"Eikskild" von Ithildin ("Eichenschild" Die Geschichte einer ungewöhnlichen Liebe (modernes Setting)) ================================================================================ Kapitel 1: ein neues Leben -------------------------- "ZWEI völlig unterschiedliche welt und wertevorstellungen, die in der einsamen ödnis svalbards aufeinander prallen werden. ZWEI, die sich unter den harten umweltbedingungen einer grandiosen, sowie gnadenlosen natur finden müssen. ZWEI, die an sich schon aufgrund ihrer verschiedenen lebensvorstellungen nicht zueinander passen können und doch spielt das leben oftmals nicht so, wie man es im augenblick vielleicht gerne hätte oder sich vorgestellt hat...weil es nämlich immer dann, wenn man es am wenigsten erwartet ganz anders kommt, als gedacht. ach ja und wenn es denn so etwas verflixtes wie SCHICKSAL nicht gäbe...dann ja dann, wäre alles so einfach und in bester ordnung. ein ungewöhnlicher MANN, eine gewöhnliche FRAU und deren außergewöhnliche GESCHICHTE von einer LIEBE, die diese ZWEI vollkommen ungeplant und ebenso unverhofft miteinander verknüpfen wird..." ...und ER hat einen namen. EIKSKILD...das ist alles was sie von ihm weiß! UND ihr ist zu diesem zeitpunkt auch nicht klar, dass sie dort unweigerlich auf die liebe ihres lebens stoßen wird! auf deren suche sie schon eine halbe ewigkeit ist, ohne es auch nur ansatzweise ahnen. doch sie ausgerechnet dort am so ziemlich entlegendsten flecken dieser erde zu finden...das ist etwas, womit sie niemals gerechnet hatte.... Nordmeer...irgendwo zwischen England und Spitzbergen... Schwankend hob sich der Horizont vor meinen Augen auf und ab...immerzu...seit fünf verdammten Tagen war ich auf diesem Fischtrawler gefangen, wie eine Ratte im Käfig...leise vor mich hin seufzend versuchte ich das permanente Gefühl von Übelkeit zu unterdrücken, das mich unweigerlich sofort befallen hatte als wir auf hoher See waren und sich seither beim besten Willen nicht mehr ausblenden ließ...weder bei Tag noch bei Nacht. Der Seegang war jetzt im Herbst kurz vor dem Winter entsprechend heftig, ich hätte es eigentlich wissen müssen. Das Nordmeer ist rau, nun das hatte ich bereits voraus geahnt..aber gleich so rau? Also das hatte ich als ausgemachte Landratte so in der Härte nun doch nicht ganz erwartet. Verflucht warum hatte ich nur so wenige Reisetabletten gegen Seekrankheit eingepackt? Warum hatte ich überhaupt nur so wenig eingepackt? Zweifelnd fiel mein Blick auf meinen zwanzig Kilo Travelerrucksack, der mein ganzes gegenwärtiges Leben ja meinen gesamten mir noch verbliebenen Besitz beinhaltete und achtlos in einer Ecke meiner Minikabine vor sich hin dümpelte....er harrte der Dinge, die da kommen mögen...ebenso wie ich. Innerlich hatte ich mich vermutlich nicht zum letzten Male, als eine absolute Närrin und eine Verrückte gescholten... Herr im Himmel hilf mir doch...ich musste wahrlich verrückt sein, das wirklich zu tun, was ich vor hatte...aber nun ja, die Midlife crisis verschonte einen in der Regel selten...und verrückte Dinge zu tun, das hatte mich schon immer Zeit meines Lebens ausgezeichnet. Ich war noch nie besonders sesshaft gewesen...mein altes Leben, die Sicherheit und den Comfort hatte ich für etwas aufgegeben, das ich weder kannte, noch mir selbst nicht einmal wirklich erklären konnte. Ein leises Winseln riss mich aus meinen trüben Gedanken, ich hob den Kopf und sah kurz nach der Quelle des Geräusches, das mich unfreiwillig aus meinem Selbstmitleid aufgeschreckt hatte. „Na altes Mädchen, dir gefällt das ganze Geschaukle auf diesem vermalledeiten Fischkutter vermutlich genauso wenig wie mir..ich kanns verstehen. Du hast es bald überstanden und ich hoffentlich auch! Noch zwei Tage..Keira...dann sind wir endlich da. Svalbard, ich kann es kaum noch erwarten!