Froschhüpfer von Yosephia (Wie man zu einer Familie kommt) ================================================================================ Hüpfe neunmal – und ihr seid eine Familie ----------------------------------------- Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg. Laozi Das Klimpern eines Spielzeugklaviers erfüllte die Wohnung, während Rogue am Herd stand und darauf wartete, dass die Nudeln al dente wurden. Lector saß bereits am Tisch und vertrieb sich die Wartezeit mit einem Dreier-Würfel. In das Klimpern mischten sich immer wieder Stings geduldige Erklärungen. Die Kindermelodie wurde ein ums andere Mal wiederholt, langsam und tonweise, damit Frosch es sich merken und es nachspielen konnte. Seit dem ersten Essen bei Weißlogia hatte Frosch am Klavierspielen Gefallen gefunden und Sting war Feuer und Flamme, es ihr beizubringen, aber leider waren ihre Ersparnisse beinahe vollständig aufgebraucht. Die vielen Anschaffungen für die Kinder, der Umzug, die neuen Möbel… das hatte mehr als nur ein Loch in ihre Finanzen gerissen. Sie hatten den gemeinsamen Sommerurlaub, den sie Ende letzten Jahres gebucht hatten, deshalb wieder storniert. Den hätten sie ohne die Kinder sowieso nicht antreten wollen, daher war es ihnen nicht schwer gefallen, ihn zu zurück zu nehmen. Bei der Haushaltslage war es jedenfalls nicht möglich, ein Keyboard zu kaufen, geschweige denn ein Klavier, daher lernte Frosch auf dem Spielzeugklavier. Es hatte zwar nur eine Oktave, aber für die Kindermelodien reichte das vorerst. Außerdem ging Sting zweimal in der Woche mit den Kindern zu seinem Vater, um dort mit seiner Tochter auf dem Klavier seiner Mutter zu üben. Für ein Kleinkind legte Frosch dabei einen beeindruckenden Ehrgeiz an den Tag. „Pa…“ „Gleich, Lector, du kannst dir schon mal die Hände waschen und den Anderen Bescheid sagen“, schmunzelte Rogue und während sein Sohn den Würfel beiseite legte und die Küche verließ, tunkte er zum Abschmecken einen sauberen Teelöffel in die Käse-Sahne-Soße, die er für die Nudeln selbst angerührt hatte. Nichts besonders originelles oder gar aufwendiges, aber das musste ja auch nicht jeden Abend sein. Lector hatte bei der Wahl zwischen Nudeln und Bratkartoffeln jedenfalls nicht lange gefackelt, er war ein Nudelfan, wie er im Buche stand – nicht dass er Bratkartoffeln nicht auch mit Heißhunger verspeist hätte. „Papa, Fro, das Essen ist fertig“, rief Lector, woraufhin das Klimpern verstummte. Frosch quietschte vergnügt, Sting lachte, Lector blubberte protestierend. Lächelnd goss Rogue die Nudeln ab und stellte den Topf dann auf ein bereitliegendes Brettchen. Daneben stellte er den Topf mit der Soße, ehe er sich selbst an der Spüle auch die Hände wusch. Geistesabwesend tastete er kurz nach dem Ring, der an der Kette um seinen Hals hing. Das Gewicht war immer noch ungewohnt für ihn, wo er doch bisher nie Schmuck getragen hatte, aber es war kein unangenehmes Gefühl, war es doch eine beständige Erinnerung daran, dass er jetzt verheiratet war. Nachdem Sting ihn so damit überfallen und dann auch noch Minerva und Yukino zum Standesamt zitiert hatte, hatten sie es tatsächlich noch am selben Tag geschafft, zu heiraten. Im Grunde war es kaum mehr gewesen als das Ausfüllen von ein paar Formularen und das Unterschreiben der Heiratsurkunde, aber für Yukino war es Grund genug gewesen, vor Rührung zu weinen, während Minerva auf Rogue eher den Eindruck gemacht hatte, als würde sie darüber nachdenken, ihn zum Witwer zu machen. Stings Überfall hatte sie aller sonstiger Überlegenheit zum Trotz auf dem falschen Fuß erwischt. Für Rogue war es beruhigend gewesen, zu sehen, dass er das mit der Heirat nicht als Einziger vollkommen verschwitzt hatte. Mit je einem Kind unter jedem Arm betrat ein breit grinsender Sting die Küche. Erst neben dem Tisch setzte er Lector und Frosch wieder ab. Der Junge beeilte sich, auf seinen Platz zu kommen und griff schon nach seiner Gabel, die Augen begierig auf den Topf mit den Nudeln gerichtet. Als es an der Tür klingelte, verzog er so enttäuscht das Gesicht, dass Sting auflachte. „Du wirst schon nicht verhungern, wenn du noch zwei Minuten wartest.“ „Doch“, brummte Lector. Kopf schüttelnd ging Rogue in den Flur und öffnete die Wohnungstür. Verblüfft sah er sich einer milde lächelnden Belno gegenüber. Zuletzt hatte er sie vor einer Woche gesehen, als er mit Sting am Tag nach seiner Prüfung und der darauffolgenden Eheschließung in ihrem Büro vorbei gegangen war, um persönlich die Kopien seines Arbeitsvertrag und ihrer Heiratsurkunde abzugeben. „Verzeihen Sie die späte Störung, aber da ich auf dem Heimweg war, wollte ich das hier gerne persönlich bei Ihnen abgeben.“ Rogues Mund wurde trocken, als die Frau einen Umschlag aus ihrer Aktentasche heraus zog. Er war aus stabilem Karton und ganz schön dick, aber unbeschriftet und unverschlossen. Wie ein Wunder starrte Rogue ihn an. War das wirklich das, was er hoffte? War das das, worauf er und Sting so hart hingearbeitet hatten? „Rogue, was ist denn los?