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"Eikskild"

"Eichenschild" Die Geschichte einer ungewöhnlichen Liebe (modernes Setting)
von

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Brautentführung...

Als ich von Eikskild eben diese Antwort vernahm, war ich kurzzeitig sprachlos...ich starrte den dunkelhaarigen Nordmann total verdattert an und wusste nicht, was ich darauf noch intelligentes zu ihm hätte sagen sollen…?!
 

Ich mochte ihn...sogar mehr als nur ein bisschen...aber gleich soweit in die Zukunft voraus zu planen, nun ja also, in solchen gewichtigen Entscheidungen war ich dann doch ein wenig altmodisch veranlagt.
 

Aber das sagte ich ihm natürlich nicht, denn ich wollte den Mann, den ich liebte, nicht vorsätzlich vor den Kopf stoßen und wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst war, konnte ich mir schon durchaus „mehr“ vorstellen...auch wenn es im Moment vielleicht noch etwas weit hergeholt wirken mochte.
 

Eikskild hingegen wusste längst was er wollte…und zwar schon seit einer ganzen Weile. Allein das fand ich bemerkenswert zielstrebig an diesem Mann. Bei ihm gab es kein Zaudern...und kein Zagen...so mit einem vielleicht….und nein, ich will jetzt doch nicht mehr?!
 

NEIN!
 

Ihm war schon lange vor mir klar geworden, dass er entweder diese eine Frau oder aber gar keine haben wollte, in dem Fall also ganz klar...MICH!
 

Das sah ich als eine ungemein beruhigende Erkenntnis an, die sich mir in jenem Moment ungewöhnlicher Klarheit durch den Kopf schob. Immerhin wusste ich was das anbelangte, ohne jeden weiteren Zweifel, wie er zu mir stand und dass er mich aufrichtig liebte. Eikskild musste mir seine Gefühle für mich damit nicht noch einmal extra bekunden, denn das war längst nicht mehr notwendig.
 

Er liebte mich ebenso leidenschaftlich wahrhaftig und innig, wie ich ihn im Laufe dieses halben Jahres polarer Dunkelheit und Eiseskälte zu lieben gelernt hatte. Es fehlte uns beiden jetzt nurmehr noch, die eine allerletzte und bisher fehlende Konsequenz, sich dies auch im körperlichen Sinne zu zeigen...und sich einander hinzugeben, mit all den starken Emotionen, die man dem anderen geliebten Menschen gerne schenken wollte.
 

Das also war so ziemlich das einzige an Hindernissen, das dahingehend noch zwischen uns stand...aber es rückte Stunde um Stunde in greifbarere Nähe. Denn heute Nacht würde es soweit sein, komme was da wolle….nichts war mir klarer, als diese simple Tatsache und ich konnte um ehrlich zu sein, an fast nichts mehr anderes denken als daran, endlich mit meinem Liebsten allein zu sein und ihn ganz und gar für mich zu haben.
 

Und sehr wahrscheinlich erging es ihm da nicht viel anders als mir. Ich ahnte intuitiv, dass Eikskild es nur noch schwerlich abwarten konnte, bis es soweit war...und vermutlich schon die Minuten bis dorthin zählte.
 

Demnach fühlte ich mich genötigt ihm wenigstens ansatzweise eine Antwort auf seine vorhergehende Frage zu geben….die zweifellos klar gestellt hatte, wie er die Angelegenheit zwischen uns sah.
 

„Oh Eikskild bitte...ich...das kann ich dir nicht sagen...jedenfalls nicht bevor….wir…?!“
 

Setzte ich hastig an und brach fast sofort danach genauso abrupt ab...denn da erblickte ich, wie als wollte es das Schicksal Kilis Ehefrau Thalia, die ganz plötzlich um die nächste Ecke gebogen und im Eilschritt angerauscht kam, wobei sie direkt und äußerst zielstrebig auf uns beide zusteuerte.
 

Eine Sekunde später war sie fast da und ich ehrlich gesagt heilfroh, den Satz jetzt nicht zwingend beenden zu müssen, auch weil SIE das vertrauliche Gespräch zwischen Eikskild und mir beim besten Willen nichts anzugehen hatte.
 

