Bin ich wertlos in deinen Augen ...? von North-Blue ================================================================================ Kapitel 41: ------------ Langsam ließ ich mich an der Zellenwand neben der Tür hinabsinken, bemerkte dabei die Schüssel mit meinem Mittagessen, aus der es immer noch dampfte. Nach wie vor verspürte ich diesen nicht unterdrückbaren Zorn in mir, welcher durch Mītobōrus Worte ausgelöst worden war. Wütend schlug ich mit geballter Faust auf das Porzellan, das dem Druck nachgab und, wie zuvor schon die andere Schüssel, in kleine Einzelteile zersprang. Augenblicklich durchzuckte Schmerz meine Hand. Doch das war für mich kein Grund, in meinem Tun innezuhalten. Immer stärker schlug ich in den Scherbenhaufen, nahm den Schmerz gerne in Kauf. Denn grade er war es, der mir zeigte, dass ich überhaupt noch lebte. Meine Hand war übersäht von teilweise besorgniserregend tiefen Schnittwunden, die, wie ich nach kürzester Zeit feststellen musste, unaufhörlich und stark bluteten. Erst jetzt trat in mein Bewusstsein, was ich da grade getan hatte. "Verdammte Scheiße!" Aus Frustration traten mir Tränen in die Augen. Ich wusste echt nicht, was mit mir los war, ich hatte totale Stimmungsschwankungen. Ich war vollkommen überfordert und nicht einmal annähernd so selbstsicher, wie ich mich grade vor Mītobōru gegeben hatte. Behelfsmäßig wickelte ich die Decke um meine Verletzung und begab mich wieder in die hinterste Zellenecke. Als ich meinen Blick durch die Zelle schweifen ließ, sah ich, dass inzwischen überall Scherben verteilt lagen. Man hätte meinen können, hier hätte ein Polterabend stattgefunden. Inzwischen sowohl körperlich als auch seelisch vollkommen erschöpft, schloss ich meine Augen. Ich hätte mein Leben schon vor einigen Wochen nicht unbedingt als lebenswert bezeichnet, aber nun hatte es sich noch einmal um hundertachtzig Grad zum Negativen gewendet. Ich meine- ich saß hier eingesperrt in einer Zelle, meine ehemalige Crew hasste mich, mir wurde vorgeworfen, Schuld am Tod eines Mannschaftsmitglieds zu haben, ich hatte herausgefunden, was in Wirklichkeit mit meiner Mutter passiert war und mein Vater und ich hassten uns wie niemals zuvor. Nein, auch wenn ich damals nicht erwartet hatte, dass sich meine Situation verbessern würde, mit einer solchen Entwicklung hatte ich ganz sicherlich nicht gerechnet. Ich vertrieb mir nun folgend in meiner Ecke stundenlang die Zeit damit, mir zu überlegen, wie ich Law am Abend gegenübertreten sollte. Er hatte ja angekündigt, mir heute Abend noch einmal die Chance zu geben, ihm seine Fragen zu beantworten. Wie sich das schon anhörte. Als ob ich froh sein könnte, dass er sich überhaupt dazu hinabließ, mich noch einmal mit seinen Fragen auszuquetschen. Als ob es eine Ehre sei, seine Fragen beantworten zu dürfen. Was er wohl machte, wenn ich das nicht tat? Würde er die gewünschten Antworten dann mit Gewalt aus mir herausholen? Ich konnte meinen Vater diesbezüglich überhaupt nicht einschätzen. Ich wusste jedoch, dass mein Vater immer das zu bekommen versuchte, was er wollte, notfalls auch mit härteren Mitteln. Aber in einer Sache war ich mir nach wie vor sicher: Ich würde nicht nachgeben. Niemals. Sollte er sich die gewünschten Informationen doch von Saburo oder sonstwem holen. Wo ich bei einem weiteren Punkt war. Saburo. Jetzt wusste ich, dass Shachi tatsächlich Gerüchte über mich und Saburo und eine vermeintliche Romanze oder was auch immer in die Welt gesetzt hatte. Und ich wollte gar nicht wissen, welche ausgeschmückte Version Law nun zu Ohren bekommen hatte. Hatte dieser Idiot eigentlich eine Ahnung, was er mit seiner Behauptung anrichtete? Ich hatte grade wahrscheinlich das letzte bisschen Ehre verloren, das mir auf diesem Schiff noch geblieben war! Ein stechendes Gefühl holte mich in die Realität zurück. In meiner Hand befanden sich noch