“ Langsam drehte er sich herum. Sting stand in der Küchentür, neben ihm ein mürrisch dreinblickender Lector und eine neugierige Frosch. Als die Drei Belno erkannten, griff Lector unwillkürlich nach Frosch und zog sie an sich. Er hatte nichts gegen Belno, aber er hatte bei ihren vorherigen Besuchen bereits begriffen, dass sie einer der Entscheidungsträger war, von denen abhing, ob er und Frosch für immer hier bleiben durften. Und er verschenkte sein Vertrauen nicht leichtfertig. „Mrs. Belno, was…“ Stings Blick blieb an dem Umschlag hängen und seine Augen wurden riesengroß. Mit wenigen Schritten war er an der Tür und streckte die Hand nach dem Umschlag aus, zögerte dann jedoch, wirkte nun beinahe ängstlich. Verständnisvoll lächelnd klemmte Belno sich die Aktentasche unter den linken Arm, nahm den Umschlag in die linke Hand und zog mit der rechten Hand zwei Blätter daraus hervor, um sie Sting und Rogue hin zu halten. In großen Lettern stand oben Adoptionsurkunde und darunter stand Lectors Name. Zitternd ergriff Rogue die Blätter und legte das untere nach oben. Die Adoptionsurkunde für Frosch. „Das ist es“, flüsterte Sting mit belegter Stimme. „Endlich…“ „Im ersten Jahr sind Hausbesuche alle zwei Monate üblich und am Ende des Jahres wird noch mal mit allen Beteiligten ein Gespräch geführt, aber ich denke nicht, dass das irgendwelche Probleme bedeuten wird“, erklärte Belno ruhig und hielt ihnen den Umschlag hin. „Darin befinden sich alle Unterlagen für die Kinder und noch einige Informationsblätter. Die Kinderausweise werden Ihnen in etwa einem Monat mit der Post zugesandt, bis dahin können Sie weiter die vorläufigen Ausweise verwenden, die ich Ihnen mit Antritt der Pflegschaft gegeben habe.“ Rogue kam es so vor, als würden seine Muskeln ihm gar nicht mehr gehorchen. Es kostete ihm einige Anstrengung, die Hand auszustrecken und den Umschlag zu ergreifen. Er wollte irgendetwas sagen, wollte sich bei Belno dafür bedanken, dass sie ihnen so vorbehaltlos geholfen hatte, aber er brachte kein Wort hervor. Doch Belno schien gar keinen Dank zu erwarten. Sie lächelte weiterhin verständnisvoll und nahm ihre Aktentasche wieder richtig in die linke Hand, ehe sie ihnen die rechte hin hielt. „Wenn Sie irgendwelche Fragen haben, können Sie sich jederzeit an mich wenden, ich bin weiterhin die Betreuerin für Ihren Fall. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und alles Gute mit den Kindern.“ Alles, was Rogue tun konnte, war, die Hand der Frau zu schütteln. Seine eigene Hand fühlte sich vollkommen kraftlos an. Stings Bewegungen, als er Belno ebenfalls die Hand schüttelte, wirkten mechanisch und das Danke, das er hervor brachte, klang gepresst. Mit einem letzten Lächeln nickte Belno, dann ging sie einfach die Treppe hinunter. Mit dem Umschlag und den Adoptionsurkunden stolperte Rogue zurück und Sting schloss die Tür. „Pa, Papa, was ist das?“, fragte Lector beunruhigt und kam, noch immer einen Arm um Froschs Schultern geschlungen, langsam zu ihnen. Sting nahm die Adoptionsurkunden an sich und hockte sich vor den Kindern hin, um ihnen die Dokumente zeigen zu können. „Diese Urkunden hier…“ Er musste schwer schlucken und Rogue erkannte, dass er heftig blinzelte. „Die beweisen, dass ihr zu uns gehört. Für immer. Wir sind jetzt ganz offiziell eure Väter. Keiner kann euch uns noch weg nehmen!“ Lectors Augen weiteten sich. „Wir dürfen für immer hier bleiben?“ „Für immer und ewig!“, krächzte Sting und als er wieder blinzelte, rannen Tränen über seine Wangen. Achtlos legte Rogue den Umschlag auf die Kommode und nahm dann Sting wieder die Urkunden ab, um sie auch beiseite zu legen. Erst dann kniete er sich neben seinen Mann, schlang einen Arm um ihn und zog mit dem anderen die Kinder an sich. „Papa traurig?“, fragte Frosch betroffen, die offensichtlich nicht verstanden hatte, was gerade passiert war. „Nein, Fro… Wir sind nicht traurig“, erklärte Rogue heiser. Endlich hatte er seine Sprache wieder gefunden. Er konnte spüren, wie auch über seine Wangen Tränen rannen und seine Unterlippe zitterte. Dass Lector leise schniefte, trug nicht unbedingt dazu bei, dass er seine Fassung wieder erlangte. „Wir sind…“ Überwältigt… Selbst mit tausend Worten hätte Rogue nicht erklären können, wie glücklich er in diesem Moment war. Als er vor einem halben Jahr Frosch mit ihrem Monsterschal vor dem Tarte au Stellar gesehen hatte, hätte er nicht einmal im Ansatz geglaubt, dass er einmal hier enden könnte: Mit seinem Mann, seinem Sohn und seiner Tochter in ihrem gemeinsamen Heim. Mit seiner kleinen, glücklichen Familie! Mit einem Laut, der halb Lachen, halb Schluchzen war, drückte er seine Familie fester an sich. Er spürte, wie Sting die Umarmung erwiderte, spürte die Schluchzer seines Mannes. Er spürte, wie auch Lector sich noch enger an ihn schmiegte, spürte eine von Froschs kleinen Händen, die sich in sein Hemd krallte. Und alles, was er tun konnte, war, sie alle ganz fest zu halten und gleichzeitig zu weinen und zu lachen, während Sting und Lector und schließlich auch Frosch einstimmten. Lachen und Lächeln sind Tor und Pforte, durch die viel Gutes in den Menschen hineinhuschen kann. Christian Morgenstern Das