Im Schatten des Universums von UAZ-469 (Machtergreifung) ================================================================================ Kapitel 18: ------------ Dann erhob sich ein entferntes Geschrei. Geschrei, das bald von Gewehrfeuer erstickt wurde und Platz für ein Erdbeben schaffte. Jedoch keines, das von der Plattentektonik herrührte und erst recht keines, das ganze Ortschaften verwüstete und den Boden aufriss. Durch die im Weg stehenden Gebäude konnten sie zwar nicht erkennen, was am Haupteingang vor sich ging, aber sie wussten genau, was sonst noch derartige Beben auslösen konnte: Eine Hundertschaft an Fußtruppen mit donnernden Stiefeln. Vereinzelte Nachtwachen versuchten noch hastig, etwas aufzustellen, was am Ehesten einer Verteidigung ähnelte, indem sie mit ihren Waffen in die Luft feuerten und hektisch mit ihren Armen wedelten. Da zudem das offene Gelände der beste Weg war, die Welt mit einer Kugel im Kopf zu verlassen, waren sie auch die Ersten, die in Deckung sprangen und auf Verstärkung warteten. Dieselben Gedanken ereilten nun auch Miyu und Fay, sodass diese rasch ihre Gewehre nahmen und Kornej hinter den Burja zerrten, da dieser keine Anstrengungen zu unternehmen schien, seine Gensaat für künftige Generationen zu retten. Den Protest des Mannes ignorierten sie und erwarteten stattdessen mit krampfhaft gehaltenen Waffen den kommenden Gegner. „Habt ihr Mädels nicht etwas Wichtiges vergessen?“, fragte Kornej, ein wenig angesäuert darüber, dass er nicht die Möglichkeit hatte, sein Gewehr mitzunehmen und die Freundinnen sahen ihn stirnrunzelnd an. Hierzu stellte er eine simple und doch ernstgemeinte Quizfrage: „Was macht bumm, wenn's schwer getroffen wird und wir hocken direkt dahinter?“ Immer noch im Unklaren, was er meinte, warfen die Kameradinnen einander irritierte Blicke zu, bis es Fay auf einmal mit freudigem Gesicht entfuhr: „Der Burja!“ Sofort sträubte sich das Fell ihres Gegenübers und ihr Körper zitterte, während Kornej seine Augen mit einer Hand verdeckte und den Kopf langsam zu den Seiten drehte. Davon aufgebracht, weil sie glaubte, trotz der wohl richtigen Lösung noch im Dunkeln zu tappen, gab Fay einer inneren Eingebung nach, sah hoch zum Atomlaster – und ihr Magen füllte sich mit Blei, als sie langsam die Bedeutung der Antwort verstand. „Ach du heilige ...“ Von dieser naiven Realisation beinahe zum Lachen gebracht, spähte Kornej hinter dem LKW und prüfte die Lage: Schattenhafte Schemen, die zu seiner Verwunderung, allerdings ebenso Schrecken, Waffen trugen, kamen aggressiv brüllend hinter den Gebäuden hervor und liefen in Richtung des Burjas. Von den eigenen Truppen fehlte nach wie vor jede Spur, doch konnte er noch mehr Schussgeräusche vernehmen, sodass zumindest das Lager andernorts verteidigt wurde. Würde die Piratenarmee dem Angriff standhalten können? „Kornej, der Burja muss auf der Stelle weg!“, merkte Miyu an, das Sturmgewehr nervös umklammert und Kornej erwiderte genervt: „Ach nee, darauf wäre ich echt nicht gekommen. Und wie willst du das Ding wegschaffen, wenn wir nicht den Schlüssel dafür haben?“ „Dann sollen wir kämpfen?“, schlussfolgerte Fay den Blick beunruhigt auf den Haupteingang gerichtet, „Die werden uns überwältigen und ohne die Raketenwerfer aus der Kaserne sind wir gegen Ustanak absolut machtlos.“ Miyu suchte panisch, von den immer näher kommenden Gefechtsgeräusche zusätzlich angetrieben, nach irgendetwas, das sie dem Panzer entgegensetzen konnten. Doch in den Wirren der Schlacht kam ihr ein gewisser Gedanke … „Leute, wollen wir überhaupt kämpfen?