Auch Prinzessinnen weinen nachts von Anwysitna ================================================================================ Kapitel 6: Rose --------------- Kurz atmete ich durch und schaute auf den Jungen, der vor mir lag. Paul. Der Vampirtyp aus dem Orden. Nicht der Vampirtyp, der Vampir. Und es war so einfach gewesen, ihn zu Boden zu bringen. Ich hatte Annas Angst nicht mehr ertragen wollen, hatte ihr helfen müssen, auch wenn es superunklug gewesen war, Paul von hinten anzugreifen und ihn mit ein paar Schlägen auf den Boden zu hauen. Der arme Boden. Ich zuckte kurz zusammen, als mir bewusstwurde, dass der Vampir in mir gerade seinen Besitz verteidigt hatte. War ich über Nacht zu einem primitiven Viech mutiert, das Revierkämpfe ausführte? "Rose?" Paul starrte mich mit diesen dunkelbraunen Augen an. Gerade eben waren die doch noch rot gewesen. Er gab sich geschlagen, sofern das Wesen in mir das richtig kommentierte, trotzdem konnte ich die Wut nicht unterdrücken. Ich antwortete nicht, sondern starrte ihn an. "Was habt ihr zwei bitte heute Nacht getrieben?!" Er klang vorwurfsvoll. "Geht dich nichts an", gab ich pampig zurück. "Wer hat dich verwandelt?" Er stand auf und ich stieß ihn weg, als er mir zu nahekam. Ein paar Mal. Ich hielt erst inne, als eine weibliche Stimme dazwischenrief. 'Wenn er geht, könnte er dem Orden von uns erzählen, vielleicht stellen die dann Nachforschungen mit dem Blut des Alten an und dann wars das!' War das Annas panische Stimme in meinem Kopf? Sie klang so hallend anders. Konnten wir jetzt etwa in Gedanken reden? 'Was soll ich dann machen?', schickte ich den Gedanken zurück. Es schien zu funktionieren, da mir Anna antwortete: 'Erzähl ihm eine Geschichte. Bei einem Vampir merkt man am Herzschlag nicht, ob er lügt.' Na toll. Zumindest waren meine Lügen halbwegs glaubwürdig, wenn mir eine gute Geschichte einfiel. Ich biss kurz die Zähne zusammen und begann zu reden. "Ich weiß ja auch nicht mehr, wer das war. Aber wir sind beide hier in der Wohnung aufgewacht." "Was?" "Wir können uns an nichts mehr erinnern, du Schlaukopf. Nur, dass wir beim Heimgehen von einem Typen angesprochen wurden." Ich versuchte das Launische beizubehalten. "Und wie hat der ausgesehen?" Paul wirkte skeptisch. "So braune Haare…und ein Hemd hatte er an. Sonst keine Ahnung." "Und was wollte er?" "Mich auf einen Drink einladen. Ich kann mich nicht erinnern, mit ihm mitgegangen zu sein." Ich machte ein angewidertes Gesicht. "Anscheinend hat er sein Versprechen gehalten." Paul hörte mit seinem skeptischen Blick nicht auf. "Von einem Typen, der Mädchen auf der Straße aufgabelt und verwandelt habe ich noch nichts gehört aber die Besprechung eilt jetzt. Wenn du willst, kannst du mitkommen. Wenn du dich mit Annas Blut verwandelt hast, kann ich dir das nicht übelnehmen. Eher Respekt an deine Beherrschung, weil sie noch lebt." Endlich wurde seine Miene wieder neutraler und es kam der Paul wieder zum Vorschein, den ich gestern kennen gelernt hatte. Ich merkte auch, wie Anna sich beruhigte. Paul sah noch einmal auffällig auf die Uhr. Ach ja, die Besprechung. 'Soll ich mit zur Besprechung?', fragte ich Anna. 'Wenn du nicht mitkommst, wirft es noch mehr Fragen auf', kam es zurück. Dann war das wohl geklärt.   