3 AM von Puppenspieler (Frühjahrswichteln '16) ================================================================================ Kapitel 1: Height ----------------- „Du bist gewachsen.“   Es war das erste, das Tetsurou auffiel, als er Tsukki bei der Volleyball-Frühlingsmeisterschaft wiedersah. Es war nicht viel, aber es war genug, dass er merkte, dass sie langsam nicht mehr ganz auf einer Augenhöhe waren. Tsukkis Reaktion war ein Grinsen, das weit, weit entfernt von freundlich oder charmant war, und Tetsurou damit viel zu bekannt vorkam. Wäre das Grinsen nicht, er hätte es ignorieren können, dass er zu Tsukki aufsehen musste.   „Ich habe dir doch gesagt, ich bin noch im Wachstum.“   Jetzt war es an Tetsurou, zu grinsen. Er lehnte sich betont in Tsukkis Richtung vor, während er den Blondschopf vor sich von oben bis unten musterte. Er blieb demonstrativ einen Moment länger als nötig mit dem Blick an seinem Schritt haften, dann schließlich verharrten seine Augen auf den dünnen Ärmchen und Tetsurous Grinsen wurde noch breiter, viel breiter.   „An den wichtigen Stellen bist du aber immer noch ganz schön schmächtig, Tsukki.“   Tsukkis Augen verengten sich und er wurde rot, eindeutig Ärger und keine Scham. Er reckte das Kinn vor in einer Geste, die geradezu Trotz schrie, und schaffte es damit, trotz der neuerdings so großen Körpergröße dank der kindischen Bewegung kleiner auszusehen als Tetsurou.   „Ich bin noch im Wachstum!“     ***     „Du bist gewachsen.“   Es war die gleiche Begrüßung, die er beim letzten Mal bekommen hatte. Kei hätte sich womöglich darüber gefreut, wäre ihm nicht noch zu gut in Erinnerung, dass auf ein Zugeständnis von Kuroo Tetsurou in der Regel mindestens so viel Spott folgte, dass es völlig zunichte gemacht wurde. Abgesehen davon war er nicht den ganzen Weg bis nach Tokyo gefahren, um sich anzuhören, was er ohnehin schon wusste.   (Tatsächlich war er nur hier, weil er sich, inzwischen Drittklässler und also dringend in einer Position, in der es nötig wurde, die Universitäten in der Gegend ansehen wollte, weil er plante, nach der Schule in die Großstadt auszuwandern und besonders Toudai ihn enorm reizte.)   In einer Karikatur von milder Überraschung hob er die Augenbrauen, neigte den Kopf kaum zur Seite, ein Lächeln auf den Lippen, das triefte vor falscher Liebenswürdigkeit. „Tatsächlich? Ich hätte wetten können, du wärest einfach geschrumpft.“   Kuroos Grinsen erstarb für den Bruchteil eines Wimpernschlags, dann war es zurück, doch es sah seltsam angestrengt dabei aus.   „Ach Tsukki, das könnte man von deinen schmächtigen Ärmchen auch denken.“   Kei bereute, ohne jede Diskussion, dass er dumm genug gewesen war, Kuroo um eine Führung zu bitten, nur weil der Mistkerl es irgendwie auf die Toudai geschafft hatte. Jetzt war er ein geschlagenes Wochenende mit dem irren Grinsen dieses dummen Katers geschlagen und das klang, sehr zu seinem Bedauern, etwa genauso anstrengend, wie es gewesen wäre, zuhause in Miyagi zu bleiben und Captain Hinatas idiotisch überengagiertes Training zu ertragen.     ***     „Du bist gewachsen.“   Obwohl Tetsurou grinste, konnte er die Beleidigung in seiner Stimme nicht verbergen. Das letzte Mal hatte er Tsukki gesehen, da hatte er gerade die dritte Klasse der High School begonnen. Jetzt war es fast ein Jahr später, und Tsukki stand vor der kleinen Studentenbude, für die Tetsurou dringend einen neuen Mitbewohner gebraucht hatte. Natürlich hatte er sofort Tsukki gefragt, statt sich irgendeinen fremden Idioten anzulachen – oder, Gott bewahre, Yaku. Der Junge war in seiner umfassenden Gegenmeinung zu allem, was Tetsurou ausmachte, eindeutig der Letzte, den er jemals als Mitbewohner haben wollte –, und natürlich hatte Tsukki ja gesagt. Es war schließlich weit bequemer, als sich in einer fremden Stadt noch eine Wohnung suchen zu müssen, nicht wahr?   Tsukkis Augenbrauen wanderten in die Höhe. Innerhalb des letzten Jahres hatte er seinen unbeeindruckten Blick eindeutig perfektioniert, und das falsche Lächeln schaffte es, sogar noch falscher zu sein, aber gleichzeitig unaufdringlicher falsch dabei – Tetsurou wäre beeindruckt, wäre er gerade nicht beleidigt.   „Danke, dass du mich immer auf das Offensichtliche aufmerksam machst. Wie beruhigend, dass du neben allen anderen Makeln nicht auch noch an Kurzsichtigkeit leidest. Eine Brille würde dir nicht stehen.“   Im Gegensatz zu mir, schien Tsukkis demonstrativ freundlicher Blick sagen zu wollen, als er sich an Tetsurou vorbei in die Wohnung schob.   (Zwei Zimmer, kleine Küche, ein winziges Bad mit Dusche und einer Klospülung, die klang wie die tragischen Todesschreie eines Rhinozerosses.)   Tetsurou schnaubte, während er ihm folgte. Er wies Tsukki den Weg in sein Zimmer; es war das Kleinere von beiden, dafür abseits gelegen vom Straßenlärm und den lärmenden Partygängern, die man gerade wochenends nachts viel zu laut hörte. Tsukki pfefferte seine Tasche auf das frisch gemachte und neutral weiß bezogene Bett, dann legte er die Jacke ab, die er getragen hatte.   Und Tetsurou starrte. Starrte, weil die schmächtigen Ärmchen, an die er sich erinnerte, längst nicht mehr schmächtig waren. Tsukki ertappte ihn, sah ihn voller Genugtuung und falscher Freundlichkeit an, während er den Kopf schräg legte. Seine Augen funkelten, und die Erkenntnis machte Tetsurou noch sprachloser als ohnehin schon.   „Was denn? Möchtest du mein Wachstum nicht noch einmal kommentieren?“   Wollte Tetsurou, ganz offensichtlich, nicht. Das wäre genauso gut, als würde er eine Niederlage eingestehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)