“ Meine knapp achtjährige kanadische Schäferhündin hob kurz den Kopf und kläffte leise, auch sie war nicht mehr die Jüngste und so ziemlich das einzige aus meinem alten Leben, dem ich es gestattete mich in mein Neues zu begleiten. Ja mein altes Leben, es lag hinter mir, wie die geschlossenen Seiten eines ausgeschriebenen Tagebuches. Dabei war es nicht einmal so schlecht gewesen, wie ich bei meinen Überlegungen im Nachhinein fest stellte. Ich war eine unabhängige bodenständige Frau mittleren Alters, dazu promovierte Diplompsychologin mit einer recht gut gehenden Praxis in einem der besseren Vororte von London...hatte keine Verpflichtungen konnte tun und lassen was ich wollte. Einen Mann und Kinder gab es keine...mein letzter Liebhaber, ein angesehener Rechtsanwalt wollte keine. Die Beziehung zerbrach letztendlich an meinem unbändigen Freiheitsdrang. Meine komplexe und zuweilen auch recht anstrengende Persönlichkeitsstruktur vertrug daher alles, aber keinen Zwang, schon gar nicht in einer Beziehung zu einem Mann. Ich konnte und wollte mich nicht dauerhaft an einen Mann binden, doch das hatte ich leider erst erkannt als es längst zu spät gewesen war. Besser ausgedrückt musste ich wohl sagen, an eine bestimmte Art von Mann, denn es gab schon druchaus welche, bei denen es ich mir ernsthaft vorstellen konnte "sesshaft" zu werden, doch so einen hatte ich bisher schlicht und ergreifend nicht kennen lernen dürfen. Nun war ich in knapp zwei Wochen achtunddreißig, also kurz vor der Vier mit der Null hinten dran und da hatte es mich einen schönen Nachts einfach so überkommen. Man könnte sagen, die Midlife crisis hatte gnadenlos bei mir zugeschlagen. Ich wollte noch einmal etwas gänzlich verrücktes tun...mein Leben leben, bevor ich ganz eindeutig zu alt dafür wurde. Ich wollte in gewisser Weise noch einmal ganz von vorne anfangen, mein altes Leben abstreifen hinter mir lassen...etwas gänzlich anderes tun. Der unbändigen Abenteuerlust in mir nachgeben, die ich schon so lange verspürte und mir einen lang gehegten Traum erfüllen, bevor ich wie gesagt zu alt dafür wurde und da ich keine Kinder hatte und auch keinen Partner, der mich in London zurück hielt. So tat ich es einfach. Ich musste ja nichts weiter als die Verantwortung für mich und meinen Hund tragen....und so war es beschlossene Sache. Svalbard hieß mein Ziel...ich wollte an der Universität auf Spitzbergen einige Semester Meeresbiologie studieren...als promovierte Doktorantin der Psychologie eigentlich kein größeres Problem...dumm nur, dass die Uni gerade Semesterferien hatte und die neuen Studiengänge erst in einem knappen halben Jahr zum Frühlingsanfang wieder beginnen würden. Doch auch für dieses Problem hatte ich bereits eine adequate Lösung gefunden...die da hieß kurzerhand auf Svalbard überwintern. Nun das zu organisieren war allerdings nicht ganz so einfach gewesen, wie anfangs gedacht...denn es gab kaum Appartments die zu mieten waren und ehrlich gesagt, wollte ich auch nicht ein ganzes halbes Jahr lang irgendwo allein in der Dunkelheit in irgend einem miefigen Kabuff hocken und darauf warten, dass das Licht irgendwann wieder angeknipst wurde, damit ich endlich mit meinem Studium beginnen konnte. Also musste bis dahin eine andere Lösung her und ich hatte sie nach einigen hartnäckigen Recherchen im Internet tatsächlich ausfindig machen können...zudem konnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen...die außerdem eine recht interessante Herausforderung für mein altes Ego als Psychologin darstellen würde. Ich war als ich mich über Spitzbergen kundig gemacht hatte, nämlich zufällig auch über einen lokalen Zeitungsartikel der letzten Trapper auf Svalbard gestolpert...den letzten echten „Wikingern“...den