So schnell es mit der Straßenbahn ging, waren wir zum Orden gefahren. Ein ziemlich muskulös aussehender Mann, Vampir, wie ich an seinem fehlenden guten Geruch schnell erkennen konnte, ließ uns bei einer anderen Wohnungstür – diesmal betraten wir eines der neuen Gebäude - herein, dann gingen wir über eine Treppe in den Keller hinunter. Der Orden hatte ein ganzes Anwesen als Wohnhausblock getarnt, die ganzen Wohnungstüren waren nur Attrappe. Ich staunte nicht schlecht. Als wie unten angekommen waren, wurde uns eine große Tür geöffnet, wir huschten in den Raum hinein uns setzten uns auf freie Plätze weiter hinten. Ich fühlte mich beobachtet. Ein Schauer glitt meinen Rücken hinauf, aber Annas Ruhe war stark genug, damit ich keine Angst bekam. Ich sah mich um. Einige bequeme Sofas und Sessel, wie der, auf dem ich saß. In der Mitte ein langer Tisch, an dem wichtig aussehende Vampire in sehr angespannten Posen saßen, an einem Ende ein königlich prächtiger weicher Sessel. Und dort saß sie. Ich hatte Paul zugehört, als er von einem Mädchen erzählt hatte, dass sich nach dem Serum verwandelt hatte. Die Prinzessin. Bedeutete das nun für mich, dass ich nichts mit der alten Legende zu tun hatte? Es wäre schön, vielleicht war dieses Band mit Anna einfach etwas anderes, dass sich aufgrund unserer langen Freundschaft gebildet hatte. Leicht lächelte sie mit geschlossenem Mund stolz und fuhr sich durch die blonden glatten Haare. Aber ziemlich hungrig sah sie aus. Blutrote Augen und ziemlich blass. Musste das nicht wehtun? Hatte ich auch so ausgesehen, als ich Anna gebissen hatte? Ich konnte nicht anders, als immer wieder hinschauen und mich zu vergewissern, dass sie noch dort saß und sie keine Traumillusion oder so etwas Ähnliches war. Zumindest so lange, bis sich eine Hand auf meine Schulter legte. Unbewusst zuckte ich zusammen und fuhr zu dem Mädchen herum, das neben meinem Sessel stand. Mary. "Rose, bist du das?", flüsterte sie entsetzt. "Ja klar bin ich das." Etwas verwirrt schaute ich sie an, als Mensch sollte sie Vampire ja eigentlich nicht erkennen können, dann erinnerte ich mich daran, dass ich jetzt ein wenig anders aussehen musste. "Ist eine lange Geschichte", versuchte ich gleich vorweg dem kommenden Gespräch auszuweichen. "Aber gestern warst du doch noch…" "Ja ich weiß", unterbrach ich sie so leise wie möglich. Verwirrt schaute sie mich an. "Ich kanns dir nach der Besprechung erzählen", flüsterte ich ihr noch schnell zu, bevor die Besprechung mit einem lauten Gongschlag eröffnet wurde. Schnell huschte sie auf ihren Platz zurück. Ich fragte mich, ob ich wirklich so anders durch die Verwandlung aussah. Ich hatte mich noch nicht ein einziges Mal im Spiegel betrachtet. Konnte ich überhaupt Spiegel verwenden? Ich hatte es noch gar nicht überprüft.   "Sehr geehrte Ordensmitglieder", begann einer der älteren männlichen Vampire zu sprechen. "Wir sind heute zusammengekommen, um über eine glückliche Änderung unserer Aktivitäten gegen Andor und seine Verbündeten zu reden." Kurz schien er innezuhalten, dann wanderte sein Blick zu dem Mädchen auf dem Thron. "Es mir eine Ehre, euch Lily Sophia Dracula vorzustellen, zukünftige Königin eines neu und fair geführten Nachtreiches." Der Typ schien sich vor Glück nicht mehr halten zu können, es wirkte fast schon zu gekünstelt.  Und dieses Dracula … 'Ist der Nachname sowas, wie ein Titel?', fragte ich Anna. 'Ja alle Draculas tragen den', kam es zurück. Das blonde Mädchen lächelte ein wenig arrogant durch die Runde, aber nur die Vampire an, die respektvoll nickten. Die Menschen übersah sie. Ich mochte sie auf Anhieb nicht. Irgendwas war falsch an ihr und so überheblich. Sollte sie nicht Andor ablösen, damit die Gier und Intrigen ein Ende hatten? Als ihr Blick bei mir hängen blieb, zwang ich mich, kurz zu nicken, warf ihr aber auch einen bösen Blick zu, den sie ohne Reaktion aufnahm. Ich sollte meine Wut schon überspielen, aber irgendwie verbreitete sich Unbehagen und Wut in meinem Körper, wenn ich sie ansah.   "Danke. Es ist mir eine Ehre, diese Verantwortung auf mich zu nehmen", erklärte sie, nachdem sie mit ihrer Runde Schauen fertig war. "Das freut uns über alle Maßen", nahm der Mann nun wieder das Gespräch auf. "Da sich die Prinzessin nun erhoben hat, gibt es auch einiges zu regeln, um sie zu unterstützen. Die Menschen unter uns sind hier, weil sie mit der Prinzessin den Bund eingehen wollen. Könnten diese Personen bitte aufstehen." Ich sah, wie die meisten der Menschen aufstanden. Allein Anna, Mary und zwei andere Mädchen, die ich nicht kannte, blieben sitzen. Ich sah, wie Paul Anna vorwurfsvoll ansah und spürte, wie unwohl sie sich dabei fühlte. 'Mit mir mag er nicht teilen, aber für die Gunst der Prinzessin gibt er dich auf. Sehr nett.' Anscheinend sprach ich genau das an, was sie auch dachte, weil sie fast schon wütend darauf antwortete. 'Gedankenlesen kannst du jetzt auch oder was?' Ich merkte, wie sie sich gedanklich zurückzog, ein echt unangenehmes Gefühl. Auf einmal war ich so allein, es fühlte sich einfach nicht richtig an. Dabei war dieser Gedanke gar nicht für Anna gedacht gewesen, sondern entsprang meiner Wut und meinem neu erwachten Besitzzwang. Ich besaß sie doch gar nicht, was bildete ich mir bitte ein. 'Anna, kann ich nicht, das hab ich doch nur auch gedacht.' Sie antwortete nicht. Hilflos sah ich mit an, wie Anna aufstand, während jede Faser meines Körpers nach ihr greifen und sie wegziehen wollte. Kurz blickte ich zu Mary, die Anna mit einem fragenden Blick musterte, dann mich ansah. Ich zuckte mit den Schultern. 'Scheiße Anna setz dich wieder hin!' Irgendwie musste sie sich vor mir verschlossen haben, weil sie immer noch nicht antwortete.   "Wofür seid ihr drei da, wenn ihr sitzt?", fragte der Mann Mary und die zwei Mädchen. "Wenn ihr nicht wollt, da ist die Tür." Langsam konnte ich ihn null leiden. Superfreundlich zu der Blonden, aber Menschen waren nichts in seinen Augen. Ich sah zu, wie die zwei Mädchen aufstanden und bei der Tür hinaushuschten. Mary blickte mich noch einmal an, dann stand sie auf. "Und Sie brauchen einfach nur lange oder?" Mary blickte auf, schaute ihm in die Augen, sagte aber nichts. Was waren das für Zwänge, wo war ich da nur hineingeraten.   "Nun denn. Die Prinzessin hat freie Wahl. Wie wäre es mit dreien und Ihr geht mit einem davon den Bund ein?" Kurz überlegte die Blonde…Lily, langsam sollte ich mir ihren Namen merken, dann nickte sie und erhob sie sich übertrieben majestätisch aus ihrem Sessel, ging von Mensch zu Mensch, wechselte kurz ein paar Worte und ließ nach der Reihe alle wieder hinsetzen. Ein Junge blieb stehen, den einer der Vampire am Tisch durch eine Tür aus dem Raum führte. Auch Mary deutete sie stehen zu bleiben. Ich konnte spüren, wie ihr Herz kurz ängstlich aussetzte. Hastig ging sie einer Vampirfrau hinterher, die in derselben Tür verschwand, durch die auch der Junge gegangen war. Arme Mary. Ich hätte sie gerne da wieder herausgeholt, aber wie? Als Lily bei Anna ankam, bekam ich es echt mit der Angst zu tun. Ich wusste nicht, ob es einfach wegen mir war, aber Annas Geruch erfüllte den Raum wesentlich. Ob Anna auch Angst hatte, wusste ich nicht, doch dann drehte sich die Prinzessin um, ging aus dem Raum…und Anna folgte ihr. 'Anna!', brüllte ich so laut, man in Gedanken sein konnte. Sie drehte sich kein einziges Mal um. Was dachte sie sich dabei? 'Anna!' Sie verschwand in der Tür. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)