I'm full of hope and full of fear von AloeWera (September 1st [Wettbewerbsbeitrag]) ================================================================================ September 1st ------------- Der 1.September war für alle Teenager, die einen Brief von Hogwarts erhalten und eingeladen waren, dort das Zauberhandwerk zu erlernen, ein magischer Tag. Und ja, das Wortspiel ist beabsichtigt. Die sieben Jahre, die die Zauberschüler an der Schule für Hexerei und Zauberei verbrachten gehörten seit Generationen zu den meist geschätzten Jahren in dem Leben seiner Absolventen. Dort gab es die wandelnden Treppen, Geister, Geheimgänge und magische Tierwesen. Wilde Parties, harte Quidditchspiele und den Hauspokal. Hier wurden Freundschaften und Feindschaften fürs Leben geschlossen. [ - ] „Nun zieh nicht so ein Gesicht, Lucy.“ Percy Weasley blickte seine jüngere Tochter mit einer Mischung aus Amüsement und Ärger an. Sie schaute den altmodischen Zug mit seiner scharlachroten Dampflok mit einem Ausdruck in Augen an, als würde man sie zu einem Schafott führen. Sie ließ ihre Schultern hängen und der grün-blaue Rucksack mit ihren Zeichensachen schleifte schon seit ihrer Ankunft am Bahnhof Kings Cross über den Boden, da sie ihn nur noch an der oberen Schlaufe hielt und nicht auf den Schultern trug. Lucys blaue Augen hatten dunkle Schatten, da sie die letzte Nacht zu wenig geschlafen hatte. Eigentlich hatte sie in allen Nächten der vergangenen sechs Wochen zu wenig geschlafen. Seitdem sie die Einladung per Briefeule bekommen hatte, um genau zu sein. Sie aß weniger, lachte weniger und schloss sich öfter in ihr Zimmer ein. Sie hatte es nie gesagt, aber weder Percy noch jemand anders in ihrer Umgebung, konnte es übersehen: Lucy hatte Angst. Weil Lucy vor neuen Situationen immer Angst hatte. Percy wusste aber auch, dass sich seine Tochter mit neuen Situationen immer irgendwie arrangierte. Trotz aller Sorgen und Ängste, die sie vorher gehabt hatte. Und darum machte er sich wenig Sorgen um seine Zweite. „Lass sie doch.“, sagte Audrey neben ihm. Sie war Psychologin und hatte erst durch ihre Heirat mit Percy von der magischen Welt erfahren, die sich so unauffällig neben ihrer verbarg. „Sie wird sich schon noch fangen. Das tut sie doch immer.“ Audrey sah zu ihm auf. Sie war einen Kopf kleiner als er. „Sie ist wie du.“, fügte sie noch hinzu, bevor sie ihrer älteren Tochter entgegen ging, die gerade von einem der vorderen Wagons zu ihnen kam. Molly trug bereit ihre Schuluniform mit dem Wappen der Gryffindors. Was ihren Wuchs anging, kam Molly eindeutig nach ihrem Vater. Mit ihren vierzehn Jahren überragte sie ihre Mutter bereits um einen halben Kopf. Auch ihre Haare – weasleyrot – und ihre Augen – dunkelblau – kamen nach ihm. Zum Glück glichen ihre Gesichtszüge eher denen ihrer Mutter, dichte Augenbrauen, kleine Stupsnase, geschwungene Lippen. Lucy hingegen glich in so ziemlich allem – Körperbau, Gesicht, Haar – ihrer Mutter. Nur ihre Augen waren blau, wie die ihres Vaters. Und diese Augen wirkten heute durch die Ringe darunter noch blauer. Und Percy fragte sich, ob seine Frau recht hatte. War „seine Kleine“ ihm wirklich so ähnlich? Natürlich, während seiner eigenen Schulzeit hatte auch er zu nervösen Anwandlungen geneigt, zu Unsicherheit. Das war vor allem deswegen gewesen, weil er zwei ältere Brüder hatte, die beide, jeder auf seine Art und Weise, das Beste erreicht hatten, was sie als Schüler in Hogwarts erreiche konnten: Schulsprecher und Quidditch-Kapitän. Sie waren Vorbilder gewesen und sowohl von Schülern als auch Lehrern geachtet und hatten Mum und Dad stolz gemacht. Und Percy hatte diese großen Fußstapfen füllen wollen, hatte es gar als seine Pflicht angesehen. Außerdem hatte er versucht, seine jüngeren Brüder auf Linie zu bringen. Nun, zumindest dieses Problem würde Lucy nicht haben, war sie doch die jüngere. Allerdings erwartete Percy auch nicht, dass Molly diese Aufgabe bei ihrer Schwester übernehmen musste. Aber wer konnte schon sagen, was in zwei oder drei Jahren sein würde… [ - ] Lucy starrte aus dem Fenster und sah die Landschaft auf der anderen Seite der Scheibe vorbeiziehen. Sie hatten die Stadt schon vor über einer halben Stunde verlassen, doch es kam ihr so viel länger vor, dass sie sich von ihren Eltern verabschiedet hatte. Molly war bereits kurz nachdem sie den Bahnhof verlassen hatten, in den vorderen Teil des Zuges gegangen, wo ihre Freundinnen waren, und auch Dominique, Roxanne und Fred hatten sich zu ihren jeweiligen Freunden gesellte. Was bedeutete, dass das Abteil, mit Ausnahme von Lucy, nun leer war. Mit Aussnahme der riesigen