My love bite on your neck von Fara_ThoRn ================================================================================ Love bite 43 - Vorbereitungen ----------------------------- Und weil heute der erste Advent ist, habe ich gleich noch ein Kapitel für euch. Danke auch für all die lieben Reviews. Ich beantworte sie in den kommenden Tagen. Eigentlich wollte ich es heute machen, aber ich hab mir wohl eine kleine Erkältung eingefangen. Anne hat mich bestimmt angesteckt >____< Euch noch ein schönes restliches Wochenende. Man liest sich ;-D Love bite 43 - Vorbereitungen "Sobald ich angekommen bin, rufe ich dich an." "Das will ich auch schwer hoffen", murmle ich traurig. "Ich vermisse dich schon jetzt." So wie immer, wenn wir uns voneinander verabschieden müssen. "Es ist doch nicht für lange", will mich Meilo trösten, was aber nicht wirklich klappt. Diese ganze Herumreiserei nervt mit jedem Tag mehr. Immer wieder diese vermaledeiten Trennungen. Ich hab die Nase voll! Ein Glück, dass es nicht mehr lange dauert, bis das ein Ende hat. Ein für alle mal. "Und bis wir uns wiedersehen, soll die Maklerin sich in der Zwischenzeit dahinter klemmen, und für uns ein paar wahnsinnig schöne Wohnungen finden." Ich lächle Meilo schmal an und umarme ihn zum Abschied. Die Wohnungen interessieren mich gerade herzlich wenig. "Hör auf so traurig zu gucken." Er lächelt mich an, was ich zu erwidern versuche. Ich denke nicht, dass ihn das überzeugt, aber besser bekomme ich es nicht hin. "Ich liebe dich", wispert er, küsst mich ein letztes Mal und steigt ins Auto. "Ich liebe dich auch", sage ich und lehne mich durch die offene Fensterscheibe. "Fahr vorsichtig." "Mach ich doch immer", grinst Meilo. Noch ein Kuss und ein anschließendes Zwinkern, dann fährt er davon. Bevor er um die Kurve ist, hupt er nochmal und winkt. Ich winke zurück, auch wenn er es nicht mehr sehen kann. "Shit", zische ich, stehe einsam und verlassen auf dem verregneten Bordstein vor unserem Haus und halte meine Tasche in der Hand. Meilo wollte noch nicht mal mit ins Haus kommen. Es war einfach keine Zeit mehr dafür. Und ich kann es verstehen. Wäre er mit rein gekommen, wäre er so schnell nicht mehr von hier weggekommen. Schade ist es trotzdem. Seufzend reiße ich meinen Blick von der Straße los und strecke meine müden Knochen, ehe ich mich unsere Einfahrt entlang schleppe. All meine Muskeln sind verspannt. Heute war ich mit Fahren dran, da Meilo jetzt noch lange genug vorm Steuer sitzen wird. So ein Stress! Vielleicht hätten wir einen Tag eher zurückfahren sollen. Andererseits ... Was wäre dann aus Anne geworden? Glücklicherweise geht es ihr wieder besser. Thorsten hat mir heute Morgen eine SMS geschickt. Sie haben sich im Hotel verkrochen und lassen es sich gut gehen, solange sie es noch für sich haben. Ich gönne es den beiden. Und wer weiß? Vielleicht hat Anne ja endlich gefunden, was sie während ihrer Reise von Ort zu Ort gesucht hat. Wäre das nicht schön? "Bin wieder da!", rufe ich, als ich die Wohnung betrete. "Niclas?" "Nein. Der Weihnachtsmann", pampe ich. Ich höre, wie meine Mutter lacht und dann sehe ich sie auch schon aus dem Wohnzimmer schweben. "Wo ist Meilo?" Grummel. Ist es nicht schön, dass sich meine Mutter so sehr freut mich zu sehen, dass sie gleich nach Meilo fragen muss? "Der ist gleich weitergefahren", erkläre ich. "Was? Ach wie Schade!" Schade trifft es nicht mal annähernd. "Ich bin in meinem Zimmer. Bin total KO", sage ich zu meiner Mutter und gehe flüchten, bevor sie mich in ein Gespräch verwickeln kann. Das muss erst einmal warten. Ich brauche Ruhe und Zeit für mich. Gesegnete Stille empfängt mich in meinen vorübergehenden vier Wänden. Als aller erstes schleudere ich meine Tasche in die nächstbeste Ecke, ziehe mich um und werfe mich aufs Bett. Ich hasse dieses Gefühl der Leere und Einsamkeit, jedes Mal, wenn Meilo und ich uns wieder trennen müssen. Und mit jedem Mal wird es schlimmer. Ich fühle mich so allein ... Plötzlich ist mir die Stille meines Zimmers unangenehm. Außerdem habe ich das Gefühl etwas machen zu müssen, damit ich nicht noch vor Einsamkeit vergehe. Um dieser bedrückenden Stimmung zu entkommen, schalte ich Musik an und stelle mich mitten ins Zimmer. Prüfend lasse ich meinen Blick schweifen. Wenn alles glatt geht, ziehe ich hier bald wieder aus. In einem Monat, um genau zu sein, vielleicht sogar noch eher. Draußen hat es wieder angefangen zu regnen. Wieso das miese Wetter und meine miese Laune nicht nutzen, und damit anfangen, meinen Kram auszusortieren? Das hatte ich schon lange vor, aber nach meinem Rausschmiss bei Kilian, war ich einfach nur froh, dass ich alles irgendwie untergebracht hatte, und wollte auch nicht wirklich in meinem Zeug herumwühlen und