Sabertooth war heute für eine geschlossene Veranstaltung ausgebucht. Für die der Familie Eucliffe-Cheney, um genau zu sein. Und das war beileibe keine kleine Veranstaltung. Skiadrum und Weißlogia hatten alles an Familie und Freunden zusammen getrommelt, was sie greifbar gehabt hatten, um zu feiern, dass ihre Söhne geheiratet hatten und dass ihre Kinder endlich auch rechtskräftig zu ihnen gehörten. Die Bar war ordentlich voll und der Barbesitzer Pantherlily hatte mit seiner Angestellten Kinana ganz schön zu tun, um alle Gäste zu versorgen. Pantherlilys Frau Shagotte und die gemeinsame Tochter Charle waren auch mit eingesprungen, um es familiär zu halten – denn irgendwie gehörten sie ja auch mit dazu, immerhin war Pantherlily der Pate von Rogues Cousins Gajeel und Juvia. Sting saß neben seinem Mann auf einer Bank und beobachtete, wie seine Großmutter sich mit seinen Kindern bekannt machte. „So so, das sind also meine Urenkel“, stellte Anna Eucliffe fest und blickte prüfend auf Lector und Frosch hinab. Sie war trotz ihres hohen Alters von fünfundsiebzig Jahren eine hoch aufgerichtete, beherrschte Frau, der noch anzusehen war, was für eine Schönheit sie einmal gewesen war, ihre ehemals goldblonden Haare nun schlohweiß, ihre Züge trotz der Falten straff. Wann immer Sting sie traf, hatte er nicht das Gefühl, dass sie tatsächlich älter geworden war, weiße Haare und Falten hin oder her. Lector drehte den Schirm seiner Mütze nach hinten und erwiderte ihren Blick unverfroren. Sting musste bei diesem Anblick grinsen. Es gab nur wenige Menschen, die es wagten, sich mit seiner Großmutter anzulegen, aber Lector gehörte offensichtlich dazu – und damit hatte er auch schon automatisch die Sympathie der alten Dame gewonnen, das wusste Sting nur zu gut. „Frosch ist Frosch“, meldete sich Lectors Schwester mit einem strahlenden Lächeln zu Wort und hob die freie Hand. Mit der Linken presste sie ihren geliebten Froschi an sich. Nachdem das Plüschtier durch die Heimerzieherinnen so malträtiert worden war, hatte Rogue es zu seiner Cousine Juvia gebracht, die es geflickt hatte. Seitdem war Froschi wieder der beständige Begleiter des Mädchens. „Ich bin Lector. Wer bist du?“, fragte Lector abschätzig. „Die Mutter von eurem Großvater Weißlogia“, erklärte Anna und wedelte nachlässig in Richtung ihres Sohnes, der mit seinen Freunden Skiadrum und Metallicana an der Bar saß. „Also die Mama von Opa…“, murmelte Lector und kratzte sich lange an der Nase. „Ihr könnt mich einfach Oma nennen“, verfügte die alte Dame hoheitsvoll. Offensichtlich in Ermangelung einer Alternative zuckte Lector mit den Schultern. „Okay.“ „Omi!“, rief Frosch glücklich und hielt ihrer Urgroßmutter Froschi hin. „Sehr schön, Frosch, aber der sollte bei dir bleiben, sonst wird er traurig.“ Anna griff in ihre Handtasche und holte zwei kleine Päckchen hervor. Ein rosafarbenes gab sie Frosch, das blaue erhielt Lector. Als die Kinder die Geschenke auspackten, kam bei Frosch eine Kollektion an Haargummis, -klammern und –spangen zu Tage. „Eine junge Dame von Welt muss etwas aus ihren Haaren machen, dann müssen deine Väter eben dazu lernen“, war Annas Kommentar dazu. Lector bekam eine Panflöte mit der Begründung, dass eine musikalische Grundausbildung Pflicht für einen adretten, jungen Mann sei. Neben Sting ächzte Rogue leise und zupfte an seinem Pferdeschwanz. Bisher hatte Frosch auch immer nur Pferdeschwänze getragen. Sie hatte nie nach anderen Frisuren gefragt, aber das würde sich jetzt garantiert ändern. Im Geiste ging Sting bereits durch, wen sie um Unterricht bitten konnten. Solange er sich erinnern konnte, hatte Yukino ihre Haare immer kurz getragen, also schied sie wohl eher aus. Blieben noch Minerva oder Lucy. Letztere hatte vom Gefühl her jedes Mal, wenn Sting sie sah, eine andere Frisur, bei der einfach jedes Haar perfekt zu sitzen schien, eben ganz die professionelle Geschäftsfrau. Dabei hatten ihr die offenen, flatternden Haare, die sie früher immer getragen hatte, auch gut zu Gesicht gestanden. Minerva hatte nur eine kleine Auswahl an Frisuren. Für den Dienst in der Kaserne flocht sie ihre Haare immer. Das war wohl noch das Einfachste. Die Frage war nur, was Sting und Rogue auf sich nehmen mussten, damit ihre Freundin ihnen zeigte, wie sie Frosch die Haare flechten konnten… Als Anna sich ihm und Rogue zuwandte, straffte Sting unwillkürlich die Schultern. Seine Großmutter war einschüchternder als jeder Lehrer und jeder Ausbilder während seines Wehrpflichtjahrs, mit dem er es je zu tun bekommen hatte. „Das sind gute Kinder, Sting, ich bin stolz auf dich“, erklärte Anna gnädig und überreichte ihm einen Umschlag. „Alles Gute zur Hochzeit und zur Vaterschaft.