“ Der Mann wandte sich ihr kurz zu und lugte danach erneut hinter dem Heck hervor. „Ich verstehe was du meinst und wenn du mich so fragst: So wie unsere Chancen gerade stehen, fände ich es besser, wenn wir uns ergeben.“ Von dem Vorschlag an sich angetan, jedoch skeptisch, meinte Fay: „Aber so, wie die mit vollem Karacho auf uns zustürmen, glaube ich nicht, dass die uns am Leben lassen wollen. Wäre ich einer von denen, würde ich wahrscheinlich auch erst dann ruhig schlafen, wenn der Kopf jedes Piraten auf einem Speer gespießt und angezündet werden würde.“ Die makabere Phantasie des Hundemädchens ignorierend, sagte Miyu: „Wir müssen es versuchen. Für die Mörder unserer Truppe möchte ich sowieso nicht in die Schlacht ziehen, da kann Artjom Zet... Moment Mal.“ Sie drehte sich um und ihr Augenmerk fiel auf den blutbeschmierten Schuppen, unweit einer kleineren Behausung, in dem es aus geschlossenen Fenstern leuchtete. Als Fay und Kornej dies bemerkten, taten sie es ihr gleich – was zur Bildung einer Schweißperle auf der Haut des Soldaten führte. „Bist du verrückt?!“, kommentierte er entsetzt ihre Sorgen, „Artjom würde nie und nimmer …“ „Kornej, die Piratenarmee steht kurz davor, überrannt zu werden“, führte Miyu den Gedanken aus, „Wenn er also noch das Blatt wenden will, hat er zwei Optionen: Entweder sprengt er alles mit dem Burja in die Luft oder er hetzt das, was dort drin lauert, auf das Imperium. Eine Kapitulation käme für ihn nicht in Frage, nehme ich an.“ Der Mann schwieg, überlegte kurz und erwiderte dann: „Aber beide Optionen löschen effektiv alles aus, was wir uns hier aufgebaut haben. Es kann doch nicht in seinem Interesse sein, seine Errungenschaften, für die er so viele Jahre gekämpft hat, zu vernichten!“ „Wenn nicht er, dann vermutlich das Imperium, wenn wir nicht sofort etwas unternehmen“, warf Fay ein, „Solange wir die Kontrolle über beide Waffen behalten, können wir einen Waffenstillstand erzwingen.“ Mit diesen Worten sprach sie den alten Mann an: „Kornej, von wo aus werden sie gesteuert?“ Letzterer zuckte mit den Schultern und antwortete: „Ich weiß es nicht, aber vermutlich vom Hause des Generals aus. Ihr wollt jetzt nicht ernsthaft dahingehen und ihn dazu ,überreden´, euch die Kontrolle zu überlassen?“ „Genau das haben wir vor, bevor er etwas Blödes damit anstellt.“ Anschließend aus der Deckung gespäht, teilte Kornej ihnen mit: „Gut, dann werde ich …“ Auf einmal drückte sich etwas Feuchtes an seine Wange und er hörte ein Schmatzen. Überrascht den Kopf zur Seite gedreht, entdeckte er Fay direkt vor seiner Nase: ihr Mund schwach lächelnd, die Augen müde, glaubte er zu wissen, was sie belastete und sagte zuversichtlich: „Keine Sorge, so leicht bin ich nicht unterzukriegen. Da habe ich mehr Angst vor dem Steuerfahnder.“ Nachdem er nochmal einen Blick auf das Kampfgeschehen geworfen hatte, wurde seine Stimme streng und Kornej gebot ihnen: „Sie kommen! Rasch, geht, ihr habt einen Planeten zu retten!“ Nach diesen Worten nickte Fay, nahm die etwas ergrünte Miyu mit und der Soldat sah ihnen kurz nach, wie sie auf das Haus des Generals zuliefen. Schließlich ging er aus der Deckung, an der Seite des Burjas vorbei zur Front, wo er sich ohne Waffe hinstellte und angesichts der entgegenkommenden Gegner die Hände hob. Das abgesteckte und mit mehreren Flutlichtern erhellte Gelände des Lagers innerhalb des Walls war weitläufig und bot genügend Platz zum Vertreten der Beine, wenn nicht gar für einen Marathon, aber der Stützpunkt an sich wurde bewusst kompakt gehalten, um sie besser schützen zu können. Den Großteil nahmen landwirtschaftlich genutzte Flächen ein, von Rost zerfressene Traktoren abseits der Felder geparkt, das hinterste Ende vom Rollfeld