For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky von Morwen ================================================================================ Kapitel 33: Cullen ------------------ Cullens Herz machte einen Sprung, und er wurde das Gefühl nicht los, dass er wie ein Narr von einem Ohr zum anderen grinste. Dorian hatte eingewilligt – sein Seelenpartner hatte eingewilligt – ihm eine Chance zu geben. Nichts hätte ihn glücklicher machen können. Cullen drehte das Gesicht zur Seite und küsste Dorians Hand. „Danke“, wisperte er. Dann erhob er sich langsam und rieb sich verlegen den Nacken. Seine Selbstsicherheit war so schnell verschwunden, wie sie gekommen war, und nun wusste er nicht so recht, wie er fortfahren sollte. „Ich, ah, hoffe, Ihr werdet es nicht bereuen“, murmelte er. Dorian warf ihm einen vage amüsierten Blick zu. „Oh, ich bin mir sicher, Ihr werdet Mittel und Wege finden, um es interessant zu machen.“ Cullen wusste für einen Moment nicht, was er daraufhin erwidern sollte, und platzte dann mit der erstbesten Sache heraus, die ihm in den Sinn kam. „Hättet Ihr Lust, Euch heute Abend mit mir im Garten zu treffen? Zum Schachspiel?“ Dorian hob die Augenbrauen und sah ihn einen Moment lang überrascht an. Dann legte sich ein fast schon verruchtes Lächeln auf seine Lippen und er lehnte sich zurück. „Zum Schachspiel, hm?“, fragte er. „Ist das der Name, den die jungen Leute heutzutage dafür haben, oder nennt man es nur in Ferelden so?“ „Dorian...!“ Cullen stieß ein Seufzen aus, doch er konnte nicht verhindern, dass seine Wangen bei den Worten des anderen warm wurden. Dorian lachte nur. „Verzeiht mir“, erwiderte er. „Ich konnte nicht widerstehen. – Natürlich treffe ich mich gerne heute Abend mit Euch, Cullen. Wann wäre es Euch recht?“ Erleichterung machte sich in Cullen breit. „Nach der Abendmesse“, schlug er vor. „Ich werde jemanden schicken, um Euch abzuholen.“ Dorian dachte kurz nach und nickte schließlich. „In Ordnung.“ Dann stand er auf und trat an Cullen heran. „Ich freue mich schon“, sagte er leise, bevor er ihm einen Kuss auf die Lippen gab. Er war kurz, aber warm und überraschend zärtlich. Ein Versprechen. Cullen spürte ein seltsames Ziehen in der Brust und musste sich beherrschen, um ihn nicht erneut zu küssen. „Dann also bis heute Abend“, entgegnete er stattdessen und deutete eine Verbeugung an, bevor er sich abwandte und ging.   „Ich brauche deine Hilfe.“ Cassandra saß auf ihrem Bett, ihr Schwert quer über die Knie gelegt. In der Hand hielt sie ein Tuch, mit dem sie die Klinge polierte. Als sie Cullens Worte hörte, verharrte ihre Hand für einen Moment in der Luft. „Hast du Fieber?“, fragte sie dann, bevor sie ihre Tätigkeit fortsetzte. Cullen blinzelte. „Wie bitte?“ „Bist du krank?“, fuhr Cassandra mit ernster Miene fort. „Muss ich deine Schwester kontaktieren?“ Cullens Verwirrung nahm zu. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“ Cassandra hob vielsagend eine Braue, und erst jetzt bemerkte Cullen das kleine Lächeln, das um ihre Lippen spielte. „... oh“, sagte er und rieb sich den Nacken. „Hah. Sehr witzig.“ „Verzeih“, entgegnete Cassandra. „Ich kann nur nicht glauben, dass ich gerade tatsächlich diesen Satz aus deinem Mund gehört habe. Es muss wirklich dringend sein.“ Cullen wandte den Blick ab. „Es... geht um Dorian.“ „Ah“, machte Cassandra. Dann legte sie Tuch und Schwert beiseite und erhob sich. „Das erklärt natürlich alles.“ „Ich...“ Cullen gab einen frustrierten Laut von sich. „So habe ich es nicht gemeint...“ Er seufzte. „Entschuldige. Ich hätte nicht herkommen sollen.“ „Cullen.“ Cassandra legte eine Hand auf seinen Arm. „Das sollte kein Vorwurf sein“, sagte sie sanft. „Ich freue mich, dass Dorian dir wichtig genug ist, um nach Hilfe zu fragen.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Also. Was brauchst du?