Nähe von Ruka_S_Orion ================================================================================ Kapitel 8: Akt 8 - Nur ein einziges Geheimnis --------------------------------------------- Der Raum war erfüllt von bleischwerem Schweigen. Niemand wagte es, sich zu rühren. Jeder ging seinen eigenen Gedanken nach. Erst ein leises Schniefen seitens Usagi ließ Setsuna auf sehen. Die Prinzessin saß direkt vor ihr, hielt noch immer ihre Hand und starrte ihr mit nassen Augen entgegen. Minutenlang hielten sie diesen Blickkontakt. Dann schüttelte Usagi langsam ihren Kopf und ließ sich vornüber in die Arme der Hüterin aller Erinnerungen fallen. Wieder verging viel Zeit, bis sie schließlich halblaut von sich gab: „Ich danke dir, dass du mir endlich die Wahrheit gezeigt hast. Und ich danke dir, dass du uns endlich erlaubst, ihre Last mit dir zu teilen.“ Usagis Blick wanderte zu den anderen beiden Frauen. Michiru hatte ihren Kopf in Harukas Schoß gelegt, hielt ihre Augen geschlossen und ihre Geliebte nickte abwesend aber zustimmend. Plötzlich zerriss ein außergewöhnlich energisches und lautes Klingeln die andachtsvolle Stille. Haruka verstand das Läuten der Türklingel als Erste und öffnete einen Moment später die Haustür. Verblüfft erkannte sie die regennassen Luna und Rei. „Ist Usagi noch hier? Wir machen uns Sorgen um sie, keine von euch hat auf den Kommunikator reagiert!“, platzte es aus der Katze sofort heraus. „Ja, sie ist im Wohnzimmer. Wir hatten gerade eine… kleine Besprechung und waren deshalb wohl ein bisschen abwesend.“ Haruka kratzte sich etwas überfordert am Hinterkopf, als sich Rei ohne weitere Worte an ihr vorbeischob. Zielstrebig steuerte die Miko den genannten Raum an. Skeptisch sah sie sich um. Michiru richtete Kissen und Decken her, Usagi saß eng an Setsuna geschmiegt auf dem Sofa. Ein befremdliches Bild… Luna achtete nicht weiter darauf. Unbeirrt lief sie auf ihre Prinzessin zu, sprang ihr auf den Schoß und beschwerte sich: „Was ist denn mit dir los, Usagi? Erst stürmst du ohne weitere Erklärungen davon und dann reagierst du nicht einmal, wenn ich nach dir…“ Die Katze stutzte. War es Einbildung oder glomm auf der Stirn der Prinzessin ganz schwach eine Halbmondsichel? Stirnrunzelnd lenkte Rei das Gesprächsthema in eine andere Richtung. „Habt ihr Visionen heraufbeschworen?“ Auf Michirus überraschten Blick hin deutete sie auf die zum Teil völlig abgebrannten Kerzen und auf die Halter mit den Überresten vieler Räucherstäbchen. Usagi setzte sich auf und antwortete ihrer mystischen Freundin über die Schulter hinweg: „Sowas in der Art. Wir… haben versucht, herauszufinden, wie wir Chibiusa retten können.“ Neugierig fragte Luna weiter: „Soll das heißen, du hast dir zeigen lassen, wer-“ Doch dann wurde sie von Usagi unterbrochen, die ihr beidhändig um den Kopf streichelte. „Weit sind wir von einer Lösung nicht mehr entfernt. Wenn wir einen Weg gefunden haben, sage ich euch Bescheid. Aber bis dahin würde ich gerne hier bleiben, wenn es dir nichts ausmacht, Luna. Ich habe das Gefühl, die Gesellschaft von Haruka, Michiru und Setsuna ist im Moment genau das, was ich brauche.“ „Also weißt du jetzt, wer-“ „Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen. Sie kann hier bleiben, solange sie will. Wir werden gut auf sie aufpassen.“ Diesmal war es Haruka, die Luna unterbrochen hatte. „Aber wer ist denn nun-“ „Luna!“ Die Katze schluckte. Wie nachdrücklich ihr jetzt offensichtlich von ihrer Herrin der Mund verboten wurde! Aber gleich darauf beugte sich Usagi vor und flüsterte kaum hörbar in das dunkle Fell: „Lass mir dieses eine Geheimnis! Es ist nicht dazu gemacht, geteilt zu werden. Es soll nur Pluto, Uranus, Neptun und mir gehören. Hab Nachsehen mit uns.