Bin ich wertlos in deinen Augen ...? von North-Blue ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Geschlafen hatte ich in dieser Nacht nicht. Vielmehr waren meine Gefühle in dieser Zeit Achterbahn gefahren und meine Stimmung hatte stets zwischen depressiv, gleichgültig und wütend geschwankt. Dennoch stand mein Entschluss, die Crew meines Vaters zu verlassen, fest. Ich würde ihm damit bestimmt auch noch einen Gefallen tun. Die ganze Nacht über hatte ich damit verbracht, mich an gute wie auch schlechte Zeiten auf der Death zurückzuerinnern. Ich wusste nicht, was ich machen würde, hätte ich erst einmal die Crew verlassen. Ich glaubte nicht einmal, dass ich dadurch glücklicher werden würde. Doch ich wollte nicht noch einmal diese Enttäuschung in den Augen meines Vaters sehen müssen, wenn dieser mich ansah. Mittlerweile ging die Sonne auf, und ich starrte immer noch abwesend die Wand an. Doch ich sah sie nicht wirklich, ich war geistig komplett abwesend. Die mich umgebende Kälte nahm ich schon gar nicht mehr wahr. Die wenigen mich erreichenden Sonnenstrahlen wärmten mich nicht. Nur am Rande bemerkte ich, dass mir Essen hingestellt wurde. Von wem, wusste ich nicht, es war mir aber auch egal. Ich verlor sämtliches Zeitgefühl. Irgendwann wurde mein Teller ausgetauscht und ein neuer hingestellt. Es musste demnach schon Mittag sein. Wieder verging einige Zeit, ehe ich erneut jemanden an meine Zelle herantreten sah. Wenn ich die unterschiedlichen Stimmen richtig deutete, waren mindestens drei Personen anwesend. Ich war mittlerweile zu müde, um meine Augen aufzubehalten, und so schloss ich diese. Ich nahm nur einzelne Gesprächsfetzen wahr. "Hat...wirklich...Bepo...indem...?" "Wieso hat...Essen nicht...?" "Blass...Captain...sofort!" Ich hörte, wie die Zellentür aufgesperrt wurde und jemand an mich herantrat. Es wäre die perfekte Gelegenheit gewesen, abzuhauen. Wenn ich das gekonnt hätte. Leider schaffte ich es nicht, meinen Körper auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Erst als ich die warme Hand desjenigen, der in meine Zelle getreten war, auf meiner Stirn spürte, verstand ich, wie kalt ich selbst sein musste. Irgendjemand schien auf mich einzureden, aber ich hörte nicht, was. Als nächstes spürte ich, wie ich hochgehoben und getragen wurde. Minuten später wurde ich auf etwas weiches gelegt. Zum ersten Mal an diesem Tag wandte ich meinen Kopf ein wenig zur Seite, um meine Umgebung zu betrachten. Ich lag tatsächlich schon wieder auf der Liege in Laws Behandlungszimmer. Oh Nein. Law wollte ich jetzt eigentlich ungern begegnen. Doch machen konnte ich nichts dagegen, ich fühlte mich zu schwach, um auch nur ansatzweise einen Aufstehversuch zu starten. Eine Weile lag ich einfach nur da, bis ich eine kalte und genervt klingende Stimme vernahm: "Ihr könnt alle gehen, Penguin und Shachi, ihr bleibt hier." Man konnte sich entfernende Schritte hören, ehe Law weitersprach: "Also, was gibt es?" Es war Penguin, der ihm antwortete: "Captain, irgendetwas stimmt mit ihr nicht. Ihre Haut fühlt sich eiskalt an, sie reagiert auf nichts und sie ist leichenblass. Sie hat weder heute Morgen noch heute Mittag ihr Essen angerührt oder etwas getrunken. Und Captain, ich und Shachi sitzen ja beim Essen normalerweise neben ihr. Die ganzen letzten Tage schon hat sie bei den Mahlzeiten nur dagesessen und nichts zu sich genommen." Law schien ihnen nicht zu antworten, stattdessen legte er seine Hand auf meine Stirn. Sie fühlte sich warm, und gleichzeitig rau an. "Sagt mal, ihr habt die Zelle aber mit einer Decke ausgestattet gehabt, oder?", wandte sich Law an die beiden. Daraufhin herrschte betretenes Schweigen, was Law als Nein auffasste. "Sie ist unterkühlt und geschwächt. Shachi, hol eine Decke. Und Penguin, hilf mir sie an eine Nährinfusion anzuschließen." Ich musste weggedämmert sein, denn als ich aufwachte, war es vollkommen still im Raum und ich schien die einzige anwesende Person zu sein. Mir ging es schon viel besser als am Mittag, auch wenn ich mich etwas benommen fühlte. Langsam setzte ich mich auf und sah mich um. Die Sonne ging schon unter, es musste also schon spät sein. Erst jetzt fiel mir der Schlauch auf, der mir intravenös eine Flüssigkeit zuzuleiten schien. Ich zog