Er hingegen sah mich an und lächelte kurz aber überraschend verständnisvoll, gleich darauf fühlte ich den sachten Kuss auf meinen Lippen und das leise...“ist gut, ich habe verstanden, lass uns dieses Thema einfach auf später vertragen, das ist jetzt nicht so wichtig“...entgegen flüstern, wobei mir die Felsbrocken beinahe Lawinenweise vom Herzen fielen.
 

„Ja bitte, lass uns das lieber auf später vertragen, wenn du und ich endlich ungestört sind“….antwortete ich ihm ebenso leise und hörbar erleichtert. Doch indem Moment waren wir beide nicht länger alleine und so setzte Kilis hübsche und obendrein resolute Gattin auch schon zu sprechen an, kaum dass sie bei uns angelangt war.
 

„Ah hier seid ihr beide also abgeblieben, ich habe euch schon überall gesucht!
 

Eikskild, Lyria es geht los. Siri hat Svetlana auf die Damentoilette lotsen können und es ist ihr obendrein gelungen, sie alleine zu dorthin zu verfrachten. Lydia ist in der Zwischenzeit bei Yokky geblieben und lenkt ihn ab, so gut es eben geht...dann also jetzt oder nie, das ist vielleicht eure einzige Chance und die solltet ihr nutzen. Wenn ihr die Braut ungesehen raus bringen wollt, müsst ihr das meiner Meinung nach augenblicklich tun!
 

Die Zeit drängt kommt schon...los..los!“
 

Thalia verstummte mit einem atemlosen und leicht unwilligen Seufzer, wobei sie uns kurz zweifelnd und leicht argwöhnisch musterte...doch da der Trapper weiterhin ruhig und ungewöhnlich entspannt wirkte, legte sich das nahezu sofort.
 

Anstatt dessen sahen er und ich uns beide einen Augenblick lang an ….dann grinsten wir ebenso spontan, wobei wir der temperamentvollen brünetten Frau mit dem unübersehbar intensiven dunklen Rotstich im Haar mit einem knappen…. „gut wir kommen“…. wie aus einem Munde antworteten.
 

Und da bemerkte ich auch, wie Eikskild sich plötzlich energisch straffte…
 

„Nun dann lasst es uns tun, so wie wir es abgemacht haben. Ihr Frauen schafft Svetlana ungesehen raus und ich besorge den Rest...also los!“
 

Und so machten wir es.
 

Während Eikskild nachdem er den Satz beendet hatte, quasi auf den Absatz kehrt machte, um zur Vordertüre des Motels zu gelangen, rannten Thalia und ich umgehend danach im Laufschritt in Richtung der Damentoiletten.
 

Als ich knappe drei Minuten später atemlos keuchend dort eintraf, fand ich Siri bereits tatkräftig damit beschäftigt Svetlana zu unterbreiten, was wir denn da „schönes“ mit ihr geplant hatten. Die Braut sah einen Moment lang etwas ratlos drein..schon weil es allein aufgrund der unterschiedlichen Sprachen kleinere Verständigungsschwierigkeiten gab, aber dann nickte sie endlich...und wir werteten es als Zeichen, dass sie mit unserem kleinen „Manöver“ einverstanden war, das sie ja sehr persönlich betraf.
 

Ich hastete rasch zurück aus der Toilette, nachdem ich Siri und Thalia angewiesen hatte, mit ihr solange dort zu warten, bis ich wieder zurück kommen würde. In Windeseile fischte ich sämtliche Mäntel und Jacken vor der Garderobe, die ich so halbwegs den jeweiligen Besitzern zuordnen konnte und stürzte mit den besagten „edel Gewändern“ zurück zu den wartenden „Brautentführerinnen“.
 

Svetlana hüllten wir kurzerhand in ein bodenlanges und weit schwingendes dunkelrotes Cape mit passender Kapuze...das zwar nicht ihr gehörte, aber seinen Zweck hervorragend erfüllte und sie in ihrem leuchtend weißen Brautkleid komplett unkenntlich machte. Sie sah darin zwar ein wenig nach „Red Riding Hood, also demnach Rotkäppchen auf der Flucht vor dem großen „bösen“ Bären..ähhhh...Wolf aus...aber nun gut, zumindest erkannte man sie nicht gleich auf Anhieb, in diesem märchenhaft Bühnenreifen Outfit, das wir ihr sozusagen aus der Not heraus anziehen mussten, weil über dieses immens ausladende Brautkleid einfach nichts anderes gepasst hätte.
 