der Luftwaffe belegt. Obwohl „Rollfeld“ aufgrund der geringen Ausmaße nicht ganz passend war, bestand es doch im Grunde aus nur zwei Hubschrauberlandeplätzen, davor ein kurzes Stück aus aufgeschüttetem Kies, was anscheinend hätte einst eine Start- und Landebahn werden sollen und zum Schluss aufgegeben wurde. Allein die Idee, eine kilometerlange Bahn nur für das Flugzeug anzulegen, empfanden die Außerirdischen als lachhaft, denn mit der heutzutage verfügbaren Technologie waren solche seit Jahrhunderten obsolet geworden. Sie wagten es nicht einmal, sich vorzustellen, wie groß ein Flughafen der Menschen sein musste, wenn es noch auf Jene angewiesen war. Nicht dass diese fremde Rasse über keine Senkrechtstarter verfügte, der Jäger dort auf dem Helipad bewies es ja, aber hatten sie denn noch nie darüber nachgedacht, wie viel Platz und Kosten sie mit deren weitverbreiteten Nutzung einsparen könnten? Der wahre „Schatz“ des Flugfeldes aber befand sich genau hinter den Landeplätzen: Drei beschädigte, aber noch funktionstüchtige Raumjäger von Andross' Streitmacht, infolge des Überfalls auf seine Späher geborgen. Das Donnern einer Kanone erschütterte das gesamte Lager und beide ließen sich reflexartig zu Boden fallen, während Holz splitterte – dicht gefolgt vom Abfeuern eines zweiten Geschützes, das jedoch, wie den fehlenden Geräuschen nach einem Treffer zu entnehmen war, wirkungslos verpuffte. „Sie nehmen alles auseinander!“, stellte Miyu erschrocken fest, „Hoffentlich erwischen sie nicht den Burja, sonst ist Schicht im Schacht!“ Als wäre das nicht genug, kam noch das Knallen und Zischen von Blastern und Lasern hinzu, sodass der Stützpunkt alsbald in regelmäßigen Abständen in grelles rotes Licht getaucht wurde, das Geschrei der Kämpfenden allgegenwärtig. „Wenn Artjom ihn nicht vorher hochgehen lässt“, ergänzte Fay, „Beeilung!“ Schnell rappelten sie sich auf, vom ekelhaften Quietschen Metalls nach einem dritten Schuss angestachelt und überbrückten die restliche Entfernung zu Artjoms Hütte durch einen Sprint. Derweil ertönte die bislang erste Explosion, schleuderte Ruß, sowie brennende Teile in die Luft und schwarzer Rauch stieg in den Himmel empor, den Schein des Feuers verschluckend. Die einstöckige Hütte des Generals war, wie die restlichen Bauten des Lagers, aus Holzbrettern errichtet, verfügte jedoch zusätzlich über mit Wellblech verstärkte Außenwände, sowie ein Strohdach, das der Unterkunft trotz der ärmlichen Bescheidenheit eine elegante Note verlieh. In einer Schlacht war es natürlich perfekt dazu geeignet, einen Großbrand zu entfachen, aber wer rechnete schon mit einem organisierten Angriff mitten in der Nacht? Die verglasten Fenster mit Holzklappen verdeckt, sah es nicht so aus, als ob Artjom Interesse am Treiben außerhalb der eigenen vier Wände zeigen wollte. Auch wenn lediglich wenige Meter vor der Haustür ein Mast mit einem oben angebrachten Lautsprecher stand, blieb es still – abgesehen vom Mord und Totschlag, natürlich. Die Tür schwitzend und keuchend erreicht, stützten sich beide kurz an den Wänden ab und gönnten sich eine Verschnaufpause, bevor Fay fragte: „Okay, wie stellen wir es an? Auf leisen Sohlen, mit einem Bulldozer, einer Rakete oder wild ballernd rein?“ Miyu sah zur Tür, dann zu ihrer Freundin und entgegnete: „Na, zuerst müssen wir durch die Tür, oder?“ Besagte Tür war nichts weiter als eine große, rechteckige Platte, die nicht richtig in die geschnittene Öffnung passte und darum nicht nur unten Platz hatte. Sie einzutreten wäre bei der zweifelhaften Stabilität sicherlich selbst für Schwachbrüstige mehr als machbar gewesen. Wer auch immer das Haus des Generals gebaut hatte, war nicht unbedingt ein Meister seines Fachs gewesen. „Argh, stimmt!