alten Ballast aussortieren. Doch jetzt scheint mir diese Idee ganz plausibel zu sein. Dann bin ich auch auf einen eventuellen schnellen Auszug vorbereitet, und muss nicht lange packen. Der Großteil meiner Sachen ist noch in Kartons verstaut. Die Meisten davon lagern unten im Keller. Kleidung und Technikkram habe ich im Zimmer untergebracht. Davon werde ich das Meiste behalten. Zuerst geht es an die Klamotten. Von meiner Mutter lasse ich mir eine Rolle Kleidersäcke organisieren, dann geht es los. Einmal angefangen, werde ich von einer richtigen Arbeitswut gepackt. Systematisch gehe ich alles durch. Jedes Teil, das ich seit einem Jahr nicht mehr getragen habe, oder mich in irgendeiner weise an Kilian erinnert, wandert in den Sack. Ich war schon immer ziemlich rabiat in solchen Dingen. Vollgestopfte Schränke stören mich, und ich will keinesfalls in der neuen Wohnung alles vollmüllen. Obwohl ... Sehr wahrscheinlich hat Meilo sowieso den größten Kleiderfundus von uns beiden. Ein Grund mehr, Platz zu schaffen, denke ich grinsend. Unermüdlich kämpfe ich mich durch den Wust an Kleidung und höre dabei meine Queen-Platte, als es an meiner Zimmertür klopf. "Ja?" "Ich bin's." Ich bin's hört sich schwer nach meiner Schwester an. "Komm rein." Der nächste Sack muss dran glauben und wird zugeschnürt. Das ist schon der dritte. Man glaubt gar nicht, was sich immer anhäuft! Dabei kaufe ich eigentlich selten Kleidung ein. "Mama hat gesagt, Meilo ist schon wieder weg?" War ja klar. Madame kennt nur ein Thema: Meinen geliebten Popstar. "Jepp. Er hat heute Abend noch einen Auftritt", antworte ich. "Ich weiß", sagt Nicole und hockt sich auf mein Bett. Auch das war klar. Nicole kennt Meilos Tour-Plan besser als er selbst. "Was tust du da?" Mit hochgezogenen Augenbrauen schaue ich zu ihr rüber. Das erinnert mich an früher, als sie noch sehr klein war, und gerade mal ein paar Sätze sagen konnte. Ständig wackelte sie auf unsicheren Beinen hinter mir her, und wollte immer genaustens wissen, was ich mache. Und dann musste ich es ihr auch noch erklären. Mann, was hat die mich damals genervt! Unser Altersunterschied ist nicht gerade gering, weshalb eine nervige, neugierige kleine Schwester für mich der blanke Horror war. Aber lang, lang ist es her. Heute ist sie fast schon eine junge Frau. Hach ja ... "Ich sortiere schon mal für den Auszug meine Sachen aus", erkläre ich ihr. "Habt ihr schon eine Wohnung?" "Nein, noch nicht. Aber hoffentlich bald." Nicole grinst mich an. "Kannst es nicht mehr erwarten, von hier weg zu kommen, eh?" "Kann ich nicht", gebe ich lächelnd zu. "Aber ihr bleibt hier in der Nähe, oder?" "Tun wir. Wir wollen uns was in der Stadt suchen." "Cool. Dann habe ich einen guten Vorwand, um Shoppen zu fahren." Lachend schüttle ich den Kopf. "Lass das nicht Papa hören." "Ganz sicher nicht. Aber dann musst du mir auch immer ein Alibi geben." "Kein Problem, solange wenigstens ich weiß, wo du dich herumtreibst. … Und mit wem!" "Lässt sich einrichten", sagt sie. Ist es nicht erstaunlich, wie gut wir uns inzwischen verstehen? "Du sag mal ... Wie ist das eigentlich, mit jemanden zusammen zu sein? Also so richtig, meine ich." Oho! Da werde ich doch gleich hellhörig. "Wieso?", will ich von Nicole wissen und lasse meine Kleidung, Kleidung sein. "Gibt es da etwas, das ich wissen müsste?" Sie legt den Kopf schief und wirft mir giftige Blicke zu. "Oh ja! Ich habe recht! Wie heißt er? Oder ist es eine Sie?" "Blödmann!", kreischt Nicole. Ich fange an zu lachen und setze mich auf meinen Bürostuhl. Eine kleine Pause vom Aussortieren tut immer gut. Nicole wird tatsächlich rot um die Nasenspitze herum. "Ich bin nicht lesbisch", knurrt sie. "Stell dir mal vor, du wärst es. Mama würde ausflippen." Und dann stände neben dem kleinen schwulen Plastiktortenpärchen bald auch ein Lesbisches. "Ich kann es ja mal aus Spaß andeuten", lacht Nicole auf. "Lenk nicht ab. Ich will seinen Namen wissen." Ihre Unterlippe zieht sich vor. Dann seufzt sie und fängt an, ihre Füße gegeneinander in ein tödliches Duell zu schicken. Sie ist nervös. Könnte denn wahrhaftig die Möglichkeit bestehen, dass sich meine Schwester in einen Jungen verguckt hat?! "Er heißt Mark", murmelt sie leise. Ich hatte Recht! "Er ist aber zwei Klassen höher als ich." "Ein Älterer also. Bleibst deinem Beuteschema also treu." "Hör ja auf! Wenn er auch schwul ist, werde ich womöglich doch noch 'ne Lesbe!" "Du glaubst, er könnte auch schwul sein?" "Ich hoffe nicht", seufzt Nicole. "Hast du ein Bild von ihm?", frage ich sie. Nicole nickt und holt ihr Handy aus der Hosentasche. Kurz tippt sie darauf herum, dann reicht sie es mir. "Hm ..." Ich vergrößere den Bildausschnitt etwas, um mehr zu erkennen. "Etwas unscharf, ich meine das