letzten echten Nordmännern, die allein in der Wildnis lebten und sich ihren kargen Lebensunterhalt mit dem Fallen stellen und dem Verkauf von seltenen Pelzen verdienten...und genau SO einer hatte schlussendlich nach langem hin und her und einigen zähen Verhandlungen per Post zugestimmt, dass ich bei ihm bleiben durfte...um seine Lebensweise kennen zu lernen und zu studieren. Meine Vermutung lag demnach nahe, dass er dem wohl nur zugestimmt hatte, weil es sich bei mir zweifelsfrei und ganz eindeutig um ein weibliches Wesen handelte, sprich ich war eine Frau...und ER...er war ein Mann und lebte wie ich seine grammatikalisch ziemlich schlecht verständlichen Ausführungen in Englisch verstanden hatte, schon seit geraumer Zeit allein auf dem winzigen Eiland, das sich man höre und staune tatsächlich eine "Insel" nennen durfte. Das hieß für mich jetzt also ein halbes Jahr Exil und zwar über den Winter hinaus bis zum Frühling. Ein halbes Jahr lang absolute polare Dunkelheit...ein halbes Jahr in einer vermutlich nicht eben luxuriösen Unterkunft, bei einem mir vollkommen fremden Mann, den ich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen, geschweige denn gesprochen hatte. Nun ja aber da musste ich jetzt durch, so hatte ich es haben wollen..und das Beste daran war, ich wusste gerade mal nicht mehr als seinen Namen. EIKSKILD...das war alles und in knapp zwei Tagen würde ich auf ihn treffen...endlich. Die gewisse Vorfreude aber auch die latente Furcht davor, sich damit gänzlich einem mir vollkommen fremden Mann auszuliefern...ließen mich daher gewissermaßen ein Wechselbad der Gefühle durchleben aber schlussendlich siegte die reine Neugier auf dieses eigentümlich abgschiedene Leben, das ich zumindest für mich als Experiment betrachtete und in das ich nun einen exklusiven Einblick bekommen würde, wie vermutlich nur wenige andere vor mir. Und was oder besser gesagt WER das war, den ich mir da in meiner unwissenden Dummheit näher kennen zu lernen in den Kopf gesetzt hatte....das sollte ich sehr bald schon am eigenen Leib in Erfahrung bringen. zwei Tage später...auf Spitzbergen (Svalbard) Keira und ich waren nach einer etwas unruhigen Nacht in einem der eher spärlich vertretenen Motels in Longyearbyen auf den Helikopter umgestigen, der Trapper zu dem wir wollten lebte momentan auf einer der geschützten spitzbergischen Inseln auf Barentsøya und anscheinend so weit abseits von irgendwelcher Zivilisation, dass man ihn nicht so ohne weiteres erreichen konnte. Dies war im Grunde nur mit dem Boot oder dem Hubschrauber möglich...und da er offenbar ohnehin eine Lieferung an lebensnotwendigen Grundnahrungsmitteln erwartete, hatte mich der nette und leidlich gutausehende Hubschrauberpilot kurzerhand mit zur Ladung gezählt und mich mitfliegen lassen, was mir glücklicherweise nochmal zweit Tage Anreise auf einem schaukelnden Boot ersparte. Als die Ladung verstaut war, nahmen Pilot und Copilot ihre Plätze ein und packten mich, meine wenige Habe und meinen allein vom Lärm des riesen Ungetüms total verschreckten Hund kurzerhand auf die hinteren Plätze im Heli und wiesen uns an möglichst den Mund während des Fluges zu halten, der dann schon noch etwas mehr als drei Stunden dauern konnte. Da ich außer in gebannter Neugier aus dem Fenster starren und die grandiose Weite der Tundralandschaft unter mir mit meiner Spigelreflexkamera in einmaligen Naturaufnahmen festzuhalten nichts zu tun hatte....wurde ich schließlich irgendwann müde und nickte weg...bis mich ein heftiges Rütteln aus meinem Kurzschlaf hochschrecken ließ. Wir mussten in leichte Turbulenzen gekommen sein, denn den Heli schüttelte es ein paar mal ganz ordentlich durch, aber bis der Pilot ihn endlich abgefangen hatte...war mir kotzelend und nicht nur mir allein, auch mein Hund sah nicht mehr sehr gut aus. Keira war kurz davor sich zu übergeben...aber meine tapfere Schäferhündin hielt sich wacker...und der sorgenvolle Blick des überraschend gutaussehenden, dunkelhaarigen Nordländers mit den eisblauen Augen, der etwa mein Alter haben dürfte und zweifellos sein Copilot war, entschädigte mich derweil für so einiges. Er sprach zudem gut englisch...noch ein absoluter Pluspunkt, der ihn mir auf anhieb überaus sympathisch machte. „Na alles in Ordnung da hinten? Noch alles dran?