“ „Ähm… danke…“ Langsam öffnete Sting den Umschlag. Darin befanden sich zwei Sparbücher, die für Lector und Frosch angelegt worden waren. „Eine gute Ausbildung kostet viel und es soll den Beiden schließlich an nichts mangeln“, erklärte die alte Dame resolut. Das alles war so typisch für sie. Anna Eucliffe war nun einmal in einer anderen Zeit aufgewachsen, in der man noch weniger Möglichkeiten gehabt hatte und in der eine gute Ausbildung oft vom Geld abgehangen hatte. Heute hatte man da viele Förderungen zur Verfügung und die Studiengebühren waren auch nicht mehr so hoch, dennoch würde das Geld auf diesen Sparbüchern sicher irgendwann nützlich sein und Sting war seiner Großmutter wirklich dankbar dafür. Dann wurden ihnen noch mehr Umschläge hingehalten. „Sting hat mir erzählt, dass du sehr gut kochen kannst, Rogue“, sagte Anne an den Schwarzhaarigen gewandt. „Hat er, ja?“, fragte dieser und für einen Moment funkelten seine roten Augen amüsiert, ehe er dem Umschlag öffnete. Ein ziemlich hochdotierter Gutschein für einen edlen Feinkostladen kam zum Vorschein. Neugierig öffnete Sting seinen Umschlag und fand zwei Karten für ein weltberühmtes Konzert in Crocus. „Ich würde euch ja anbieten, dafür bei mir zu übernachten, aber ihr zieht vielleicht ein Hotel vor…“ Die alte Dame machte eine vage Geste, von der Sting heilfroh war, dass seine Kinder sie nicht sahen. „Danke, Großmutter“, stammelte er mit heißen Wangen und stand auf, um die alte Dame ungelenk zu umarmen. „Kein Grund für Verlegenheit, ihr seid verheiratete Männer in den besten Jahren.“ Wo waren eigentlich die Löcher, die sich unter einem auftaten, wenn man sie mal wirklich brauchte? Sting freute sich, dass seine Großmutter, die immerhin zu einer Generation gehörte, in der Homophobie noch salonfähig gewesen war, überhaupt kein Problem mit seiner gleichgeschlechtlichen Ehe hatte, aber sie war nach Minerva, Lector und Frosch die letzte Person, mit der er über sein Sexleben reden wollte. Nachdem Anna schließlich von ihm abgelassen und sich an seine Cousine Wendy gewandt hatte, um sie darüber auszuhorchen, wie es im Studium lief – sie hatte letztes Jahr ihr Lehramtsstudium begonnen –, ließ Sting sich mit einem Seufzer wieder neben seinen Mann plumpsen. „Deine Großmutter ist der Hammer, Sting.“ Mit schalkhaft funkelnden Augen baute Minerva sich vor ihm und Rogue auf, hinter ihr Orga, Rufus und Lucy. „Ja, ein Vorschlaghammer“, murmelte Rogue, der die Umschläge alle mit in die Kiste zu den anderen Geschenken legte, die sie bereits erhalten hatten. Eigentlich hatten Sting und Rogue nur im kleinsten Kreis feiern wollen, weil sie für mehr einfach nicht das Geld hatten, aber ihre Väter hatten kurzerhand die Organisation und die Kosten der Party übernommen. Als Hochzeitsgeschenk, hatten sie gesagt, aber Sting hatte so das Gefühl, dass die Beiden noch nicht fertig mit ihnen waren. „Danke, Tante Mi!“, rief Lector glücklich, gefolgt von lautem Trommeln. Sting stöhnte entsetzt, als er sah, dass jedes seiner Kinder mit einer Spielzeugtrommel ausgestattet war. Beide waren hellauf begeistert und trommelten bereits wild herum. „Warum bestraft du mich mit?“, wandte Rogue sich wehleidig an die Schwarzhaarige. „Er war es doch, der dich und Yukino zum Standesamt zitiert hat.“ „Mit gefangen, mit gehangen“, erwiderte Minerva gnadenlos. „Hey, es gibt Leute, die so etwas romantisch finden!“, protestierte Sting und blies beleidigt die Wangen auf. „Durch die halbe Stadt zum Standesamt gezerrt zu werden, um spontan zu heiraten?“, hüstelte Rufus und Lucy kicherte amüsiert. „Ihr seid ja solche Banausen!“ Ein Pfiff lenkte alle Aufmerksamkeit auf den Kücheneingang hinter der Bar, wo jetzt Loke rückwärts heraus kam, ihm folgte ein Meisterwerk von einer Torte, die an der anderen Seite von Yukino balanciert wurde. Die Torte war vierstöckig, mit weißem Fondant überzogen, geschmückt mit knallgrünen Fröschen aus Fondant, die sich teilweise zwischen kunstvollen Seerosenblüten aus Fondant versteckten. Bunte Zauberwürfel, Bücher und Noten aus Fondant tanzten an den Wänden der einzelnen Geschosse und ganz oben auf waren ein schwarzer Drache, ein weißer Drache, ein rotbrauner Wolf und ein grüner Frosch. „Das ist von Yukino, Loke und mir“, erklärte Lucy lächelnd. „Auch wenn Yukino die Hauptarbeit geleistet hat.“ „Gar nicht wahr, ihr habt unglaublich viel geholfen“, wehrte Yukino verlegen ab und hätte beinahe eine Hand von der Tortenplatte genommen. Loke dirigierte seine Freundin zum Tisch. Als die Torte sicher stand, wandte er sich grinsend an Sting und Rogue. „Hört nicht auf Yukino, wir waren nicht mehr als niedere Küchenhelfer, sie hat uns ganz schön gescheucht.“ „Loke!“ „So eine ist Yukino also“, sagte Minerva und wackelte anzüglich mit den Augenbrauen. „Minerva!“ Lucy lachte laut und ausgelassen und die Anderen stimmten ein. Sting sprang wieder auf die Füße und zog erst Yukino, dann Lucy in eine stürmische Umarmung. Seine Cousine wirkte heute losgelöst und heiter. Sie hatte einen guten Tag. Wahrscheinlich hatte es ihr wirklich gut getan, für die Torte so viel Zeit mit Loke und Yukino zu verbringen. Die Beiden verhielten sich auch viel entspannter als früher in Lucys Gegenwart. Die Wogen schienen sich allmählich endgültig zu glätten. Lange genug hatte es ja gedauert und das, obwohl Lucy dem Paar nie irgendwelche Vorwürfe gemacht hatte. „Tante Yu, darf ich ein Stück haben?“ Lector stand mit leuchtenden Augen vor der Torte – wie sollte es auch anders sein? „Erst müssen Sting und Rogue ihn gemeinsam anschneiden“, erklärte Yukino energisch und zog ein Schleifenband hervor. „Wieso das denn?