fünfundzwanzig von Ur (less of earth in them than heaven) ================================================================================ Kapitel 2: #22 - Scham (Cullen & Surana) ---------------------------------------- Cullen schämte sich. Er war einer der jüngsten Templer, die hier im Zirkel von Ferelden ihren Dienst taten und er war stolz gewesen, als er endlich ein volles Mitglied des Ordens geworden war und seinen ersten Posten erhalten hatte… Die anderen Templer lachten ohnehin schon gerne über ihn, weil er das Nesthäkchen war und nun… Cullen erinnerte sich an all die Warnungen, an seine Ausbildung und sein Training, als wäre es erst gestern gewesen. Und die Worte seines Ausbilders – ein bärtiger, stoischer Mann mit nur einem Auge und Glatze – hatte es seien Rekruten immer wieder eingeschärft: »Ihr dürft keinerlei Gefühle für eure Schützlinge entwickeln. Höflichkeit, Freundlichkeit, Wachsamkeit. Aber sobald ihr zu nah an einen von ihnen heran kommt, ist es aus. Dann lässt die Wachsamkeit nach und ehe man es sich versieht, hat man einen besessenen Magier vor sich und zögert, ihn oder sie zu töten, nur weil man eine Freundschaft angefangen hat! Das kann den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen und das Schicksal aller gefährden, die sich in eurer Nähe befinden!« Cullen hatte wie alle anderen stumm genickt, auch wenn er gesehen hatte, wie einige seiner Kameraden sich verschwörerisch zugegrinst und gezwinkert hatten. Der Gedanke daran, worüber sie scherzten, trieb Cullen die Röte in die Wangen. Er hatte jedes Wort seines Ausbilders aufgesaugt. Er würde alle Regeln befolgen, das hatte er sich vorgenommen. Und dann kam Linaeve Surana vor ein paar Wochen in den Speisesaal, stolperte über eine leicht hochstehende Bodenplatte und fiel ihm quasi direkt in die Arme. Ihre roten Wangen und ihr verlegenes Stammeln hatten in Cullen eine Hitze ausgelöst, über die er wirklich nicht näher nachdenken wollte. Sie hatte rotes Haar, spitzen Ohren und war sehr klein und zierlich, wie die meisten Elfen, die er kannte. Und ihre Stimme… Ja. Cullen sollte lieber nicht allzu sehr über ihre Stimme nachdenken. Oder ihre grauen Augen. Und daran, wie sie sich in seinen Armen angefühlt und sich an seinen Schultern festgeklammert hatte, um Halt zu finden. Er lag nachts stundenlang wach und starrte an die dunkle Decke, an der Linaeves Gesicht erschien. Immer, wenn sie ihn auf den Korridoren traf, grüßte sie ihn strahlend. Sie sprach ihn an, wenn er Dienstschluss hatte und erkundigte sich nach seinem Tag. Sie erzählte von ihren Studien und ihren Freundinnen, von kleinen Scherzen, die sie sich untereinander erlaubten. Und Cullen wollte vor Verlegenheit vergehen. Er wollte, dass sie noch öfter mit ihm sprach, dass ihre Laune auch besser wurde, sobald sie ihn erblickte. Er wollte sie bei sich haben und sie näher kennen lernen, sie noch mal so festhalten, wie im Speisesaal… Er wollte, dass sie ihn in Ruhe ließ - (Gott, sie sollte ihn nur bitte nicht in Ruhe lassen...). »Ihr dürft keinerlei Gefühle für eure Schützlinge entwickeln!« Cullen hatte versagt. Die Scham brannte in ihm wie heiße Lava und jedes Mal, wenn Linaeve an ihm vorbeiging und ihn anlächelte, fühlten sich seine Innereien an wie ein Vulkan, aus dem all die Scham jeden Wimpernschlag hervorbrechen würde. Sie fragte ihn, ob er sie niederstrecken würde, wenn sie besessen wäre und er sagte ihr, dass er seinen Dienst tun musste. Aber die Wahrheit war, dass er nicht wusste, ob er es konnte. Er war so stolz gewesen, ein Templer zu werden und nun war er sich nicht mehr sicher, ob er überhaupt noch zu etwas taugte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)