Als uns das gelungen war, atmeten wir drei Verschwörerinnen erst einmal erleichtert auf, dann zogen auch wir hastig unsere Jacken und Mäntel über, nahmen den Rest der „geborgten“ Kleidungsstücke in unsere Obhut und schafften die Braut im Anschluss daran übervorsichtig hinaus in den Flur.
 

Niemand der übrigen Gäste bemerkte irgend etwas von unserer denkbar gewagten Aktion, da sie alle von dem abgelenkt waren, was sich Lydia für ihren Schwager in Spe als kleines Spielchen ausgedacht hatte.
 

Das kleine Ablenkungsmanöver zeigte glücklicherweise Erfolg...trotzdem musste alles schnell gehen.
 

Wir schafften Svetlana im Eiltempo vor die Türe des Motels und wurden draußen dem Himmel sei Dank von den dort wartenden „Mitverschwörern“ in Empfang genommen, wie abgemacht! Es waren natürlich Eikskild...aber auch Kili und Fili, sowie Erik und einer von Svetlanas etwa gleichaltrigen Cousins, der Vasili hieß und zudem ein ungemein sympathisches Lächeln besaß.
 

Wir Frauen staunten dennoch nicht schlecht als wir sahen, was der Trapper da in der Kürze der Zeit mit den anderen Männern zusammen als „Fortbewegungsmittel“ für uns alle aufgetrieben hatte...denn da standen drei mehrspännige Hundeschlitten samt zugehöriger Vierbeiner.
 

Wobei Eikskilds eigene Hunde leider nicht darunter waren...wie ich mit leichtem Bedauern fest stellte. Diese Tiere mussten demnach also den Nachbarn oder aber irgendwelchen guten Freunden gehören, von denen sie sich die Hunde samt Schlitten ausgeborgt hatten.
 

Wir starrten Ekskild und die übrigen Männer, die bei ihm waren verblüfft an, doch der dunkelhaarige Nordmann zuckte nur kurz mit den breiten Schultern, ehe er zu sprechen ansetzte.
 

„Die Hundeschlitten sind leicht und machen keinen solchen ohrenbetäubenden Lärm, wie diese Motorschlitten, die hätten sie sofort gehört und Verdacht geschöpft. Jetzt können wir nahezu unbemerkt verschwinden. Außerdem wird es schwierig werden, die Spuren zu verfolgen, wenn sie nach uns suchen. Das erschwert die Sache etwas und zu leicht wollen wir es dem Bräutigam ja nicht machen, seine Gattin wieder zurück zu bekommen oder?! Da darf er meines Erachtens schon eine ausgesprochen gute Nase entwickeln, wenn er sie wieder finden will!“
 

Hörte ich ihn uns somit überraschend amüsiert, ja sogar einen gewissen Touch schadenfreudig antworten, woraufhin ich ihm meine offenkundige Hochachtung zollen musste, denn sein schlauer Plan die Braut möglichst ungesehen fort zu schaffen….war wirklich nicht von schlechten Eltern.
 

„Wo du recht hast…?
 

Clever, echt clever...die Idee ist brillant Eikskild, das hast du hübsch eingefädelt alle Achtung!“
 

Entgegnete ich ihm daher mit einem anerkennenden Lächeln, wobei ich Svetlana die ebenso sprachlos neben mir stand, sanft aber entschlossen weiter in Richtung der Schlitten schob…und den übrigen Brautentführern im Anschluss daran eilig ihre warmen Gewänder aushändigte, denn die Fahrt durch die eisige Spätwinternacht, würde mit Sicherheit kein sonderliches Vergnügen werden.
 

Gute fünf Minuten später waren wir bereit zur Abfahrt...die Braut saß sicher verstaut in einem der warmen Einschlupfsäcke aus dicken Schaf – und Rentier Fellen verpackt, auf einem der Schlitten. Wir übrigen verteilten uns halbwegs gleichmäßig auf die beiden anderen Schlitten und los ging die relativ kurze aber rasante Fahrt, durch die nicht ganz so kleine Ortschaft von Longyearbyen.
 