“, fragte der Junge irritiert. „Das ist so Tradition“, war die sehr ernsthafte Antwort. „Komisch.“ „Du sagst es, Lector, aber deine Tante Yu wird böse mit uns, wenn wir nicht artig sind“, seufzte Sting ergeben und er und Rogue hielten ihre rechten Hände übereinander, damit Yukino sie zusammen binden konnte. „Ihr seht doof aus“, kommentierte ihr Sohn freiheraus. „Gut erkannt. Daran wirst du dich noch gewöhnen müssen“, sagte Minerva und klopfte ihrem Patensohn auf die Schulter. „Sei ruhig, Tante Mi“, brummte Sting. „Du darfst sie nicht so nennen, Papa!“ Unter Yukinos leuchtenden Augen und dem Grinsen der Anderen schnitten Sting und Rogue ein großes Stück aus dem unteren Tortenboden, der mehrschichtig war, unten Schokoladenkuchen, dann eine Buttercreme, dann wieder Schokoladenkuchen, dann eine Himbeermarmeladenschicht und dann wieder Schokoladenkuchen. Sting hatte so eine Ahnung, dass die drei Bäcker schon seit gestern an diesem Meisterwerk gearbeitet hatten. Als das Stück endlich auf einem bereitgehaltenen Teller lag, griff Lector nach einer der Gabeln, die Lucy derweil geholt hatte. Rogue löste mit der Linken den Knoten, der ihre Hände aneinander band, und nahm das Messer an sich, um danach den Kuchen alleine weiter zu schneiden. Sting hielt ihm immer die Teller hin und reichte sie dann an die einzelnen Gäste weiter, die sich in einer Reihe bei ihnen anstellten. Die oberen Stockwerke der Torte waren ähnlich aufgebaut, wenn auch jeweils mit einer anderen Kuchenart. Der zweite Stock war mit rosa eingefärbten Kuchen ausgestattet, der dritte grün, der letzte weiß. Als alle Gäste ein Stück erhalten hatten, stand Lector mit seinem leeren Teller wieder neben der Torte und Sting gab ihm das Stück mit dem Fondant-Wolf von der Spitze – Frosch hatte natürlich auf das Spitzenstück mit dem Fondant-Frosch beharrt. Die beiden Familienväter genossen noch ihre eigenen Stücke, als Minerva zu ihnen trat und ihnen einen Umschlag unter die Nase hielt. „Das ist unser Geschenk für euch.“ Sehr misstrauisch stellte Rogue seinen Teller beiseite und öffnete den Umschlag. Als er den Inhalt sah, hob er überrascht den Blick. „Ihr seid doch verrückt!“ „Na klar, anders würde man es mit euch Turteltauben gar nicht aushalten“, erwiderte Minerva und verdrehte die Augen. „Ein einfaches Danke hätte es auch getan.“ Sting rutschte auf der Bank näher an seinen Mann heran, um zu sehen, worum es ging. Es war ein Gutschein für einen einwöchigen Familienurlaub in den Bergen. Genau dort, wo Sting und Rogue ursprünglich zu zweit hatten Urlaub machen wollen, was sie aus Kostengründen ja storniert hatten. „Minerva, das ist zu viel, das können wir doch nicht annehmen…“, zierte Rogue sich. „Wir hätten doch meine Variante nehmen sollen“, schnaufte Minerva an die Anderen gewandt. „Dann hätte ich die Kinder bei mir gehabt, um ihnen etwas Ordentliches beizubringen, während die Beiden undankbaren Hohlköpfe hier sich das Hirn weg-“ „Minerva!“, rief Yukino mit knallrotem Gesicht. „Es sind Kinder im Raum!“ „Piepen“, endete die Schwarzhaarige ungerührt. „Lass’ uns einfach in diesen Urlaub fahren und dann da bleiben, Rogue, unsere Kinder dürfen nie wieder in die Nähe dieser grässlichen Person“, schlug Sting mit feuerroten Wangen vor, was vor allem daran lag, dass die Vorstellung an ein komplettes Wochenende nur mit Rogue auch gar nicht so schlecht klang. „Ein Jewel für Stings Gedanken“, murmelte Rufus süffisant grinsend. Der Blonde hätte ihm zu gerne eine uncharmante Antwort gegeben, aber ein sehr schmerzhafter Griff an seinem Knie ließ ihn verstummen. Kichernd klopfte Lucy ihm auf die Schulter. „Nun ziert euch doch nicht so. Wir haben alle zusammen gelegt und ihr habt euch das wirklich verdient.“ Seufzend strich Sting sich eine Strähne aus der Stirn und sah reihum in die Gesichter seiner Freunde. Auch wenn sie sich die Kosten für diesen Urlaub geteilt hatten, hatte jeder einzelne von ihnen ganz schön tief in die Tasche gelangt, das war ihm sehr wohl klar. Und das, nachdem sie zuvor schon so viel für ihn und Rogue getan hatten. Er fragte sich, womit er sich so fantastische Freunde verdient hatte. „Im Gegenzug müsst ihr jedem von uns eine Postkarte schicken“, insistierte Yukino eifrig, als Rogue den Umschlag zu den anderen Geschenken legte und aufstand, um sich reihum zu bedanken. „Du und deine Postkarten“, neckte Loke seine Freundin, woraufhin diese errötete und ihm auf den Arm schlug. Egal wie kurz Yukino verreiste, sie schickte ihren Freunden immer Postkarten und sie erhielt auch für ihr Leben gerne selbst Postkarten. Zum Glück hatte sie eine Schwester, die mit ihrem Team ständig in einem anderen Teil von Fiore stationiert war und sie daher regelmäßig mit neuen Postkarten beglücken konnte. „Das war deine Idee, richtig?