Bild ... aber ..." Ich schaue noch genauer hin. Dieser Mark sieht ganz niedlich aus. Dunkelhaarig, relativ gut gebaut, wie es aussieht. Ähnlicher Typ wie Meilo, womit bewiesen wäre, dass meine Schwester und ich den gleichen Männergeschmack haben. "Nein. Nein ich denke nicht, dass er schwul ist", ist mein abschließendes Urteil. Obwohl man das nie weiß. Auch ich bin nicht allwissend. Jedenfalls springt mein Radar bei ihm nicht an. Aber dass er keine Schminke trägt, ist schon mal ein Anfang und sicherlich ein gutes Zeichen. Das lassen wir Meilo besser nicht hören ... "Da bin ich aber beruhigt", schnarrt Nicole und mopst sich ihr Handy zurück. "Sieht ganz nett aus, der Kleine." "Er ist nicht klein! Er ist einen Kopf größer als ich." "Ihr kennt euch?" "Nein", sagt sie betrübt. "Für ihn bin ich nur ein kleines Mädchen aus der Babyklasse. Falls er mich überhaupt beachtet." "Kann man nie wissen. Check ihn ab." "Und wie mach ich das?" "Rempele ihn im Flur 'ganz unbeabsichtigt' an." "Das kann ich nicht machen!", krächzt meine Schwester und guckt mich an, als hätte ich ihr gerade vorgeschlagen, übermorgen mit ihr auf den Mond zu fliegen. "Wieso nicht? Was soll schon groß passieren, außer, dass er eventuell auf dich aufmerksam wird?" "Wird er eh nicht." "Das kannst du nicht wissen." "Kann ich wohl! Schau mich doch an. Auf Mark stehen total viele Mädchen. Auch die Älteren, Erfahrenen. Da kann ich nicht mithalten." "Erfahrung ist nicht alles. Bei meinem ersten Mal zum Beispiel ..." "Oh nein! Erspare es mir!" "Was denn? Ich wollte nur sagen, dass ..." "Niclas! Klappe!" Also sowas! Da will man helfen, und wird auf Stumm geschaltet. "Soll ich dir lieber von meinem letzten Mal mit Meilo erzählen?", ärgere ich sie. "Ahh!" Ein Kopfkissen kommt auf mich zugeflogen. "Hör auf damit! Ich will nichts davon hören!" "Als ob ich dir von unserem Sex erzählen würde", lache ich. "AHH! Klappe!" Sie hält sich die Ohren zu, was mich nur noch mehr lachen lässt. "Schon gut, schon gut", gebe ich nach. "Ich bin schon ruhig." "Danke." "Aber wenn du mal so weit bist, und vor allem auch alt genug dafür, dann gebe ich dir gerne Tipps." "Tipps? Du mir? Über Sex?" "Warum meine Weisheit nicht mit meiner Schwester teilen?" "Weil ich nicht hören will, wie du von Sex redest", blafft sie mich an und steht auf. "Außerdem weiß ich darüber schon eine Menge." Ich muss anfangen zu grinsen. "Lach nicht! Das ist wahr!" Abwehrend hebe ich die Hände und zwinge meine Mundwinkel nach unten. "Sag Meilo einen lieben Gruß, wenn du nachher mit ihm telefonierst", sagt sie noch, dann rauscht sie aus meinem Zimmer. Aufklärungsgespräche mit meiner Schwester. Zum Glück habe ich bis dahin hoffentlich noch ein wenig Zeit, falls es überhaupt so weit kommen sollte. Obwohl … Je eher sie einen Freund hat, desto besser für mich. Dann muss ich sie nicht mehr von Meilo fernhalten. *** Eine Woche später lehne ich mich gelangweilt gegen die Theke des Weinkellers. Keine Kundschaft weit und breit. Der Winter hat uns voll im Griff. Es liegt so viel Schnee, dass wir mit dem Räumen des Bürgersteigs kaum nach kommen. Clem streut gerade eine Fuhre Streusalz auf den frisch gefegten Bürgersteig. Mal sehen, wie lange das dieses Mal hält. Bei der Schneemenge nicht lang. Wie bereits erwähnt, ist dementsprechend wenig los im Weinkeller. Weinproben sind für heute keine geplant, also bleibt nur der alltägliche Strom an Laufkundschaft. Oder sollte ich besser sagen, das kleine Flüsslein an Laufkundschaft. Seit ich heute im Laden bin, haben sich gerade mal zwei Leute zu uns verirrt. Und nur einer hat was gekauft. Eine Packung Nudeln und einen Löffel aus Olivenholz. Wie trostlos und langweilig. "Sauwetter!", pustet Clem, der weiß wie ein Schneemann den Laden betritt. "Das Zeug nervt!" "Armen", gähne ich. "Das nächste Mal bist du wieder dran mit fegen." "Ist gut." Clem geht hinter und schält sich aus der feuchten Kleidung. Als er fertig ist, stellt er sich neben mich und lehnt sich, wie ich, gegen die Theke. "Du hast es gut. Du hast bald wieder frei." Clem macht ein beleidigtes Gesicht. "Doch nur für ein paar Tage", wende ich ein. "Und? Das reicht doch. Schön mit seinem Liebsten im Warmen verkriechen ... Hach, wäre das schön." "Ich kann mich mit Meilo nicht im Warmen verkriechen. Wir müssen zu seinen Eltern gurken. Das bedeutet eine nervige Autofahrt durch Schneematsch, meine Nerven, die zum Zerreißen angespannt sind, weil ich mich seinen Eltern vorstellen muss, und danach treffe ich auch noch Meilos gesamte Familie. Wenn ich nur daran denke, bekomme ich Schweißausbrüche." Ich raufe mir die Haare. Am liebsten würde ich absagen, aber das kann ich natürlich nicht. "Schweißausbrüche? Wie praktisch. Dann denk an deine Schwiegereltern, bevor