“ Fragte er mich mit einem freundlichen Lächeln. Ich nickte hastig. „Ja, ja alles okay...noch alles dran...na ja denke ich zumindest!“ Antwortete ich ihm etwas zerknittert, woraufhin er mir das mit einem gutmütigen Lachen quittierte. Als ich dann jedoch die Worte des Piloten aufschnappte, die der ob zufällig oder absichtlich ebenfalls in meiner Landessprache von sich gab, anstatt netterweise in seiner eigenen, ließen mein Herz dann doch so einige Etagen tiefer abrutschen...vordringlich der Meinung wegen, die er offenkundig über meinen „Gastgeber“ vetrat, den er ja unweigerlich kennen musste. „Erik das gibt’s nicht, ist die englisch Frau denn vollkommen von allen guten Geistern verlassen? Auf solche Ideen können doch nur die europäischen Weiber vom Festland kommen..unsere eigenen würden sowas bestimmt nicht tun. Ich sags dir, Eikskild der eigensinnige Hund von einem Trapper, der hat doch schon seit Jahren kein Weib mehr zu Gesicht bekommen, der wird sie zur Begrüßung erstmal ordentlich durchs Bett ziehen, bis sie kaum noch stehen kann... ...wetten? Ich schwörs dir Kumpel...aber sowas von!“ Ein nicht eben nettes sowie unüberhörbar anzügliches Lachen der beiden Männer folgte, das mir die Hoffnung auf Vernunft und Anständigkeit in dieser Welt gänzlich nahm. Gott auf was hatte ich mich da nur eingelassen? WAS wenn der Kerl dort wirklich nichts weiter als ein widerlich notgeiler Idiot war, der nur darauf gewartet hatte, eine derart naive ahnungslos unbedarfte Frau wie mich in die Finger zu kriegen um..um...??!!! Ääähhh ja, ich wollte es mir im Grunde nicht weiter ausmalen, ehe meine blühende Phantasie gänzlich mit mir durchzugehen drohte. Gott ich musste wahrhaftig verrückt geworden sein...was hatte mich da nur dazu bewogen so dämlich zu sein...um DIESE Tatsache nicht wenigstens ansatzweise in Betracht gezogen zu haben? ER war ein Mann....ein MANN! Und dazu seit Ewigkeiten allein gewesen. Natürlich würde er versuchen wollen, mich so rasch als möglich in sein Bett zu manövrieren...das leuchtete selbst dem dümmsten Pinguin in der Antarktis ein, nur ICH hatte bisher nicht mal eine Sekunde lang einen Gedanken daran verschwendet, bis es mir diese beiden Kerle da so unschön vor Augen führten. Verdammt, wie blöd konnte man eigentlich sein? Mein Herz sank angesichts dieser Erkenntnisse nicht nur in meine Hosen hinein, sondern noch gut eine Etage tiefer, bis in meine Schuhe....weiter konnte es ab da allerdings nicht mehr abrutschen. Wow na wunderbar....da hatte ich mir ja was hübsches eingebrockt. Nun jetzt musste ich diese Suppe wohl oder übel auslöffeln, denn es gab kein Zurück mehr, das wusste ich...zumindest nicht vor dem nächsten Frühling, denn erst da würde der Helikopter zurück kommen und mich von dort wieder abholen. Aber ich hatte drei Dinge die mir Kraft gaben. Meinen Hund...eine Signalpistole gegen Eisbären und notfalls auch handelsübliches Pfefferspray. Damit würde ich mir diesen Kerl von einem Trapper schon irgendwie vom Hals halten können. Na ja, theroretisch jedenfalls. In der Enge seiner Behausung, die mich vermutlich erwartete, sollte sich das sehr wahrscheinlich nicht ganz so einfach gestalten lassen. Aber noch verließ mich der Mut und die Hoffnung nicht ganz und vielleicht war es ja