“ Cullen sah sie einen Moment lang stumm an und fragte sich nicht zum ersten Mal, womit er ihre Freundschaft und Loyalität verdient hatte. Dann überwand er seine Zurückhaltung und erwiderte: „Wir, ah... wollen uns heute Abend im Garten zu einer Schachpartie treffen. Ich würde es gerne zu einem besonderen Abend machen, doch ich habe keine Ideen, wie ich das anstellen soll. Hast du vielleicht ein paar Vorschläge...?“ Cassandra erwiderte für eine Weile wortlos seinen Blick, doch dann trat ein Funkeln in ihre Augen. „Ein romantischer Abend also, hm?“, fragte sie. „Ich glaube, da bist du genau an der richtigen Stelle...“   Der Rest des Tages schien sich zäh wie Sirup hinzuziehen. Auf seinem Schreibtisch erwarteten Cullen ein Berg von Schriftstücken, die gelesen und beantwortet werden mussten, sowie ein Brief an seine Schwester, den er schon vor Wochen begonnen, aber bislang nicht fertiggestellt hatte. Er ignorierte ihn fürs Erste und kümmerte sich stattdessen um die Bearbeitung der restlichen Briefe und Berichte, womit er für die nächsten Stunden beschäftigt war. Doch als er am späten Nachmittag das letzte Dokument beantwortet hatte, lag der Brief noch immer auf seinem Tisch und schien ihn beinahe vorwurfsvoll anzustarren. Seufzend nahm Cullen schließlich den Papierbogen in die Hand und überflog die Zeilen, die er bislang verfasst hatte.   Mia, danke für die warmen Worte in deinem letzten Brief. Ich weiß, dass du dich um mich sorgst, doch ich kann dich beruhigen: es geht mir gut. Gewiss befinde ich mich in einer sehr verantwortungsvollen Position, und es gibt immer viel zu tun, doch ich bin glücklicher damit, als ich es je war, seitdem ich unsere Heimat verlassen habe. Es mag schwer vorstellbar sein, jetzt, da ich den Templern den Rücken gekehrt habe, doch ich vermisse den Orden nicht so sehr, wie ich gedacht hätte. Ich glaube sogar, dass ihn zu verlassen die beste Entscheidung war, die ich je getroffen habe...   Cullen hielt inne. Ihn überraschte die Offenheit in diesen Zeilen. Mia war zwar seine Schwester, mit der er von klein auf jedes Geheimnis geteilt hatte, doch in den letzten zehn Jahren – und besonders während seiner Zeit in Kirkwall – hatten sie sich immer mehr voneinander distanziert, was hauptsächlich seine Schuld gewesen war, und Mia hatte oft über seine kurzen, unpersönlichen Briefe geklagt. Erst nachdem er der Inquisition beigetreten war, war die Kommunikation von seiner Seite aus wieder herzlicher geworden, und seitdem sie die Himmelsfeste erreicht hatten, hatten Mias Beschwerden gänzlich nachgelassen. Manchmal fragte sich Cullen, ob es etwas mit dem Moment zu tun hatte, in dem er Dorian getroffen hatte... Cullen überlegte schon seit Monaten, ob er seiner Schwester mitteilen sollte, dass er seinen Seelenpartner gefunden hatte. Doch es bestand immer die Gefahr, dass seine Briefe abgefangen wurden, bevor sie seine Familie erreichten, und sollten Gegner der Inquisition Kenntnis über die Identität seines Partners erlangen, würden sie diesen Fakt zweifellos gegen ihn verwenden. Und Cullen hatte nicht vor, Dorian in Gefahr zu bringen. Doch jetzt, da er wusste, dass seine Zuneigung zu Dorian auf Gegenseitigkeit beruhte und der Tevinteraner ihn als Partner in Betracht zog, wäre es nur zu fair, Mia zumindest über die Existenz seines Seelenpartners in Kenntnis zu setzen. Soviel war er seiner Schwester schuldig, die mehr als jeder andere an seinem Wohlergehen interessiert war. Und wenn er es ihr nicht direkt sagen konnte, dann gab es vielleicht eine andere Möglichkeit, ihr mitzuteilen, dass er Dorian gefunden hatte... Plötzlich kam Cullen eine Idee. Mia und er hatten als Kinder oft über ihre Seelenpartner spekuliert, wobei sie sich immer auf dem Dachboden der Scheune versteckt hatten, wo sie niemand belauschen konnte. Was vermutlich auch das Beste war, dachte Cullen mit einem Lächeln, denn für seine Schwester hatte viele Jahre lang absolut kein Zweifel daran bestanden, dass ihr Partner niemand anderes als der König von Ferelden war. Er erinnerte sich noch gut an ihre Enttäuschung, als sie herausfand, dass dem nicht so war. Wenn er eine Anspielung auf jene geheimen Konferenzen in der Scheune machte, würde Mia sicherlich verstehen, was er damit andeuten wollte... Cullen überlegte eine Weile, dann griff er nach der Feder und begann zu schreiben.   