nach Hause von lieselotte90 ================================================================================ Kapitel 1: Hinter den Spiegeln ------------------------------ Wieder saß sie hier, zwischen all den Verrückten. Also, den wirklich Verrückten. Links von ihr saß ein Mädchen, dessen schwarze Haare im Nacken zusammen gebunden waren und definitiv wieder einmal eine Portion Schampoo vertragen könnten. Sie rümpfte angewiedert ihre Nase. Rechts von ihr ein Mann mittleren Alters, dessen Haare schon einen leichten Graustich bekamen. Klar, hier konnte man nur graue Haare bekommen. Sie schnaubte abfällig. Er wiegte sich apathisch hin und her, seine Augen blickten ins Leere. Der Aufenthaltsraum. Hier war alles ruhig. Bis auf einen jungen Mann ,ungefähr in ihrem Alter. Also um die 25. Sein geistiges Alter jedoch schien ungefähr 5 Jahre zu betragen. Ausgelassen drehte Er sich im Kreis und sang eine völlig schief klingende Melodie. Sie schüttelte den Kopf. Unwirklich. Surreal. Abartig. Alles Wörter die sie in diese Situation einfügen konnte. Er erinnerte Sie an die Illustration einer Fabel aus einem der Bücher die ihr, ihr Vater als Kind mitgebracht hatte. Es war eine dieser Geschichten in dem ein kleiner Vogel um einen großen herum hüpfte und fragte: " Wo willst du heute hin? Hm?Hm? Kann ich mitkommen? Hm? Kann ich?Kann ich?" Sie verdrehte die Augen. Sie würde hier nie raus kommen. Sie hätte dort bleiben sollen. Dann wäre sie nie hier gelandet. An diesem trostlosen Ort. Sie. Das war Alice. 25 Jahre alt, Ihre blonden Haare ringelten sich in langen Locken bis fast unter den Po. Ihre Augen hatten Ihren Glanz verloren, strahlten nicht mehr. Waren trüb und stumpf. Ihr Mund hatte schon lange nicht mehr gelächelt. Ihr Körper trug Spuren der letzten Jahre. Spuren der Misshandlungen. Zeichen der Vergangenheit. Sie war dünn geworden, beinahe zu dünn. Ihr Zuhause .... war die Klapse. Die Irrenanstalt Ihrer Heimatstadt in der Sie Ihre Mutter eingewiesen hatte, gleich nachdem Sie von den Handelswegen zurück gekehrt war. Fassungslos war sie gewesen, kaum Zuhause angekommen wurde Sie mitgenommen. Der Grund waren Ihre Abenteuer im Wunderland. Das von Ihr so sehr geliebte Reich. Ihre Mutter hatte den Ärzten geschildert, welche Dämonen Ihre Tochter seit frühester Kindheit verfolgten. Zur Untermauerung dessen, wurde Ihr Tagebuch eingezogen. Die Enttäuschung hatte ihr ein Loch ins Herz gebrannt. Nie wieder würde Sie mit Ihrer Mutter reden. Ein Warum konnte sie sich bis heut nicht beantworten. Das war schon Jahre her. Alice hatte viel erlebt, durchlebt, seit dem. Leider lebte sie in einer Zeit in der die Medizin ganz eigenen Methoden und Vorstellungen von Der Heilung einer Irren hatte. Von Körperlichen Züchtigungen zu psychischer Folter. Ja Folter, anders konnte sie es nicht benennen. Man würde sie brechen, irgendwann, ohne jede Frage. Am Anfang versuchte man Ihre Wahnvorstellungen mit Gesprächen und Befragungen zu lokalisieren. Später, als sie starr und fest behauptete, dass sie der Wahrheit entsprächen, kamen die Schocktherapien dazu. Der Strom wurde in Ihren Kopf geleitet. Durch Ihre Hände und Füße floss er in Ihren Körper hinein. Noch Stunden nach der "Behandlung" zuckten ihre Gliedmaßen. Die Voltzahl wurde dabei stets erhöht. Die Narben die Sie davon trug würde Sie bis an ihr Lebensende behalten. Zackige, unregelmäßige, hässliche Narben, die sie missgestalteten. Ein Aufbegehen oder Gegenwehr hatte meist eine satte Ohrfeige von einem der Pfleger oder Pflegerinnen zur Strafe. Überhaupt, diese Strafen... von Essen über Schlafentzug war alles dabei. Alice schauderte. Auch wenn Sie mittlerweile die Aussage zu den Befragungen verweigerte, vergessen hatte sie ihre Wegbegleiter nie. McTwisp, das weiße Kaninchen mit der Weste und der Stoppuhr, die fette Raupe Absolem mit Ihrer Pfeife, der Märzhase, der Kater Grins, Die weiße Königin Mirana oder Ihn. Ihn... Der verrückte Hutmacher, Tarrant, der Sie so nahm wie Sie war. Der Ihr geholfen hatte Ihr "mehr sein" wieder zu