Eine Schlittenfahrt, die nach etwa gefühlten zehn Minuten strammen Tempos an einem Haus endete, das ziemlich einsam am Ortsrand in der Gegend herum stand.
 

Es war deutlich größer als die anderen Häuser im Ort und sichtlich komfortabler und großflächiger gebaut...also vermutete ich kurzerhand, dass dies das Haus des Arztes von Spitzbergens Hauptort sein musste...den Mann, den ich im Zusammenhang mit Eikskilds kürzlich zugezogenen üblen Verletzungen hatte kennen lernen dürfen.
 

Dr. Thøre Svenson!
 

Kaum dort angekommen öffnete sich bereits die Haustüre...und heraus trat tatsächlich der blond beschopfte hünenhafte Doktor...mit einem ziemlich breiten und amüsierten Grinsen auf den Lippen, mit dem uns das laute Gebell der Schlittenhunde natürlich längst im Voraus bei ihm angekündigt hatte.
 

„Willkommen liebe Freunde...oh ich sehe es ist euch tatsächlich gelungen, euren kühnen Plan in die Tat umzusetzen, mit dem wir diese wunderschöne Braut in meinem bescheidenen Heim verstecken werden. Alle Achtung, das hätte ich jetzt nie und nimmer vermutet. Nun denn, darf man ja gespannt, sein, wie lange der gute Yokky brauchen wird, bis er auf die Idee kommt, dass sie hier bei mir in der Kellerbar sein abgeblieben könnte?
 

Was geben wir ihm….eine Stunde oder besser gleich zwei?!“
 

«God kveld* (guten Abend*) Thøre.
 

Na hoffentlich mindestens zwei, sonst lohnt sich der ganze Aufwand ja weiß Gott nicht! Ein bisschen was muss es ihn ja schon auch kosten, um sie wieder auszulösen!“
 

Ließ sich Erik mit einem leicht sarkastischen Brummen vernehmen, wobei er Anstalten machte, schleunigst von seinem Gefährt abzusteigen, um wieder festen Boden unter den Füßen zu bekommen. Offenbar war ihm die holperige Fahrt mit dem Schlitten nicht so besonders gut bekommen, das mochte aber auch an seinem inzwischen schon recht deutlich anzusehenden berauschten Zustand liegen, den so ziemlich alle Beteiligten dieser Hochzeitsfeier aufzuweisen hatten...denn der Abend war ja bereits etwas fortgeschritten….und daher alle Gäste nicht mehr ganz nüchtern.
 

Nun ja so ziemlich alle, bis auf Eikskild und mich selbst. Er hatte sich bisher extrem zurück gehalten, was den übermäßigen Genuss von Alkohol betraf und ich ahnte dunkel, aus welchem Grund das wohl der Fall war. Das allerdings behielt ich im Anbetracht der Lage vorerst lieber für mich...denn noch war dieser Abend ja nicht vorbei.
 

Der Arzt lachte derweil kurz amüsiert, als er Eriks Kommentar vernahm, doch dann hieß er uns alle rasch abzusteigen und ihm ins Haus ins Warme zu begleiten...was alle mit Freuden begrüßten, denn es war draußen im Moment wirklich alles andere als einladend, noch sehr viel länger im Freien zu verweilen.

Schon daher ließen wir uns nicht lange bitten, sondern sahen zu, seiner netten Einladung so rasch als möglich Folge zu leisten und ihn nach drinnen ins Haus zu begleiten.
 

Die Schlitten samt Hunde ließen wir an Ort und Stelle zurück, denn schließlich brauchte Yokky ja etwas, das ihm den richtigen Weg weisen sollte….ganz sooooo schwer wollten wir es ihm dann ja doch nicht machen.
 

Der Weg durch sein Haus in Richtung seiner Kellerbar war mindestens ebenso interessant wie der Doktor selbst...in eigener Person. Die herzliche Art des nordischen Mannes war ansteckend und so für alle Beteiligten eine ungemeine Erleichterung.
 