Koffer, die die nach dem Einsteigen in den Gepäckablagen gehievt hatten. James war ebenfalls noch nicht vorbeigekommen. Doch die Fahrt war noch lang, und er hatte noch genug Zeit, das Versprechen, das er ihr letze Woche beim alljährlichen „Ende-der-Sommerferien-Essen“ bei Granny Molly gegeben hatte, einzulösen. Ihre müden Augen wandten sich von dem Fenster ab. Sie hatte nicht geweint, als sie ihren Vater und ihre Mutter ein letztes Mal zum Abschied umarmt hatte. Sie wollte niemals weinen. Sie wollte mutig sein. So wie ihre Schwester und alle ihre Cousinen und Cousins, die schon vor ihr nach Hogwarts gekommen und ohne Ausnahme nach Gryffindor geschickt worden waren. In das Haus der Tapferen und Mutigen. Was wäre es für ein Skandal, wenn sie dort nicht auch hinkommen würde. Und deswegen musste sie auch tapfer und mutig sein. Und darum durfte sie niemals weinen. Auch, wenn sie in Hogwarts so viele Dinge vermissen würde. Neben ihren Eltern und der dreibeinigen Katze Khani, waren da ihre zwei Freundinnen aus der Nachbarschaft, mit denen sie sich in den vier Jahren Muggelschule angefreundet hatte. Außerdem den leckeren Pudding ihrer Mutter. Er schmeckte süß und nach Zuhause. Auch, wenn Molly ihr versichert hatte, dass es auf Hogwarts das beste Essen gab. Das Essen wurde von Hauselfen gekocht, von denen es auf der Schule unzählige geben soll. Lucy kannte einen Hauselfen und das war der, der bei Onkel Harry und Tante Ginny beschäftigt war. Er hieß Kreacher und er lief gebeugt und war runzelig wie ein alter Lederhandschuh. Und er sah ein wenig unheimlich aus mit seiner langen, gebogenen Nase, die Lucy an den Schnabel dieser Pestmasken aus dem Mittelalter erinnerte, die sie einmal in einem Buch in der Schulbücherei gesehen hatte. Und als Molly ihr von den Hauselfen erzählt hatte, hatte sie sich gefragte, ob alle Hauselfen so aussahen wie Kreacher. Denn das wäre keine Aussicht, auf die Lucy sich freute. Doch egal, wer das Essen auf Hogwarts auch kochten würde, es war nicht Mums Essen. Aber vielleicht war das ja auch gut so. Denn wenn das Essen so schmeckte wie Zuhause, dann würde sie vielleicht Heimweh kriegen. Noch größeres Heimweh, als sie eh schon hatte. Und dann würde sie möglicherweise doch weinen. Aber sie wollte doch, dass ihr Dad stolz auf sie war. Und das begann nun einmal mit der Wahl des Hauses. Sie wollte natürlich auch, dass ihre Mum stolz auf sie war. Aber das war etwas anderes. Mum war nicht auf Hogwarts gewesen und verstand nicht, warum Lucy die Häuserwahl so wichtig war. Und darum hatten all ihre Versuche, ihr die Angst zu neh… Das Quietschen, als die Abteiltür geöffnet wurde, riss sie aus ihrem inneren Monolog und sie wandte den Blick von dem Stofffetzten ab, der aus einem der Koffer schaute und im Takt der Zugbewegung auf und ab wippte. An der Tür standen zwei Mädchen, beide konnten nicht viel älter sein als Lucy selbst. Vermutlich waren sie auch Erstklässler. „Entschuldige.“, sagte eines von ihnen. Ihre Haare waren röter als jedes weaslyrot und lockiger als die von Tante Hermione. Hätte das Mädchen den Wust aus Haaren nicht mit einem Haarband am Hinterkopf zusammengebunden, sie hätten vermutlich in wilden Korkenzieherlocken in alle Richtungen abgestanden. „Ist hier noch frei?“ Das Mädchen deutete auf die freien Plätze. Seine Stimme war relativ tief, aber klang melodisch mit dem breiten, schottischen Akzent. Die Stimme passte zu ihrem etwas wilden Aussehen. Lucy nickte stumm und bedeutete den beiden Mädchen mit einer kleinen, einladenden Handbewegung einzutreten. Das Mädchen mit dem schottischen Akzent trat ohne weiter zu Zögern in das Abteil und ließ sich an dem anderen Fensterplatz nieder, gegenüber von Lucy. Ihm folgte das zweite Mädchen. Neben ihrer Vorgängerin schien dieses fast ein wenig langweilig zu wirken mit den glatten, dunkelbraunen Haaren, die streng zurückgekämmt und in einen Pferdeschwanz gebunden hinter ihrem Rücken verschwanden, und der schwarzen Hornbrille. Doch ihre dunklen Augen blitzten scharfsinnig hinter den Brillengläsern. Ihr Auftreten wirkte jedoch weniger offen als das der Schottin, steifer und nicht so entschlossen und energisch. Das zweite Mädchen schloss die Tür hinter sich und ließ sich auf einem der Plätze direkt neben der Tür nieder. Sie zog ein Buch hervor, das sie vorher unter dem Arm getragen hatte, und legte es auf ihre Beine, öffnete es und vergrub sich darin. Es beachtete die anderen beiden Mädchen nicht weiter. Lucys Blick glitt wieder zu dem ersten Mädchen, das ihr gegenüber saß. Es sah zurück. „Du bist vermutlich auch neu.