fragte. Sie waren zeitgleich auf ihre Gegner losgelaufen, doch als Zoro das Zögern des anderen gespürt hatte, hatte ein Blick genügt, damit sie ihr Ziel tauschten. Sanji hatte einen Kick und Zoro einen Hieb mit der stumpfen Seite seines Schwertes benötigt, bis Aria und Anan vor ihnen auf dem Boden lagen und sich nicht mehr bewegten. Etwas überrumpelt von der lächerlich kurzen Dauer ihres Kampfes stieß Zoro beide mit seiner Schwertscheide an. Entweder, sie stellten sich bewusstlos, oder sie waren tatsächlich nach nur einem Schlag am Ende. »Mir war zwar klar, dass wir gewinnen würden, aber das ist ziemlich traurig.« Unschlüssig darüber, was sie als nächstes tun sollten, fuhr Zoro sich mit einer Hand durch das kurze Haar und bedachte ihre Gegner mit einem letzten, enttäuschten Blick. Als Sanji ihm nicht antwortete, räusperte er sich kurz. »Wie geht's deinem Bein?« Für einen Moment sah er so hilflos aus, dass Sanji nicht anders konnte als zu lächeln. »Nicht viel anders als sonst auch.« Er warf Zoro einen amüsierten Blick zu, auf den dieser nur beleidigt schnaubte. In der Stille, die danach zwischen ihnen herrschte, sahen sie beide zum Himmel hinauf. In der Richtung, in die Nami vor einigen Minuten verschwunden war, hatten sich Sturmwolken zusammengezogen. Der Wind riss an ihrer Kleidung, kühlte die schwüle Luft ab. Plötzlich zerriss ein Blitz den dunklen Himmel und schlug in dem Krater weiter oben ein. Sanji streckte sich ausgiebig und grinste schief. »Nami-san dürfte auch gleich fertig sein. Lass uns solange hier warten.« Es war ein Leichtes für Nami gewesen, ein Gewitter hinaufzubeschwören. Selbst ohne die bereits aufgestauten Wolken und den Regen war es nicht allzu schwer, aber so hatte sie sich nicht einmal anstrengen müssen. Der erste Blitz war vor Samidares Füßen eingeschlagen, hatte ihn so erschrocken, dass er nach hinten gefallen war. Wenige Sekunden später traf der zweite Blitz sein Ziel punktgenau. Samidares Aufschreien klang erstickt und abgehackt, als er nach einem kurzen Aufbäumen zu Boden fiel und bewegungslos liegen blieb. Nami wusste nicht ganz, was sie damit anfangen sollte. Sie legte den Kopf schief und ging zügigen Schrittes auf den regungslosen Mann zu. Etwas ratlos blieb sie vor ihm stehen und rief ein paar mal laut seinen Namen, worauf er jedoch nicht antwortete. »Ist das sein Ernst?«, murmelte sie eher zu sich als zu ihm, ehe sie ihm einen kräftigen Tritt in die Seite verpasste. Er ächzte, wachte allerdings nicht auf. Nami rollte mit den Augen und seufzte laut. »Was für ein Waschlappen.« Dann bückte sie sich, griff ihm ins Haar und zog ihn daran zurück zu Sanji und Zoro, um mit den besiegten Piraten ins Dorf zurückzukehren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)