Dachterassen-Zongzi von karlach (Kleine Tiger, grosse Tiger) ================================================================================ Kapitel 1: Vom Drachenbootbeobachten ------------------------------------ Das Wetter in Shanghai war drückend und schwül. Wessen Idee es gewesen war, das wusste keiner von ihnen mehr so genau, aber sie feierten Duanwu in Zhou Xings Heimat. Heute hatte er den Heimvorteil. Nachdem sie das Neujahrsfest hart arbeitend verbracht hatten, hatte sich die Gelegenheit dazu ergeben mit den alten Tigern, Team Bai Hu Zu, das Drachenbootfest zu feiern. Während sich Zhou Xing und seine drei Freunde durch die Menge kämpften, auf der Suche nach ihren Mentoren, da war er ganz froh kannte er sich im Stadtzentrum aus. Der Treffpunkt den Lai genannt hatte war etwas abseits, eine kleine Kneipe die mehrheitlich nur von Einheimischen besucht wurde. Wäre er alleine gewesen, es wäre kein Problem, aber wenn er sich darum kümmern musste, die anderen nicht aus dem Blick zu verlieren wäre es ihm lieber gewesen, Da Xiangs Mentor hätte sich etwas Einfacheres einfallen lassen können. „Chi-Yun hat Hunger“, beschwerte sich Chi-Yun von seinem Platz auf Da Xiangs Schultern und in diesem Moment sah er tatsächlich wie sechs und nicht siebzehn aus. Manche Leute hatten's gut. „Ich auch“, erwiderte Zhou Xing munter. „Also schlage ich vor, du schluckst deinen Hunger etwas länger runter bis wir alle essen konnen.“ Sein Tonfall war giftig und er konnte schon sehen, wie Chi-Yun nach Luft holte, um etwas zu antworten als Meimei seine Hand drückte. Nicht jetzt, schien sie still zu mahnen. Da Xiang schüttelte seinen besten Freund sachte in einer ähnlich vorwurfsvollen Geste und verzog das Gesicht, als sich die kleinen Finger etwas zu fest in seine schwarze Mähne krallten. Zhao Xing bewunderte seinen Willen, Chi-Yun trotzdem herumzutragen. Wenn ihm die schiere Anzahl Menschen auf der Strasse keine üble Laune bereitet hätte, wen auf seinen Schultern zu haben der an seinen Haaren zog hätte es getan. „Ich sehe Meister Gao!“ Rief Meimei begeistert und hob die Hand zum Winken. Zhou Xing war sich sicher, dass sie in der Menge untergehen musste, aber irgendwie erspähte der bärenhafte Mann sie und grüsste zurück. Chi-Yun hob ebenfalls beide Hände, nur um sie gleich wieder Da Xiang um die Ohren zu schlagen als der beinahe das Gleichgewicht verlor. Durch das letzte Stück Weg kämpfen fühlte sich nur noch halb so anstrengend an. Die Kneipe hatte die Tür offen und es roch himmlisch nach frischen Zongzi. Einen besseren Ansporn als Essen konnte es eigentlich nicht geben — besonders bei Zhou Xings knurrendem Magen. Es stellte sich heraus, dass Lai im gleichen Gebäude wie die Kneipe lebte. Es erklärte den etwas seltsamen Treffpunkt und die Wohnung war etwas zu klein für die Festgesellschaft war, aber die Dachterasse mit dem unverschämt guten Blick auf den Fluss war es nicht. Sie richteten sich oben mit einer grossen Tüte Zongzi aus der Kneipe, Xionghuang-Wein für die Erwachsenen und Saft für Chi-Yun und Meimei ein. Es war lange her gewesen, seit das Team Wang Hu Zhong seine Vorgänger zuletzt gesehen hatte und nachdem sich die vier jungen Sportler von ihrem Trip durch die Stadt erholt hatten, stand als erstes eine lange Runde Umarmungen an. Nebst den vier Mitgliedern von Team Bai Hu Zu waren auch zwei unbekannte Gesichter mit von der Partie. Mao stellte den einen Mann mit einem liebevollen Lächeln als Jin Li vor und Zhao Xing fiel beinahe die Kinnlade runter. Natürlich hatte er gewusst, dass die Weissen Tiger den berühmten Beyblader kannten, doch er hätte nie geträumt, dass er selbst ihn eines Tages persönlich kennenlernen würde. Die chinesische Szene war ein Dorf, aber Blader auf internationalem Niveau traf man aufgrund der strengen Einreisevorschriften eigentlich nur bei den Weltmeisterschaften — und da waren es meistens die Gleichaltrigen. Der andere Fremde war ganz klar kein Chinese, aber dafür sprach er erstaunlich gut Kantonesisch. Er stellte sich als ein enger Freund von Lai vor, aber aus der Art wie sie miteinander umgingen war sehr klar, dass die beiden mehr als nur das waren. Mao verdrehte bei der Aussage die Augen. „Du darfst schon sagen, dass du mit Lai verheiratet bist, Raul.“ Das Feeling ihrer kleinen Privatfeier, wie sie hier auf dem Dach sassen und der Regatta zusahen, hatte etwas von einer Familie. Zhao Xing war in einem stabilen sozialen Umfeld aufgewachsen, aber Chi-Yun schien lockerer zu werden und in Meimeis Augen war ein Ausdruck, den sie sonst nur vor ihm alleine trug. Die beiden kannten das Wort „Familie“ als Schriftzeichen in einem Wörterbuch. Wang Hu Zhong war Familie. Aber ein grosses Fest konnten sie zu viert nur schwer auf die Beine stellen. „Eigentlich ist das hier nicht so ganz regelkonform, oder? “ Da Xiang klang amüsiert als er sich zu Zhou Xing gesellte. Die beiden jungen Männer standen an der Dachkante, etwas abseits vom Rest der Gruppe, und sahen auf die farbigen Punkte auf der Wasseroberfläche. Von der Strasse stieg Musik auf und in der Ferne konnten sie die Trommeln auf den Drachenbooten hören. „Ne. Aber ich behaupte mal, ab und zu darf man die Dinge auch etwas ruhiger angehen und sich etwas Faulheit hier und da gönnen, Da Xiang. Es ist ein Feiertag.“ Zhao Xing wusste, dass das Konzept des Herumgammelns für seinen Teamleiter etwas Fremdes war, aber gerade deshalb war es umso wichtiger, dass man sich wenigstens an Feiertagen etwas Urlaub von den strengen Regeln im Tempel gönnte. „Zhao Xing, ich wenn du dich nicht beeilst werde ich dein letztes Zongzi versäubern!“ Meimeis Stimme hob sich klar über den Strassenlärm und sofort galt die Aufmerksamkeit ihres Freundes gänzlich ihr. „Es heisst verputzen, Meimei! Und Finger weg, das da ist meines!“ Da Xiang blieb mit einem Lächeln zurück. Es war kein ganz traditionelles Duanwu. Aber es war zweifellos das beste Duanwu, das er bisher erlebt hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)