Auch Prinzessinnen weinen nachts von Anwysitna ================================================================================ Kapitel 5: Anna --------------- Ich lag weich. Über mir eine weiße Decke, neben mir mein Schrank und eine müde aussehende Rose. Das musste mein Bett sein. "Hab ich geschlafen?" Eigentlich war die Frage an mich selbst gerichtet, aber ich sprach sie aus. "Vier Stunden." Rose sah auf die Uhr. Ich drehte mich im Bett und schaute auf den Wecker am Nachttisch. 5:34. "Wie geht es dir?", fragte nun Rose. "Wie solls mir gehen?" Verwirrt schaute ich sie an, schaute ihr Gesicht an, schaute genauer, dann legte sich in meinem Gehirn ein Schalter um. "Rose…" Dann versagte meine Stimme. Was sollte ich jetzt sagen. Ich hatte Angst, aber eigentlich keinen Grund dazu. Rose kannte ich, Vampire kannte ich. Also warum war das auf einmal ein Problem. 'Bitte rede mit mir.' Eine leichte verzweifelte Stimme im Hinterkopf, doch Rose hatte die Lippen nicht bewegt. Ich richtete mich auf. Darüber hatte ich etwas im Orden gehört. Wenn die Prinzessin sich von jemandem nährt, kann sie eine Art Bund eingehen, der beide Körper miteinander verbindet. Das musste passiert sein.   Die Prinzessin. Rose war die Prinzessin. Erst jetzt wurde mir klar, was das bedeutete. "Nein." Es war mir unabsichtlich herausgerutscht, aber ich merkte sofort, wie dieses Wort Rose traf. "Nein, das meinte ich nicht." Ich nahm ihre Hand zog sie zu mir her und hielt sie fest. "Es ist zu viel auf einmal", hörte ich sie in meine Schulter flüstern. "Und das vorhin tut mir leid." Sie meinte den Biss. "Du musst sich nicht entschuldigen", flüsterte ich zurück. "Du kannst nix dafür." "Kann ich doch." Sie zitterte leicht. "Kannst du nicht. Ich bin dir auf jeden Fall nicht böse, Rose." "Wirklich nicht?" Sie wirkte unsicher. "Nein. Beste Freundinnen sind immer füreinander da, das haben wir uns doch geschworen." Sie seufzte kurz, hielt mich umklammert. Ein paar Minuten saßen wir still so da, dann löste sie sich von mir. "Bitte sag den anderen nichts davon…also jetzt noch nicht...ich muss erst mal selbst mit der Situation klarkommen. Ich weiß ja noch nicht einmal, was jetzt genau mit meinem Körper los ist", sagte Rose nun. Dabei konnte ich erkennen, dass sie genau zu wissen schien, was mit ihr los war. Ich schaute sie an, wusste zwar, dass sie eigentlich den Orden anrufen müsste, um ihm von Rose zu erzählen, aber konnte ich ihr das antun, was dann auf sie zu kam? Ich hatte sie schützen wollen und einfach nur einmal mitnehmen wollen, und ihr deswegen auch nicht zu viel vom Orden erzählen wollen. Ich wusste, dass sie nicht wirklich viel damit anfangen konnte, auch es war auch für mich so verwirrend. Bis auf die gelegentlichen Anfälle war Rose ein glücklicher menschlicher Sonnenschein. Dass sie eine Nachfahrin Draculas sein sollte, es wollte nicht in meinen Kopf, auch wenn ich Roses Gedanken gehört hatte. Verdammt nein, ich konnte ihr das nicht antun! Ohne jegliches Wissen um Vampirkultur, Hierarchien, Strukturen und sich selbst kann Rose auch nicht lange überleben. Wenn sie überhaupt mit diesen ganzen Änderungen klarkommt. Paul hatte ihr erzählt, dass sich Gewandelte oft schwer damit taten. "Sicher nicht. Das bleibt vorerst unser Geheimnis", gab ich zurück. Rose hatte gefühlt tausend Fragen, von banal bis zu jenen, die ich selbst nicht beantworten konnte, sie wirkte so aufgewühlt und hatte auch ständig Angst, mir zu nahe zu kommen. Diese Leere zwischen uns machte mich unruhig.   