Fire in the Rain von Schangia (Wichtelgeschichte für ChocolateChip) ================================================================================ Kapitel 3: Schauer ------------------ Nachdem die Crew sich gefangen hatte, hatten sie Savis Großvater an Bord geholt. Ohne großartig auf sie zu achten war der alte Mann aufs Schiff gestolpert und hatte seine Enkeltochter fest in die Arme geschlossen. Wenn man sie zusammen sah und sich ihre auffällige Kleidung betrachtete, erkannte man sofort, dass sie miteinander zu tun haben mussten. Ihre Haare zierte aufwändiger Schmuck, die Kleidung war in verschiedene Blau- und Grüntöne gehalten, die an Seen, das Meer und andere Gewässer erinnerten. Nach all der Zeit, die sie bereits im Regen verbracht hatten, waren sie all bis auf die Knochen durchnässt – zum Glück war es warm genug, dass sie dennoch nicht froren – und wollten nur noch ins Warme, also schlug Robin vor, alle weiteren Gespräche ins Esszimmer zu verlegen. Savi und ihr Großvater folgten ihnen, in diesem Moment einfach nur froh, einander wiedergefunden zu haben. Während sie sich alle in der Küche versammelt hatten, hatte Zoro Chopper kurz beiseite genommen und ihn gebeten, sich auf den Schoß des Mädchens zu setzen, sofern das für sie in Ordnung war. Chopper hätte ihn gerne darauf angesprochen, ob er ihm dazu riet, weil er sich wegen seiner vorhergegangenen Grobheit schuldig fühlte, aber da Zoro es ohnehin niemals zugeben würde, ließ er es ruhen. Nachdem er sich ausgiebig geschüttelt hatte und wieder weitestgehend trocken war, tapste er also auf zu Savi, zupfte an ihrem Oberteil und ließ sich von ihr auf den Schoß heben, nachdem sie ihn auf seine Frage hin glücklich angelächelt hatte. Sanji versorgte derweil alle mit warmen Getränken und ließ nebenher eine Suppe köcheln, damit sie zu Mittag essen konnten, sobald alles weitere geklärt war. Er war froh, dass er eine Beschäftigung hatte und nicht mit den anderen am Tisch saß; die Stimmung war zwar nicht mehr angespannt, aber die ganzen unbeantworteten Fragen der Crew hingen unangenehm in der Luft. Die meisten von ihnen saßen am Esstisch, Savi neben ihrem Großvater, der vor Kopf saß und seit einiger Zeit konzentriert auf seine im Schoß gefalteten Hände sah. Nami hatte sich neben Savi gesetzt und dankte Chopper still dafür, dass er sich um die Kleine kümmerte. Franky und Zoro hatten mit der Couch an der Wand vorlieb genommen, wobei Letzterer wieder kurz davor war einzuschlafen. Ab und zu stieß Franky ihn mit der Schulter an, damit er die Augen offen behielt. Nachdem das geschäftige Treiben nachgelassen und jeder sich beruhigt hatte, richtete die Crew ihre erwartungsvollen Blicke auf ihre zwei Gäste. Der alte Mann spürte die vielen Augen auf sich, atmete einige Male tief durch und blickte schließlich in die Runde. »Entschuldigt, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Kalan, ich bin der Dorfälteste der Rappahan und Savis Großvater. Vielen Dank für eure Gastfreundschaft.« Seine Stimme klang viel ruhiger und voller als noch vor einigen Minuten. Wäre er körperlich in besserer Verfassung gewesen – ohne vor Sorge eingefallenen Wangen und erschöpften Augen –, hätte man ihm ohne zu zögern abgenommen, dass er der Anführer eines ganzen Dorfes war. Robin war die Erste, die sprach: »Gerne doch. Sie hatten immerhin einen aufregenden Morgen.« Kalan lächelte sie dankbar an und richtete seinen Blick dann auf einen unbestimmten Punkt auf dem Tisch. Er schien angestrengt über etwas nachzudenken, also gaben sie ihm alle Zeit, um seine Gedanken zu ordnen. »Ich war vorhin zu sehr in Aufruhr, als dass ich daran gedacht hätte, aber...«, begann er zögernd, während er unsicher von einem Crewmitglied zum nächsten sah. »Ihr seid Piraten, oder?