Mutantenbrut von Phinxie (Im Land der Draconigena) ================================================================================ Drinor ------ Zur gleichen Zeit in Collis Drinor hasste Meeresfrüchte wie die Pest. Sie waren schleimig, schmeckten seiner Ansicht nach versalzener Pisse und machten überhaupt nicht satt. Was gäbe er nicht alles für ein schönes, saftiges Steak…! Doch selbst das war in Collis gar nicht mal so einfach aufzutreiben und wenn doch, dann verlangten die Köche horrende Preise dafür! Geld, das Drinor nicht hatte, weswegen er jetzt auch bei Reycks unterkommen wollte. Der schmierige, leider gut aussehende Zuhälter war vielleicht ein Arschloch in Person, aber Drinor mochte ihn auf eine verdrehte Art… wahrscheinlich, weil er selbst nicht besser war. Reycks legte Wert auf eine noble Einrichtung seines Etablissements und die Augen des Mörders huschten umher, während er seinem alten Freund folgte. Teure Teppiche und Vorhänge, Möbel, die eine Sonderanfertigung gewesen sind, exotische Pflanzen… oh ja, Reycks liebte den Luxus. Für Drinor, der sein Leben in stinkenden Seitengassen verbracht hatte, ehe er den Bordell-Besitzer durch Zufall kennen gelernt hatte, bedeutete ein solcher Lebensstil pure Verschwendung – allerdings angenehme Verschwendung und Drinor hatte sich daran gewöhnt, hier herein spazieren zu können, wie er nur wollte. Das Foyer war der Bereich, in dem die männliche – manchmal auch weibliche – Kundschaft sich tummelte und das Mädchen aussuchen konnte, was sie für mehrere Stunden glücklich machen sollte. Drinor sah sich die jungen Frauen an, allesamt unterschiedlich, keine war gleich. Reycks‘ Freudenhaus war bekannt dafür, für jeden Geschmack etwas zu haben und so tummelten sich hell- und dunkelhäutige, dicke und dünne, große und kleine Frauen hier herum. Einige besaßen große Brüste, andere kleine, einige hatten auslandende Hüften, andere wirkten wie ein Strich in der Landschaft. Aber dennoch waren sie alle auf ihre Art und Weise hübsch, selbst dann, wenn die Haare nicht einmal Kinnlänge erreicht hatten, sondern in wilden Stacheln von der Kopfhaut abstanden. Normalerweise waren die Mädchen recht locker und gingen auch gerne auf die Kundschaft zu, aber dieses Mal hatten sie sich alle in eine Sofaecke verzogen und blickten ängstlich auf den Mann, der in eleganter Kleidung und mit einem schwarzen Zylinder auf dem Kopf da stand, sich auf seinem Duellstab abstützte und sie mit wildem Blick betrachtete. „Agron.“ Reycks trat auf den Mann zu und schüttelte ihm zur Begrüßung die Hand. „Reycks, mein Lieber!“, rief Agron aus und starrte dann über dessen Schulter vorbei zu dem Mörder. „Und Drinor ist auch hier! Hätte ich mir ja denken können, bei dem Geruch, der hier plötzlich reinwehte…!“ „Ich kann auch ganz anders reinwehen, wenn du magst, Agron…“ „Aber, aber…“ Reycks lächelte und hob beschwichtigend die Hände. „Kein Blutvergießen auf meinem teuren Teppich! Ihr beide mögt euch doch.“ „Mehr oder weniger.“ Agron setzte sich elegant hin und schlug die Beine übereinander, während er die Mädchen fixierte und sich mit der Zunge über die Lippen fuhr. „Deine Ware verkauft sich gut, Drinor.“ „Soldaten haben viele Muskeln, wenig Fett. Perfekt für Adelige“, brummte der Mörder und setzte sich ohne große Umstände neben Agron, der die Nase rümpfte, nur, um anschließend ein paar Zentimeter von ihm zu weichen. Reycks winkte einem seiner Mädchen und jenes stand zögernd auf und brachte ihm einen Stuhl, auf den er sich setzte. „Was führt dich hierher, Agron?