Splitter, wie ich schmerzhaft feststellen musste. Und die dünne Decke war schon voller Blut. Fluchend beförderte ich sie gegen die nächste Wand und legte mich dann auf den kalten Boden, das Brennen in meiner Hand ignorierend. Ich war kurz davor, einzuschlafen. Nur mühsam blieb ich wach, auch wenn ich nichts lieber getan hätte, als zu schlafen. Aber die Angst vor einem erneuten Traum mit Kōri war zu groß. Es war bereits später Nachmittag, als ich auf dem Gang Schritte vernahm, die sich mir näherten. Meine erste Befürchtung, dass es Law war, der früher als angekündigt hier aufkreuzte, konnte ich bei genauerem Hinhören beschwichtigen, da ich wusste, dass Law niemals so trampeln würde. So wunderte ich mich kein bisschen, als kurz darauf Bepo vor meiner Zelle stand. Schwerfällig richtete ich mich auf und sah ihn abwartend an. Er hingegen wirkte nervös, als er langsam eintrat und das in der Zelle vorherrschende Chaos sah. Okay, es war sicherlich nicht alltäglich, dass eine Zelle voller Scherben, Essensresten und Blutspuren war, aber das war meiner Meinung nach noch lange kein Grund, dass es einem so die Sprache verschlug. Was wollte er hier? Es war nicht einmal Essenszeit. Skeptisch musterte ich mein Gegenüber. Als mein Blick jedoch auf den Gegenstand fiel, den dieser in seinen Tatzen hielt, wurde jedoch auch ich sprachunfähig. Handschellen. Sollte das ein schlechter Scherz sein? Meinen Blick auf sich spürend und sich dabei in seiner Rolle sichtlich unwohl fühlend, begann Bepo herumdrucksend zu erklären: "Also, ich... Entschuldige, Mina, aber das ist eine Anordnung vom Captain." Langsam stand ich auf, Bepo dabei nicht aus den Augen lassend. Das war also Laws Antwort auf mein zuvoriges Verhalten? Wollte er mich so kleinkriegen? Ich musste zugeben, Law war als Vater einmalig. Im negativen Sinne. "Er wird gleich auch noch vorbeikommen..." Unsicher, wie ich nun reagieren würde, war seine Stimme mit jedem Wort leiser geworden. Mein Blick huschte von Bepo und den Handschellen einen kurzen, unauffälligen Moment lang zur Zellentür. Er hatte sie fahrlässigerweise offenstehen gelassen. Ob ich es versuchen sollte? Verschlimmern konnte ich meine Situation doch eh nicht mehr. Die Situation glich auf eine beunruhigende Art und Weise der damaligen, als ich Bepo hatte betäuben müssen, um den Raum zu verlassen. Auch jetzt war es wieder allein Bepo, der mich davon abhielt, mich zu befreien. Diesmal musste ich es klüger anstellen. Ich fasste einen Plan. Langsam, so als sei ich zur Vernunft gekommen und würde nachgeben, hielt ich Bepo stumm meine rechte Hand hin, damit er die Handschelle an dieser befestigen konnte. Ich hörte ihn aufkeuchen, als er die Verletzungen und das Blut sah. "Mina, was ist pas-" "Jetzt mach einfach", gab ich zerknirscht von mir. Zögernd wollte er meiner Aufforderung nachkommen. Doch kurz, bevor er dies bewerkstelligen konnte, warf ich mich urplötzlich mit aller Kraft gegen ihn, sodass er nach hinten fiel und die Handschellen laut scheppernd neben ihm auf dem Boden landeten. Ich nutze seine anfängliche Überraschung und Orientierungslosigkeit aus und schnappte mir die Handschellen. In Sekundenschnelle hatte ich die eine Seite um Bepos Tatze un die andere am Gitter der Zelle festgemacht. Als ich einen Schritt zurücktrat, um Abstand zwischen mich und Bepo zu bringen, konnte ich es erst selbst nicht glauben, dass es tatsächlich geklappt hatte. Das war viel zu einfach gewesen. "Mina, was soll das, mach mich los", begann mein Gegenüber auch sogleich schon loszujammern, sobald er realisiert hatte, in welcher Lage er sich befand. Hektisch an der Kette ziehend versuchte er sich zu befreien. Stumm betrachtete ich ihn dabei, dann glitt mein Blick zu Boden und mir fielen die vielen, spitzen Scherben ins Auge. Wieder flammte unglaublicher Hass in mir auf. Hass auf Bepo, auf die gesamte Crew und ganz