« Luffy, der Kalan am Tisch direkt gegenüber saß, nickte eifrig und grinste ihn fröhlich an. Ehe er jedoch etwas sagen konnte, gab Sanji ihm im Vorbeigehen einen Klaps auf den Hinterkopf, ging weiter als wäre nichts gewesen und stellte je eine Tasse voll dampfender Suppe vor Savi und Kalan. »Sie haben wohl bisher nur schlechte Erfahrungen mit Piraten gemacht?«, fragte er, in der einen Hand bereits eine Zigarette und mit der anderen in der Hosentasche nach seinem Feuerzeug kramend. Kalan nickte. »Leider.« Das unangenehme Schweigen war wieder zurück, doch bevor es zu lange anhalten konnte, als dass Zoro es mit einem leisen Schnarchen stören konnte, versetzte Franky ihm einen weiteren Schubs und richtete sich dann an Kalan. »Sie das die, von denen Sie sich freikaufen müssen?« »Freikaufen?« Verwirrt ruckte Kalans Kopf in Richtung Franky, den er für einige Momente nur mit offenem Mund ansah. Dann sah er jedem anderen Crewmitglied ins Gesicht, schien jedoch nur noch überraschter, als von ihnen keine Einwände kamen. Schließlich fiel sein Blick auf seine Enkeltochter neben ihm. »Savi, was hast du ihnen denn erzählt? Und warum bist du überhaupt hierher gekommen?« Etwas leiser fügte er hinzu: »Wer weiß, was dir passiert wäre, wenn du auf einem anderen Schiff gelandet wärst.« Savi war den Tränen nah. Ihre schmalen Schultern schüttelten sich unkontrolliert, als sie zu schluchzen begann und nach Worten rang. »Sie sind doch nur auf Geld aus, oder nicht?« Verzweifelt schlang sie die Arme um Chopper, vergrub ihr Gesicht in seinem Hut. Ihre Stimme, ohnehin schon tränenerstickt, war kaum noch zu verstehen. »Wenn wir ihnen genug Geld zahlen, verschwinden sie vielleicht endlich!« Niemand wusste so recht, wie er mit dem weinenden Mädchen umgehen sollte; nicht einmal Kalan, der wie gelähmt dasaß und in diesem Moment viel gebrechlicher wirkte, als er eigentlich war. Chopper drehte sich irgendwann auf Savis Schoß um, reichte ihr ein Taschentuch und sprach ihr leise gut zu, damit sie sich wieder beruhigte. Keiner von ihnen wollte der Erste sein, um die Stille zu durchbrechen, aber letzten Endes opferte Usopp sich. »Ähm, wovon genau redet Savi?« Wie aus einer Schockstarre gerissen sah Kalan ihn kurz desorientiert an. Dann seufzte er. »Von den Samidare Piraten«, antwortete er mit so bedeutungsschwerer Stimme, dass die Mugiwara Crew sich beinahe schon schämte, noch nie von dieser Bande gehört zu haben. Die meisten von ihnen sahen erst Robin, dann Nami fragend an, doch keine der beiden konnte ihnen weiterhelfen. Allmählich merkte auch Kalan, dass er etwas weiter ausholen musste. »Am besten, ich fange ganz von vorne an.« Er trank einige Schlucke aus der Tasse, die Sanji ihm hingestellt hatte, und räusperte sich dann leise. »Tsuyu ist eine Insel, die vom Export lebt. Wie ihr vielleicht wisst, regnet es hier fast das ganze Jahr über, also sind wir besonders gut im Anbau von einigen Pflanzen, die entweder nur mit viel Wasser oder ohne viel Sonnenlicht überleben. Überall auf der Insel verteilt gibt es kleinere Gemeinschaften, die sich auf einige wenige Produkte spezialisiert haben.« Soweit machte das für sie alle Sinn. Robin hatte ihnen bereits am Morgen einige Dinge über Tsuyu erzählt, die von den anderen Crewmitgliedern mal mehr, mal weniger aufmerksam aufgenommen worden waren. »Wir Rappahan bauen zwar auch Gemüse und Obst an, aber das dient lediglich der Selbstversorgung. Wir exportieren etwas anderes, und wenn ich das so frei sagen darf, ist unser Produkt die Hauptexportseinnahmequelle unserer Insel.« Bei seinen letzten Worten hatte Kalans Gesicht sich plötzlich aufgehellt. Er sah zum ersten Mal in den letzten Minuten richtig glücklich aus, so als könnte der Stolz auf seine Familie und ihre harte Arbeit gegen alles ankommen. »Was denn, was denn?