Neugierig versuchte ich ein paar intimere Blicke auf den „privaten Doktor Svenson zu erhaschen, als er uns den Weg durch sein Haus hinunter zu seiner „Kellerbar“ wies. Offenbar war er ein weitgereister und an den „schönen Künsten“ interessierter Mann...denn es lagen und standen allerlei Statuen aus aller „Herren“ Länder in den Ecken.
 

Ganz besonders solche aus Indien und Thailand...dort lösten sich schöne aus Stein gehauene Statuen von Siddhārtha Gautama, mit den hinduistischen Gottheiten Brahma und Vishnu,sowie einige schöne Holzschnitzereien der Inuitkultur ab, die Bären und andere indianische Symbole zeigten.
 

Außerdem konnte ich einen kurzen Blick auf ein Klavier und allerlei andere altertümliche Instrumente erhaschen, die da an der Wand hingen oder herumstanden.
 

Zu meiner Verblüffung entdeckte ich sogar eine schöne bretonische Harfe aus hellem Holz, die in einer der Ecken stand…auch dieses schöne Stück musste dem Aussehen nach ein eher mittelalterliches Instrument oder wenigstens ein Nachbau davon sein. Davon verstand ich sogar ein wenig, denn altertümliche Folklore in Form von Musik und Tänzen, hatten mich schon seit je her fasziniert, ebenso wie die zugehörigen Instrumente.
 

Meine ganz besondere Schwäche galt jedoch Harfe und Leier auch Lyrâ genannt...unschwer als eine Abwandlung meines eigenen Namens zu erkennen...wenn auch eine ohne besondere Bewandtnis, zumindest soweit ich es wusste.
 

Als der Doktor sah, wohin mein denkbar neugieriger Blick fiel, hörte ich ihn plötzlich leise darauf ansprechen.
 

„Gefällt sie Ihnen Lyria? Sie gehörte meiner Frau, sie war ausgebildete Musikprofessorin und arbeitete hier an der Hochschule von Longyearbyen als Musik und Kunst Kuratorin. Als solche betreute sie das kulturelle Leben in dieser Gemeinde...bis sie“…
 

Er verstummte plötzlich und räusperte sich kurz aber sehr heftig, ich sah den stark verhärteten Zug um seinen Mundwinkel und verstand sofort…
 

„Ohhh...das, das tut mir sehr leid für Sie Doktor"...stotterte ich daraufhin hastig und unangenehm berührt in seine Richtung.
 

Indem fing ich bereits das schmerzlich zerknitterte Lächeln von ihm auf.
 

“Nein ist schon gut. Sie können ja nichts dafür, woher hätten Sie das denn wissen sollen? Ach und noch etwas, für Sie Thøre, nicht Doktor Lyria. Sehen Sie, es..es ist jetzt knapp zwei Jahre her...Brustkrebs und er hatte bereits gestreut...Sie verstehen?“
 

Er brach ab...und räusperte sich abermals vernehmlich.
 

Ich schluckte daraufhin hart...“ich..ich verstehe und das tut mir unendlich Leid, ich meine es muss schrecklich sein, einen geliebten Menschen auf eine solch tragische Weise für immer zu verlieren.“
 

Entgegnete ich ihm leise, während ich die paar Worte kaum heraus gewürgt bekam, als ich den harten Klos in meinem Hals spürte, denn Svenson tat mir wirklich aufrichtig leid.
 

Der sonst so gestandene und willensstarke Mann, dessen charismatische Ausstrahlung mich von der ersten Minute an beeindruckt hatte und der dazu in Bruchteilen von Sekunden Entscheidungen treffen konnte und musste, wenn es um Menschenleben ging. Genau der wirkte in dem Moment unerwartet zerbrechlich und verletzlich...etwas, das mir wirklich zu schaffen machte, da ich ihn auf seine eigenwillig herzlich, raue Art mochte und als ungemein sympathisch empfand.
 

Indem sah ich ihn abermals lächeln und auch dieses mal wirkte es traurig, aber dennoch sehr gefasst.
 