Er hatte den Brief gerade versiegelt und einem der Boten aufgetragen, ihn zu Leliana zu bringen, als ein Pochen ertönte. „Herein!“, rief Cullen, der gerade dabei war, etwas Ordnung auf seinem Schreibtisch zu schaffen und die Bücher, die er nicht länger benötigte, wieder an ihren Platz ins Regal zu stellen. Er hörte, wie sich die Tür öffnete und jemand schweren Schrittes in den Raum trat. „Wie kann ich Euch behilflich sein?“, fragte Cullen über die Schulter hinweg, bevor er die letzten beiden Bände zurück ins Regal schob. „Das wollte ich Euch gerade fragen“, erwiderte eine tiefe Stimme, und verwundert drehte Cullen sich um. Die massige Gestalt des Eisernen Bullen lehnte an seinem Schreibtisch, die Arme vor der breiten Brust verschränkt. Cullens Überraschung hielt jedoch nicht lange an. Ohne sich von der überlegenen körperlichen Präsenz des anderen beeindrucken zu lassen, kehrte er zu seinem Sessel zurück und ließ sich darauf nieder. „Ich befürchte, ich habe keine Ahnung, wovon Ihr sprecht“, sagte er ruhig. Das Auge des Qunari funkelte ihn an. „Tatsächlich“, entgegnete er. „Also habe ich mir Euer Interesse an dem Vint wohl nur eingebildet...“ Die pure Impertinenz dieser Aussage weckte Cullens Zorn. Als hätte der andere das Recht, ihn über seine Beziehung zu Dorian auszufragen...! „Was zwischen ihm und mir passiert, geht nur uns beide etwas an“, sagte er mit gefährlich leiser Stimme. Doch die Worte ließen den anderen nur auflachen. „Oh, versteht mich bitte nicht falsch“, meinte der Eiserne Bulle. „Ich habe keineswegs vor, Euch in Eure Angelegenheiten reinzureden.“ Er senkte die Stimme. „Aber Dorian ist auch mein Freund. Ich weiß, dass er oft den Eindruck macht, als könnte ihn nichts erschüttern, doch sein Herz ist fragiler, als es den Anschein hat, und ich wollte einfach wissen, wie ernst es Euch mit ihm ist.“ Cullen gab keine Antwort. Er wusste nicht, wie nahe sich die beiden gekommen waren, während er selbst noch mit seinen Gefühlen gehadert hatte, doch er vermutete, dass er sich, wäre er in der Rolle des besorgten Freundes – oder womöglich sogar des ehemaligen Liebhabers – ähnliche Gedanken machen würde. Doch er konnte dem anderen schlecht sagen, dass Dorian sein Seelenpartner war, so weit ging seine Sympathie für ihn dann doch nicht. Stattdessen hob er den Kopf und sah dem anderen offen ins Gesicht, bevor er erwiderte: „Sehr ernst.“ Und es musste etwas in seinem Blick gewesen sein, das den Qunari überzeugte, denn er nickte nur und stieß sich dann vom Schreibtisch ab. „Ich glaube Euch“, sagte er. Mit einem Seufzen kratzte er sich am Kinn. „Ich hoffe, Ihr könnt mir diesen plötzlichen Überfall verzeihen. Manchmal ist Angriff die beste Verteidigung, und Dorian...“ Er zuckte mit den Schultern. „Nun, ich brauche Euch sicher nicht sagen, dass er es wert ist.“ Cullen lächelte schwach, während er hoffte, dass das Gespräch endlich ein Ende hatte. „Das ist er.“ „Schön, dass wir uns da einig sind“, meinte der Eiserne Bulle gutgelaunt und gab ihm einen Klaps auf die Schulter, der ihn fast aus dem Sessel schleuderte. Und Cullen kam plötzlich eine Idee, als er zu dem Qunari aufblickte. Es mochte nicht die feine Art sein, doch es würde die Fronten vielleicht endlich ein für alle Mal klären. „Sagt...“, begann er und der Eiserne Bulle warf ihm einen fragenden Blick zu, „könnte ich Euch vielleicht um einen Gefallen bitten...?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)