auch nur halb so schlimm, wie ich dachte?! Auch weil mir im Grunde gar nichts anderes übrig blieb als das, klammerte ich mich mit aller Kraft an diese Illusion, in der Vorstellung daran, dass der Trapper vielleicht ja doch nicht SO übel war, wie es mir in meiner überzogenen Ängstlichkeit im Moment im Kopf herum geisterte. Aber da ich in der Enge des Helikopters ohnehin zur Tatenlosigkeit verdonnert war, ließen sich diese trüben Gedanken kaum vertreiben. Jedenfalls nicht, solange ich nichts anderes zu sehen oder hören bekam, das mich davon ablenken konnte. Doch dann..dann warf ich den ersten richtigen Blick auf diese grandiose Landschft unter mir und ein seltsames Hochgefühl erfasste mich, das ich mir nicht erklären konnte. Mein Herz schlug schneller, als ich das Land unter mir sah. In diesem merkwürdig langwelligen weichgezeichneten Licht...dieses endlos weite Land...und ich wusste es sofort, ich hatte mich verliebt....auf den ersten Blick! Etwa eine Stunde später änderte sich die Landschaft des Archipels, das wir gerade überflogen jedoch deutlich. Die beiden Männer sprachen nicht mehr viel miteinander. Im Allgemeinen war es im Heli bis auf das ohrenberäubende Geräusch der Rotoren unangenehm still geworden. Wir kamen jedoch gut voran und damit langsam auch in Sichtweite der Küstenlinie. Die Tundra wurde noch flacher und von allerlei Flechten und Moosen überwuchert. Hie und da gab es verkrüppelte Sträucher..aber mehr und mehr setzte sich die felsige Küste durch, auf der im Sommer wohl Unmengen, ja ganze Kolonien von bodenbrütenden Seevöglen nisten mussten, denn sie war über und über mit ihrem hellem Guano überzogen und man sah auch den einen oder anderen bepelzten Räuber auf silbernen Pfoten durch die Einöde streunen denen der Trapper mit Sicherheit nachstellte. Silberfüchse, die gab es hier also schon mal in ganz ordentlicher Anzahl. Sicher ein ganz lukratives Geschäft für den einsamen Mann, der dieses Leben gänzlich freiwillig auf sich genommen hatte...aus welchen Gründen das auch immer sein mochte. Und endlich kam auch das Ziel meiner Reise in Sicht...es war ein kleiner vorgelagerter Küstenstreifen, an einem der Fjorde, der direkt ins Meer der norwegischen See mündete. Ich sah schon aus der Luft eine erschreckend dürftige kleine Kate, mit sicher nicht mehr als zwei Räumlichkeiten...einen kleinen windschiefen Schuppen für diverse Gerätschaften, das Plumpsklo...und wie als hätte ich es als Frau bereits geahnt, die einzige Waschmöglichkeit weit und breit. Natürlich auch im Freien...wo denn sonst...? Und oh Himmel nicht mehr als drei notdürftig zusammen genagelte Bretterwände, die das Gebilde das sich wohl eine „Dusche“ schimpfen sollte aufrecht hielten. Dann war da noch einen Verschlag für die Schlittenhunde, von denen es wie ich sehen konnte etwa vier Stück gab und natürlich die arktisübliche Vorratskammer in gut fünf Metern Höhe...mit anderen Worten der Freiluftkühlschrank. Dort lagerte er sein Fleisch und den Fisch und sonstige Lebensmittel, die für die herum streifenden Eisbären möglichst unerreichbar bleiben sollten, denn Eisbären gab es auf Svalbard zweifellos, das wusste selbst ich...nicht umsonst hatten sie mir aus diesem Grund die Schreckschusspistole aufgenötigt. Von IHM konnte ich während des Landeanfluges allerdings keine Spur entdecken. Nun vielleicht war er ja gerade unterwegs auf Robben oder auf Fuchsjagd, gewundert hätte es mich jedenfalls nicht. Doch ich sollte alsbald eines besseren belehrt werden. Denn als der Helikopterpilot ganz in der Nähe der kleinen Kate endlich Anstalten machte zur Landung anzusetzen und mir gleichzeitig in charmantestem Englisch klar machte, dass wir nun da sein...kam augenscheinlich Leben in die vermeintlich ausgestorbene Stille des kleinen Eilandes. Ich