neko von michischreibt ================================================================================ Kapitel 2: 2 ------------ Darius stieg die Leiter zu seinem Schlafzimmer durch eine Bodenluke empor. Oben angekommen zog er sich aus, legte seine weiße Alltagstunika ordentlich zusammengefaltet auf das Bett und setzte sich kniend daneben. Ihm fiel gerade noch ein, das Band, das seine langen Haare zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammenhielt, zu lösen und auf seine Kleidung zu legen. Da er so selten das Haus verließ, war er recht blass, und sein Haar hatte ebenfalls eine fast weiße Farbe. Die hellbraunen Sommersprossen auf der Nase und auf der Wange seiner gesunden Gesichtshälfte stachen regelrecht hervor und ließen ihn nicht ganz wie ein fahles Gespenst aussehen, wenn er auch vielleicht eines war. Wer konnte das schon sagen, wenn er sich so selten draußen blicken ließ? Lebte er nicht wie eines? Darius stützte die Hände vor sich auf das Laken, schloss die Augen und schüttelte alle Gedanken ab, die ihm durch den Kopf geisterten. Es war mittlerweile ein Kinderspiel; sobald er einmal den Dreh heraus gehabt hatte, war es so simpel, sich zu verwandeln. Er konnte sich nicht mehr vorstellen, wie es vor dem Augenblick gewesen war, als er diesen selbstverständlichen Mechanismus in sich entdeckt hatte, der ihm die Verwandlung ermöglichte. Er atmete tief ein und stieß den Atem dann in einem langen Zug wieder aus. Während die Luft aus ihm strömte, konnte er spüren, wie er zusammenschrumpfte. Die Augen hielt er geschlossen, nachdem ihm mehrmals ein wenig schwindlig dabei geworden war, als er dabei zugesehen hatte, wie sich sein Blick veränderte. Dass seine Organe sich ebenfalls verschoben, war ein seltsamer Gedanke und ein noch seltsameres Gefühl. Seine Arme und Beine verkürzten sich, aus den Poren in der Haut wuchs ein dichtes Fell, die Fingernägel krümmten sich zu kleinen Spitzen und aus dem Steißbein spross ein behaarter Schwanz. Die denkwürdigste Veränderung war vielleicht die Tatsache, dass die vernarbte Haut in seinem Gesicht sich in eine völlig gesunde wandelte, verborgen unter weichem Fell. Seine Ohren wurden spitz und wanderten etwas am Kopf nach oben, und eine Schnauze mit Schnurrhaaren schob sich dort nach vorn, wo vorher sein Mund und seine Nase gewesen waren. Die Verwandlung war vollbracht und er schlug die Augen auf. Der Vorgang an sich war nicht besonders schmerzhaft, auch kein inniges Ritual, das nur unter bestimmten Umständen vollzogen werden konnte. Der Augenblick aber, in dem er die Augen öffnete, verschlug ihm jedes Mal kurz den Atem. Wie blind ein Mensch doch im Vergleich zu einer Katze war! Seine Sicht war einzigartig, tagsüber noch nicht einmal so beeindruckend wie nachts. Darius stand auf und sprang leichtfüßig auf vier Pfoten vom Bett. Er konnte ganz genau den Staub auf seinem Boden erkennen. Trotz all seiner tierischen Vorzüge und Nachteile war er doch er selbst, lediglich seine Hülle hatte sich gewandelt. Er lief über den Holzboden zu dem kleinen runden Dachfenster, hüpfte auf den Sims und drückte mit seinem Kopf gegen die nur angelehnte Fensterscheibe. Sie öffnete sich einen Spalt breit, sodass er hindurchschlüpfen konnte, dann sprang er in einem eleganten Satz auf einen Ast der großen Platane, die gleich vor dem Fenster aufragte. Dieser Ausgang war wie geschaffen für ihn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)