“ Es klang wie eine Feststellung, nicht wie eine Frage. Lucy nickte. „Also“, begann die Schottin zögernd „dann weißt du auch nicht genau, wie das hier alles abläuft? Weißt du“, fügte sie dann noch rasch zu „niemand aus meiner Familie ist jemals auf“, sie senkte die Stimme, als würde sie über etwas Anstößiges reden, „auf eine Zauberer-Schule gegangen.“ Lucy blickte das Mädchen immer noch an. Dann wanderte ihr Blick wieder zu dem anderen Mädchen. Das hatte den Kopf noch immer über dem Buch gesenkt. Lucy konnte nicht erkennen, ob sie etwas von dem Gespräch mitbekam. Die Augen von Lucy wandten sich wieder zu der Rothaarigen. „Wer seid ihr?“, fragte sie langsam. Lucy fühlte sich ein wenig überrumpelt. Stellte man sich nicht vor, nachdem man nach ein Abteil betrat und nach einem Platz fragte? Oder bevor man derlei Fragen stellte? Das Mädchen schlug die Hand vor den Mund. „Oh, entschuldige.“ Jetzt wirkte sie tatsächlich peinlich berührt. „Mein Name ist Morva Douglas.“ Sie erhob sich und reichte Lucy ihre Hand, die diese nach kurzem zögern nahm und schüttelte. „Ich bin Lucy Weasley. Freut mich.“ „Und das dort“, Morva zeigte auf das andere Mädchen „ist Elizabeth Meyer.“ Elizabeth sah von ihrem Buch auf, verzog den Mund kurz zu einem Lächeln. Damit schien ihrer Meinung nach der Höflichkeit genüge getan und sie wandte sich wieder dem Schinken zu, der auf ihren Beinen lag. Lucy und Morva blickten sich an und letztere zuckte nur mit den Schultern. „Seid ihr schon lange Freunde?“, fragte Lucy. Morva lachte kurz auf. „Nein, wir haben uns erst eben auf dem Bahnsteig kennen gelernt. Ihr Vater hat mir mit dem Koffer geholfen. Und da wir beide nicht wussten wohin und niemanden kannten, sind wir zusammengeblieben.“ Lucy nickte verstehend. So würde sie es vermutlich auch tun, wenn sie niemanden kennen würde. „Also…“, begann Morva wieder zögernd. „Was weißt du über Hogwarts?“ „Uhm...“, machte Lucy und überlegte kurz. Was hatte ihr ihre Familie alles über Hogwarts erzählt? Als sie den Mund wieder öffnen wollte, um zu erzählen, war es allerdings Elizabeth, die antwortete. „Hogwarts ist eine der drei Zaubererschulen in Europa und wurde vor über 1000 Jahren von den vier größten britischen Zauberern und Hexen ihrer Zeit gegründet. Die Schule ist in einem alten Schloss irgendwo in Schottland beheimatet, hat sieben Stockwerke, 143 Treppen und eine unbekannte Anzahl an Geheimgängen und -türen. Jeder der vier gründete ein eigenes Haus, in dem er oder sie Schüler aufnahm, die Charaktereigenschaften hatten, die der jeweilige Gründer besonders schätzte. Zur Gründerzeit haben die vier das selbst gemacht. Heute macht das ein alter Hut, angeblich verzaubert von Godric Gryffindor. Zwischen den Häusern herrscht ein erbitterter Wettkampf, vor allem im Quidditch. Die Schule ist von vielen Schutzzaubern umgeben, sowohl welche gegen Zauberer als auch welche gegen Muggel.“ Elizabeth schaute von dem Buch auf, in das sie während ihres Exkurses geschaut hatte und blickte von einem erstaunten Gesicht – Lucys – zu einem ratlosen – Morvas. Elizabeth zog ihre Augenbrauen hoch. „Was? Du hast gefragt.“ „Ja. Ja, aber ich meinte eher, wie ist das Leben da so? Welche Fächer werden unterrichtet?“ Nach kurzer Pause. „Und was ist „Quidditch“?“ „Das ist ein Sport, der auf Besen gespielt wird.“, antwortete ihr dieses Mal Lucy. „Eine Mannschaft hat sieben Spieler: einen Hüter, der die drei Torringe bewacht; drei Jäger, die versuchen, den Quaffel in die Torringe des Gegners zu werfen; die zwei Treiber, die mit ihren Schlägern die Klatscher in die Flugbahn der Gegner treiben und so einen Vorteil, für ihre Mannschaft zu schaffen; und schließlich der Sucher, der den Schnatz suchen und fangen muss. Also…“, sagte sie dann unsicher, als Morvas Gesicht noch ratloser wurde, „man kann das bei einem echten Spiel besser erklären. Es ist auf jeden Fall ein spannendes Spiel, sobald man die Regeln kennt.“ Morva sah immer noch zweifelnd drein. „Ich bin mir sicher, dass es nicht spannender sein kann als Fußball.“ „Was ist Fußball?“, fragte Elizabeth jetzt und schlug ihr dickes Buch zu. „Fußball“, begann Morva,“ wird mit elf Mann pro Mannschaft gespielt. Dabei versucht die eine Mannschaft, den Ball in das Tor der gegnerischen Mannschaft zu schießen.“ Elizabeth schaute Morva erwartungsvoll an. „Ist das alles?“, fragte sie, als keine weitere Erklärung zu kommen schien. „Das klingt langweilig.“, sagte sie, als Morva nickte. Empört öffnete Morva den Mund um zu protestieren, doch Lucy, die die Diskussion „Welcher Sport ist besser, Fußball oder Quidditch?“ schon kannte, griff ein, bevor eben diese Diskussion überhaupt erst weiter ausgeführt werden konnte. „Du scheinst unter Zauberern aufgewachsen zu sein, Elizabeth?