Erwachen von VZerochanV (Die Welt nach dem Ende) ================================================================================ Kapitel 1: Entdeckung --------------------- Alles begann mit dem Ende. Es war das Ende eines Krieges, der beinahe die gesamte Menschheit ausgerottet hätte. Mittlerweile schrieb man das Jahr 2564, 212 Jahre nachdem der 80-jährige Krieg beendet wurde. Städte gab es schon lange nicht mehr. Ein Dorf? Vielleicht ein oder zwei. Nur durch Glück fand man die kleinen Siedlungen, die über den gesamten Planeten zerstreut waren. Und in einer von ihnen lebte eine junge Frau, die eines Tages eine Entdeckung machte, die enorme Konsequenzen mit sich zog.   „Mina, gehst du wieder jagen?“, ertönte die Stimme einer älteren Frau. Sie war aus einer der Hütten zu entnehmen, die sich entlang eines Flusses ausgebreitet hatten. Jede von ihnen war nicht sonderlich groß, dafür aber windgeschützt. Ihre Größe passte perfekt, um sich hinter den Erderhebungen verstecken zu können, die gewissermaßen schon ein Tal geformt hatten. Aus der Öffnung der bereits fokussierten Hütten sah man, wie eine dunkelbraune Haarsträhne hinausragte, der schon bald ein Kopf folgte. „Ja, Mutter! Ich verspreche, dass ich vor Nachtanbruch wieder da sein werde!“, sprach die Person, die nun vollständig aus ihrem Unterschlupf getreten war. Es entpuppte sich, dass Mina eine junge Dame im Alter von 19 Jahren war, die braune Augen und bis zu den Hüften gewachsene Haare hatte. Doch im Gegensatz zu ihren weiblichen Attributen, die allesamt keine Wünsche unerfüllt ließen, stand ihre Kleidung: Von oben bis unten war sie mit verschiedenen Fellarten bedeckt, trug um ihren Hals eine Kette aus Reißzähnen und ihre Hand führte eine Axt, die einem Drittel ihrer Körpergröße entsprach. „Na dann wollen wir mal.“, kündigte sie an und entnahm aus einem Beutel, den sie um ihre Hüften gebunden hatte, ein kleines, schwarzes Band. Nun legte sie es um ihre Haare und knotete es zusammen, sodass daraus ein Pferdeschwanz entstand. Seufzend hob sie die Axt auf, die sie beim Zusammenbinden ihrer Haare beiseite gelegt hatte. „Ich mag meine Haare zwar, aber beim Jagen stören sie einfach ungemein!“ Da sie nun alle Vorbereitungen getroffen hatte, konnte sie endlich losgehen. Auf ihrem Weg aus der Siedlung kam ihr ein Mann entgegen, der vor ihr anhielt und sie mit einem breiten Lächeln begrüßte: „Hallo, Mina! Gehst du mal wieder jagen? Viel Glück dabei! Du weißt, dass wir alle auf dich zählen.“ „Marco…“, entgegnete sie leicht gereizt und hob eine ihrer Augenbrauen in die Höhe. „Auf mich zählen? Oh ja, das tut ihr! Wenn sogar schon die Männer seit Tagen keine Beute mehr besorgen, dann MÜSST ihr ja auf mich zählen. Also wirklich! Ohne mich würdet ihr doch alle verhungern!“ Zur Untermauerung ihres Frustes verschränkte sie zusätzlich ihre Arme und würdigte Marco lediglich die Beachtung eines ihrer Augen. Doch so sehr sie ernst bleiben wollte, musste sie sich doch ihre Niederlage eingestehen. „Ich kann einfach nicht böse auf euch sein!“, sagte sie schmollend und begab sich wieder in ihre normale Haltung. „Aber das heißt nicht, dass ich es in Ordnung finde!“ „Ich weiß, ich weiß!“, zeigte Marco sein Verständnis. „Nur solange meine Frau schwanger ist, okay? Danach werde ich wieder meinen Beitrag leisten! Ich schwöre es dir bei meinem ungeborenen Kind!“ Wenn er es so formulierte, fühlte sich Mina gleich noch zehnmal schlechter, ihm solche Vorwürfe gemacht zu haben. Dennoch wollte sie nicht länger alles dulden. Sie selbst hatte nichts dagegen zu jagen, sogar im Gegenteil; sie mochte es sehr gern. Aber alles hatte ein Limit. Zwar hatte sie ihrer Mutter versprochen, vor Nacht wieder zurückzukehren, doch insgeheim wusste sie ganz genau, dass das nur leere Worte waren, um sie zu beruhigen. Ihre Siedlung war klein, aber groß genug, sodass die Lebensmittelversorgung ein Problem darstellte. Es gab viele ältere Menschen und Frauen, die nicht in der Lage waren zu jagen. Und dann gab es noch die Männer, die sich dagegen sträubten. Nur allzu oft hatte sie die Ausreden „Ich kann kein Blut sehen.