du raus musst, Schnee schippen." Lachend verpasse ich Clem einen Ellenbogenstupser. "Aber mal im Ernst. Ich habe wirklich Muffensausen wegen der Feier." "Das schaffst du schon", sagt Clem. "Ich hab's ja auch geschafft." "Ach stimmt ja! Wie war es denn?" Clem hat letztes Wochenende Kilians Eltern kennengelernt. Ich konnte sie noch nie leiden. Nach Kilians Outing sind sie lange Zeit auf Abstand zu ihm gegangen, haben nur das Nötigste mit ihm geredet. Ich glaube, deshalb war Kilian auch immer so zurückhaltend, sobald er mit mir in der Öffentlichkeit war. Dass das bei Clem und ihm nun anders ist, freut mich für ihn. Er scheint damit abgeschlossen zu haben, was zu einem gewissen Teil sicher auch Clems Verdienst ist. Es verursacht mir schon leichte Stiche im Herzen, dass dies ausgerechnet mit Clem geschafft hat, und nicht mit mir. Wieder ein Beweis dafür, dass Kilian und ich eben nicht richtig zusammengepasst haben. "Es war wie das Wetter: Frostig", berichtet er mir. "Zwei Stunden Kaffee trinken und das fast Kommentarlos. Ich war froh, als sie wieder weg waren. Und Kilian auch." Ich nicke wissend. "Kilians Eltern sind schwierig. Aber es ist auszuhalten." "Ja ... trotzdem schade. Meine Eltern würden sie auch gern mal treffen, so von wegen sich über ihre Sprösslinge unterhalten und so, aber ich glaube, das ist keine gute Idee." "Warum nicht?" "Ich will nicht, dass es Stress gibt." "Aber vielleicht hilft es." Eigentlich glaube ich selbst nicht daran, nicht bei Kilians Eltern, aber man weiß ja nie. "Mal sehen. Wahrscheinlich würden Kilians Eltern sowieso keinem Treffen zustimmen." "Kann sein." "Ich denke, sie waren auch nur anstandshalber zu Besuch. Mal den Neuen unter die Lupe nehmen und gut is. Hattest du viel Kontakt mit ihnen?" "Nein." Und darüber bin ich froh gewesen. "Vergiss sie. Kilian täte auch gut daran. Hat er sich hinterher wieder über sie aufgeregt?" "Ein wenig. Aber ich konnte ihn erfolgreich ablenken", grinst Clem. Ich klopfe ihm auf die Schulter. "Mit dir hat Kilian einen Volltreffer gelandet. Du weißt ihn besser anzupacken, als ich es jemals gekonnt habe." "Tja! Gewusst wie", lacht er. "So! Und da wir das nun geklärt haben, wie helfen wir dir jetzt weiter?" "Wie willst du mir helfen? Da muss ich alleine durch." "Das heißt aber nicht, dass wir dich nicht bestens auf das Treffen deiner Schwiegereltern vorbereiten können", meint er und stößt sich von der Theke ab. "Was ziehst du denn an?" "Weiß nicht." Ich zucke mit den Schultern. "Ich muss Meilo noch fragen, was für ein Dresscode bei der Feier herrscht." Er hat schon mal anläuten lassen, dass er einen Anzug trägt. Kein Problem. Ich leihe mir einfach einen von Logan. Der hat ja genug. "Doch nicht für die Feier!", ruft Clem. "Ich meine für das erste Zusammentreffen mit deinen Schwiegereltern!" "Oh. Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht." "Siehste? Gut, dass du mich hast." Er klatscht in die Hände. "Wie wäre es mit Shoppen? Nach der Arbeit?" "Shoppen? Bei dem Wetter?" Ich zeige Richtung Schaufenster auf dieses Winter-Horror-Kotzland. "Klar! In den Läden ist nichts los!" "Ich weiß nicht ..." Ich hatte mich schon so auf eine heiße Wanne gefreut. Und auf mein Telefonat mit Meilo. Vielleicht hätte ich beides miteinander verbunden, so wie vorgestern ... "Na los komm schon! Du kannst doch nicht in den zerlumpten Klamotten zu deinen Schwiegereltern, in denen du tagtäglich herumschlurfst!" "Zerlumpt?!" Bitte?! Wo schlurfe ich denn bitte zerlumpt herum? "Los! Gib dir einen Ruck. Für Meilo." Clems Augen funkeln, als wäre er ein Kind unterm Weihnachtsbaum. "Na schön. Gehen wir einkaufen", gebe ich nach. Ganz unrecht hat er nicht. Nicht das mit dem zerlumpt sein (ich kleide mich zwar gern bequem, renne aber ganz sicher in keinen alten Lumpenklamotten herum), aber damit, dass ich vielleicht doch was Schickeres für das erste Treffen anziehen sollte. "Klasse!" Er reißt die Hände in die Luft. "Aber das heißt Shoppen. Nicht einkaufen." "Von mir aus", brumme ich, während Clem strahlt wie dreißigmillionen Lichterketten. Warum habe ich nur so das dumme Gefühl, dass Clem nicht ganz uneigennützig handelt? Nachdem wir endlich Feierabend gemacht, und uns dick eingepackt haben, geht es auch schon los. Das Einkaufszentrum ist nicht weit vom Weinkeller entfernt, weshalb wir zu Fuß gehen. Mit der U-Bahn wäre schwachsinnig, wenngleich zwar wärmer, aber bis wir mit ihr auch nur einen Meter gefahren sind, sind wir auch schnell zum Einkaufszentrum gelaufen. Dort angekommen, erschlägt uns die bullige Heizungsluft, die sie einem immer im Eingangsbereich entgegen pusten, beinahe. "Warum müssen die einen immer so einheizen?", krächze ich und schäle mich aus der Jacke. "Damit sich schöne Männer wie wir