sah als der Helikopter aufsetzte, wie sich die Türe der Hütte öffnete und sogleich eine Gestalt frei gab...und ich musste glatt zweimal hinsehen, ehe ich überhaupt Begriff wie mir geschah. Wobei ich nahe dran war, beim Anblick dessen was mich da erwartete, in ein hysterisches Lachen zu verfallen, das ich nur mit äußerster Mühe zurück halten konnte. » Na also DER wars jetzt...ganz im Ernst? DAS da war offensichtlich wirklich EIKSKILD?! « Na wie sollte mir so einer wie DER auch nur anhähernd gefährlich werden können? Ich konnte es kaum fassen oder besser gesagt, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Herrjeh, der Mann war ja gut und gerne an die fünf Zentimeter kleiner als ich und ich war schon nicht besonders groß geraten, mit meinem knappen "einmetersiebzig". Also schön, das war er ganz offensichtlich der Trapper, der mutige, einsame Mann des Nordens! Hmm....also ich würde an der Stelle wohl eher, der "ZWERG" des Nordens anmerken wollen, denn die Bezeichnung passte meiner Meinung nach sehr viel eher auf die gedrungene, stämmige Körperbemaßung des fremden Mannes, den ich da vor mir hatte. Aber man(n) oder besser Frau sollte jemanden ja nicht unbedingt nur allein von seinem Äußerlichen her beurteilen und immerhin, ER war hier und das offenbar schon eine geraume Zeit. Also war der Trapper vermutlich zäher, als er auf den ersten Blick für mich wirken mochte. Aber ich konnte es dennoch kaum fassen... ....tzeee...einfach nur kurios. Indessen hatte der Hubschrauber aufgesetzt. Die beiden Piloten hatten es offenbar eilig und wollten so schnell als möglich zurück nach Longyearbyen, denn das Wetter sollte sich dem Wetterdienst nach rasch verschlechtern. In diesem Fall luden sie in aller Eile, die noch zusätzlich anzuliefernde Fracht ab, dabei unterhielten sie sich in ihrer Landesprache. Es klang hart und ungewohnt rau für meine Ohren und ich hörte wie ER sie dabei immer wieder in seinem seltsam knurrend barschen Kauderwelsch antrieb...offenbar mochten sie ihn wirklich nicht so besonders, denn der Umgang der Männer untereinander war hartgesotten und nicht eben freundschaftlich, geschweige denn herzlich. Er machte seinem Ruf als Einzelgänger dem Anschein nach alle Ehre. Zögerlich kletterte ich in einem Moment in dem sie abgelenkt waren aus dem immer noch mit laufenden Motoren abgestellten Helikopter heraus und versuchte meine spärliche Habe samt meinem Hund einigermaßen unbeschadet aus dem stählernen Ungetüm zu bekommen. Als ich das geschafft hatte stand ich da, gänzlich unbeachtet von den Männern und hatte die Möglichkeit, ihn mir bei der einmaligen Gelegenheit etwas genauer anzusehen. Die geringe Größe für einen Nordmann war schon mal äußerst Auffällig an ihm, doch das war noch lange nicht alles. Ich schätzte den Mann etwa auf gut Mitte vierzig bis Anfang fünfzig. Seine scharf geschnittenen Gesichtszüge wirkten zerfurcht und markant. Aber sie hatten auch unbestritten männliche Züge, die sein wettergegerbtes Gesicht auf eine seltsame Weise beinahe nordisch edel wirken ließen. Wobei gut die Hälfte von einem kurzen aber dichten dunklen Vollbart überwuchert wurde, der an einigen Stellen auffällige Silberfäden zeigte, die ihn durchzogen. Auch sein Haupthaar war schwarz...aber ebenso wie der Bart bereits von auffälligen Silbersträhnen durchwirkt und noch eine Besonderheit gab es bei diesem Mann. Er trug es lang und zwar bis über die Schulter hinab, lediglich ein schlichter Nackenzopf hielt die, zumindest für einen (modernen) Mann gesehen, ungewöhnlich üppig dunkle Haarpracht gebändigt und ordnungsgemäß zusammengefasst in seinem Nacken. Ich war gelinde ausgedrückt sprachlos. Ich für meinen Teil hatte nämlich ehrlich gesagt eine völlig andere Art von Mann erwartet. Hünenhaft und blond....einen