« Luffy rutschte aufgeregt auf seinem Stuhl herum und lehnte sich weit nach vorne, die Augen vor Staunen geweitet und ein breites Grinsen im Gesicht. Kalan lächelte ihn verschmitzt an, wartete ein paar Augenblicke mit seiner Antwort, um die Spannung aufrecht zu erhalten. »Wasser«, verriet er schließlich und schien Begeisterungsstürme zu erwarten, doch Luffy starrte ihn nur entgeistert an, zu geschockt, um etwas zu erwidern. Auch die anderen Mitglieder der Strohhutpiraten wussten nicht so recht, wie sie darauf angemessen antworten sollten. Zoro nahm ihnen die Entscheidung ab, lehnte sich vor und sah Kalan skeptisch vor. »Aber hier regnet es doch das ganze Jahr, wozu Wasser exportieren?« Sanji wollte reflexartig einen negativen Kommentar dazu ablassen, aber da Zoros Frage Sinn ergab, hielt er sich zurück und widmete sich stattdessen wieder der Küchenarmatur. Derweil lächelte Kalan, der sich schnell wieder gefasst hatte, nur wissend. »Oh, es ist ganz besonderes Wasser, meine jungen Freunde«, verkündete er mit einem Zwinkern in Zoros Richtung. »Habt ihr die Berge in der Mitte der Insel gesehen? Vor mehreren hundert Jahren gab es viele aktive Vulkane auf Tsuyu, doch die sind mittlerweile alle erloschen. Unser Dorf liegt auf einem dieser Vulkane, und etwa eine halbe Stunde Fußmarsch entfernt gibt es einen alten Krater.« Kalan untermalte seine Erklärung damit, dass er mit seinem Finger einige unsichtbare Linien in die Luft malte. »Es regnet hier zwar fast immer, das stimmt schon, doch der Regen im Sommer ist besonders. Deswegen warten wir darauf, dass der Krater sich mit diesem Regenwasser füllt, damit wir es abfüllen und verkaufen können.« »Und diese Samidare Piraten bereiten dem Dorf Schwierigkeiten?« Obwohl Robin großes Interesse an Kalans Ausführungen hatte und mehr über dieses spezielle Regenwasser wissen wollte, hielt sie es für klüger, das eigentliche Problem anzusprechen und hoffentlich zu lösen. Ihre Frage schien Kalan in die Wirklichkeit zurückzuholen; er nickte, legte die Stirn in Falten. »Sie kamen vor einigen Monaten, fielen in unser Dorf ein und zwingen die Männer unseres Stammes seitdem, für sie zu arbeiten. Es wäre die eine Sache, wenn sie uns nur um unsere Einnahmen bringen und dann wieder verschwinden würden.« Kalan hielt inne, bevor er weitersprach, und legte eine Hand auf Savis Kopf, der erneut Tränen in die Augen schossen. »Aber diejenigen von uns, die sich auflehnen, töten sie.« Er schluckte, aber seine Stimme klang dennoch belegt. »Wie meinen Sohn.« Die Luft im Raum war mit einem Mal viel schwerer, lag wie eine Decke über allem. Keiner wagte, einen Laut zu machen, auch wenn sich die Gesichter aller verfinsterten. Nami warf einen prüfenden Blick zu Luffy, dessen zu Fäusten geballte Hände vor Wut zitterten. »Aus wie vielen Leuten besteht die Bande?« Frankys Frage und Zoros darauffolgendes kehliges Auflachen zerrissen die angespannte Stille. »Macht das einen Unterschied?«, fragte er mit einem düsteren Grinsen. »Yohohoho, gewiss nicht!« Kalan und Savi wussten nicht, wie sie reagieren sollten und schauten einander verwirrt an. Es beunruhigte sie, wie schnell die Stimmung der Crew gekippt war. »Neben dem Anführer vielleicht noch vier, fünf Dutzend mehr. Warum?« Kalans Unbehagen wuchs, als er zu Luffy sah. Der junge Captain war aufgestanden, den ganzen Körper wie zum Kampf bereit gespannt. Sein Strohhut ließ keinen Blick auf seine Augen zu, doch das fehlende Lächeln auf seinem Gesicht verriet Kalan, was er wissen musste. Zum ersten Mal, seit er auf das Piratenschiff gekommen war, empfand er richtige Angst. »Wie lange läuft man von hier bis zu eurem Dorf?« »E-etwa zwei Stunden«, beantwortete er Luffys Frage mit zitternder Stimme und beobachtete mit stetig wachsender Verwirrung, wie dieser seinen Kameraden dabei zusah, wie sie sich in Bewegung setzten. »Okay, dann brechen wir direkt auf«, verkündete er, bevor er sich zu Sanji umdrehte. »Sorry, Sanji, aber das Mittagessen muss warten.« Der Angesprochene war bereits dabei, Suppe und Geschirr wegzuräumen. Er nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette, drückte sie aus und winkte ab. »Kein Problem.