sich ausziehen", kichert Clem. "Genau daran wird es liegen." Spinner! "Wohin?" Wir stehen vor der Rolltreppe. "Oben ist ein toller Laden", meint meine Einkaufsberatung und steht schon auf der Rolltreppe. Ich latsche hinter ihm her. "Aber bitte nichts zu auffälliges, oder gar zu elegantes. Ich will nicht aufgesetzt rüberkommen." "Keine Angst. Ich dachte eher an so eine Art norwegischer Winterschick." Was auch immer das ist, es klingt ganz okay. Oben im zweiten Stock schleift Clem mich bis fast ganz nach hinten in einen recht großen Klamottenladen. Den Store kenne ich doch! "Clem?" "Hm?" "Hier waren wir schon mal." "Echt? Wann?" "Du weißt es nicht mehr?" "Was denn?" Nicht zu fassen! Er erinnert sich nicht! "Unsere erste Begegnung! Als du mit Kilian hier warst und Meilo gerade mit mir aus der Kabine gekommen ist." "Ach ja!" Eben macht es Klick bei Clem. "War das peinlich gewesen!", lacht er. "Oh ja." War schon irgendwie strange gewesen. Ich mit meinem Neuen, mein Ex mit seinem Neuen ... Das sind Begegnungen, die keiner gerne macht. Doch dass ich mal hier mit dem Neuen meines Exfreundes einkaufen würde, daran hätte ich damals noch nicht mal im Traum gedacht! "Hmhm ... Aber was meintest du eben mit, als Meilo und du aus der Kabine gekommen seid? Wart ihr da zu zweit drinnen gewesen?" Ups! Ich hab mich verplappert. "Äh ... Ich hatte was anprobiert und Meilo gefragt, wie es aussieht, und ..." "Du wirst ja rot!" Shit! "Boha! Ihr Schweine! Im Kaufhaus?! Echt jetzt?" "Psst!" Muss er das so laut herumbrüllen? "Wir waren frisch zusammen. Da hat man sich eben nicht immer unter Kontrolle", rede ich mich raus. Als ob wir uns je unter Kontrolle hätten. Aber lassen wir das. "Ah ja", grinst Clem. "Und das ist jetzt anders?" "Ja", schnaube ich und marschiere einfach an ihm vorbei, obwohl ich weiß, dass er mir nicht glaubt. Ich glaube mir ja selbst nicht. "Und Clem? Was soll ich jetzt deiner Meinung nach bei Meilos Eltern tragen?" "Ich hätte da schon was im Auge", strahlt er und saust davon. Ich bin eben der König der Ablenkungsmanöver! Als ich bei Clem ankomme, hat er schon einen Stapel voll Kleidung über seinem Arm hängen. "Schau mal! Die Hose und der Pullover. Wie findest du das?" "Ganz nett", gebe ich zu. "Nur nett? Dann nein!" Schon wandert das ausgewählte Outfit zurück auf die Verkaufsauslage. Ähm ... Ich glaube, das hier wird doch eine längere Aktion. "Auf jeden Fall brauchst du einen hellen Pullover! Oder was in Grau? In einem hellen Grau. Dazu eine schwarze Jeans, oder eine in Marineblau. Oh ja! Das wäre toll." Ob Clem es bemerken würde, wenn ich mich davonschleiche? "Kilian geht nicht oft zusammen mit dir shoppen, oder?" "Was? Nein. Nicht mehr so oft." Ich grinse in mich hinein. "Kilian ist so eine Spaßbremse! Mit ihm macht shoppen keinen Spaß. Er nörgelt nur, drängelt, und fragt: Brauchst du das wirklich? Das nervt!" "Ich erinnere mich", grinse ich. "Oh. Stimmt ja." "Das konnte aber auch sehr praktisch sein", wende ich ein. "Unseren Wocheneinkauf hat Kilian immer unter einer halben Stunde hinter sich gebracht. Darin war er einsame Spitze." "Ja, aber er kauft auch immer nur das, was auf dem Einkaufszettel steht. Und wehe, man weicht von ihm ab." Wir lachen leise. "Einmal habe vor lauter Wut darüber den Zettel geschnappt, einen Kugelschreiber aus meiner Jacke gezogen, und draufgeschrieben, was ich eben in den Einkaufswagen geschmissen habe. Da hat er blöd geguckt, sage ich dir!" Ich fange an zu lachen. Das hätte ich zu gern gesehen! "Kilian hat eben so seine Eigenheiten", schmunzle ich. "Die hat er. ... Ihm klingeln gerade sicher die Ohren, so, wie wir über ihn reden", kichert Clem. "Das kann gut sein." Wäre es nicht lustig, wenn es wirklich so wäre? Sein Partner und sein Ex unterhalten sich über seine kleinen Schrullen. Wenn Kilian da mal nicht bald Kopfschmerzen hat. Nach dem kleinen Ausflug in meine Vergangenheit und Clems Gegenwart, durchforsten wir gründlich die Männerabteilung, suchen aus, verwerfen wieder, halten Kleidungsstücke aneinander. Als wir die Auswahl schließlich auf sage und schreibe vier mögliche Outfits reduziert haben, suchen wir die Umkleiden auf. Selbstredend, dass ich die Hinterste ansteuere. "Probier schon mal eine der Hosen an, ich gehe nochmal vorn bei den Hemden gucken. Bin gleich wieder da." "Hemden? Wozu denn noch Hemden?" "Na für drunter! Das sieht schick aus." Ich stöhne genervt. "Jammere nicht! Hier geht es um deine Zukunft." Immer noch genervt schaue ich Clem nach, wie er um die Ecke biegt und zu den Hemden marschiert. Mit einem lauten Surren ziehe ich den Vorhang zu und lege den Stapel Kleidung auf den Hocker. Bei dem Anblick der Plastiktrennwand in der altbekannten Holzoptik, werde ich ganz kribbelig. Schnell fummle