Um etwa drei Uhr nachmittags rief der Orden, oder besser Paul an. Irgendeine wichtige Besprechung, ich wollte nicht hingehen, aber wichtige Besprechungen hatten Anwesenheitspflicht. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen legte ich auf. Ich konnte nur hoffen, dass es keine neuen Infos über die Prinzessin gab. In Lügen war ich noch nie gut gewesen.   Rose war den ganzen Tag bei mir in der Wohnung geblieben, weil sie sich nicht auf die Straße traute. Schließlich erkannten Vampire einander. Außerdem hatte sie keine Ahnung, was sie ihren Eltern erzählen sollte. Eltern merkten einfach alles und Rose sah verändert aus. Ihre Augen schienen größer, ihre Haut hatte die Sonnenbräune verloren, aber insgesamt wirkte sie komisch gesund. Und anders als die Rose, die ich kannte.   Sie hatte sich in einer Gesprächspause Pancakes gemacht, auch wenn sie ihr nicht mehr so gut schmeckten, aber sie etwas im Mund haben wollte, dann hatte ich endlich viele Fragen beantwortet und den Großteil meines Wissens über den Orden weitergegeben, hatte dabei gespürt, wie verwirrt und verängstigt sie war, aber sie wollte es trotzdem hören. "Wissen ist Macht. Ich weiß nichts über den Orden", meinte Rose, als ich sie fragte, warum sie das hören wollte. Leider wahr. Leicht konnte man ohne Wissen in die Falle einer Intrige tappen, und insbesondere viele Ansprüche wurden an die Prinzessin gestellt. Als stärkste lebende Vampirin sollte sie sämtlichen anderen Adeligen und Höherrangigen vorstehen, diese hatten aber bis jetzt unkontrolliert und exzessiv gelebt, wenn ich Paul glauben konnte. Auch die Gedankenverbindung wurden angesprochen und irgendwann musste ich auch gestehen, dass ich ihre Gefühle wahrnehmen konnte, sie wirkte aber nicht überrascht. "Ich spür deine auch." Sie grinste leicht. "Das muss irgend so eine Art Bund sein." "Hab davon einmal im Orden gehört. Eigentlich sollten wir auch in Gedanken bewusst miteinander reden können, zumindest glaubt der Orden das. Mehr weiß ich leider auch nicht." Roses Mund verzog sich zu einem nachdenklichen Strich, sie schaute mich an. Eine Zeit lang sagte sie nichts. "Ich glaub nicht, dass es funktioniert…oder vielleicht mach ich auch was falsch", meinte sie dann. "Hmm vielleicht dauert das noch ein bisschen, bis wir reden können. Das wär schon echt cool." Irgendwie mochte ich den Gedanken. Niemand konnte uns zuhören, wenn wir in Gedanken redeten. Und ich war auch seltsam glücklich über unser neues gemeinsames Geheimnis.   Bum bum. Es klopfte an der Tür. Es gab nur einen einzigen Freund, der nicht wie ein normaler Mensch die Klingel benutzte. Paul. Was wollte er hier? Er sollte nicht hier sein. "Anna, ich weiß, dass du da bist." Seine übliche Begrüßung, wenn ich nicht schnell genug die Tür öffnete. Er konnte riechen, dass ich zuhause war. Panisch schauten Rose und ich uns an, wagten aber nicht uns etwas zuzuflüstern, falls Paul uns hören konnte, dann klopfte es wieder. Schnell eilte ich zur Tür, und öffnete sie einen Spalt. "Was ist denn so Dringendes los?", knurrte ich ihn an. "Hast du etwa die Besprechung vergessen?", kam es zurück. "Die ist in zehn Minuten und du Überpünktliche bist noch nicht im Orden. Ich habe mir echt Sorgen gemacht, du gehst doch immer an dein Handy." Hier muss ich endlich einmal sagen, dass Paul und ich ein Paar sein könnten, aber ich wollte das einfach nicht. Ich habe es versucht, aber kann es einfach nicht. Meine Gedanken sind zu sehr mit Vampiren allgemein und mit Rose