“ oder „Die armen Tiere leiden lassen? Niemals!“ gehört. Genau deswegen hatte es sich Mina zur Aufgabe gemacht, einen Ausgleich für die Nichtbeteiligten zu schaffen. Dadurch wurde sie sogar schon als eine Art Berühmtheit angesehen. Ihr Jagd-Talent war etwas Einzigartiges. Niemand konnte darin mit ihr konkurrieren, aber das machte es für sie nur umso schwerer. Je mehr Leute davon mitbekamen, desto mehr hörten auf mit Jagen. Andere konnten es ja viel besser als man selbst, dann konnten diese also auch ruhig für mehrere jagen, wenn es ihnen so leicht fiel. „Es ist aber verdammt anstrengend für eine ganze Siedlung zu jagen!“, schrie Mina aus heiterem Himmel und rannte in Höchstgeschwindigkeit aus der Siedlung. Marco konnte ihr nur noch schmunzelnd hinterherblicken. „Dieses Mädchen hat zu viel Energie.“   Wenige Minuten von der Siedlung entfernt lag ein Wald, in dem es von wilden Tieren geradezu wimmelte. Bären, Hirsche, Wildschweine und noch vieles mehr erlegte Mina darin täglich. Um unbemerkt an ihre Beute zu gelangen, kletterte sie zuerst auf einen Baum und verschaffte sich einen Überblick über die Gegend. Fand sie nichts, ging sie weiter. Doch dieses Mal hatte sie Glück: Schon beim ersten Mal erkannte sie eine junge Hirschkuh. „Bingo.“ Vorsichtig näherte sie sich dem Tier und suchte abermals Schutz auf einem Baum. Nun wartete sie, bis die Hirschkuh zu ihr kam. So lange musste sie völlig ruhig bleiben. Kein Mucks, keine Bewegung. Sogar ihre Atmung konnte jetzt ihr größter Feind sein. Ruhig beobachtete sie das Tier und atmete langsam ein und aus. Eine Weile dauerte es, aber schließlich stand die Hirschkuh direkt unter ihr. Jetzt war Handeln angesagt. Wer hier zögerte, verschwendete eine einmalige Chance. Nicht so Mina. Sofort sprang sie vom Baum, ihre Axt in den Händen haltend, und landete auf dem Rücken des Tieres. Die Hirschkuh wurde bereits wild, wollte Mina abschütteln, aber ihre Zeit war nicht ausreichend; die Axt steckte in ihrem Körper. „Das wäre dann also Nummer eins!“, kommentierte sie zufrieden und stieg vom toten Tier, welches sie von ihrer Waffe befreite. Mit einem Ruck hatte sie es auf ihre Schulter gestemmt und wollte weitergehen, allerdings spürte sie, wie der Boden unter ihr plötzlich nachzugeben schien. „Was zum…?“, konnte sie nur noch sagen, bevor sich unter ihr ein Loch öffnete, das erst ihre Füße und dann den Rest ihres Körpers verschlang. Der Fall dauerte nicht sonderlich lang. Das Schlimmste war der Aufprall, jedoch nicht der von ihr, sondern von der Hirschkuh, die mitten auf ihrem Magen landete. „Verdammter Mist!“, schrie sie vor Schmerz und schob das Tier sogleich von sich. Nachdem das erledigt war, schaute sie sich zuallererst um. Leider konnte sie nicht viel erkennen, denn es war stockfinster. Erst glaubte sie, dass das der Bau irgendeines Tieres sei, aber das Gefühl ihrer Hände lehrte sie eines Besseren: „Was für ein harter Boden… Ist das etwa… Beton?“ Doch was hatte Beton in einem Wald zu suchen, fragte sie sich. Allerdings war der Beton nicht IM Wald, sondern UNTER dem Wald, was ihr einen kleinen Denkanstoß gab. „Vielleicht stammt dieser Ort aus der Vorkriegszeit? Wenn er unter der Erdoberfläche liegt, ist er möglicherweise von den Bomben verschont geblieben!“ Von der Neugier gepackt, den geheimnisvollen Ort zu erkunden, vergaß sie all ihre Schmerzen und stand ruckzuck auf den Beinen. Nochmals blickte sie umher, um ein Anzeichen zu finden, in welcher Richtung es weiterging. Jedoch blieb ihre Suche erfolglos. Dementsprechend musste sie es auf die langsame Weise machen: Sie tastete ihre Umgebung nach einer Wand ab und ging Stück für Stück an ihr entlang.   „Wann endet denn dieser blöde Gang endlich?“, beschwerte sich Mina. Noch immer hielt sie sich an der Wand fest und hatte keine Lichtquelle entdeckt. „Wenn das so weiter geht, verirre ich mich in diesem Loch noch…“ Als hätte ihre Nörgelei etwas bewirkt, berührte ihre Hand etwas, das allem Anschein nach ein Schalter war, und überall um sie herum begannen grüne Lichter aufzublinken. Erschrocken wich sie zurück und stieß ihren Rücken an einem harten Gegenstand. Während sie noch versuchte, die Situation zu realisieren, war der Raum in einem hellen Grün erleuchtet. „Wo...