ich mein Handy aus der Hosentasche und stelle mich vor den Spiegel. Noch ein dämliches Grinsen aufgesetzt und Knips, fertig ist das Erinnerungsfoto für Meilo, das ich ihm gleich zuschicke. Drunter noch ein *Rate mal, wo ich bin* und fertig. "Schau mal!" Ratsch! Der Vorhang wird beiseite geschoben. "Clem!" "Was?" "Du kannst doch nicht einfach so in die Kabine kommen!" "Du siehst doch, dass ich das kann", grinst er, zieht den Vorhang wieder hinter sich zu und hält mir drei Hemden vor die Nase. "Wieso hast du noch keine Hose an?" Er zeigt auf mein Untergeschoss, das noch in meinen ollen 'zerlumpten' Jeans steckt. "Ich war noch nicht so weit." "Dann mach mal hin!" "Jetzt?" "Nee. Übermorgen. Klar jetzt!" Er verdreht die Augen. "Ich ziehe mich sicher nicht vor dir aus." Clem legt den Kopf schief, wobei eine seiner Augenbrauen nach oben wandert. "Als ob ich dir an die Wäsche gehen würde. Los jetzt! Hör auf zu zicken und runter mit dem Höschen. Ich suche derweil den passenden Pullover zur Hose und dann das passende Hemd zum Pullover." Verdattert schaue ich Clem dabei zu, wie er die Pullover vom Stapel nimmt und je zwei an die Harken der Umkleide hängt, um sie danach an die Hemden zu halten. Seufzend schüttle ich den Kopf, gebe aber nach. Wie gut, dass ich heute die langen Boxer angezogen habe! Ich streife mir die Hose von den Beinen und schnappe mir die erstbeste Hose. "Nicht die! Nimm die Beige!" "Jawohl, der Herr", feixe ich und falte das gute Stück auseinander. Clem macht sich ganz schön breit in der engen Kabine, sodass ich Mühe habe, das Gleichgewicht zu halten, als ich in das erste Hosenbein steige. Aber es klappt und keine Minute später stehe ich in einer beige Hose vor Clem. "Sehr schick!", lächelt er. "Dazu jetzt dieses Hemd und den jeansblauen Pullover." Oberteil aus, Hemd an, Pulli drüber. Clem rückt mir noch den Kragen zurecht und fummelt am unteren Saum herum. "Passt! Mann, bin ich gut!" "Ansichtssache", murre ich, wofür ich einen leichten Seitenhieb bekomme. "Au!" "Nicht jammern habe ich gesagt. Stell dich mal gerade hin." Es blitzt. "Hast du eben ein Foto von mir gemacht?", frage ich fassungslos. Clem nickt. "Wie sollen wir sonst die Outfits miteinander vergleichen?" Mein Unterkiefer spannt sich an. Nicht aufregen Nic. Schön ruhig bleiben. "Das hier passt und sieht gut aus. Ich nehme es." So kauft man Kleidung ein. "Zuerst probieren wir noch die anderen an!", bestimmt Clem und zieht mir den Pullover über den Kopf. Und das ziemlich rabiat. Ich komme mir vor, wie in meiner Kindheit, als mich meine Mutter noch an- und ausgezogen hat. "Jetzt die schwarze Hose. Und trödle nicht, wir müssen noch Schuhe kaufen." AHHHHH! Nachdem ich gezwungener maßen alle Outfits angezogen habe, und Clem auch brav ein Foto von jedem geschossen hat, ist die Wahl dann doch auf die erste Kombi gefallen. "Ich habe es doch gesagt", schnarre ich. "Das erste ist es." "Aber das konnten wir vorher nicht wissen." "Ich schon." Clem tätschelt mir die Schulter. "Zieh dich wieder an, dann bist du erlöst." "Oh Danke!", juble ich und klatsche in die Hände. Clem verzieht das Gesicht und fängt an, alles wieder ordentlich zusammen zu legen. Ich steige derweil aus der Hose und krame in dem Haufen nach meiner Eigenen. Sie gefunden, will ich sie mir gerade anziehen, da geht der Vorhang auf. Erschrocken halte ich in der Bewegung inne. "Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?", fragt eine Angestellte des Ladens und sieht uns griesgrämig an. Ich blinzle und versuche mir ein Bild von dem Gesamtbild zu machen, in dem wir uns befinden. Ich, unten herum fast nackt, in halb gebückter Haltung, den Fuß in einem Hosenbein steckend, und Clem, der auf dem Boden hockt, mir mehr als ungünstig zugewandt. Das könnte man jetzt wirklich falsch deuten, denke ich so bei mir. Aber was macht Glem? Der hebt der Angestellten die bereits zusammengelegten Pullover entgegen und sagt: "Die passen nicht. Wenn Sie so freundlich wären, und sie wieder zurückbringen?" Stille. Die Augen der Angestellten wechseln zwischen mir und Clem hin und her, dann seufzt sie äußerst genervt, nimmt meinem Kumpel die Pullover ab und stampft davon. Ohne vorher den Vorhang zuzuziehen. "War die aber unfreundlich", mault Clem. "Und du? Zieh dich endlich mal an!" Oh Mann! Sklaventreiber! Ich konnte Clem dann doch dazu überreden, keine Schuhe zu shoppen. "Zuhause habe ich genug, und da sind bestimmt auch welche drunter, die hierzu passen", sagte ich zu ihm. Und nun stehe ich, glücklich und froh, auf der Rolltreppe, auf den Weg nach unten. "Nic? Kann ich dich mal was fragen?" "Was denn?", erwidere ich und erschnuppere den Duft von Pizza. Irgendwo muss ein Stand sein. Mein Magen knurrt. "Bald ist doch Weihnachten." "Wie