“, fragte sie. „Ja. Mein Vater ist ein Zauberer aus Deutschland. Meine Mutter ist aber auch nach Hogwarts gegangen. Die meisten meiner Verwandten sind nach Ravenclaw gekommen. Also hoffe ich … ich meine, ich muss …“ Elizabeth ließ den Satz unbeendet. Sie wirkte ein bisschen fahrig als sie ihr Buch wieder öffnete. Lucy sah aus dem Augenwinkel, wie Morva zu ihr hinübersah, doch sie ignorierte sie. „Ich weiß, was du meinst.“, sagte Lucy und Elizabeth blickte auf und lächelte. [ - ] Der Rest der Reise verging relativ vergnüglich, nachdem Lucy und Elizabeth Morva mehr über die Häuserwahl und den Unterricht auf Hogwarts erzählt hatten. Sie erzählten einander von ihren Familien, ihrem Leben vor „der Eule“ und allem, was sie ansonsten gerne taten. Vor allem Morva und Elizabeth unterhielten sich angeregt. Beiden schien die Welt der jeweils anderen absolut phantastisch und unglaubwürdig zu sein. Lucy lehnte sich in den Sitz zurück und war zufrieden damit, einfach nur zuzuhören. Sie war in beiden Welten aufgewachsen und half Morva, Elizabeth das Internet zu erklären und Elizabeth Morva davon zu überzeugen, dass es wirklich Drachen und Feen gab. Sie teilten sich die Süßigkeiten, die sie von dem Wagen der Imbisshexe kauften und tauschten die Sammelkarten der Schokofrösche. Morva fand vor allem die sich bewegenden Bilder auf den Karten faszinierend und weniger das, was hinten über die berühmten Zauberer und Hexen stand. Nach dem Mittagessen kam tatsächlich James bei ihnen vorbei. Er hatte Dominique und Roxanne im Schlepptau, ihre beiden älteren Cousinen, die jetzt ins dritte Schuljahr kamen. Dominique und Roxanne sahen beide je ihren Müttern ähnlich - Roxanne mit ihren dunklen Haaren, der dunklen Haut und den braunen Mandelaugen von Tante Angelina und Dominique hatte das blonde Flachshaar, die vornehme Blässe und die großen, blauen Augen von Tante Fleur – und schienen wie Tag und Nacht zu sein. Doch die zwei waren unzertrennlich und heckten gemeinsam jede Menge Unsinn aus. Lucy hatte von ihrem Vater Geschichten von Onkel George und dem toten Onkel Fred gehört, die in ihrer Schulzeit gemeinsam Scherzartikel erfunden und in der Folge Weasleys Wizard Wheezes eröffnet hatten. Und auch, wenn Roxanne und Dominique keine Zwillinge waren, schien es hier gewisse Parallelen zu geben. Mit James, der ebenfalls „nur Flausen im Kopf hat“, wie Granny es gerne sagte, war das Trio komplett. James, Roxanne und Dominique blieben fast bis zum Ende ihrer Zugfahrt und erzählten ihnen Geschichten von Hogwarts. Einige der Anekdoten, da war Lucy sich sicher, waren übertrieben oder sogar erlogen. Als die Ansage kam, dass sie bald am Bahnhof ankommen würden, verschwand James. Er trug noch nicht seine Schuluniform und musste sich jetzt beeilen, sie vor ihrer Ankunft in seinem wahrscheinlich unaufgeräumten Koffer zu finden und sie anzuziehen. Während sich die fünf Mädchen nach dem Halt des Zuges mit den anderen Schülern aus dem Zug und auf den von Lampen erhellten Bahnsteig des Dorfes Hogsmead treiben ließen, trennten sich auch Roxanne und Dominique von den drei Erstklässlern und gesellten sich zu ihren Freunden. „Dort.“, sagte Elizabeth und deutete auf eine Gestalt am Ende des Bahnsteigs, etwas Abseits des Stroms von Schülern, die offenbar mit einer Laterne winkte. „Erstklässler hierher. Erstklässler zu mir.“, dröhnte die Stimme der Gestalt über das Stimmengewirr der älteren Schüler. Die drei Mädchen drängelten und kämpften – Morva nahm in einigen Fällen die Hilfe ihrer Ellenbogen in Anspruch, sehr zum Unmut mehrerer Betroffener, die mit teilweise wüsten Beschimpfungen reagierten – sich durch die Schar der älteren Schüler, die offenbar in eine andere Richtung strömten. Das Trio gesellte sich zu den anderen etwa zwei Dutzend Erstklässlern, deren Gesichter im Schein der Laterne blass wirkten und von denen viele genauso nervös schienen, wie auch Lucy sich fühlte. Morvas Augen wurden groß, als sie den Hünen in dem schwummrigen Licht sah. Sie zog am Ärmel von Lucys Umhang, ohne den Blick von dem Koloss abzuwenden. „Wer ist das?“ Morvas Stimme klang schwach. „Das ist Rubeus Hagrid, Wildhüter und Professor für Pflege magischer Geschöpfe. Er war schon an der Schule, als mein Dad noch hier war. Ich glaube sogar, meine Großeltern haben mir auch von ihm erzählt.“, antwortete Lucy im Flüsterton. Es war ihr ein bisschen unangenehm, in Hörweite ihres Professors über ihn zu reden. Morva schien ihre Bedenken offenbar nicht zu teilen, denn sie redete weiter, ihre Stimme jetzt nicht mehr ganz so leise. „Nein, das meine ich nicht. Ich meine eher, wie kann er so groß sein? Er ist doch ein Mensch, oder?