“, wollte er wissen. Drinor beobachtete den Bordellbesitzer ganz genau, während Lorraine ihnen unaufgefordert Getränke brachte. Wahrscheinlich hatte Reycks ihr das so beigebracht, oder sie tat es, um die anderen Prostituierten von dieser Aufgabe zu befreien: Agron hatte meistens nur Interesse an jungen Dingern mit großen Brüsten und vorzugsweise hellen Haaren. Somit fiel die Älteste in diesem Freudenhaus nicht in sein Beuteschema. Schlimm genug, dass er überhaupt eines hatte. Drinor besaß kein Schema, nach dem er mordete: Er nahm das, was ihm in die Hände fiel. Der Mörder senkte den Blick auf seine schmutzigen Finger, unter dessen Nägeln noch das getrocknete Blut zu sehen war und er fing an, daran herum zu knibbeln, pulte den Dreck hervor und ließ ihn auf den sauberen Luxusteppich fallen. Falls Reycks etwas davon bemerkte, gab er kein Wort von sich. „Ich wollte nur mal schauen, wie es meinem alten Freund so geht“, sagte Agron auf Reycks‘ Frage hin und lehnte sich zurück. Niemand würde ahnen, dass hinter der freundlichen lächelnden Visage mit den strahlend weißen Zähnen ein brutaler Vergewaltiger steckte, der Drinor regelmäßig dafür bezahlte, seine Opfer hinterher zu Schweigen zu bringen. Der Mörder verstand nicht so wirklich den Sinn dahinter, sich hinter einer Maske zu verstecken und war überhaupt sehr unbegabt darin, sich unauffällig zu verhalten. Im Gegensatz zu Reycks und Agron, die sich perfekt in der Welt der Adeligen bewegen konnten, ohne aufzufallen, verließ sich Drinor lieber auf seine Schatten und die dunklen Nächte, während er durch die Gassen schlich. Die Dunkelheit verschluckte die meisten Merkmale seines Äußeren und selbst wenn ihn jemand ansah, wirkte er mehr wie ein Bettler als der Mörder, der er war. Nur seine blank polierten und gut gepflegten Waffen gaben einen Hinweis auf das, was er wirklich war und wer dies erkannte, war in der nächsten Sekunde schon tot. Drinor schreckte vor niemanden zurück: Frauen, Männer, Adelige, Bettler… ja, sogar Kinder ermordete er, wenn es sein musste. Allerdings befahl ihm kaum jemand, ein Kind zu töten, denn meistens waren Kinder unschuldig. Reycks hatte ihn mal gefragt, warum er nicht in einer Gilde arbeitete. Daraufhin hatte Drinor nur den Kopf geschüttelt: Er liebte es, Menschen umzubringen, es gab ihm ein gewisses Gefühl von Macht, Herr über Leben und Tod zu sein, dennoch wollte er sich nie jemand anderem unterordnen. Er nahm zwar Aufträge von Reycks und Agron an, aber die beiden behandelten ihn stets wie einen Gleichberechtigten, nicht wie einen Diener (auch, wenn sich Drinor bei Agron manchmal nicht so sicher war. Aber die beiden kannten sich schon jahrelang und deswegen schaffte Drinor es, großzügig über die Arroganz des Metzgers hinweg zu sehen). „Ich habe kein Mädchen für dich.“ Das war Reycks, der die Stirn runzelte. „Dein letzter Besuch hier hat dazu geführt, dass ich eine meiner Besten verloren habe. Agron, du darfst hier umsonst vögeln, da musst du meine Mädchen nicht noch verletzen!“ „Aber ohne Verletzungen macht es keinen Spaß“, brummte Agron missgestimmt. „Ich bin mir sicher, ein Mädchen braucht die eine oder andere Hand nicht…“ „Nein.“ Eines musste man Reycks lassen: Er war vielleicht ein Arschloch und zwang Mädchen in die Prostitution, aber er kümmerte sich um sie und ließ es nicht zu, dass sich Agron an ihnen verging. Nun ja… manchmal zumindest. Reycks hatte Drinor auch schon mal ein Mädchen gegeben, dass er hatte loswerden wollen, mit den Worten: „Nimm du sie, aber verrate Agron davon nichts, sonst bringt er mir das Schattenreich ins Bordell!“ Drinor hatte nur genickt und war mit dem Mädchen mitgegangen. Sie war tot gewesen, noch bevor er zum Höhepunkt hatte kommen können. Nein, Drinor war keine Jungfrau mehr, aber er hatte wenig Lust, sich irgendwelchen körperlichen Gelüsten hinzugeben. Wenn er Erregung verspüren wollte, tötete er, so einfach war das. „Ach, Reycks.“ Agron seufzte theatralisch auf und blickte zu Drinor. „Und du versteckst dich hier?“ „Vollkommen richtig.“ Der Mörder grinste den Vergewaltiger an. „Ich muss ein paar Tage zur Ruhe kommen, damit die Stadtwache mich nicht doch noch erwischt. Vorsicht ist immerhin besser als Nachsicht.“ „Und ihn lässt du hier schlafen?