Erwachen von VZerochanV (Die Welt nach dem Ende) ================================================================================ Kapitel 10: Panik ----------------- In Donnells Gesicht bildete sich eine Mischung aus Schock und Unschlüssigkeit ab. Der Raum, den er zuvor noch als heimisch und wärmend empfunden hatte, versprühte plötzlich eine Kälte, die ihm gänzlich fremd war. Mina scherzte nicht, das hatte er sofort begriffen, dafür war ihr Lächeln einfach zu ehrlich. Und diese Ehrlichkeit war es, die sich wie ein Dolch durch sein Herz bohrte und es ihm unmöglich machte, etwas zu entgegnen. Nur eine Antwort wollte sie hören, aber er wusste nicht, ob er bereit war, sie ihr an dieser Stelle zu geben. Er hatte schon immer Probleme mit Frauen - oder in Kindheitstagen Mädchen - gehabt, allerdings unterschied sich diese Art von Problemen um Längen von der, die es dieses Mal zu bewältigen galt. Der Widerwille, eine freundliche, junge und sympathische Frau zu enttäuschen gegen die Panikattacken, wenn er Sichtkontakt mit dem anderen Geschlecht hatte. Es musste sich nicht die Frage stellen, welches „Problem“ er da vorzog. Trotzdem war es nicht leicht, mit dieser Situation umzugehen. Erst recht nicht, wenn man noch nie zwei Worte mit einer Frau gewechselt hatte, ohne dabei in seinem eigenen Schweiß zu baden. „Ich sagte, wenn ich bereit bin, oder? Und gerade bin ich ganz sicher nicht dazu bereit!“, erklärte er sich wenig begeistert über ihren Vorschlag. „Dann geben wir dir gerne noch etwas Zeit! Sag, wie viele Stunden du brauchst. Wir wollen sowieso nicht gleich wieder, kaum dass wir gekommen sind, aufbrechen. Nicht wahr, Aaron?“ Der Angesprochene macht eine Miene, als hätte man ihm einen Eimer mit kaltem Wasser über den Kopf geschüttet. Die Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Ähm… Ich wollte mich schon noch etwas im Dorf umsehen…“ Es beruhigte Donnell, dass er nicht der Einzige war, der mit dieser Situation überfordert war. „Na also!“, rief Mina abschließend. „Dann schauen wir uns ein wenig im Dorf um und du überlegst währenddessen, ob du mitkommen möchtest.“ Sie ließ im zwar nach außen hin eine Wahl, aber insgeheim würde sie nur eine Antwort von ihm akzeptieren. Halbherzig wollte er diesen Vorschlag deshalb nicht angehen. Wenn er vielleicht wirklich gründlich darüber nachdachte, konnte er ihr eventuell eine Begründung geben, die sie verstand. Doch in seiner Bibliothek, umringt von seinen geliebten Büchern, zu bleiben, war keine faire Ausgangssituation. Solange er sie im Blick hatte, gab es gar keine Wahl für ihn. Als Sammler seine Sammlung allein zu lassen, war ausgeschlossen. Aber er wollte wenigstens Minas Bemühungen respektieren. Deshalb hatte er einen Entschluss gefasst: „Wenn ihr schon in meinem Heimatort unterwegs seid, dann ist es das Mindeste, dass ich euch herumführe!“ „Wirklich? Das wäre gleich noch besser!“, freute sich Mina, das zu hören. Auch Aaron hatte sich mittlerweile mit der Idee abgefunden, Donnell in ihrer Gruppe aufzunehmen, und sah darin eine gute Gelegenheit, ihn umzustimmen. „Während des Rundgangs können wir ihm noch mehr Argumente liefern, mit uns zu kommen.“, sprach er laut zu sich selbst, sehr wohl beabsichtigt, dass Donnell ihn hören konnte. „Ein Koch wäre schon verdammt nützlich!“ Ob er sich darüber freuen sollte, dass seine Fähigkeiten geschätzt wurden, oder traurig, dass er nur auf sie reduziert wurde, wusste Donnell selbst nicht so recht. Zuerst einmal wollte er sich einen besseren Eindruck von den beiden verschaffen, die eventuell bald seine Reisekameraden sein würden.   