“, fügte sie zögernd hinzu. „Oder ist er als Kind in den Zaubertrank gefallen, wie Obelix?“ Als sie keine Antwort bekam, blickte Morva zu den anderen beiden und schaute in verwirrte Gesichter. „Na ihr wisst schon. Obelix, der Gallier, die Comicfigur. Dieser riesige…“, sie streckte die Arme in die Höhe, um eine Person anzudeuten, die viel größer war als sie, „…der als Kind in den Zaubertrank von Miraculix dem Druiden gefallen – Ach, vergesst es.“, winkte Morva ab, als Lucy und Elizabeth sie anstarrten, als sei sie verrückt geworden. Außerdem hatte ihre pantomimische Vorstellung die Aufmerksamkeit einiger der anderen Erstklässler auf sich gezogen, von denen sie nun mehrere misstrauisch ansahen. Einer von ihnen, ein Mädchen mit hellblonden Haaren und hochnäsigem Gesicht, sagte mit herablassendem Tonfall: „Verschon uns mit deinen vulgären Ausführungen über Muggelkultur, Schlammblut.“ Lucy riss ihre Augen auf. Auch die meisten der anderen Erstklässler waren schockiert und überrumpelt von diesem verbalen Angriff ohne Vorwarnung. Einige schnappten erschrocken nach Luft, anderen fiel schlicht die Kinnlade runter. Ein paar schauten ängstlich drein. Alle von Zauberern aufgezogenen Schüler wussten, welche Art von Beleidigung Schlammblut war und welche politischen Ansichten die Zauberer und Hexen vertraten, die sie verwendeten. Und was solche Leute während der Machergreifung Voldemorts getan hatten. Die wenigen, die verständnislos von der Blondine zu Morva schauten, waren gewiss Muggelgeborene. Alle anderen begannen jetzt aufgeregt miteinander zu tuscheln. Morva indes zog unbeeindruckt eine Augenbraue hoch und wandte sich jetzt ganz dem anderen Mädchen zu. „Entschuldigung?“, fragte Morva, ein drohender Unterton schwang in ihrer Stimme mit. Sie wusste vielleicht nicht, was Schlammblut bedeuten sollte oder dass es eine Beleidigung war, der Tonfall war aber unmissverständlich. Und offensichtlich würde sie das nicht auf sich sitzen lassen. Lucy und Elizabeth tauschten alarmierte Blicke aus. Die Atmosphäre war in der letzten halben Minute von freudiger Erwartung gefährlich in Richtung Pulverfass gekippt. Bevor das blonde Mädchen jedoch erneut sein Schandmaul öffnen konnte, griff Professor Hagrid ein. „Hey du.“, rief er über die Köpfe der anderen Erstklässler hinweg und deutete mit seiner freien Pranke auf die Blondine. „Wie ist dein Name?“ Sie schluckte. Die überlegene Aura, die sie bis eben noch umgeben hatte, schwand merklich. „Lysandra Yaxley. Sir.“ Der Professor nickte. „Sollte ich noch einmal hören, wie du jemanden so nennst, Yaxley, werde ich das deiner Hauslehrerin melden. Diese Schule macht keinen Unterschied zwischen Schülern unterschiedlicher Herkunft. Und jetzt folgt mir bitte.“ Der Hüne wandte sich um und ging in eine andere Richtung davon, als die älteren Schüler vorhin. Die Gruppe von aufgeregt schnatternden 11jährigen verließ den ansonsten leeren Bahnsteig. Sie schienen jetzt kollektiv Atem zu holen, den sie wohl ebenso kollektiv angehalten hatten. Viele hatten sich in Grüppchen von zwei bis vier Schülern zusammengefunden, die eifrig tuschelten und zwischendurch immer wieder Blicke in Richtung Lysandra Yaxley oder Morva warfen. Yaxley wiederum ging jetzt schweigend und mit einem finsteren Blick neben einem schmalen Jungen mit einem dunklen Lockenkopf. Morva, Lucy und Elizabeth hatten sich etwas zurückfallen lassen. Jetzt, wo die Spannung und der Schock von ihr abgefallen waren, kam Lucy vor Wut die Galle hoch. Es passierte selten, dass sie so wütend wurde. Aber sie verabscheute Menschen, die sich für etwas Besseres hielten. Vor allem dann, wenn diese Menschen offenbar keinen Grund dafür hatten. „So eine blöde Doxy.“, presste sie zwischen ihren Zähnen hervor. Morva blickte sie verständnislos an. „Also, was genau bedeutet Schlammblut?“, fragte Morva nach ein paar weiteren Momenten des Schweigens. Lucy nahm einen tiefen Atemzug, um sich zu beruhigen. Elizabeth beantwortete die Frage zögernd. „Das ist ein Schimpfwort, dass besonders rassistische Zauberer und Hexen für Muggelgeborene verwenden. Einige Familien, besonders die reinblütigen, halten sich für etwas Besseres, weil ihr Blut über die Generationen rein magisch geblieben ist. In ihren Stammbäumen finden sich angeblich keine Muggelgeborenen oder Muggel wieder.“ „Hm.