man unschwer erkennen kann", grinse ich und zeige auf einen hässlichen, dicken, aufblasbaren Weihnachtsmann, den sich ein Elektrogeschäft ins Schaufenster gestellt hat. "Ja. Niedlich", kichert Clem. Niedlich? Geschmäcker sind eben verschieden. "Ich dachte, wo wir schon mal hier sind, könnte ich ja schon mal ein Geschenk für Kilian suchen", meint er, und lässt es so schön auffällig unauffällig klingen, dass ich hellhörig werde. "Mit anderen Worten: Du hast keine Ahnung, was du ihm schenken sollst, und erhoffst dir von mir Hilfe", rate ich ins Blaue. "Na ja ... Wenn du es so formulierst ... Ja! Hilf mir!" Da haben wir den Grund für Clems Einkaufs... äh Shoppinngsorgie. Er hatte doch Hintergedanken. "Ich weiß nicht", murmle ich und trete von der Rolltreppe. "Wenn ich dir Tipps gebe, wird Kilian wissen, dass es von mir kommt." "Biiiiitte!", fleht Clem und packt meinen Arm. "Ich habe wirklich null Ideen! Und er sagt mir nichts, obwohl ich ihn gefragt habe. Er meinte bloß, ich solle keinen großen Hype darum machen. Was soll ich mit dieser Info anfangen?" Ja, ja. Der gute, alte weihnachtshassende Kilian. "Kilian mag Weihnachten nicht besonders", sage ich zu Clem. "Er ist froh, wenn er seine Ruhe hat und mit dir faul auf dem Sofa herumlümmeln kann. Mehr braucht er nicht." "Was? Aber das geht doch nicht!" "Geht schon. Und es ist nicht die schlechteste Art, Weihnachten zu verbringen." Da fällt mir ein, wie trostlos mein Weihnachten werden wird, ganz ohne Meilo. "Hauptsache, ihr seit zusammen. Das ist doch alles was zählt", murmle ich traurig. "Du denkst gerade an Meilo. Hab ich recht?" "Was hat mich verraten?" "Da war erst das Leuchten in deinen Augen, das du immer hast, wenn du an ihn denkst. Und dann hast du traurig in die Ferne geschaut, was du immer tust, wenn dir klar wird, dass ihr euch vorerst nicht mehr seht." Nicht zu fassen! "Du kennst mich aber schon verdammt gut." "Logisch! Wir kennen uns ja auch schon eine Weile." Clem stupst mich an. "Reden?" "Es gibt nicht viel zu reden. Meilo ist die Feiertage über unterwegs." "Oh. Das ist doof." Ich nicke. "Aber ihr seht euch doch kurz danach, nicht?" "Ja", strahle ich. "Und dann geht er auch nicht mehr weg." "Besser als jedes Weihnachtsgeschenk." "Und wie!" Das Beste überhaupt! "Ich sollte vielleicht auch wegfahren und an Weihnachten wiederkommen. Das wäre dann Kilians Geschenk." "Ich glaube, da finden wir was Besseres", grinse ich und lege meinen Arm um Clems Schulter. "Das heißt, du hilfst mir?" "Warum nicht? Und ich hätte auch schon eine Idee." Clem klatscht in die Hände und freut sich riesig. Kein Wunder. Es ist furchtbar, wenn man keine Idee für ein Geschenk hat. Apropos. "Danach musst du mir aber helfen", sage ich zu ihm. "Bei was?" "Ich brauche noch ein Präsent für Meilos Eltern. Ich kann ja nicht mit lehren Händen ankommen." "Das geht nicht." "Siehste?" Ich steuere ein Reisebüro an. "Meilo hat gesagt, seine Eltern lieben Italien." Clem runzelt die Stirn. "Eine Reise? Du schenkst ihnen eine Reise?" "Was? Nein! Das wäre doch merkwürdig." "Und wieso stehen wir vor einem Reisebüro?" "Weil du jetzt für dich und Kilian ein paar Tage Entspannungsurlaub buchst. Genau über die Feiertage." "Tue ich?" "Jawohl. Damit machst du ihm nämlich die größte Freude. Eine weihnachtsfreie Zone." Das ich diese Idee schon selbst für ihn mich geplant hatte, verschweige ich. Ich wollte ihn schon letztes Jahr einladen, aber dank meiner plötzlichen Arbeitslosigkeit, die ich letztes Jahr genau um diese Zeit verkündet bekommen hatte, fiel der Plan ins Wasser. "Kilian wollte schon immer mal nach Prag", überlegt Clem. "Wäre das was?" "Sicher." Ich zucke mit den Schultern. "Wohin, das entscheide mal lieber du." "Okay. Und morgen stellen wir dir im Weinkeller einen schönen Präsentkorb zusammen." "Für mich? Das wäre doch nicht nötig gewesen." "Doch nicht für dich du Doofie! Für deine Schwiegereltern." Hä? "Weißt du nicht mehr? Wir arbeiten in einem Laden mit den erlesensten Produkten aus den verschiedensten Ländern. Italien zum Beispiel." Clems Mundwinkel ziehen sich so weit nach oben, dass ich schon die Befürchtung habe, dass sein Gesicht in zwei Hälften geteilt wird. Aber er hat recht. "Ich Idiot!", rufe ich und schlage mir vor die Stirn. "Das ich nicht selbst drauf gekommen bin." "Tja. Wozu hat man Freunde?" Aber echt! Ohne meine Freunde wäre ich schon sehr oft ganz schön aufgeschmissen gewesen. *** Clem buchte sofort die Reise. Einen Tag vor Weihnachten geht sie los und dauert bis zum darauffolgenden Sonntag. Ich versprach ihm, für ihn an Heiligabend einzuspringen und eine Doppelschicht zu schieben, damit KP nicht am Rad dreht, wenn Clem gerade am umsatzstärksten Tag fehlt. Das zusätzliche Geld kann ich gut