finden. Unwillkürlich wollte sie schmunzelt und musste sich bremsen, nicht "Morgen kommt die Fledermaus" zu summen. Ihn, dessen Angebot im Unterland zu bleiben Sie ausschlug, weil Sie das Pflichtgefühl hatte nach Hause zurück zu kehren. Zu Ihrer Schwester, und Ihrer Mutter. Wie gern würde Sie zurück ins Unterland kehren. Nach Hause. Mehrmals hatte Sie Ihre Freunde gezeichnet, fast jedes Mal wurde Sie erwischt und Ihre Zeichnungen wurden Ihr weggenommen. Aus Ihren Gedanken gerissen bemerkte Sie dass es Zeit für Ihren Einschluss war. Es war Zeit Die Tabletten zu nehmen, von denen Sie bestimmt schon längst abhängig war. Die Schlafmittel, und Wer weiss was noch. Auf Nachfragen wurde Ihr stets nur erzählt, dass es zu Ihrem besten sei. Dass Sie davon nicht mehr klar denken konnte, Ihren Körper nicht spüren konnte und völlig willenlos war, interessierte keinen. Warscheinlich, sehr warscheinlich sogar war es gewollt. Damit Sie nicht aufbegehrte. Damit Sie ruhig war. Der Pfleger warf Ihr eindeutige Blicke zu. Alice wusste, dass es schon einige Übergriffe gegeben hatte. Doch hier hörte man nichts, und man sah nichts. Und wenn man gefragt wurde, wusste man nichts. Warscheinlich dauerte es nicht mehr lange, und man würde Ihr das letzte nehmen was Sie besass. In Ihrem Zimmer wollte Sie ihre Tages durch die Nachtkleidung wechseln, als sie auf dem Stuhl ein Kleid liegen sah. Sie trat heran. Es sah fast aus wie.... Eine Erinnerung fegte durch ihren Kopf. Sie, klein wie eine Maus, auf dem Tisch neben einer Teekanne stehend, und Er... " Öh....ich finds schick.." Es war Blau, mit einer weißen Schürze, deren Bänder sich auf den Boden schlangen. Sie zuckte die Schultern und zog es wiederstandslos an. Sie sah aus wie Damals, bemerkte sie wehmütig. Sie konnte nicht mehr. Sie wollte nicht mehr. Wann hatte das alles ein Ende. Sie legte sich auf ihr Bett, und hatte gerade die Augen geschlossen, als sie warme Fingerspitzen fühlte die Ihr sanft über die Wange fuhren. Tränen mogelten sich unter ihren geschlossenen Lidern hervor. Ein bekannter Geruch stieg ihr in die Nase. Sie kniff die Augen noch fester zu. "Alice.." Nur ein Hauch, und doch konnte Sie DIESE Stimme ganz genau zuordnen. Eine Stimme, von der sie nicht gedacht hätte sie jemals wieder hören zu dürfen. Wow, für eine Wahnvorstellung war diese hier wirklich gut. Sie seufzte. Wie sehr sie sich wünschte, dass er wirklich bei ihr wäre. Sie beschützen würde, sie hier heraus holen.... Bestürzt, in dem Wissen das dies nie geschehen würde, drehte sie sich auf die Seite, fort von ihrer Einbildung, krümmte sich zusammen und fing an zu schluchzen. Fast konnte sie spüren, wie sich ein Körper hinter sie legte.... Starke Arme die sich um sie schlangen. Sie Behüteten.... Ja... Behüten... Warum? Was hatte Sie getan dass sie das alles erleben musste?! Wie er ihr fehlte. Sie fehlten ihr alle, aber er ganz besonders. Erst viel später, erst nachdem sie hier gelandet war, begriff sie, warum er ihr wirklich so viel mehr fehlte als wie der Rest ihrer Freunde. Und sie bedauerte es, dass sie ihm nie würde sagen können, nie würde zeigen können, was er wirklich für sie war. Trotz der Schmerzen die man ihr zufügte, hatte sie ihre Erlebnisse, ihre Freunde und ihn nie verleugnet. Sie würde sie niemals verraten. Lieber würde sie sterben. Sie riss die Augen auf. Das war vielleicht die Möglichkeit. Sie würde zwar nicht ins Unterland zurück kehren können, aber Sie würde auch nicht mehr an diesem Ort ihr dasein fristen müssen. Gedemütigt, misshandelt... als Lügnerin abgestempelt und als verrückt verschrien. Sie stand auf und sah sich um. Sie war Allein. Natürlich. Eine Einbildung ihrer Fantasie, wenn auch eine gute. Sie würde immer Allein sein. Traurig schlug Sie die Augen nieder, rutschte an der Wand neben Ihrem Bett herunter ,und griff nach dem einen losen Stein in der kalten Mauer, der sich durch viele Male heraus nehmen ganz leicht bewegen liess. Dahinter waren Ihre über die Jahre immer mal wieder gesammelten Tabletten, die Sie dann und wann, dort versteckte. Dort waren auch die wenigen Zeichnungen, die Sie vor den gierigen Fingern der Pfleger hatte retten können. Sie nahm ihr Lieblingsbild heraus. Ihr verrückter Hutmacher, Tarrent. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Züge, ihr Gesicht wurde weich als sie mit den Fingern über das Papier strich... Sie hatte versucht seine Augen einzufangen, aber es war Ihr nicht gelungen. Diese Augen würde der beste Zeichner nicht kopieren können. Diese Augen die stets die Farbe wechselten, je nach seiner Gemütslage. Dieser Mund der sich, je mehr sein Besitzer sich in etwas hineinsteigerte, Immer und Immer schneller sprach. "... Du Gundler skuttischer pilderleckender sticken juckender schluckender Opal. Barromok Eklimlie." "HUTMACHER!!" "Fiss......alles wieder gut." Sie legte das Bild neben sich und nahm stattdessen die Tabletten in die Hand. Sie wusste dass diese Dosis 3 Elefanten und 8 Nilpferde umhauen würde. Es würde reichen. Bald war es geschafft. Sie zog die Knie an und legte ihren Kopf darauf ab. Tränen brannten in Ihren Augen. Ja. Es war die richtige Entscheidung. "Alice..." Diese Stimme, tief und ohne das übliche Lispeln. Genau wie Damals, als er ihr das Gedicht über sich und den Jabberworky vortrug. Eine Stimme die ihr Gänsehaut bescherte. Sie schüttelte den Kopf. Nein. Bald würde sie in Frieden schlafen können. Keine Illusion würde sie davon abhalten können, Ihr Leiden zu beenden. "Tu es nicht..." Ohne Kummer, Ohne Schmerzen. War Sie Egoistisch? Was würden Ihre Freunde im Wunderland von Ihr denken? "Bitte...." Nie wieder Tränen, nie wieder Sehnsucht. Warscheinlich hatten Sie sie schon vergessen. Diese Vorstellung schmerzte. Und trotzdem... "Komm nach Hause..." Es war wirklich besser.... Sie öffnete die Augen nicht, als sie die Hand mit den Tabletten zu Ihrem Mund führte. Eine große, warme Hand legte sich zart auf Ihre. Stoppte Sie. Im ersten Moment glaubte Sie an einen Pfleger, der Sie erwischt hatte. Selbst das war Ihr verwehrt.... Sie hatte aber auch gar kein Glück, dachte Sie Sarkastisch und verzweifelt. Sie schlug die Augen auf und blickte in Unnatürlich Grüne. Umrahmt von Rotem, Krausem Haar. Er war Ihr so nah, dass Sie Ihn Riechen, Seine Nähe spüren konnte. War er eine Einbildung? Oder Realität? Er drückte mit seiner Hand auf Ihre, brachte Sie dazu Ihre Hand sinken zu lassen. Sah Sie bittend an. Atemlos liess Sie Ihn gewähren. Ebenso das er Sie zwischen seine geöffneten Beine in seine Arme zog. Sie an sich presste. Das Gesicht in ihren Nacken legte und immer wieder Ihren Namen hauchte. Fassungslos versuchte Sie zu verstehen. Und da begriff Sie, WER Sie da umarmte. Sie verstand, WER da ihren Namen flüsterte. Sie krallte sich an ihn und fing an zu schreien. Sie schrie in den kragen seiner Jacke, nicht gewillt, ihn jemals wieder loszulassen. Es war ihr egal, ob er Real war. Er war da. Sie zitterte, und war kurz vor einem Nervenzusammenbruch, aber das war ihr gleich. Er war da. Endlich. "Komm mit mir...bitte. " sagte er leise, aber sie verstand ihn ganz genau. Sie drückte ihr Tränen nasses Gesicht an seinen Hals und konnte nur nicken. Sie würde überall mit ihm hingehen. Er legte eine Hand an ihren Rücken, die andere unter ihre Knie und stand mit einem Ruck auf den Beinen. Sie lag in seinen Armen. Alice hob ihr Gesicht und sah ihn an. Er sah aus wie in ihren Erinnerungen. Ihr Hutmacher. Seine Augen waren so Grün wie die Natur. So Grün wie die Saftigsten Wiesen. So Grün wie die Blätter der Bäume im Frühling. Er neigte seinen Kopf und küsste sie auf die Stirn, auf die Wangen. Er küsste ihre Nase, und dann... spürte sie vorsichte Lippen auf ihren. Ohne scheu erwiderte sie den ersten Kuss ihres Lebens. Sie würde ihn nie vergessen, diesen Augenblick. Und es würde nie wieder jemand anderes geben, von dem sie sich küssen ließ. Viel zu schnell löste er sich von Ihr. Er lächelte Sie an und sie Lächelte zurück. Befreit. Er drehte sich um und ging durch eine gläserne Wand. Hinter den Spiegeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)