“ Sie drehte sich einmal um 180°, um den Raum zu begutachten. „bin ich hier gelandet?“ Alles sah komplett anders aus als in ihrer Heimat. Überall standen Maschinen und Geräte, von denen sie nicht einmal den Namen kannte, noch wusste, welchen Nutzen sie hatten. All das kam ihr wie ein Tagtraum vor, der sie in die Vergangenheit geführt hatte. Ungläubig kniff die sich selbst in die Wange und spürte den Schmerz nur allzu gut. Nein, das war kein Traum. Anfänglich überlegte sie, ob sie diesen Ort lieber vergessen und einfach verschwinden sollte, entschied sich schließlich aber doch dagegen. Etwas hatte ihren Blick gefangen genommen, als sie ihre Gedanken wieder halbwegs geordnet hatte und die Umgebung nun viel detaillierter wahrnahm. Ihre Augen reflektierten eine ungewöhnliche Anlage, die trotz ihrer meterdicken Staubschicht nichts an Imposanz einbüßte. Unter ihr konnte man, wenn auch erst nach dem zweiten Blick, mehrere Behälter erkennen, die nebeneinander aufgereiht waren. Mina schaute das Gebilde mit großer Skepsis an. Wenn sie es nicht besser wüsste, hätte sie beinahe eine Reihe Betten dahinter vermutet. Aber das war unmöglich. Wer würde denn schon in so einem Loch schlafen wollen, dachte sie sich und schüttelte nur belustigt über ihre eigenen, wirren Einfälle den Kopf. Doch ein dritter Blick darauf öffnete ihren Mund: „Sind das etwa…?“ Wie ein aufgescheuchtes Reh sprintete sie den Behältern entgegen und kam erst zum Stehen, als sie eine der Glasplatten berührte, die darauf befestigt war. Ihre Augen weiteten sich, während sie durch die Staubschicht und das Glas sah. Ihr Atem stockte, ihr Puls raste. Sie hätte mit vielem gerechnet, nur nicht mit diesem Fund: Im Inneren lag ein Mensch. Männlich. Vielleicht so alt wie sie. Ein Mensch. Schlief oder tot? Sie fasste sich an die Stirn und ging einige Schritte zurück. Der Schock saß tief. Noch nie in ihrem Leben hatte sie Menschen außerhalb ihrer Siedlung getroffen und auf einmal hatte sich das geändert, weil sie in ein Loch gefallen war. Einerseits wollte sie über diese Situation einfach nur lachen, andererseits platzte ihr Kopf beinahe bei der Fülle an Fragen, die sich in ihr Bewusstsein drängten. Wer war das? Woher kam er? Lebte er überhaupt noch? Bevor sie sich allerdings weiterhin selbst Fragen stellte, welche sie ohnehin nicht beantworten konnte, betrachtete sie erst die anderen Behälter. Wieder fand sie Menschen darin und jeder war anders als der vorherige. Männer, Frauen, Kinder, Greise. Insgesamt kam sie auf 12 Personen. Wenn Mina auch nicht viel von alldem verstand, konnte sie mit Sicherheit sagen, dass diese Menschen nicht von hier stammten. Ihre Kleidung war so bizarr, dass Mina nicht einmal ein passendes Adjektiv dafür fand. Nirgendwo sah sie Tierfell. Alle trugen eine merkwürdige, graue Schicht, die von Kopf bis Fuß reichte, fast so, als wären Ober- und Unterteil miteinander verbunden statt zwei einzelner Kleidungsstücke. So abstrus sie ihren Geschmack auch fand, gab es momentan wichtigere Dinge für sie zu klären. Am wichtigsten von allen: zu überprüfen, ob sie noch lebten. Da stieß sie jedoch schon auf das erste Problem. Wie sollte sie sie daraus holen? Das Glas zu zertrümmern - davon abgesehen, ob sie selbst dazu imstande war - war keine Option. Splitter konnten schwere Verletzungen hervorrufen, die sie lieber vermeiden wollte. Irgendwie mussten sie ja dort hinein gekommen sein, also musste es auch eine Möglichkeit geben, diese Teile aufzubekommen. Sie sah sich den ersten Behälter noch einmal genauer an, konnte an ihm aber nichts Besonderes erkennen, jedenfalls nichts, was sie nicht noch mehr verwunderte. Einen Augenblick blieb sie mitten im Raum stehen und schaute sich nochmals gründlich um. Irgendwo war etwas, das diese Behälter öffnete. Irgendwo war es, nur es zu finden war wie ein Rätsel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)