ihn aus meiner Armbeuge und entfernte den Zugang, schlug meine Decke zurück und stand auf. Nach anfänglichem Schwanken trat ich zur Tür und legte meine Hand auf die Klinke. Noch nie war ich mir in einer Sache so sicher gewesen wie jetzt. Wenn ich jetzt einen Rückzieher machte, würden wir morgen ablegen und ich hätte meine Chance vertan. Bis zur nächsten Insel konnte es Wochen dauern, und zudem stand das Gespräch mit meinem Vater wegen der Sache im Trainingsraum und der Angelegenheit mit Bepo noch aus, Konfliktpotenzial war also gegeben. Ich atmete tief durch, und trat durch die Tür auf den Gang. Es war niemand zu sehen. Wahrscheinlich war die Crew beim Abendessen, was mir gelegen kam. So leise wie möglich begab ich mich zu meiner Kabine. Der Weg kam mir ewig lang vor. Ich beeilte mich und nahm mir nur etwas Geld, meine Jacke und mein Katana mit, welches ich mit einem Gurt auf meinem Rücken befestigte. Ein letztes Mal sah ich mich in meiner Kabine um, ehe ich mich umdrehte und diese hinter mir ließ. Langsam schloss ich meine Kabinentür. Die kurz in mir aufwallenden Zweifel verdrängte ich sofort. Auf schnellstem Wege begab ich mich in Richtung Deck. Mehrmals musste ich mich dabei vor vorbeieilenden Crewmitgliedern verstecken, die auf dem Rückweg vom Essen zu ihren Kabinen waren. Ich hoffte inständig, dass Law nach dem Essen nicht direkt ins Behandlungszimmer gegangen war, um nach mir zu sehen und ihm somit mein Fehlen auffiel. »Obwohl- warum sollte er sich nach meinem Wohlergehen erkunden wollen?«, dachte ich bitterlich. Sicher würde es ihm spätestens morgen Nachmittag auffallen, wenn ihm einfiel, dass er mir noch eine Strafpredigt zu halten hatte... Außer Atem stand ich gefühlte Stunden später vor der Tür des Außendecks. Als ich hinter mir Gelächter anderer Crewmitglieder vernahm, die in diese Richtung zu kommen schienen, riss ich schnell die Tür auf und lief hinaus. Es war stockduster und man erkannte kaum die Hand vor Augen. Ohne einen Blick zurück sprang ich von Bord und kam hart auf dem Boden auf. So schnell ich konnte, lief ich einfach geradeaus in die dunkle Nacht, weg von der Death, weg von meinem Vater und hin zu einer Zukunft, von der ich nicht wusste, was sie mir bringen würde. Ein paar Stunden später auf der Death: Müde stützte Law seinen Kopf auf seine Hände und gähnte. Seit einer gefühlten Ewigkeit schon studierte er dieses Buch über die Funktionsweise der molekularen Zellerkennung im Gehirn. Sein Kopf schmerzte tierisch. Seufzend schlug er das Buch zu und streckte sich. So müde wie er sich fühlte, hoffte er, dass er heute Nacht ausnahmsweise einmal würde durchschlafen können. Er musste vorher nur noch einmal nach Mina schauen. Mina... Law seufzte. Das Verhältnis zwischen ihm und seiner Tochter hatte sich ins Bodenlose verschlechtert. Mina trieb ihn in letzter Zeit beinahe täglich in den Wahnsinn, auch wenn er das vor seiner Crew niemals offen zeigen würde. Sie missachtete seine Befehle, widersetzte sich ihm, hatte den Trainingsraum beinahe vollkommen zerstört und ihren Nakama betäubt! Die letzten beiden Dinge hatten ihn zutiefst schockiert. Es zeigte ihm, dass sie immer mehr wurde wie ihre Mutter. Mittlerweile war sie ihrer Mutter nicht mehr nur äußerlich ähnlich, sondern auch in ihrem Handeln und Denken erkannte Law Minas Mutter wieder. Immer ähnlicher wurden sich die Beiden. Und dass musste er verhindern, um jeden Preis. Zu schmerzhaft war für ihn die Erinnerung daran, was an dem warmen Sommertag vor 17 Jahren passiert war, an dem Mina ihre Mutter verloren hatte... Durch ein hektisches Klopfen an seiner Tür wurde er aus seinen Gedanken gerissen. "Herein", rief Law, und fragte sich, wer ihn um so eine Uhrzeit noch störte. Die Tür wurde mit Schwung aufgestoßen und Penguin kam, nach Atem ringend, herein. Dieser begann auch sofort ohne Pause zu reden: "Captain, wir haben ein Problem. Ich sollte ja zwischendurch mal nach Mina schauen, und- Sie ist weg! Ich und ein paar andere haben schon alles abgesucht, aber wir können sie nirgends finden!" Law sah ihn mit unergründlicher Miene an, und befahl ihm weiterzusuchen, ehe er aus seinem Büro trat, um sich selbst ein Bild von der Situation zu verschaffen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)