“, flüsterte Sting Minerva ins Ohr, als er sie umarmte. „Nein, meine Idee war das Sexwochenende, Lucy meinte, ihr könntet nach all dem Rummel mit dem Umzug und der Prüfung und so mal eine Pause gebrauchen“, erwiderte Minerva flüsternd und für einen Moment verriet ihr Blick, was für eigene Gedanken sie sich dabei machte. Lucy könnte so eine Pause auch mal gebrauchen. Als er sich auch bei Lucy mit einer Umarmung bedankte, drückte Sting sie etwas fester als nötig an sich, sagte jedoch nichts dazu. Er machte sich wirklich Sorgen um seine Cousine, aber sie war selbst so glücklich über die gelungene Überraschung, dass er sie jetzt nicht deswegen behelligen wollte. Aber irgendwann musste er noch mal versuchen, mit ihr darüber zu reden. Nach allem, was sie für ihn getan hatte, war er ihr das mehr denn je schuldig! „Sting, Rogue, das hier war heute Morgen in unserem Briefkasten.“ Verwirrt drehten die Beiden sich um, als Shagotte zu ihnen trat. Mit ihren elegant geknoteten, weißen Haaren und der schlanken Statur wirkte sie ausgesprochen filigran, das völlige Gegenteil von ihrem muskulösen und dunkelhaarigen Mann Pantherlily. Sie war eine langjährige Freundin von Stings Tante Grandine und die Patin von Wendy. In gewisser Weise war sie für Sting auch beinahe eine Tante. Die Kuratorin hielt ein kleines, ungeschickt eingewickeltes Päckchen in Händen, an welchem eine Karte hing. Als Rogue das Päckchen entgegen nahm und die Karte aufklappte, scharten sich die Freunde um ihn und Sting, um zu sehen, was es damit auf sich hatte. Die Karte war mit einer blockartigen Schrift beschrieben: Wurde ja auch Zeit, ihr Turteltauben. Lasst euch schön von Nerva ärgern. „Von wem ist das?“, fragte Yukino Stirn runzelnd. „Außer euch traut sich keiner, mich so zu nennen“, brummte Minerva. „Mach’ es auf, Rogue, vielleicht verrät ja der Inhalt mehr.“ Der Schwarzhaarige folgte der Anweisung und löste die Klebestreifen am Geschenkpapier. Zum Vorschein kam eine Packung alter Pokerkarten. Sie waren angegilbt und abgegriffen, aber sorgsam gehütet, keine Spur von Knicken oder Rissen oder auch nur von angestoßenen Ecken. Die Bilder waren mit Comicfiguren statt mit den klassischen Motiven versehen. Auf einmal war Sting mulmig zumute und er klammerte sich mit einer Hand an den Arm seines Mannes. Dieser hob den Blick. Seine roten Augen waren extrem geweitet. Keiner der Anderen sagte etwas. Sie standen unter Schock. „Das ist die mieseste Entschuldigung aller Zeiten“, krächzte Sting, als er endlich seine Stimme wieder gefunden hatte. „Immerhin ist es überhaupt eine“, murmelte Rogue und wickelte sehr sorgsam die Karten wieder ein. Als er sie mit in den Geschenkkorb legte, zitterte seine Hand verräterisch. „Das erste Mal seit drei Jahren…“ Yukino schniefte leise und Loke schlang einen Arm um ihre Schultern, um sie fort zu führen. Immer noch benommen sah Sting ihnen hinterher und beobachtete, wie die Weißhaarige das Gesicht in den Händen barg und sich an ihren Freund lehnte. Orga und Rufus verzogen sich an die Bar und bestellten bei Pantherlily Bier. Sie brauchten offensichtlich einen Absacker nach dieser Neuigkeit. Nachdem sie kurz eine Hand auf Stings Arm gelegt hatte, entfernte sich auch Lucy. Ihre braunen Augen flackerten verräterisch und sie hatte es auf dem Weg zur Toilette eindeutig eilig. „Er muss einen Grund gehabt haben“, sagte Minerva leise und legte sowohl Sting als auch Rogue je eine Hand auf die Schulter. „Den hatte er immer. Aber er ist wohl doch nicht vollkommen von der Bildfläche verschwunden. Vielleicht erklärt er es uns irgendwann.“ „Hoffentlich“, murmelte Sting matt. Minerva klopfte ihnen beiden auf die Schulter und strebte dann auch der Bar zu, sodass die Ehemänner alleine blieben. Noch immer klebte Stings Blick an dem Päckchen mit den Karten. Wie oft hatte er diese Karten damals in Händen gehalten? Er war meistens abgezockt worden, aber, Himmel, an diesen Karten hingen so viele tolle Erinnerungen… Ein Klopfen auf seiner Schulter veranlasste Sting, sich zu seinem Vater und Skiadrum herum zu drehen, die teilnahmsvoll lächelten, weshalb Sting sofort wusste, von wem sie geschickt worden waren. Typisch. „Minerva meinte, wir seien jetzt dran“, erklärte Weißlogia und sein Freund hielt ihnen ein Paket entgegen, in dem sich eine kunterbunte Kollektion an Bilderrahmen befand, die Bilder von Sting, Rogue und den Kindern enthielten. Einige der Bilder erkannte Sting wieder. Da war auch das Bild von ihm und Rogue vom Morgen nach seinem achtzehnten Geburtstag. Ein Bild von ihm als Dreijähriger auf dem Schoß seiner Mutter am Klavier. Ein Bild von Baby-Rogue in den Armen seiner Mutter, einer wunderschönen Frau mit braunen Haaren, dunklen Augen und zierlicher Statur. Sie war kurz nach Rogues Geburt gestorben, aber Sting wusste, dass Rogue ihr Andenken immer in Ehren gehalten hatte. Bilder von Sting und Rogue mit ihren Vätern, Einzelbilder von Lector und Frosch. Ein Gruppenbild, das nach dem erfolgreichen Umzug gemacht worden war. Bilder von Stings und Rogues Freundeskreis. „Wir haben gesammelt“, erklärte Skiadrum lächelnd. Als Rogue ein Bild heraus zog, auf dem er und Sting mit den Kindern in Winterjacken aneinander gekuschelt im Frachtraum eines Transporters lagen, überkam Sting eine Ahnung und er blickte hastig zu Minerva, aber die hatte ihm den Rücken zugedreht und war verräterisch schwer damit beschäftigt, Frosch zu zeigen, wie sie besonders laut trommeln konnte. Sting tauschte einen verblüfften Blick mit Rogue aus. Nie im Leben hätte er gedacht, dass die vielen kitschigen Bilder von ihnen auf Minervas Kappe gegangen waren! Weißlogia reichte ihnen als nächstes einen Zettel, auf dem ein Termin in einer Woche gekritzelt war. „Den müsst ihr euch frei halten, an dem Tag wird das Klavier angeliefert.