“, machte Morva nur. Sie folgten den anderen weiter schweigend. Auch wenn der Vorfall ihre Stimmung merklich gedrückt hatte, starrten sie alle wenige Minuten später beeindruckt von dem Ufer des Sees zu dem hell erleuchten, imposanten Schloss auf der anderen Seite des Gewässers. Die Nervosität und Erwartung, die sie während der Reise hierher verspürt hatten, drängte den Ärger und Schock von eben bis auf weiteres in den Hintergrund. [ - ] Wenn sie bei der Fahrt mit kleinen Booten über den See schon beeindruckt von der immer größer werdenden Silhouette der Schule waren, dann war das nichts im Gegensatz zu dem, was sie verspürten, als sie in die Eingangshalle traten. Als die Schüler durch das Eingangsportal in die Halle traten, trafen ihre Blicke sofort die ausladende Marmortreppe nach oben. Ihre Augen folgten den gotischen Dreiviertelsäulen hinauf zu der Decke und den Gewölben, die durch das Zwielicht der Fackeln kaum zu erkennen waren. Die streng wirkende Hexe, die die Erstklässler in der Eingangshalle erwartete und sich als Professor Anabelle McGregory vorstellte, Lehrerin für Zauberkunst und stellvertretende Schulleiterin, wies sie an, in einem kleinen Raum zu warten, bis sie sie in die Große Halle begleiten würde. Die Große Halle befand sich offenbar rechts von dem Eingangsportal, hinter einer ebenfalls schweren Tür. Die stand einen Spalt weit offen und es drang das entfernte Summen von vielen Stimmen, die durcheinander redeten zu ihnen in die Eingangshalle. Lucys Hände wurden wieder schwitzig, als sie an die Sortierungszeremonie und den Sprechenden Hut dachte. Bevor die Tür der kleinen Kammer zuging, sah Lucy, wie Professor Hagrid sich mit Professor McGregory unterhielt. Sein Kopf ruckte kurz in Richtung ihres Warteraums und Lucy fragte sich, ob er der Hexe gerade von dem Vorfall am Bahnhof unterrichtete. Die Luft in dem Raum vibrierte vor Spannung, die anderen Schüler tuschelten miteinander in ähnlichen Gruppen, wie eben schon auf dem Weg zu den Booten am Seeufer. Hier und da hörte Lucy aus dem Geflüster Namen von Häusern oder Namen von Familien heraus. Die anderen Schüler diskutierten das Thema Häuserwahl wohl mit ähnlichen Sorgen und Ängsten, wie es die drei Mädchen bereits während der Zugfahrt getan hatten. Neben Lucy kaute Elizabeth auf ihren Fingernägeln herum. Ihre braunen Augen wanderten unruhig über Wände und Decken des Raums. Morva hatte ihre Arme verschränkt und knetete mit ihren Fingern ihre Oberarme. Ihr Blick war fest auf einen Punkt am Boden gerichtet. „Oh Gott, ich glaube mir wird schlecht.“, murmelte Lucy und lehnte sich an die Wand neben der Tür. Die anderen beiden nickten. Nach etwas, das sich nach einer kleinen Ewigkeit anfühlte, öffnete Professor McGregory die Tür und scheuchte die Schüler aus dem Raum und führte sie in die Große Halle, vorbei an den vier Häusertischen, von denen die älteren Schüler die neuen neugierig vorbeigehen sahen. Lucy kamen die Gesichter im Vorbeigehen verschwommen und verzehrt vor. Die Professoren führte die Reihe von Erstklässlern bis zum Kopf der Halle, an dem ein weiterer langer Tisch stand, an dem die Lehrer saßen. Lucy sah Hagrid am linken Ende der Tafel sitzen und zwischen den anderen Lehrern erkannte sie Neville Longbottom, den Hauslehrer von Gryffindor und Professor für Kräuterkunde. Außerdem war er der Patenonkel ihres Cousins Albus. Lucy hatte ihn häufig auf dessen Geburtstagen gesehen. Als sich ihre Blicke trafen, nickte er ihr kurz zu. McGregory wies die neuen Schüler an, sich in einer Reihe vor dem Lehrertisch aufzustellen, den Rücken zu den Professoren, die Gesichter ihren Mitschülern zugewandt. Dann legte sie einen lumpigen Hut auf ein wackeliges Dreibein vor der Reihe der Erstklässler. Lucy starrte den geflickten Spitzhut an. Das ist der berühmte Sprechende Hut? Sie war ein wenig enttäuscht. Doch als die Lehrerin von dem Hocker zurücktrat, richtete sich der Hut auf, eine Falte öffnete sich. Sie erinnerte an einen Mund. Und dann begann der Hut zu singen. Er sang von der Gründung dieser Schule, von unterschiedlichen Ideen, von Krieg und Frieden, von Streit und Versöhnung. Als er geendet hatte, brach die gesamte Schülerschaft in Beifall aus. „Ich werde jetzt eure Namen aufrufen und ihr tretet vor, setzt den Hut auf und euch auf den Stuhl. Nachdem der Hut den Namen eures Hauses genannt hat, könnt ihr euch zu euren neuen Mitschülern an den Tisch setzten.“, verkündete Professor McGregory und rollte eine lange Pergamentrolle aus. „Abbott, Eric.