“ Agron klang entsetzt – natürlich schauspielerte er nur und auch Reycks war das mehr als nur bewusst. „Selbstverständlich. Im Gegensatz zu dir brauche ich bei Drinor keine Sorgen zu haben, dass am nächsten Morgen eine meiner Angestellten fehlt.“ „Hmpf.“ Agron musterte Drinor erneut. „Sorg wenigstens dafür, dass er mal ordentlich aussieht. Das ist ja kaum auszuhalten!“ „Lorraine wird dir ein Bad einlassen, Drinor.“ Laufendes, warmes Wasser. Ein Luxus, den Drinor nur bekam, wenn er hier übernachtete – und selbst das war wahrscheinlich eher zu Reycks‘ eigenen Nutzen, als dass er ein Gutmensch war und Drinor wirklich helfen wollte. „Falls ihr beide von mir erwartet, dass ich mich irgendwann wie ein Adeliger kleide…“, fing Drinor drohend an. Er mochte es nicht, wenn seine Freunde solche Sachen anklingen ließen: Sie sollten ihn akzeptieren, wie er war, punkt. „Nicht doch!“ Agron tat, als sei er entsetzt, dann beugte er sich zu Drinor runter. „Du würdest in solch einer Kleidung vollkommen falsch aussehen. Du kannst dich nicht wirklich bewegen, würdest so plump und fehl am Platze wirken… außerdem müsste man dir erst einmal die Haare schneiden und ich weiß ja, wie sehr du an einen Ölsträhnen hängst!“ Mit einem angewiderten Gesichtsausdruck fasste der Vergewaltiger eine von Drinors fettigen Haarsträhnen an und ließ sie dann wieder auf die Schulter des Mörders fallen. Vielleicht sollte er sich bald mal wieder die Spitzen mit seinem Dolch kappen. „Allerdings Reycks… ich habe ein Anliegen an dich.“ Aha, jetzt rückte Agron also mit der Sprache raus. Das breite, typische Grinsen verschwand ebenfalls aus seinem Gesicht und machte einer ernsten Miene Platz. Wenn Agron etwas ernst nahm, dann musste es ziemlich wichtig sein. Drinor horchte auf, als der Metzger fort fuhr: „Wir müssen langsam aufpassen, Reycks. Es gibt da diesen Adeligen, Mason wird er genannt. Er behauptet, du würdest mit unfairen Mitteln kämpfen und dass dir alles Recht wäre, um in Collis das Monopol der Freudenhäuser aufzubauen. Er hat vor, rauszufinden, was du zu verbergen hast…“ „Ich habe nichts zu verbergen.“ Reycks gab sich lässig, winkte ab. „Jeder hier in Collis weiß das.“ „Jeder, der dich schon lange kennt, aber Mason ist erst vor kurzem hierhin gekommen und stellt zu viele Fragen. Er war auch schon bei mir, um mich über dich auszuhorchen. Es ist ja bekannt, dass wir befreundet sind.“ „Befreundet ist vielleicht nicht das richtige Wort, mein Lieber.“ „Natürlich ist es das nicht, aber hast du ein anderes?“ Reycks schwieg und nahm sich etwas von dem gekühlten Saft, den Lorraine gebracht hatte. Er nahm gedankenverloren einen Schluck, dann rieb er sich das Kinn. „Mason… er möchte wohl auch ein Bordell aufmachen, sonst wäre ich ihm nicht so ein Dorn im Auge.“ „Wohl wahr.“ „Du solltest ihn nicht einfach machen lassen“, wisperte Drinor und verengte die Augen zu Schlitzen. Die anderen beiden Männer wandten sich sofort ihm zu, wurden hellhörig. Drinor konnte sich erstaunlich gut in andere Menschen hineinversetzten und somit war seine Meinung oft ziemlich nützlich. „Er hat bereits gemerkt, dass etwas nicht mit dir stimmt, Reycks. Auch, wenn alle anderen das bestreiten, aber fest steht, dass kein Freudenhaus sich mit dem deinen messen kann und dass viele deiner Feinde auf unnatürliche Art und Weise verschwunden sind.“ Natürlich hatte Drinor sich darum gekümmert, aber das war für diesen Zusammenhang mehr als nur egal. „Er wird weiterforschen und wenn du nur einen Fehler begehst, wird er der Erste sein, der mit dem Finger auf dich zeigen wird.“ Drinor runzelte die Stirn und nahm sich eines der hübschen Gläser, füllte ebenfalls etwas von dem Fruchtsaft hinein. Das Glas ließ seine Hand noch dreckiger erscheinen und er nahm geschwind einen Schluck, um es schnell wieder auf den Tisch zu stellen. Drinor hatte das Gefühl, etwas so Reinliches und Sauberes nicht allzu lange anfassen zu dürfen. „Du solltest dich um ihn kümmern, solange er noch klein ist und sich kein Gehör verschafft hat.