“ „Das Kla… Pa, das ist doch Mas Klavier!“, rief Sting mit großen Augen. „Und sie hätte gewollt, dass ganz viel darauf gespielt wird. Natürlich würde ich mich freuen, wenn ihr dennoch oft mit den Kindern vorbei kommt, aber so kann Frosch auch viel einfacher üben und jetzt habt ihr ja auch ein Wohnzimmer, das groß genug dafür ist“, erwiderte Weißlogia mit einem ungewohnt sanften Lächeln. Sting fehlten die Worte. Er liebte diese Klavier abgöttisch und als er mit Rogue in die erste gemeinsame Wohnung gezogen war, hatte er es zugegebenermaßen wirklich vermisst, nicht mehr jederzeit Klavier spielen zu können, aber sie hatten wirklich keinen Platz für ein Klavier in der alten Wohnung gehabt und obendrein war ein Klaviertransport schweineteuer. Erst als Rogue vortrat und erst seinen eigenen Vater und dann seinen Schwiegervater umarmte, riss Sting sich aus seiner Starre und tat es ihm gleich. Danach musste Sting sich hastig über die Augen wischen. All diese Geschenke hatten ihn ganz schön aufgewühlt. Es bedeutete ihm unglaublich viel, dass seine Freunde und Verwandten sich so viele Gedanken um ihn und Rogue gemacht hatten und dass sie sich die Zeit genommen hatten, um hier mit ihnen zu feiern. Sogar der Partymuffel Gajeel war da und hielt seinen einjährigen Sohn Gad auf dem Schoß, der ihm abgesehen von den blauen statt schwarzen Haaren wie aus dem Gesicht geschnitten war, während seine Frau Levy angeregt mit ihrer besten Freundin Lucy plauderte, welche sich nach einigen Minuten auf der Toilette wohl wieder gefangen hatte. Nur Gajeels jüngere Schwester Juvia fehlte, aber wer mit Zwillingen hochschwanger war, brauchte keine weitere Entschuldigung – und sie hatte ihnen von Gajeel selbstgestrickte Handpuppen für die Kinder und feinmaschige, warme Handschuhe für die gesamte Familie überreichen lassen. Pantherlily und Kinana gaben das Buffet frei, das sie während der langwierigen Geschenkeübergabe aufgebaut hatten. Drei Tische waren dafür zusammen geschoben worden und trugen jetzt eine kunterbunte Auswahl an Salaten, Aufläufen, Pasteten, Snacks, Aufstrichen, Broten und dergleichen mehr. Jeder der Gäste hatte etwas für das Buffet mitgebracht und Pantherlily hatte auch noch mal einiges dazu gegeben, ebenso wie die Getränke. Natürlich war Lector als erster am Buffet, begleitet von seiner Patentante Minerva, die sich mit ihm zusammen durch alle Gerichte durch probierte. Frosch hielt sich während des Essens bei ihren Vätern auf. Als nach dem Essen die Musik aufgedreht wurde, klatschte sie begeistert in die Hände und wiegte sich hin und her. Euphorisch, wie er war, stand Sting auf, schnappte sich seine Tochter und ging mit ihr auf die Tanzfläche. Man konnte das, was Frosch machte, kaum Tanzen nennen. Es war ein wildes Herumgehüpfe und –gedrehe, aber sie war mit ganzem Herzen bei der Sache und Sting ließ sich von ihrer Begeisterung gleich noch mehr anstacheln. Ausgelassen drehte er sich mit ihr, zeigte ihr einfache Tanzschritte und wirbelte sie mehrmals wild in der Luft herum, was ihr jedes Mal ein lautes Jauchzen entlockte. Während die meisten anderen Gäste auch irgendwann auf die Tanzfläche kamen – Lucy tanzte mit ihrem Onkel Weißlogia und Levy hatte den kleinen Gad ihrem Schwiegervater in die Arme gedrückt, um den widerwilligen Gajeel auf die Tanzfläche zu ziehen –, blieb Rogue jedoch beharrlich neben dem Geschenkkorb sitzen und auch Lector machte keine Anstalten, von Minervas Seite zu weichen, obwohl er endlich nicht mehr kaute. „Wie wäre es, wenn du deinen Papi zum Tanzen aufforderst und ich hole deinen Bruder?“, raunte Sting seiner Tochter zu, nachdem er sie zum Abschluss eines Liedes wieder herum gewirbelt hatte. „Frosch denkt auch!“, rief das Mädchen begeistert und klatschte wild in die Hände. Als Sting sie absetzte, rannte sie sofort zu Rogue und streckte bettelnd die Hände nach ihm aus. Der Schwarzhaarige lächelte gezwungen und stand auf, um sich von seiner Tochter auf die Tanzfläche ziehen zu lassen. Zufrieden grinsend tänzelte Sting zu Minerva und Lector. Die Schwarzhaarige hob die Augenbrauen an. „Frosch als Lockvogel, sehr gerissen.“ „Der Zweck heiligt die Mittel“, erwiderte Sting erhaben und griff nach den Händen seines Sohnes, der eine wenig begeisterte Miene machte. „Ach ja…“ Er beugte sich weiter vor, damit nur Minerva ihn hören konnte. „Danke für die Bilder und für alles andere, du Mega-Softie.