vollgepackt. Rose, weil als meine beste Freundin und als Mensch wollte ich sie nicht in die Sache hineinziehen. Ein vampirischer Freund macht die Sache auch nicht einfacher. Und gleichberechtigte Beziehungen zwischen Mensch und Vampir gibt es einfach nicht - bis auf die Überlieferungen über den Bund - wir kommen aber damit klar. Auf jeden Fall sorgt Paul sich um mich und behandelt mich anständig. "Hatte zu tun. Ich hab bitte auch ein menschliches Leben", gab ich das schmollende Mädchen. "Kann ich kurz reinkommen, ich würde dich gerne auf die Besprechung vorbereiten? Kannst du dich noch an Lily erinnern?" "Die Blonde? Die war doch letzte Woche zu Besuch da, oder?" Ich wollte ihn eigentlich nicht hereinlassen, damit er Rose nicht begegnete, Dinge im Flur zu bereden schien aber auch nicht die richtige Lösung. "Ja." Wir gingen gemeinsam in meinen Wohnraum, ich eilig vorne, aber Paul war einfach mit seinem schnellen Tempo hinter mir. Rose musste sich versteckt haben, sie saß auf jeden Fall nicht mehr auf der Couch. War auch gut so, so konnte Paul sie nicht sehen, ich hatte Glück gehabt.   "Lily hat sich verwandelt." Er ließ diesen Satz mit einem großen Victoryzeichen im Raum stehen. "Warte was?" Ungläubig starrte ich ihn an. "Dann ist sie ja die Prinzessin." Aber Rose ist doch die Prinzessin, wir hatten ja ein Band. Sie hatte sich verwandelt, nachdem sie das Blut des Ältesten getrunken hatte. Oder bildete ich mir zu viel darauf ein? Vielleicht war alles gut und ich musste Rose nicht vor Intrigen und bösartigen Vampiren beschützen. "Ganz genau." Paul grinste. "Höherrangige haben sie überprüft und festgestellt, dass die Verwandlung korrekt war. Auf jeden Fall wird sie jetzt bei der Besprechung aufgenommen…und eine Person für das Band hat sie auch noch nicht ausgewählt." Er lächelte, dann runzelte er kurz die Stirn. "Wer hat dein Blut getrunken?“ Er war zu nah bei mir, auch wenn ich bis heute nichts gegen diese Nähe hatte. Scheiße! Erst jetzt fiel es mir wieder ein. Paul und ich hatten uns ausgemacht, dass nur er von mir trank, er wollte mir damit andere, brutalere Vampire vom Leib halten, weil mein Blut angeblich sehr süß sein sollte und als Delikatesse galt…aber jetzt war das mit Rose passiert. Was sollte ich sagen? Das war das erste Mal, dass ich richtig Angst vor ihm bekam. Warum plötzlich? Ich vertraute ihm doch wie einem Bruder. Es war irrational, er hatte immer meine Grenzen respektiert und mich zu nichts gezwungen, dass ich nicht wollte. "Lass mich los." Ich versuchte, seinem Blick zu entkommen, Abstand zu bekommen, um mich zu beruhigen, aber er hielt mich fest. "Sag mir, wer es war!", knurrte er mich an. Wie ein Fremder. So kannte ich Paul nicht. "Lass mich in Ruhe!" Verzweifelt wandte ich mich, aber er verfestigte seinen Griff. Seine Augen waren blutrot, er dachte nicht mehr rational. "Bitte lass mich los." Eigentlich wollte ich weder flehen, noch heulen, aber genau das tat ich. "Nein." Er war gefährlich ruhig. Er schmiegte sich an mich, ich konnte seinen Atem an meinem Nacken spüren, während sich alle Haare an meinem Körper aufstellten. Es fühlte sich so falsch an. "Du gehörst ganz mir. Nur mir, verstanden?!" Kurz bevor sich seine Zähne in meine Haut bohren konnten, war Pauls Griff auf einmal verschwunden.   Benommen rutschte ich zu Boden, realisierte nicht ganz, was sich vor meinen Augen abspielte, bis Paul vor mir zu liegen kam. Und neben ihm stand eine wütende Rose mit roten Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)