fünfundzwanzig von Ur (less of earth in them than heaven) ================================================================================ Kapitel 10: #16 - Mitleid (Minaeve & Tranquils) ----------------------------------------------- Minaeve hatte nicht so recht kommen sehen, was für ein Chaos die rebellischen Magier und Magierinnen letztendlich auslösen würden, als sie sich gegen die Zirkel auflehnten. Sie wusste, dass Veränderungen anstanden, aber sie hätte sich nie träumen lassen, dass so viele von ihren ehemaligen Freundinnen sich einfach davon machten und einen Großteil des Zirkels zerstörten. Es war nicht so, dass sie nicht den Reiz sah, frei zu sein. Frei, ohne dass Templer jede Minute an jedem Tag mit misstrauischen Blicken dabei zusahen, wie man Zaubersprüche übte oder wie in Minaeves Fall über Büchern brütete. Was sie ebenfalls nicht erwartet hatte, war die Tatsache, dass niemand sich um die Tranquil kümmerte. Als das Chaos ausbrach, standen sie einfach an ihren Posten, fegten den Boden, sortierten weiter Bücher ein, katalogisierten die magischen Artefakte. Einige von ihnen sahen kaum auf, als das große massive Holztor aus den Angeln gesprengt wurde und den ganzen Zirkel erzittern ließ. »Minaeva, komm schon!«, rief Cormac, einer derjenigen, mit dem sie vor einigen Wochen noch gemeinsam die Schulbank gedrückt hatte. Sie sah hinüber zu Halisma und Clarence und Elaine und… »Geh du schon vor«, sagte sie und wusste, dass Cormac sie schon längst nicht mehr hörte. Er war bereits auf dem Weg nach draußen in die Freiheit. »Halisma, Elaine! Clarence!« Minaeve kannte all ihre Namen. Sie hätte es als unhöflich empfunden, sie nicht zu wissen. Wie konnten die anderen sie nur hier zurücklassen? Minaeve hatte schon lange festgestellt, dass sie die Gesellschaft der Tranquil beinahe noch mehr schätzte, als die von anderen Menschen oder Elfen. Tranquil verurteilten sie nicht, weil sie einen Zauberspruch nicht meistern konnte. Sie waren nicht misstrauisch, sie hatten keine Vorurteile und sie redeten niemals schlecht über irgendjemanden. »Wir müssen hier verschwinden«, sagte sie. Der Zirkel bebte erneut. Minaeve straffte die Schultern. Sie würde die Tranquil nicht allein hier zurücklassen. Weiter unten hörte sie Geschrei. »Wir gehen alle anderen Tranquil einsammeln und dann gehen wir«, sagte sie zu den Dreien, die nickten und ihr mit leeren Gesichtsausdrücken folgten. Als sie alle Stockwerke abgesucht hatte und sich mit den dreiundzwanzig Tranquil auf den Weg nach unten machen wollte, tauchte eine Frau vor ihr auf. Sie trug schwere Rüstung und hatte ihr Schwert gezückt. Ihre schmalen Augen musterten Minaeve misstrauisch. Minaeve hob beschwichtigend die Hände und schob sich vor die Traube der Tranquil, die hinter ihr standen wie eine Horde unbeweglicher Statuen. »Mein Name ist Cassandra Pentaghast. Nennt euren Namen«, sagte die fremde Frau streng und Minaeve räusperte sich. »Ich bin… Minaeve. Ein Lehrling, Mylady. Das hier sind… das hier sind alle Tranquil des Zirkels. Ich wollte sie nicht in dem ganzen Chaos zurücklassen.« Lady Pentaghast musterte sie eingehend und mit durchdringendem Blick. Dann schob sie ihr Schwert zurück in die Scheide und nickte ihr zu. »Ich habe einen Vorschlag zu machen«, sagte Lady Pentaghast und Minaeve nickte unsicher. Sie folgte Cassandra die nächste Treppe hinunter und lauschte den Erklärungen über die Inquisition. Die Tranquil gingen hinter ihr her wie eine kleine Armee von Marionetten, die sich mit ihren Fäden an Minaeve geheftet hatten. »Euer Mitgefühl ehrt euch«, sagte Lady Pentaghast mit einem Blick nach hinten. Minaeve trat hinaus ins Freie und warf einen Blick zurück auf die dreiundzwanzig Leben, die sie vielleicht gerade gerettet hatte. Sie lächelte ein wenig. »Danke, Mylady.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)