-Blauseide- von DameEvieFrye (Schimmer des blauen Mondes) ================================================================================ Kapitel 1: Süße Sachen ---------------------- Langsam strich Lorell mit dem Tuch über das Fensterglas des Schaufensters. Befreite es so vom Staub der Straße, die vor seinem Laden verlief. Der morgendliche Verkehr war noch kaum wahr zu nehmen, was sich im Laufe des Tages natürlich ändern würde. In geschwungenen Lettern stand auf einem großen Schild, oberhalb der Eingangstür, „Zuckerbäckerei Diamantentränen“. Lorells Laden war klein, aber fein. Die Damen in dieser Stadt, nannten ihn auch gern romantisch und verspielt. Das entlockte dem Mann ab und an ein verlegenes Schmunzeln. Unten hatte er den Verkaufsraum mit den Sitzgelegenheiten für die Kunden und der L-förmigen Theke, in deren Auslage verschiedenste Torten und Törtchen, Cupcakes, Kekse und Pralinen angepriesen wurden. Diese endete an einem Flur, der zur Backstube führte und weiter zum angrenzenden Lager. Die Stühle und Tische standen auf einem Podest gegenüber der Theke, so dass man die Leckereien, die Lorell anbot gut sehen konnte. Der Raum war in gold- und elfenbeintönen gehalten. Gerade Linien vermischten sich stilvoll mit verspielten Stuckornamenten und von der Decke hing ein Lüster aus Bleikristall, der je nach Tageszeit dem Raum einen anderen Schimmer gab, ohne die warme, einladende Atmosphäre zu verändern. Im hinteren Teil der Bäckerei waren die WC-Anlagen, sowie die Wendeltreppe, die nach oben in den privaten Wohnbereich führte. Die Wohnung hatte eine offene Küche, die ins Wohnzimmer überging und an welches ein großer Balkon angrenzte, auf dem Blumen, drei Liegen und eine Sitzgarnitur Platz fanden. Trat man aus dem Wohnzimmer heraus erkannte man, neben der Wohnungstür, vier weitere Türen, welche von dem langgestreckten Flur abgingen. Am Anfang der Wohnung, links neben der Wohnungstür, war das Zimmer von Barell. Barell war der älteste seiner zwei Ziehkinder und mit seinen 16 Jahren gerade mitten im Rüpelalter, was nicht nur Lorell ab und an zu spüren bekam. In der Mitte befand sich das Bad mit Dusche und WC, so wie Waschmaschine und Trockner. Daneben war Belials Zimmer. Belial war der Jüngere der Brüder und wo Barell laut und schrill war, war der kleine ruhig und geerdet. Belial war 14 Jahre alt und wenn Lorell Glück hatte, würde aus dem Jungen ein feiner, vornehmer Mann werden. Ähnlich wie es einst … Die Abstellkammer war die dritte Tür und befand sich gleich neben dem Zimmer von Belial. Ein kleiner Raum war da aber noch. Dieser war kaum größer als die Abstellkammer. Dies war Lorells Zimmer. Allerdings brauchte er auch nicht viel Platz. Nur sein Sarg und ein Schreibtisch mit samtüberzogenem Stuhl standen darin. Ja richtig, ein Sarg. Lorell war aber nicht etwa ein Grufti oder Satanist. Nein. Lorell war ein Vampir. Und das machte ihn besonders. Dennoch lebte er unter den Menschen, ohne dass diese es bemerkten. Als er seine Arbeit erledigt hatte und die Sonne wieder ungehindert durch das Glas scheinen konnte, ging er hinein und schüttete das Wasser in den Ausguss. Der Vampir war schlank und hatte Porzellanhaut. Rein und weiß. Dazu hatte er Türkisfarbene Haare, die ihm in langen gewellten Strähnen den Rücken hinab fielen und sein Gesicht umschmeichelten. Am liebsten trug er sie offen, doch da dies sein Beruf oft nicht zuließ, hatte er sich angewöhnt, sie in einem leichten Pferdeschwanz zusammen zu binden. Oft wurde er auf den zarten fliederfarbenen Hauch unter seinen Augen angesprochen, doch entgegen der allgemeinen Meinung der Menschen war dieser