„Das ist es Lyria...aber es geht schon in Ordnung, mittlerweile geht es mir etwas besser...und na ja, das Leben muss ja irgendwie weitergehen. Meine Tochter gibt mir Halt, leider sehen wir uns im Moment nicht sehr häufig, da sie in Tromsø Nautik studiert. Sie ist jetzt im ersten Semester..aber sie möchte später einmal Kapitänin werden. Wir Nordländer haben das wohl im Blut, das Erbe unserer Vorfahren mit den roten Bärten, die einst mit den Drachenbooten über das Meer kamen.“
 

„Ah ja die Wikinger? Oh ich verstehe...daher also der hübsch rötliche Bart, den sie da haben Herr Doktor?“
 

Hakte ich daraufhin mit einem etwas schiefen Lächeln ein...und es verfehlte seine aufmunternde Wirkung glücklicherweise nicht. Die bis eben noch so gedrückte Stimmung schlug nahezu sofort bei ihm um und ich hörte ihn daraufhin ebenfalls deutlich gelöster lachen.
 

„Daher der rote Bart fürchte ich. Aber bitte kommen Sie doch weiter...wir sind gleich da.“ Hörte ich mir den hünenhaften blonden Mann antworten, dessen deutlich sichtbare rötliche Farbnuance im Bart tatsächlich nicht verleugnen ließ.
 

Keine zwei Minuten später waren wir alle in den „heiligen Hallen“ des Doktors angelangt...die Kellerbar, die überraschend geschmackvoll und typisch Skandinavisch gehalten war..schlicht mit viel hellem und weiß getünchtem Holz..sowie den üblichen weiß, rot karierten Leinenstoffen bei den Sitzkissen und Möbeln. Dazu gehörten auch die üblichen dicken weißen Kerzen die in zahlreicher Form eine gemütliche Stimmung verbreiten und sehr einladend wirkten.
 

Der Raum war wirklich schön gestaltet worden und zudem weitaus größer als angenommen...es gab nicht nur einen Tresen mit gut ausgestattetem alkoholischen und nicht alkoholischem Getränkesortiment, sondern auch noch so etwas das eine Miniaturtanzfläche darstellen sollte, auf der immerhin vier bis fünf Tänzer ihren Spaß haben konnten, wenn sie das denn wollten.
 

Und das wollten sie natürlich alle...Party machen war demnach angesagt...und zwar interessanter Weise genau von denen man das wohl am wenigsten erwartet hätte, wenn dann jedoch auch noch kurz etwas vollkommen unvorhergesehenes dazwischen kam, das "Party machen" etwas verzögerte.
 

Nachdem sich alle eingefunden und schon mal etwas zur Stärkung zur Brust genommen hatten, wollten sich natürlich alle entsprechend der ausgelassenen Stimmung amüsieren. Dazu gehörte unweigerlich Musik und Tanz...allerdings verfügte die kleine Kellerbar über keine gewöhnliche digitale Musikanlage...die verstorbene Hausherrin war ausgebildete und hoch studierte Musikerin gewesen, da gehörte es unweigerlich zum guten Ton, dies alles „hand made“...also kurz gesagt, selbst zu bewerkstelligen.
 

Aber die Hochzeitsgäste waren ja ein durchaus findiges Völkchen...und so besorgten sie sich über den Doktor ihre „Party“ Musik eben selbst. Kurz darauf kamen Kili und Fili mit zwei geborgten Fideln (Geigen) und Vasili mit einem kleinen altmodischen Akkordeon zurück...aber sie waren nicht allein, denn auch ich durfte im Zuge dessen etwas erleben, womit ich jetzt niemals auch nur im Traum gerechnet hätte.
 

Eikskild hatte die kleine Gruppe „Musiker“ eher zufällig, denn wirklich interessiert begleitet und ich sah ihn zu meiner Verblüffung tatsächlich mit der schönen bretonischen Harfe unter den Arm geklemmt zu uns zurück kommen.
 

Mit fast schon ehrfürchtig verzücktem Glanz in den Augen stellte er sie bei mir am Tisch ab, als er zu mir zurück kam.
 

Ich sah ihn indessen entsprechend verwirrt an...“ähhh...sag bloß du kannst SIE spielen?“
 

Fragte ich ihn daraufhin ehrlich überrascht, als ich bemerkte, wie er sie beinahe schon leidenschaftlich betrachtete, so als wäre sie seine Geliebte.
 

Indem sah ich ihn den kurz den Blick heben und merklich belustigt in meine Richtung grinsen.
 