« Chopper war mittlerweile von Savis Schoß gesprungen und griff nach ihrer Hand, um sie ebenfalls zum Aufstehen zu bewegen. »Komm Savi, je schneller wir aufbrechen, desto eher hat sich euer Problem gelöst.« Savi nickte dankbar und brachte sogar ein Lächeln zustande. Sie konnte gar nicht fassen, was die Crew im Begriff war zu tun. Nami und Franky gaben derweil letzte Anweisungen, was noch zu tun war, um die Sunny auch ohne zurückbleibende Crewmitglieder wetterfest zu machen. Es war Bewegung in den Raum gekommen. Nur Kalan saß noch starr am Tisch, ohne wirklich zu verstehen, was vor sich ging. »W-wartet mal!« Ganz unvermittelt fuhr er hoch, knallte seine flachen Hände auf die Tischplatte vor sich und hoffte, damit Ruhe einkehren lassen zu können. Tatsächlich hielten alle in ihren Bewegungen inne und sahen ihn verwundert an. »Hm? Was denn? Wir haben keine Zeit zu verlieren, Großväterchen«, beschwerte sich Luffy laut, worauf Usopp ihm einen Schlag auf den Hinterkopf verpasste. »Sei ein bisschen höflicher, Luffy.« Schmollend rieb Luffy sich den Kopf, wartete aber dennoch geduldig, dass Kalan weitersprach. Es dauerte einige Sekunden, ehe der alte Mann seine Verwunderung überwunden und seine Gedanken soweit geordnet hatte, dass er die Frage stellen konnte, die ihn so sehr beschäftigte. »Nehmt mir mein Misstrauen nicht übel, aber warum solltet ihr uns helfen wollen?« Sie alle tauschten wissende Blicke untereinander aus, doch letzten Endes war es Nami, die ihm schwach lächelnd antwortete: »Weil wir uns mal in der gleichen Situation befunden haben.« Kalan studierte ihr Gesicht genau, suchte nach irgendeinem Zeichen, das sie verraten könnte. Doch auch wenn er mit einem Blick in ihre Augen sagen konnte, dass sie die Wahrheit sprach, war ihm nicht wohl dabei. Es beschämte ihn, dass er seinem Dorf nicht selbst helfen konnte und sich auf Außenstehende zu verlassen drohte, die er nicht einmal eine Stunde kannte. Als er irgendwann seufzte und die Stimme hob, klang er müde, resignierend. »Man hat uns alles genommen, also können wir euch auch nicht entlohnen.« »Entlohnen? Wofür?« Verwirrt legte Luffy den Kopf schief, dachte für einen Moment angestrengt nach, ehe er Kalan wieder breit angrinste. »Das ist ein Freundschaftsdienst.« Der alte Mann wusste nicht, wie ihm geschah. Fassungslos starrte er Luffy und die anderen Crewmitglieder an, die zu allem bereit neben der Tür darauf warteten, dass er ihnen den Weg zum Dorf zeigte. Sein Körper wollte ihm nicht gehorchen, zitterte leicht, bis er spürte, wie ihm jemand flüchtig auf die Schulter klopfte. »Wenn Ihnen unwohl dabei ist, unsere Hilfe anzunehmen, sehen Sie es einfach so, dass die kampfverrückten Idioten unserer Crew sich nicht zurückhalten konnten, einer Gruppe Banditen den Arsch aufzureißen«, schlug Sanji ihm ruhig vor und schloss zu seinen wartenden Kameraden auf. Zoro schnaubte derweil belustigt und sah ihn herausfordernd an. »Jetzt tu nicht so erhaben, du zählst doch auch dazu.« In seiner Stimme lag nur der übliche falsche Hohn und nichts sonst, was darauf hätte hinweisen können, dass er Sanji das Gespräch am Tag davor übel nahm. Aber genau das war es, das Sanji durcheinander brachte. »Hab ich auch nie behauptet!«, konterte er etwas lauter als beabsichtigt und regte sich im Stillen darüber auf, dass er auf Zoros Grinsen nichts zu erwidern wusste. Ohne auf Kalan Antwort zu warten, öffnete Luffy die Tür und machte sich auf den Weg ans Deck, die anderen dicht hinter ihm. Einige Sekunden später setzte auch der alte Mann sich in Bewegung, schloss rasch zu ihnen auf und legte Savi im Gehen eine Hand auf den oberen Rücken. Als sie sich zu ihm drehte und lächelte, hatte er seit langem wieder das Gefühl, dass tatsächlich alles gut werden würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)