richtigen "Wikinger" eben. Nun all das entsprach aber nun so gar nicht meinem klischeehaften Bild eines echten "Nordmannes" wie aus dem Bilderbuch. Nichts davon bis...ja bis auf seine Körperstatur, die ich dann schon für höchst ungewöhnlich hielt. Für seine geringe Körpergröße betrachtet, war der Mann nämlich ganz ordentlich kräftig geraten. Ich sah, wie sich seine breiten Schultern und die beeindruckend mächtigen Muskelpartien seines Oberkörpers überdeutlich durch das vor Schmutz starrende Hemd abzeichneten und mir weiblichen Wesen gänzlich ungewollt augenblickliche Atemnot bescherten. Uhhh wow...wa..was für ein Bizeps! Nun gut...also, DAS hatte ich jetzt nicht mal im Ansatz erwartet. Aber ER wohl auch nicht, denn just in dem Moment, als ich ihn anstarrte, wie ein Stück Vieh beim Fleischbeschauer, sah er mich....und ich vollkommen perplex, in das wohl faszinierendste Paar blaue Augen, das ich jemals zuvor in meinem Leben zu Gesicht bekommen hatte. Wuschhh....ich wurde vom unglaublichen intesiven Blau dieser Augen geradezu überschwemmt! Großer Gott, dieses dunkle kühle Blau war wie...wie ein frostiger Winterhimmel, so klar und scharf und so eindrücklich nuanciert, dass mir glatt für einen Moment lang der Atem stockte, als ich in dieses Augenpaar blickte. Solche Augen, wie seine hatte ich wahrhaftig noch nie zuvor bei jemandem gesehen, schon gar nicht bei einem anderen Menschen. Am Meisten verwirrte mich an dieser paradoxen Angelegenheit jedoch mein eigener Hund, kaum war Keira nämlich aus dem Helikopter heraus und froh diesem metallenen Ungetüm endlich entkommen zu sein, zeigte meine ansonsten so menschenscheue Schäferhündin gar eigenartige Züge, die sie bis dato noch nie zuvor an der Tag gelegt hatte. Zunächst hielt sie sich dicht bei mir...aber als er näher kam, wohl um mich noch etwas genauer unter die Lupe nehmen zu können...fing sie ganz plötzlich sachte an mit dem Schwanz zu wedeln. Ich war allein deswegen zutiefst verwirrt, aber nicht nur das war es, was mich daran so verwunderte. Nein, es war das leise Fiepen, das einen Augenblick später aus ihrer Kehle kam. Laute, die meine Hündin normalerweise nur bei mir ausstieß...bei mir allein wohlgemerkt. Er bemerkte es aber offensichtlich ebenso, denn ein völlig spontanes sowie absolut umwerfendes Lächeln teilte seine messerscharfen, strengen Gesichtszüge und ließ ihn zu meiner grenzenlosen Verblüffung gleich um ettliche Jahre jünger wirken. Er tat nichts weiter, sondern streckte lediglich seine rechte Hand ein wenig nach ihr aus und Keira löste sich zu meinem größten Erstaunen willig von meiner Seite, wo sie ohne zu zögern auf ihn zulief. Als sie bei ihm angelangt war, legte sie ihre weiche Schnauze vertrauensvoll in diese für einen eher kleinen Mann riesig wirkenden "Pranken", die seine Hände waren. Ich sah ihn abermals lächeln und war mehr als verstört. Die unglaublichen Augen dieses Mannes, sie sahen mich abermals direkt an...ohne jede Spur von Falschheit...so klar wie Gletscherwasser und dunkel, wie die polare Nacht. Diese Nuancen an Blau waren in der Tat ziemlich ungewöhnlich und ich war gelinde ausgedrückt sprachlos, angesichts dieser Entwicklungen...dafür sprach er und zwar zu mir. Seine Stimme hatte ein warmes Klangbild tief und angenehm volluminös, ich mochte seine Stimme vom ersten Moment an, als ich sie vernahm. „Hunde mich im allgemeinen gut leiden mögen, ich ihnen vertrauen...lieber als den Menschen.