„Hmmm ja, ich nehme an, dass ich das kann?!“
 

Eikskilds Hände glitten während er das sagte ehrfurchtsvoll über die Saiten und brachten sie sofort in einem voluminösen Akkord zum Klingen, wobei er sie mit erstaunlich fachkundiger und sanfter Hand entsprechend nachstimmte und während er das tat, konnte ich ihn leise flüstern hören...
 

“Eine Harfe wie diese, ist vergleichbar mit einer schönen Frau, behandelt man sie nicht aufmerksam und zärtlich genug wird sie mürrisch..streichelt man sie jedoch sanft, dann klingt sie unvergleichlich. Was für ein wundervolles Instrument...ich hatte schon fast vergessen wie es klingt. Weißt du Lyria, es ist schon eine ganze Weile her, seit ich das letzte mal auf so einer wie dieser gespielt habe.“
 

Mit diesen Worten ließ er die Fingerspitzen der rechten Hand abermals sachte über die Saiten streichen und entlockte der Harfe einen neuerlichen unvergleichlich klingenden Akkord...der selbst ihn in verzücktes Erstaunen versetzte.
 

Und dann..dann setze er an zu spielen und ich bekam den Mund nicht mehr zu.
 

Vor allem, als sich sein Gesicht sah das er dabei machte...gänzlich der realen Welt entrückt...es war als wüssten seine Hände mit schlafwandlerischer Sicherheit wohin sie zu greifen hätten, um diesem doch eher selten gespielten Instrument solche Töne und Oktaven zu entlocken. Spätestens da war mir klar, dass ich längst noch nicht alles über meinen Trapper und seinen ach so geheimnisvollen Begabungen wusste...und dass Harfe spielen eine davon war, hätte ich niemals auch nur im Traum angenommen.
 

Aber nicht nur ich allein starrte den stämmigen, dunkelhaarigen Mann der da Harfe spielte dementsprechend verblüfft an...auch die anderen Gäste die sich bis dahin noch lachend und scherzend unterhalten hatten verstummten nach und nach.
 

Urplötzlich legte sich eine seltsam andächtige Ruhe über den kleinen Raum...und Eikskild sang…
 

...oh mein Gott...und wie er das tat!
 

Ich hatte diesen an sich eher schweigsamen Mann bisher nur einmal singen hören und schon da war mir aufgefallen, was für eine ausnehmend schöne, voll tönende und voluminöse Stimme er hatte...aber hier zu diesen märchenhaft feinsinnigen und so luftig leicht klingenden Melodie Abfolgen, die er der Harfe entlockte, bildete sie einen derart betörend tiefen Kontrast, der allen die ihn in diesem Augenblick singen hörten, eine Gänsehaut bescherte.
 

Dessen war ich mir sicher, dass dies nicht nur ich allein so empfand.
 

Ich war wie verzaubert von seiner Stimme...sie machte mir im wahrsten sinne des Wortes weiche Knie….und wenn ich nicht schon bis über beide Ohren in ihn verliebt gewesen wäre, so hätte er es spätestens jetzt...just in diesem Moment fertig gebracht, dass ich es tun würde.
 

Durin ku bin-amrad

Ugmal sullu addad

Ku bakana

Ana aznân

Undu abad

Ku ganaga

Tur ganâd abanul

Durin ku bin-amrad

Uzbad Khazad-dûmu

Ku baraka

Aznân

ra karaka

atkât

ala lukhudizu!

ala galabizu!

ala ukratizu!

Khazad-dûm!

(Durins Lied)


 

Aber dann, als wir alle wie gebannt an seinen Lippen hingen, um diesem seltsam getragenen und melancholisch gestimmten Lied zu lauschen, das er wieder einmal in einer Sprache sang, die niemand von uns je gehört hatte...“außer mir versteht sich“...da konnte ich Kili mit einem mal heftig räuspern hören…
 

Er sah seinen Bruder kurz an und dann setzte der Ältere der ihn verstanden hatte seine Geigen an und hob an zu spielen, während der jüngere Bruder mit seiner angenehm kräftigen Tenorstimme einsetzte und den Gesang des Ältesten der drei Eikskilds so perfekt untermalte, dass wir unwillkürlich den Atem anhielten...es war als würde die Zeit für einen Moment lang still stehen...
 