besonders auf meinen Vater. Und grade bot sich mir die Gelegenheit, ihm auch etwas zu nehmen, das ihm wichtig war. Bepo und er kannten sich schon länger als ich lebte. Und dieser lag grad handlungsunfähig zu meinen Füßen. Ich bräuchte lediglich... Wie in Zeitlupe beugte ich mich hinunter und hob eine besonders spitze Scherbe auf. Wie gebannt betrachtete ich sie. Ich wusste, wenn man es richtig anstellte, konnte man mit dieser unnütz wirkenden Scherbe sogar töten. Für einen kurzen Moment verspürte ich Genugtuung bei dem Gedanken, es Law mit gleichen Karten heimzuzahlen. Ja, ich wollte, dass er einmal genauso litt. Und dafür müsste ich nur Bepo... "Ähm, Mina?" Eine leise Stimme riss mich aus meinen düsteren Gedanken. Ich zuckte zusammen und ließ die Scherbe fallen. Ich starrte Bepo an, konnte meinen Blick nicht abwenden. Fuck, was war das denn grade gewesen? Ich hatte tatsächlich überlegt, Bepo zu töten? Ich erkannte mich selber nicht mehr wieder. Meine zuvorigen Gedankengänge beunruhigten mich zutiefst, sie machten mir beinahe schon Angst. War ich schon so tief gesunken, dass ich mich auf Laws Niveau herunterbegab? Und es hatte sich auch noch richtig angefühlt, was ich vorgehabt hatte... Ich fasste mir an meinen Kopf. Ich war wahrscheinlich einfach nur zu lange eingesperrt gewesen, das tat niemandem gut. Dazu kam noch die Müdigkeit und der Schwindel. Ja, ich war mir sicher, dass meine Gedankengänge daher rührten. Erst nun gewann ich die Kontrolle über meinen Körper zurück und versuchte, so gut es mir möglich war, meine Unsicherheit über meine Gedankengänge zu überspielen. "Mina, mach mich los, bitte, das kannst du doch nicht machen..." Nervös zog Bepo an den Handschellen. "Ja, ist ein ziemliches Scheißgefühl, angekettet zu werden, oder?", fragte ich ihn bitter. "Ich sag auch dem Captain nichts, versprochen, wirklich!" Ich schnaubte verächtlich auf. Das konnte er seiner Großmutter erzählen. Law gegenüber war der doch hörig wie ein Hund seinem Herrchen. Law würde nur fragen müssen, ob irgendwas erwähnenswertes passiert sei, und schon würde sich Bepo durch sein Rumgedruckse verdächtig machen und bereits nach wenigen Sekunden alles auspacken. So gut kannte ich ihn dann doch. "Vergiss es. Du kannst froh sein, dass es nur beim Anketten geblieben ist." "W-Wie meinst du das denn jetzt schon wieder?" Mir schien, als wisse er ganz genau, was mir zuvor für Rachegedanken durch den Kopf gegangen waren. Was ich überlegt hatte, ihm anzutun. Was ich mit der Scherbe zu tun beabsichtigt hatte... Ich schwieg. Es machte eh kaum noch einen Unterschied, was ich tat oder nicht. Für die gesamte Crew war ich doch schon eine Mörderin, obwohl ich an Kōris Tod keine Schuld trug. "Sei leise, oder ich überlege es mir noch anders." Nein, das hatte ich eigentlich nicht vor, aber das musste er ja nicht wissen. "Was ist nur aus dir geworden Mina, ich erkenne dich überhaupt nicht mehr wieder." Traurig ließ er seine Ohren hängen. Ich sollte mich verändert haben? Ja, das hatte ich definitiv! Und ich wollte mal denjenigen sehen, der sich nach den Erlebnissen der letzten Zeit nicht verändert hätte. Wortlos ging ich auf die Türe zu. Ich brauchte dringend Ruhe zum Nachdenken, ich war, auch wenn ich das nach außen hin nicht zeigte, vollkommen durcheinander. "A-Aber wo gehst du denn hin, du kannst mich doch nicht hier lassen!" "Fresse halten." Ohne den immer noch vollkommen eingeschüchterten Bepo eines weiteren Blickes zu würdigen, trat ich auf den Gang und schloss behutsam die Zellentüre hinter mir. Nun war ich zwar frei, aber wusste nicht, was ich machen sollte. Ein Blick aus dem Fenster verriet mir, dass wir zwar aufgetaucht waren, aber an noch keiner Insel angelegt hatten. Verdammte Scheiße. Und wenn ich hier noch länger stehen blieb, würde ich zu hundert Prozent entdeckt werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)