“ Die prompte Begrüßung durch ihn, hatte ich mir dann doch ein wenig anders vorgestellt...ein wenig förmlicher vielleicht? Doch nichts dergleichen passierte, er hielt mir einfach nur schlicht und höflich seine Hand entgegen, eine kräftige gebräunte Hand mit ausgeprägtem breiten Handrücken stark und beeindruckend männlich...jedenfalls für seine an sich doch recht geringe Körpergröße gesehen. Verwirrt ergriff ich sie und bereute es sogleich, denn sein Händedruck war dem eines Knochenbrechers wahrlich nicht unähnlich. Mit einem wimmernden Stöhnen wollte ich sie rasch zurück ziehen, da bemerkte er offenbar von selbst, dass er bei mir als einer Frau wohl etwas zu kräftig zugepackt hatte, denn er lockerte ihn unversehens, mit einem leicht verlegenen Lächeln und zwar glücklicherweise in so weit, dass ich das Blut wieder in meine Hand zurückfließen spüren konnte. In dem Moment wo er das tat, setzte er erneut zu sprechen an, wobei er meine Hand zögerlich frei gab....und mich anstatt dessen dementsprechend interessiert in Augenschein nahm. „Ich seien Eikskild...schön dich kennen lernen. Du tausend Sterne im Gesicht haben...faszinierend, ich noch nie zuvor sowas gesehen haben!“ Kam der kurze und etwas seltsame Kauderwelsch aus gebrochenem englisch und norwegisch dabei aus seinem Mund gesprudelt, wovon ich allerdings nur etwa die Hälfte verstand. Zudem war es unter den "Nordmännern" offenbar üblich, die persönliche Anrede zu gebrauchen, denn er sprach mich ganz selbstverständlich mit DU an. Was ich angesichts der Lage mit einem leicht verwirrten Fragezeichen in meinem Kopf zur Kenntnis nahm, dann aber beschloss es als gegeben zu betrachten und die Sache nicht unnötig zu verkomplizieren. Ohne es bewusst zu merken, fuhr ich im Anbetracht dieser mehr als überraschenden Begrüßung verlegen durch meine kurz geschorenen, sorgsam schwarz gefärbten Haare. Sein nettes und sicher nicht geplantes Kompliment an mich in jenem gebrochen Englisch, entlockte mir sogar ein unerwartet amüsiertes Lächeln und DAS obwohl ich das, was er damit eigentlich ansprechen wollte, an sich nicht so besonders an mir mochte. „Oh ach das? Ahhmmm...das...das sind nur Sommersprossen. Ah ja, die haben alle in meiner Familie, das ist an sich nichts besonderes...mein irisches Erbe. Meine Mutter ist Irin gewesen, dort haben das sehr viele Menschen. Sehr angehem Mr. Eikskild...ich bin Lyria...Lyria Greenleav!“ Entgegnete ich ihm hiermit ebenfalls entsprechend verlegen. Er sah mich merklich irritiert an, vermutlich hatte er eben nur etwa die Hälfte bis gar nichts von dem verstanden, was ich zu ihm gesagt hatte, tja und ich konnte nun leider kein Norwegisch, sowenig wie er Englisch sprach oder verstand. Seine Englischkenntnisse waren geradezu niederschmetternd...aber immerhin schien er wenigstens das Notwendigste zu verstehen. In diesem Fall ließ die an sich schon spärliche Konversation aufgrund der schlechten Sprachkenntnisse zwischen uns sichtlich zu wünschen übrig. Was das anbelangte, wünschte ich mir in jenem Moment vermutlich nicht zum letzten Mal ein funktionierendes Smartphone...mit Google Translate im Gepäck! Tja aber da ich (leider) keines mitgenommen hatte, würde es damit also das gute alte "Übersetzungsbuch" raus reißen müssen. Da hieß es jetzt wohl erst mal auf beiden Seiten ordentlich fleißig Vokabeln pauken und ansonsten mit Händen und Füßen verständigen, so gut es eben ging. Aber der Winter war lang... sehr lang... Na wunderbar, also DAS hatte ich mir aber auch deutlich anders vorgestellt! Die ganze Sache fing ja schon mal äußerst vielversprechend an.... Eine ernüchternde Erkenntnis, die mich ganz schnell auf dem Boden der Tatsachen ankommen ließ und meine sicherlich mädchenhaft verklärten Vorstellungen von "Wildromantik" unangenehm schmerzhaft zurück in die weitaus weniger rosarot verklärte Realität katapultierten...derer ich mich hier augenscheinlich gegenüber sah. Jetzt, wo ich mein angestrebtes Ziel erreicht hatte, war ich mir alles andere als sicher, ob meine Entscheidung wirklich die Richtige gewesen war! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)