gebrauchen, besonders für meine Weihnachtseinkäufe, die schon jetzt ein mein Konto halb geplündert haben. Doch wenigstens habe ich für jeden eine Kleinigkeit gefunden, na ja, bis auf Meilo. Für ihn muss ich mir was ganz Besonderes einfallen lassen, und mir schwebt da schon etwas im Kopf herum, aber das muss ich mir noch genauer überlegen. Jetzt muss ich erst mal die Silberhochzeit überstehen, dann sehe ich weiter. Wieder zuhause, übergebe ich meiner Mutter die Einkaufstasche, die sie unbedingt durchstöbern möchte. "Wie hübsch!", jauchzt sie und breitet den jeansblauen Pullover vor sich aus. "Und die Hose! Mal ganz was Neues. Seit wann trägst du beige?" "Seit Clem mich dazu genötigt hat." "Er hat wirklich einen guten Riecher. Er sollte das beruflich machen." "Ich schlage es ihm bei Gelegenheit mal vor", schmunzle ich. Eigentlich gar keine so schlechte Idee. Das wäre der Job für ihn. "Berät er auch Frauen?" "Solange er in Kaufhäusern herumwühlen kann, ist es ihm egal, mit wem er das tut." "Er könnte mal mit mir shoppen gehen." "Guter Einfall. Dann schleifst du nicht immer mich mit." Mama seufzt und rafft meine neuen Kleidungsstücke zusammen. "Da habe ich schon einen schwulen Sohn und ausgerechnet er ist ein Einkaufsmuffel!" "Hey!" Mama lacht leise. "Ich stecke das gleich mal in die Maschine", sagt sie und steht auf. "Tu das", brumme ich und weg ist sie. Praktisch, so eine Mutter. Wenn ich ausgezogen bin, muss ich wieder waschen. Es ist nicht so, dass ich hier nichts mache, oder es mir was ausmacht, selbst meinen Kram zu waschen, aber mit ihrer Waschmaschine ist Mama eigen. Gott weiß wieso, aber sie hegt und pflegt sie wie einen Goldschatz, und wir dürfen nur in Notfällen an sie ran. Dafür darf ich die Wäsche aufhängen und bügeln. Unwillkürlich muss ich mir Meilo als Hausmann hinterm Bügelbrett vorstellen. Meine Mundwinkel zucken nach oben. Die Vorstellung hat was. Er, eingehüllt in heißen Dampf ... Ich runzle die Stirn. Meilo hat mir noch gar nicht geantwortet. Oder? Ich zücke mein Handy. Es blinkt und als ich nachschaue, wer es blinken lässt, bin ich beruhigt. Meilo. Er muss mir zurückgeschrieben haben, als ich die Kleidung anprobiert habe. Mal sehen, was er mir auf das Foto geantwortet hat. Bin echt gespannt. *Was machst du in der Umkleidekabine? Bist du allein?* Oho! Da ist aber jemand neugierig. Anstatt ihm per SMS zu antworten, rufe ich ihn gleich an. Meilo geht schon nach dem ersten klingeln ran, als hätte er nur auf meinen Anruf gewartet, was er sehr wahrscheinlich auch hat. /Nic! Na endlich!/ Was hab ich gesagt? "Dir auch einen wunderschönen guten Abend, mein Liebling", grinse ich. "Wie ich sehe, hast du mein Foto bekommen." /Habe ich/, antwortet er. /Und wieso meldest du dich jetzt erst?/ "Ich habe nicht mitbekommen, dass du mir geschrieben hast. Hatte meine Hose nicht an." Es bleibt still am anderen Ende der Leitung. "Meilo?" /Sag mir, dass du alleine in der Umkleide warst./ Ach her je! Er hat sich tatsächlich Sorgen gemacht? Weil ich weiß, wie sensibel er manchmal darauf reagiert, beruhige ich ihn gleich. "Ich habe mit Clem ein Outfit für deine Eltern ausgesucht." /Einen Anzug? Du hast doch welche./ "Nein, keinen Anzug", lache ich, weil er, genau wie ich vorhin, gar nicht an das Offensichtlichste gedacht hat. "Clem brachte mich darauf, dass ich beim ersten Zusammentreffen mit deinen Eltern nicht gerade in Jeans und Pulli antanzen sollte. Hinterher fragen sie sich noch, was ihr Sohn da für einen zerlumpten Typen anschleift." Ich schließe die Augen. Zerlumpt hat auch Clem gesagt. /Du bist doch nicht zerlumpt!/, gluckst Meilo. "Na du weißt, wie ich das meine. Ich will einen guten ersten Eindruck hinterlassen." /Das wirst du, egal in welchen Klamotten du steckst. Bei mir hat es auch funktioniert./ Mir wird heiß. "Wieso? War an meinen Klamotten damals was auszusetzen?" Soweit ich mich recht erinnere, hatte ich mich ziemlich aufgedonnert, weil ich Kilian eine gute Show liefern wollte. /Gar nichts. Im Gegenteil/, raunt Meilos Stimme in mein Ohr. /Ich weiß noch, wie scharf deine Rückansicht ausgesehen hat, als du dich unters Auto gebeugt hast, um die Abschleppstange zu befestigen. Ich hätte dich am liebsten auf der Stelle vernascht./ "Darauf hatte ich es abgezielt", kichere ich. So ganz entspricht das nicht der Wahrheit, aber ich habe schon darauf geachtet, dass er auch ja meinen Hintern zu sehen bekommt. /Hätte ich das nur vorher gewusst!/ "Was hättest du dann gemacht?" /Bist du allein?/ Ich schaue zur Wohnzimmertür. Hier werde ich definitiv nicht allein sein. "Noch nicht", antworte ich und stehe auf. "Aber gleich." /Beeil dich/, haucht Meilo rau. Das muss er mir nicht zwei Mal sagen! ****** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)