Ich sah sie und hörte sie singen...die drei Männer der Familie Eikskild..und etwas in mir schmolz wie Winterschnee im nahen Frühling und endlich hatte ich das Gefühl zu verstehen, was sie mir damit sagen wollten…
 

Ich sah IHN...und da wusste ich es....ja es war, wie als wären sie ganz plötzlich dieser Welt entrückt worden.
 

Ein nicht zu greifendes, eigenartig tiefgreifendes Gefühl von Magie erfüllte mich und riss mich regelrecht mit sich fort…
 

...so heftig wie jetzt, hatte ich derartige Empfindungen noch nie zuvor verspürt!
 

Ich blickte in ihre Gesichter….zweifellos am intensivsten in das von Eikskild...und wieder erschien mir dieser geheimnisvolle Mann in jenem mir völlig fremden Licht…
 

aufrecht….majestätisch…
 

...in einem Licht, das rötlich golden von Feuerschalen erhellt wurde, ansonsten aber dämmeriges Halbdunkel vorherrschte, wie in einer schwach ausgeleuchteten Höhle oder aber einem Berg. Ein Bild, das ich heute schon einmal gesehen hatte, aber in einem vollkommen anderen Zusammenhang.
 

Ich merkte wie mich angesichts dieser Erkenntnis eine heftige Gänsehaut überlief...
 

Wieder sah ich ihn da stehen und da war jene kunstvoll verarbeitete prunkvolle alte Rüstung, die wie an ihn geschmiedet wirkte, in geradezu perfekter Handarbeit an seinen stämmigen Körperbau angepasst. Doch dann sah ich auch die Krone auf seiner Stirn...wunderschön verarbeitet, männlich kantig aber gänzlich schnörkellos gehalten und ohne jeglichen Stein im wechselvollen Metall das aus Silber und goldenen zum Teil sogar geschwärzten Teilstücken zusammen gefasst und ineinander geschmiedet worden war.
 

Er sah aus wie ein König...erhaben, ruhmvoll...und ich fragte mich in diesem Augenblick zutiefst erschrocken, weshalb ich ausgerechnet jetzt genau dieses Traumbild vor Augen hatte. Ich fragte mich wirklich ernsthaft, ob es da etwas gab, das mein Unterbewusstsein vielleicht längst ahnte, mein Verstand aber noch immer partout nicht wahr haben und schon gar nicht sehen wollte.
 

Ich sah in ihm einen König….etwa meinen Bergkönig, so wie Venelite ihren dort in dieser alten Legende gesehen hatte?!
 

War es DAS was meine Augen sehen wollten?
 

So wie Lydia es in ihrem alten Volkslied besungen hatte oder hatte ich ohne es zu wollen irgend etwas erkannt...das mein Unterbewusstsein mir unbedingt mitteilen wollte, aber bisher noch keinen Weg dazu gefunden hatte es in mein Bewusstsein zu transportieren?
 

Mit einem Mal erschien es mir nicht mehr so abwegig zu sein. Denn irgend etwas tief in mir sagte mir, mit aller drängender Vehemenz, dass ich an der gefühlten Wahrheit längst weitaus näher dran sein musste, als ich es jetzt vielleicht ahnte….oder aber wahr haben wollte!
 

„War ER wirklich DAS, wofür ich ihn bislang hielt!?“
 

Ich merkte wie mich der eigenartig wissende Blick des Doktors plötzlich und offenbar in voller Absicht streifte...und da wusste ich es. Ich wusste, dass ich da an etwas gerührt hatte...das mit meiner Wirklichkeit so wie ich sie bislang kannte, nicht das Geringste zu tun haben konnte...
 

...und dann...dann war es vorbei...und ich konnte Kili s Stimme erneut vernehmen, doch sie klang für mich wie aus weiter Ferne.
 

„Das war einfach wunderbar...das haben wir wirklich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gemeinsam getan…diese Harfe...sie ist wie für dich gemacht Thorin. Wahrlich...ich hatte ganz vergessen wie es ist, dich darauf spielen zu hören...niemand kann sie so spielen wie du Irakadad!
 

NIEMAND!“



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