kein Make-up. Wenn Lorell arbeitete trug er ein blütenweises Hemd, welches er bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt hatte, sowie eine schwarze Hose mit langer dunkler Schürze. Sein einziger Schmuck war das silberfarbene Kreuz, mit den eingesetzten Diamanten. Dies war sein wertvollster Besitz. Das Letzte was ihm von seinem einstigen Herrn geblieben war. Als auf der Treppe schnelle Schritte zu hören waren, sah Lorell auf. Aus der Wohnetage stürzte ein junger Mann die Treppe herunter und versuchte im Laufen noch Hose und Hemd anzuziehen, während er sich die Schultasche unter den Arm geklemmt hatte. Die Haare waren zerzaust und wahrscheinlich noch ungekämmt. "Ich komm zu spät!", quakte Belia. Die letzten Stufen der Treppe übersprang er einfach, was Lorell nicht so gern sah, immerhin war der Junge nur in Socken und lief so Gefahr auf den rutschigen Fliesen ausgleiten zu können. Lorell schaute auf die Uhr. "Bell, du hast noch eine Stunde Zeit", meinte er dann und der Junge stockte, gefror beinahe in der Bewegung. Verwirrt sah er noch mal auf seine Uhr und warf die Tasche auf den Boden. "Oh! Lorell! Er hat es schon wieder gemacht!", protestierte der Junge und sah Lorell um Hilfe suchend an. Und der Vampir wusste was gemeint war. Barell hatte Belials Uhr wieder vor gedreht. "Sieh es positiv mein Kleiner, so kannst du noch frühstücken. Setze dich. Ich mach dir etwas." Widerwillig und schmollend setzte sich Belial an einen der Tische. Noch waren keine Gäste im Laden, weshalb Lorell ihm diese Ausnahme zugestand. Normalerweise aßen sie alle zusammen oben. Der Vampir trat hinter die Theke und legte zwei Hörnchen, Brötchen und Belag auf zwei separate Teller. Geschickt brachte er diese zu Belial an den Tisch. In der anderen Hand trug er zwei Tassen mit süßer, dampfender, heißer Schokolade. "Bitte schön und einen guten Appetit, mein Kleiner", sprach er, als er alles vor seinen Ziehsohn stellte. "Danke Lorell ... Barell ist manchmal so ein Idiot!" Lorell setzte sich zu ihm und strich ihm die Haare nach hinten, durchkämmte sie mit seinen langen Fingern und brachte sie so in eine einigermaßen duldsame Ordnung. "Er ist eben dein großer Bruder....", versuchte der Vampir zu beschwichtigen, doch Belial schien sich nicht beschwichtigen zu lassen. "Kann ich den nicht umtauschen?", moserte er mit vollem Mund und sah Lorell mit großen Augen an. Der Vampir schmunzelte väterlich. "Nein, aber wir bekommen das schon hin." Barell aber erschien erst etwa eine dreiviertel Stunde später im Laden. Gähnend kratzte er sich am Hinterkopf und streckte sich genüsslich seufzend. "Morgen", gähnte er mehr als er sprach. Er warf sich auf einen der Stühle, legte die Beine auf einen zweiten hoch, schnappte sich ein Hörnchen und knabberte an dem Teilchen herum. Belial funkelte ihn böse an, doch der große Bruder ignorierte ihn, nahm dann seine Tasche als er fertig gegessen hatte und warf seinem kleinen Bruder dessen Helm zu. "Wir machen dann los", meinte er und sah zu dem Mann, der seit dem Verschwinden ihres leiblichen Vaters, ihnen diesen so gut es ging versuchte zu ersetzen. "Fahrt bitte vorsichtig. Bis später." "Ja, ja." Der Vampir hatte Barell zum Geburtstag einen Roller geschenkt, allerdings unter der Bedingung, dass er Belial zur Schule mitnahm. Da beide auf dieselbe gingen, war das kein Problem. Er sah den beiden noch durch das Fensterglas zu, wie sie auf den Roller stiegen und losfuhren. "Sie werden so schnell groß...", wisperte er sehnsüchtig, als schon die ersten Kunden herein kamen und der Arbeitsalltag begann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)