“ Ohne abzuwarten, wie seine Freundin darauf reagierte, zog er Lector mit sich auf die Tanzfläche. Mit verbissenem Ernst versuchte der Junge, die Tanzschritte zu meistern. Er war eindeutig nicht so begeistert wie seine Schwester, aber er gab sich redliche Mühe – Sting hatte den starken Verdacht, dass Lector das Mädchen einfach nicht enttäuschen wollte, wenn es ihn zum Tanzen auffordern sollte. Aus dem Augenwinkel beobachtete Sting, wie Yukino und Lucy Partnerwechsel machten und einander dabei in die Hände klatschten. Loke und Lucy zogen das Tempo an und wirbelten ausgelassen lachend über die Tanzfläche, während Yukino mit Weißlogia etwas gemütlicher tanzte und sich dabei angeregt mit ihm unterhielt. Mit einer galanten Verbeugung forderte Rufus Stings Cousine Wendy zum Tanzen auf, woraufhin diese heftig errötete, während Orga kurz mit Pantherlily redete und dann Kinana auf die Tanzfläche zog. Skiadrum lud Anna galant auf ein Tänzchen ein, die hoheitsvoll annahm. Und Rogue tanzte ausgesprochen souverän mit einer noch immer quirligen Frosch. So sehr Rogue sich auch davor zieren mochte, er war ein ausgezeichneter Tänzer. Leider kam Sting nur selten in den Genuss, mal mit ihm zu tanzen, weil sein Mann immer versuchte, sich von solchen Festlichkeiten fernzuhalten. Er hatte da einfach zu viele Hemmungen, aber bei Frosch hatte er natürlich nicht ablehnen können. Das Mädchen hatte ihn vom ersten Tag an in der Hand gehabt. „Papa, willst du mit Pa tanzen?“ Überrascht blickte Sting auf seinen Sohn hinunter, der treuherzig zu ihm aufblickte. „Dann tanzt du mit Fro?“ Ernst nickte der Junge und impulsiv hob Sting ihn hoch, um ihn an sich drücken zu können. „Du bist der beste Sohn auf der ganzen, weiten Welt. Ich habe dich lieb!“ „Ich dich auch, Papa“, murmelte Lector verlegen und erwiderte die Umarmung. Sting setzte ihn wieder auf die eigenen Füße und führte ihn tanzend an den anderen Paaren vorbei bis zu Rogue und Frosch, die so in den gemeinsamen Tanz vertieft waren, dass sie die Annäherung nicht bemerkten. In einer Drehung fing Sting seine Tochter ab, herzte sie überschwänglich, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und schob sie dann in Lectors erwartungsvolle Arme. Der ergriff sehr ernsthaft ihre kleinen Hände und tanzte mit ihr weiter. Überglücklich fügte das Mädchen sich in diesen Partnerwechsel und tanzte nun genauso ausgelassen mit seinem Bruder. Mit einem breiten Lächeln wandte Sting sich an seinen Mann, über dessen Wangen sich ein Rotschimmer legte. „Das hast du von Anfang an geplant, gib es zu!“, brummte Rogue, wehrte sich jedoch nicht, als Sting ihn zum Tanz aufforderte. „Was soll ich zugeben, dass ich an diesem Abend mit jedem aus meiner Familie tanzen möchte?“, lachte Sting und drehte sich stürmisch mit Rogue, was diesen jedoch nicht eine Sekunde lang aus dem Tritt brachte. „Schuldig im Sinne der Anklage.“ Die Musik wechselte auf ein langsameres Lied. Schmunzelnd beobachtete Sting, wie Frosch mit ihrem Bruder kuschelte, der sich unbeholfen mit ihr auf der Stelle drehte, sie jedoch keine Sekunde lang los ließ. Yukino und Lucy tauschten wieder. Eng umschlungen tanzte Yukino mit ihrem Freund und küsste ihn dabei von Zeit zu Zeit, während Lucy sich zu Minerva gesellte und Weißlogia mit seiner Mutter zur Bar zurückkehrte, wo Metallicana seinen Enkel Gad auf den Knien schaukelte. Rogues Vater war auch auf dem Rückweg zur Bar, als ein breit grinsender Weißlogia seine Schwester Grandine in dessen Arme schob. Skiadrum fügte sich bemerkenswert schnell in sein Schicksal und führte die Ärztin auf die Tanzfläche, wo sie die Arme um seinen Hals legte und sich im Takt wiegte. Dann richtete Sting seine volle Aufmerksamkeit auf Rogue. Unter dem schwarzen Hemd, dessen obere zwei Knöpfe offen waren, erkannte Sting die silberne Kette mit dem Ring. Er wusste, dass sein Mann die Kette nur zum Duschen abnahm, und er verfuhr ebenso. Auch wenn sie dieses äußeren Zeichens gar nicht bedurften, um zu wissen, dass sie zusammen gehörten, irgendwie gab es Sting doch ein gutes Gefühl, das Metall auf seiner Haut zu fühlen und zu wissen, dass sein Mann zu jeder Zeit genau dasselbe Gefühl verspürte. „Das hätte ich vor zehn Jahren nicht geglaubt“, sagte Rogue sanft und zog Sting enger an sich. „Was? Dass wir einmal zwei Kinder adoptieren und heiraten würden?“, fragte der Blonde, der nicht mehr den Blick von den Augen seines Mannes abwenden konnte. „Das auch“, schmunzelte Rogue und gab Sting einen flüchtigen Kuss, was diesen beinahe aus dem Takt brachte. „Ich hätte vor allem nie geglaubt, dass alles, was ich brauche, du bist.“ Eine wohlige Gänsehaut bildete sich auf Stings Armen und er musste den Kloß in seinem Hals herunter schlucken. Vor zehn Jahren war er Rogue in die Arme gerannt und vom ersten Augenblick an hatte er gewusst, dass dieser attraktive Schwarzhaarige etwas ganz Besonderes war, aber er hätte sich nicht einmal im Ansatz vorstellen können, wie besonders er war. „Rogue…“ Stings Stimme war heiser und er hielt mitten im Takt inne, um seinen Mann noch enger an sich ziehen zu können. Es schien diesen nicht im Mindesten zu überraschen. Seine Arme legten sich fester um Stings Körper und sein Gesicht kam ihm immer näher. „Ich liebe dich!“ Die einzige Antwort war ein Kuss, lang und gefühlvoll und mit einem Hauch von Unendlichkeit… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)