“ „Du meinst… du kümmerst dich um ihn“, erkannte Reycks vollkommen richtig und seine Stirn glättete sich wieder. Agron schien nicht so begeistert von dem Plan zu sein und fragte mit gespielt gelangweilter Stimme: „Wolltest du dich hier nicht eine Weile verstecken?“ „Ein paar Tage werden nichts ausmachen. Ich werde ihn erst einmal beobachten, danach werde ich zuschlagen“, gab Drinor bekannt. Es war ein Plan, den er seit Jahren verfolgte und der selten schief gegangen war. Eigentlich noch nie. Der Mörder schmeckte immer noch die Kühle des Saftes und den fruchtigen Geschmack von Winterbeeren, die es in Collis zuhauf gab. Kochte man sie ein, gewann man einen furchtbar süßen Saft, der kaum trinkbar war, es sei denn, man gab genügend Wasser und ein paar Kräuter hinzu, die geschmacklos waren, aber den Zucker heraussogen. Zurück blieb das Getränk, das überall beliebt war und wenn man noch getrocknete Früchte reinschnitt, konnte man die verschiedensten Geschmäcker erzielen. Dieser Saft hier trug einen leichten Hauch von Pfirsichen mit sich: Eine seltene Frucht, die es normalerweise nur in Silva gab. „Das ist ein wundervolles Angebot, Drinor, und ich weiß es zu schätzen…“ Reycks hatte etwas vor, das erkannte der erfahrene Mörder sofort an dessen zuckersüßen Stimmlage, wo selbst der Fruchtsaft hingegen sauer schmeckte. „Aber zuerst möchte ich diesen Mason treffen. Er soll mich kennen lernen…“ „Wozu?“, fragte Drinor erbost. „Wenn er tot ist, bereitet er keine Probleme mehr.“ „Mein lieber Drinor“, mischte sich Agron großspurig ein und tat äußerst wichtigtuerisch, während er den Braunhaarigen musterte, als wäre er ein kleines Kind. Gut, er war ein, zwei Jahre jünger als seine Gefährten, aber das bedeutete noch lange nichts! „Man tötet nicht einfach so einen Mann, der ein potentieller Freund sein kann. Ich weiß zwar nicht, wie du Reycks kennen gelernt hast, aber unser lieber Zuhälter und ich lernten uns kennen, als ich mich mit ihm getroffen habe, um sein Bordell auszukundschaften…“ „Ich habe sofort gemerkt, was du vorhattest. Aber glücklicherweise konnten wir uns ja einigen“, grinste Reycks und kicherte in sich hinein. Drinor sah von einem zum anderen, dann schnaubte er abfällig aus: „Politik, also. Damit habe ich nichts am Hut!“ „Das ist uns klar, mein Lieber“, meinte Agron und klopfte ihm auf die Schulter. Seine Berührung fühlte sich wie ein glühendes Eisen an, schmerzhaft, beißend und brennend, und Drinor rückte von dem Vergewaltiger ab. „Deswegen werden Reycks und ich uns auch darum kümmern. Wenn wir Mason ausgekundschaftet haben, können wir sehen, wie wir dann weitermachen werden. Und wenn wir uns dazu entschließen, ihn zu töten, kommst du ins Spiel.“ Drinor stand auf, das Gesicht zu einer steinharten Miene erstarrt: „Ich bin nicht euer Diener. Das wisst ihr.“ „Natürlich. Du kennst Agron, Drinor, er kann nicht anders.“ „Er ist kein Adeliger. Er sollte sich nicht wie einer benehmen!“, fauchte Drinor und seine Fassade bröckelte. „Ich bin ein freier Mann und töte nicht auf Befehl!“ „Drinor, beruhige dich“, sagte Reycks mit einem Augenrollen. „Es ist angekommen. Ich werde dir natürlich alles berichten und dich dann höflich darum bitten, ihn zu beseitigen. Das wäre ja kein Befehl.“ Reycks und Agron hielten ihn für wesentlich dümmer, als er eigentlich war. Das war ein Fehler, denn niemand sollte den Mörder unterschätzen: Wäre er blöd, hätte er unmöglich so lange auf der Straße überleben können. Drinor ließ die beiden in ihrem Glauben und sah zu Lorraine, die zu ihm getreten war, um ihm zu sagen, dass sein Bad fertig war. „Da ihr beide mich hier so oder so nicht braucht… werde ich mal gehen.“ Reycks und Agron nickten nur und es schien sie gar nicht so wirklich zu interessieren. So war das Leben nun mal: Drinor war nur interessant, wenn sie jemanden brauchten, der die Drecksarbeit für sie erledigte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)