“ Ein Junge mit langen Armen und glattem, blonden Haar trat aus der Reihe. Er stolperte fasst über seine eigenen Füße, als er zu dem Hocker hinüberging. Nachdem er sich auf den Hocker gesetzt hatte und sich den Hut über den Kopf stülpte, trat gespanntes Schweigen ein. Nach einigen Augenblicken öffnete sich die Falte an dem Hut und er rief „Huffplepuff“. Die Schüler am Tisch ganz rechts jubelten und nachdem er den Hut wieder auf den Hocker gelegt hatte, ging Abbott zu dem Hufflepuff-Tisch hinüber. So ging das weiter. Ein Schüler nach dem anderen wurde aufgerufen, setzte sich den Hut auf und nach mehr oder weniger langem Warten, rief der Hut den Namen des Hauses, in das er den Schüler einsortierte. Morva hatte den Hut noch nicht einmal zwei Sekunden auf, bevor der Sprechende Hut „Gryffindor“ rief. Der Tisch ganz links brach in Beifall aus. Der dunkelhaarige Junge, mit dem Lysandra Yaxley zusammen in Richtung See gegangen war, stellte sich als Alexander Nott heraus, der in das Haus Slytherin eingeteilt wurde. Bei Elizabeth brauchte der Hut länger. Schließlich rief er „Ravenclaw“ und Elizabeth lief zu ihren neuen Mitschülern. Die Reihe Erstklässler dünnte sich immer mehr aus, und als schließlich nur noch Lucy und Lysandra Yaxley übrig waren, schlug Lucy das Herz bis zum Hals und sie war bereit, sich hier und jetzt vor Aufregung zu übergeben. „Weasley, Lucy.“, las die Lehrerin vor und Lucy trat vor. Ihre Beine schienen wie Wackelpudding und der Weg zu dem Stuhl kam ihr unglaublich lang vor. Als sie schließlich angekommen war, nahm sie einen tiefen Atemzug, bevor sie sich auf den wackeligen Hocker niederließ und den Hut aufsetzte. Der war ihr viel zu groß und rutschte ihr prompt über die Augen. „Ah, eine Weasley.“, sagte eine piepsige Stimme. „Nun, von denen hatte ich viele in den letzten Jahren. Aber du scheinst dir unsicher zu sein, dass du deinem Namen gerecht werden kannst. Es stimmt schon, du bist loyal, mit Prinzipien. Eher passiv, ein Streitschlichter. Hufflepuff wäre sicher eine gute Wahl für dich.“ Lucys Herz rutschte ihr in die Hose. „Bitte schick mich nach Gryffindor.“, dachte sie verzweifelt. „Oh, Mut hast du sicher, auch wenn du es selbst nicht siehst oder glauben magst. Mut ist schließlich immer nur mit denen, die Ängste überwinden müssen, richtig? Aber bist du dir sicher, dass ein Familienname ein ausreichender Grund ist, ein Haus auszuwählen?“ „Ja.“, dachte Lucy, ohne zu zögern. „So sei es denn. Ich schicke dich nach Gryffindor.“ Das letzte Wort rief er laut und erleichtert nahm Lucy den Hut ab und ging hinüber zu dem Gryffindor-Tisch. Die Gryffindors nahmen sie klatschend in Empfang. Ihre Schwester klopfte ihr auf Schulter. Victoire, ihre älteste Cousine, drückte sie kurz an sich, James zwinkerte ihr von der anderen Seite des Tisches zu und Dominique und Roxanne schlangen ihr von je einer Seite einen Arm um die Schultern. „Gut gemacht.“ „Sehr gut.“ „Wenn das so weitergeht, werden wir Weasleys Haus Gryffindor übernehmen.“ Dominique stieß mit einer ordentlichen Portion Ironie eine Siegerfaust in die Höhe. Lucy lachte kurz auf. Ihr war ein riesen Stein vom Herzen gefallen und alles an ihr schien erneut wie Wackelpudding, als sie Spannung langsam von ihrem Körper abfiel. Die drei Cousinen blieben neben Morva stehen, die sich zusammen mit den anderen neuen Gryffindors ein wenig weiter oben am Tisch niedergelassen hatte. Roxanne und Dominique ließen Lucy aus ihrer Umklammerung frei. „Da sind wir.“ „Jetzt schnell hinsetzen. Gleich beginnt das Festessen.“, flötete Roxanne. [ - ] Lucy lehnte sich auf ihre Hände zurück, mit denen sie sich hinten an der Kante der Bank abstütze. Sie hatte vor der Auswahlzeremonie nicht gemerkt, wie hungrig sie gewesen war. Jetzt hatte sie ordentlich reingehauen und das Gefühl, sich überfressen zu haben. Molly hatte recht. Hier gab es tatsächlich alle möglichen Speisen. Leider hatte Lucy auch recht. Zwar schmeckte alles ausgezeichnet. Aber wie Zuhause schmeckte es trotzdem nicht. Ein lautes Händeklatschen vom Tisch der Lehrer zog die Aufmerksamkeit aller Schüler auf sich. Die ohnehin schon träge vor sich hin plätschernden Gespräche, viel leise und weniger enthusiastisch als noch vor dem Festessen, wurden eingestellt und alle Schüler schauten zu der Schulleiterin McGonagall hinüber, die sich von ihrem thronähnlichen Stuhl in der Mitte des Lehrertisches aufgerichtet und nun um die Aufmerksamkeit ihrer Schüler bat. „Ich hoffe, nach diesem reichhaltigen Essen, sind Sie noch aufnahmefähig für einige wichtige Ankündigungen. Ich möchte die Erstklässler darauf Aufmerksam machen, dass Teile des Schulgeländes von Schülern auf keinen Fall betreten werden dürfen. Dabei handelt es sich insbesondere um den Verbotenen Wald und den Großen See. Das Baden in dem See ist strengstens verboten. Daran möchte ich auch noch einmal einige der älteren Schüler erinnern.