“ So ganz zufrieden wollte sich Luna zunächst nicht geben, immerhin wusste sie über alles Bescheid, was im Leben der Mondprinzessin eine Rolle spielte. Nach Reis überraschend einfühlsamer Rede zum Thema Privatsphäre fielen ihr jedoch keine weiteren Worte ein. Schon wenige Tage nach ihrem „Umzug“ hatte sich Usagi eingelebt und in den Alltag ihrer ältesten Freundinnen völlig integriert. Setsuna hatte ihr dabei geholfen, den restlichen Papierkram, den sie zuvor noch nicht mit Ami hatte bewältigen können, abzuarbeiten. Der Haushaltsplan war viergeteilt worden, Michiru hatte endlich jemanden, mit dem sie die Skandale der Promiwelt auswerten konnte, und Haruka musste ihre Rennspiele nicht länger gegen den Computer ausfechten. Der neue Tagesablauf tat Usagi sichtlich gut und bald trat sie auch wieder einzelne Seminare ihres Studiums an. Jeden Abend kochte sie mit Setsuna oder Michiru, manchmal mit beiden. Für jedes Thema hatte Usagi in dieser Wohngemeinschaft mindestens einen passenden Gesprächspartner. Am liebsten war ihr oftmals Setsuna. Spaß hatte sie mit Haruka, mit Michiru konnte sie sich herrlich über Kleinigkeiten aufregen, aber mit dem mystischsten Mitglied der Familie fand sie etwas, was sie nie wirklich gesucht, vielleicht aber schon immer gebraucht hatte: Ruhe. Setsuna war nie laut. Selbst ihr herzliches Lachen war sanft, ihre Worte traf sie nie unüberlegt und nichts war für Usagi befreiender, als gemeinsam schweigend auf der Veranda zu sitzen und in die Weiten der Sterne zu blicken. Trotzdem wurde ihr Herzschlag gerade in diesen Momenten immer wieder gedämpft… Am zweiten Freitag nach ihrem Einzug gab sich die Prinzessin den Ruck, anzusprechen, was ihr auf der Seele brannte. Vom guten Essen und schweren Wein narkotisiert, waren Haruka und Michiru Arm in Arm vor dem abendlichen Film weggedöst. Setsuna folgte der Handlung der amerikanischen Liebeskomödie schmunzelnd. Eigentlich hatte sie sich nie wirklich für diese Hollywoodkunst begeistern können, doch mittlerweile fand sie an der durch Usagi eingeführten wochenendlichen Tradition durchaus Gefallen. Sie bemerkte nicht, wie sie aus den Augenwinkeln der blonden Studentin neben ihr beobachtet wurde. Erst als die zaghaft näher rückte, sah Setsuna von dem flackernden Bildschirm ab. Usagi zögerte. Viel zu gütig strahlten die granatroten Augen. Sie hatten in den letzten Tagen so viel Glanz dazugewonnen… Lag es daran, dass Pluto ihr Geheimnis nicht länger allein tragen musste? Wieder wurden die Schläge in Usagis Brust dumpfer. Ein Rückzieher kam jetzt aber nicht mehr in Frage! Also drückte Usagi Setsuna sanft gegen die Sofalehne und legte ihren Kopf auf der Schulter ab, die ihr in letzter Zeit so viel Halt geschenkt hatte. Dann murmelte sie: „Verzeih mir meine Vorwürfe, Suna. Ich weiß, dass du ihn gerettet hättest, wärst du in der Lage dazu gewesen. Und ich weiß auch, dass du Chibiusa und mich liebst und dass du dein Leben für uns geben würdest. Immerhin hast du es schon einmal getan. Und auch dafür habe ich mich nie wirklich bei dir bedankt. Es tut mir leid, dass ich manchmal so eigensinnig bin. Wut, Trauer und Alkohol haben mich schneller sprechen als denken lassen. Meine Anschuldigungen waren die Worte eines emotionsgesteuerten, dummen Mädchens. Nie wieder will ich so denken. Erst recht nicht über dich. Immer deutlicher erkenne ich deine Stärke. Deine Stille tut meinem Herzen so unsagbar gut. Und ich bin unfassbar dankbar, dass du mir vergeben hast, obwohl ich mich nie bei dir entschuldigte. Obwohl unentschuldbar ist, was ich dir vorwarf...“ Ein mitfühlendes Lächeln trat auf Setsunas Lippen. Zärtlich legte sie eine Hand auf Usagis Wange und lehnte ihren Kopf an deren Stirn. „Ist schon gut, mein Engel“, flüsterte sie kaum hörbar. „Ich habe schon zu viel gesehen, um nachtragend zu sein. Das Wichtigste ist, dass du endlich weiterlebst. Und… seitdem du bei uns bist, seitdem du wieder lachst, kann ich sie wieder spüren… Es ist, wie deine Mutter sagte. Dein Lächeln vertreibt das Unheil. Also lächle, Princess.“ Usagi schloss ihre Augen. Sie fühlte, wie sich ein warmes Paar Lippen an ihre Schläfe legte. Setsunas sanfter Atem, der um ihre Gesichtszüge strich, wirkte unglaublich beruhigend. Es war ewig her, dass sie sich so geborgen, so beschützt gefühlt hatte. Viel zu schnell verflog der Augenblick. Zurück blieb warmer Nebel in Usagis Gedanken und ein bebender Herzschlag in ihrer Brust. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)