Fische, Obst und Gemüse, Textilien, Werkzeuge. Wieder hatte es sie auf den Markt verschlagen. Einer der Orte mit denen Donnell sehr vertraut war und zugleich abgrundtief hasste. Hier gab es die Zutaten, die er für seine Gerichte brauchte, aber gleichzeitig war es auch der Ort, der die meisten Leute aufwies. Darunter befanden sich natürlich auch viele Frauen. Minas Blick fiel genau in dem Moment auf Donnell, als er einen tiefen Seufzer ausstieß. Besorgt wandte sie sich ihrem neugewonnenen Freund zu und erkundigte sich über sein Befinden: „Geht es dir nicht gut? Seit wir hier sind, hast du nichts mehr gesagt.“ Augenblicklich machte er einen Schritt nach hinten durch die Überraschung, plötzlich von Mina angesprochen worden zu sein. „Mir geht es prima! Wirklich!“, sagte er das Erstbeste, was ihm auf die Schnelle einfiel, um die Aufmerksamkeit von sich zu lenken. Währenddessen bewegte sich sein Fuß nach hinten und machte Bekanntschaft mit einem hochhackigen Schuh. „Passen Sie gefälligst auf!“, hörte er die unverkennbar weibliche Stimme in sein Ohr rufen. Eine Achterbahnfahrt begann in Donnells Kopf, die zum Höllentrip wurde. Er hatte eine Frau berührt und wurde zusätzlich noch von ihr getadelt. Das war das erste Mal seit zehn Jahren gewesen, dass er einer Frau so nahe gekommen war, abgesehen von Mina. „E-es t-tut m-mi...“, stotterte er kaum hörbar. Er versuchte sich zusammenzureißen und ruhig stehen zu bleiben. Weiter zu reden war ausgeschlossen. Was er jetzt wollte, war unter allen Umständen zu vermeiden, seine Angst nach außen zu tragen. Solange er wenigstens das konnte, galt es schon als Erfolg. Wie es in ihm aussah, spielte keine Rolle, denn dort hatte die Panik ohnehin schon die Kontrolle über ihn erlangt. Nur leider hatte er dieses Mal Begleitung an seiner Seite, die sein Bewusstsein in die Realität holte und gleichermaßen auch die Panik. An Donnells Schultern rüttelnd, sprach Aaron zu ihm: „Hey, Nell! Du bist kreidebleich! Sag doch was!“ Da er keine Antwort gab, war Mina an der Reihe, ihn zum Reden zu überzeugen. Sie stellte sich neben ihn und ergriff seine Hand, die sie behutsam streichelte. „Alles wird gut! Wir sind bei dir, Nell!“, hoffte sie, ihn mit diesen Worten beruhigen zu können. „Nein...“, brachte er leise hervor. „Hör auf damit...“ Für eine Sekunde unterbrach sie ihre Handbewegungen. „Was meinst du?“ Doch ehe sie eine Antwort bekam, entzog ihr Donnell die zitternde Hand wieder und brüllte ihr regelrecht ins Gesicht: „Lasst mich einfach in Ruhe!“ Er rannte so schnell er konnte, um endlich der Menschenmasse entkommen zu können. Es war egal, wohin er rannte, Hauptsache er blieb nicht an diesem Ort, wo er das Getuschel der Frauen noch länger ertragen musste. Erst als sich sein Atmen zum Keuchen wandelte, ließ sein Tempo nach, bis er schließlich zum Stehen kam. Er spürte wie sein Puls raste und der Schweiß an ihm herunterrann. Eine angenehme Kühle erfüllte seinen Körper. Die Erschöpfung machte es ihm schwer, Energie in jeglicher Form zu verbrauchen, sei es weiterzulaufen, zu sprechen oder gar in Panik zu verfallen. Sein Körper verlangte nur noch nach Erholung. Wie sich herausstellte, war er bis zum nördlichen Dorfende gerannt. Dort gab es kaum noch Gebäude, geschweige denn Häuser. Eine alte Scheune und ein Abstellschuppen, dazu noch eine Reihe an Bäumen und eine Wiese neben einem kleinen Feld, indem Kohl angebaut wurde, und das Bild des ländlichen Dorfes war perfekt. Diverse landwirtschaftliche Geräte rundeten den Eindruck ab. Beim Blick auf den vom Rost zerfressenen Rechen fragte sich Donnell, ob er die nächste Laubsaison wohl überleben würde. So langweilig dieser Ort auf andere wirken musste, liebte Donnell diese idyllische Stille. Hier war er in Sicherheit und wurde von niemandem gestört. Unter einem der Bäume suchte er Schutz vor den aggressiven Mittags-Sonnenstrahlen und lehnte sich gegen den breiten Stamm, den er perfekt für ein kleines Mittagsschläfchen empfand. Er schloss die Augen und nach wenigen Minuten döste er bereits vor sich hin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)