“ Ihr strenger Blick glitt über die versammelte Schülerschaft, bevor sie fortfuhr. „Die Quidditch-Auswahl findet während der ersten drei Wochen des Schuljahres statt. Genaue Termine finden Sie auf dem Aushang auf dem Schwarzen Brett in Ihren jeweiligen Gemeinschaftsräumen. Alle die, die gerne an dem Auswahltraining teilnehmen wollen, tragen sich in die dem Anhang beigefügten Listen ein oder melden sich bei dem Kapitän ihrer Hausmannschaft. Und nun ab ins Bett mit Ihnen.“ Mit einem erneuten Klatschen ihrer Hände löste sie die Versammlung auf und allgemeines Chaos brach aus, als sich die Schüler alle auf einmal zu erheben schienen. Lucy und die anderen neuen Gryffindors schauten etwas verloren drein. Sie hatten keine Ahnung, wo sie jetzt hinmussten. „Gryffindor-Erstklässler zu mir bitte.“ Ein Junge mit schwarzem, kinnlangem Haar, winkte die neun Neuen – vier Mädchen, fünf Jungen – zu sich. An seinem Schulumhang war ein Anstecker gepinnt. Als Lucy mit den anderen Näher kam, erkannte sie den Vertrauensschüler-Anstecker, den auch Victoire trug. „Mein Name ist Albert Langton. Ich bin Vertrauensschüler und zeige euch den Weg zu unserem Gemeinschaftsraum. Prägt ihn euch gut ein.“ Er setzte sich an die Spitze der kleinen Gruppe und ging in Richtung Eingangshalle. Die meisten der anderen Schüler hatten die Große Halle bereits verlassen, sodass die kleine Gruppe Gryffindors sich nicht durch das Gedränge kämpfen musste, dass normalerweise entstand, wenn alle geleichzeitig aus der Halle wollten. Während des gesamten Weges erzählte Albert von diesem oder jenem Portrait („Hört auf garkeinen Fall auf das, was Dedalus der Dämliche euch erzählt. Es ist bekannt, dass er Erstklässlern gerne die falsche Richtung weist.“), warnte sie vor falschen Treppenstufen („Die dort müsst ihr überspringen, sonst sackt euer Bein komplett ein. Ihr braucht starke Armmuskeln, um euch da wieder rauszustemmen.“) oder machte sie auf Geheimgänge („Hinter dem Wandteppich dort ist ein Geheimgang in den nächsten Stock.“) aufmerksam. Vor dem Portrait einer korpulenten, rosagekleideten Dame angekommen, blieben sie mitten im Gang stehen. Zu diesem Zeitpunkt war Lucy schon so müde, dass sie sich kaum noch an den Weg erinnern konnte, den sie gegangen waren. Ihre Augen fielen immer wieder zu. „Das hier ist der Eingang zu unserem Gemeinschaftsraum. Die Fette Dame bewacht den Eingang. Ihr müsst ihr das richtige Passwort nennen, um hineinzukommen. Es wird regelmäßig geändert. Seht zu, dass ihr immer das aktuelle Passwort habt. Die Vertrauensschüler und Schulsprecher kennen das neue Passwort. Wenn ihr das Passwort vergessen oder nur das alte habt, könnt ihr nicht in den Gemeinschaftsraum. Also hört gut zu. Das Passwort zum Schuljahresbeginn Alraunenwurzel.“ Das große Portrait schwang zur Seite und öffnete ein Loch in der Wand. Sie traten alle hindurch und befanden sich im Gemeinschaftsraum der Gryffindors, ein rundes Zimmer mit hohen, gotischen Fenstern, roten Wand- und Fußbodenteppichen, gemütlichen roten Sesseln und Sofas und dazwischen viele kleine Tische. An der linken Wand brannte in dem großen Kamin ein warmes Feuer. „Da sind wird.“, sage Albert und schloss mit einer ausladenden Handbewegung den gemütlichen Raum ein. „Hier verbringen wir die Abende oder die Zeit zwischen den Unterrichtsstunden. Dort hinten sind die Eingänge zu den Schlafsälen. Die der Jungen links, die der Mädchen rechts. Ich wünsche euch eine gute Nacht.“ Kollektives Gemurmel von den versammelten Erstklässlern. Die Jungen folgten Albert in Richtung der Jungenschlafsäle. Lucy, Morva und ihre beiden Klassenkameradinnen – Rajani Kahn und Amelia Cattermole – öffneten währenddessen die rechte Tür in Richtung der Mädchenschlafsäle. Die Wendeltreppe erwies sich als unangenehm für Menschen, die träge waren von zu viel gutem Essen. Alle vier waren erleichtert, als an der dritten Tür „Erstklässler“ stand. Müde stolperten die Mädchen in den Schlafsaal. Lucy hatte garkein Auge für die Aussicht aus den hohen Fenstern. Müde ging sie zu dem Himmelbett, vor dem ihr Koffer stand. „Gut‘ Nacht.“, rief Lucy matt, nachdem sie sich bettfertig gemacht hatte. Morva und Rajani waren bereits vor einer kleinen Weile unter die schweren Bettdecken geschlüpft und gaben schon keine Antworten mehr. Amelia kramte noch in ihrem Koffer herum. „Nacht.“, hörte Lucy sie noch sagen, bevor unter ihre Decke schlüpfte. Nach den Aufregungen des Tages war sie eingeschlafen, sobald ihr Kopf das Kissen berührte. Von den Befürchtungen, die sie heute Morgen beim Einsteigen in den Hogwarts-Express noch gehabt hatte, hatte sich glücklicherweise keine Bewahrheitet. Vielleicht würde die Zeit auf Hogwarts doch eine schöne werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)