“, rang Fay um Fassung beim Anblick dieses ernstzunehmenden Hindernisses, „Wir können doch nicht einfach Hausfriedensbruch begehen! Was wird man bloß von uns denken, wenn wir uns wie Banditen aufführen!?“ Nun sah auch Miyu die Schwere der Problematik, blickte Fay entsetzt an und sagte, mit Panik in der Stimme: „Oh Gott, du hast recht! Was sollen wir jetzt machen?!“ Weil ihr Plan von dieser diabolischen Tür dramatisch vereitelt wurde und nun die sichere Vernichtung allen intelligenten Lebens auf Nowaja Moskwa unabwendbar war, blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihren bevorstehenden Abgang mit angsterfülltem Kreischen zu verbringen. Einen alten Mann notfalls zu töten, um die atomare Zerstörung zu verhindern, war nicht leicht, aber unter Umständen notwendig. Doch Hausfriedensbruch? Niemals! Sollte das schon das Ende sein? „Ich hab's!“ Ruhig ging Miyu zur Tür hin, streckte die freie Hand aus und zog an einer Schnur, woraufhin es auf der anderen Seite läutete. Zuckenden Auges starrte Fay zu ihrer Kameradin rüber, die mit verschränkten Armen selbstgefällig grinste. „Das … das …“, wollte das Hundemädchen einen sinnvollen Satz hervorbringen, sodass Miyu erklärte: „Yep, Mama hat mir immer eingebläut, dass man anklingeln soll, wenn man das Haus eines Anderen betreten möchte. Wenn wir hier weg sind, werde ich sie wieder besuchen und extra viel Kuchen vorbeibringen, als Dank dafür, dass sie uns alle gerettet hat.“ „Du … bist ein verdammtes Genie, weißt du das?“ „Hehe, ich weiß“, antwortete Miyu süffisant und da öffnete sich bereits die Tür zu Artjoms Reich. An der Schwelle empfing sie ein graubärtiger Herr in kariertem Hemd, Latzhose, Pantoffeln und einer Sonnenbrille. Dort, wo eigentlich die Schirmmütze sein sollte, glänzte ihnen eine Halbglatze mit wenigen Leberflecken entgegen. War man den Mann in seiner Funktion als Hochrangiger des Militärs gewöhnt, war diese Erscheinung durchaus irritierend. Fehlte nur noch, dass er sie aus seinen milchigen Augen musterte. „Guten Abend, meine Damen“, grüßte Artjom sie freundlich, was die Freundinnen schockte – hatte er nicht registriert, wie seine Piratenarmee langsam, aber sicher in Schutt und Asche gelegt wurde? Sogar als die Rauchsäule vom Wind in Richtung des Flugplatzes getrieben wurde, sodass der Gestank von Ruß und verbrannten Materialien allmählich deren Geruchssinne attackierte, schenkte er ihr keine Beachtung. Hatte er den Tatsachen etwa doch ins Auge "gesehen" und den Verstand verloren? Oder hatte er noch ein Ass im Ärmel? „Könnensieunsbittediekontrollenfürihrewaffenüberlassenkaydanketschüss“, quasselte Miyu aufgeregt ohne Punkt und Komma und quetschte sich ungeniert am General vorbei ins Haus, von Artjom und Fay einige Momente lang verwirrt beobachtet. Nachdem Letztere einen intensiven Blick mit ihrer Vorgesetzten getauscht hatte, kam sie nicht umhin, ihren Finger neben ihrem Kopf kreisen zu lassen. Drinnen suchte Miyu die Einrichtung unverzüglich nach einem Computer oder Ähnlichem ab, womit der Burja oder dieses Ding im Schuppen gesteuert werden konnte. Auf den ersten Blick jedoch fand sie nichts derartiges und überlegte bereits, ob die Kontrollen nicht einfach gut versteckt sein könnten. Waren sie vielleicht hinter den ganzen Filmplakaten, auf denen hölzerne Segelschiffe mit säbelrasselnden Männern abgebildet waren, mit der Aufschrift „Ostrow sokrowischtsch“ verborgen? Oder hinter dem „Oborotni“-Plakat, das ein traurig zur Seite schauendes Mädchen und davor einen gepanzerten Soldaten zeigte, der eine Kampfrüstung samt rotäugigem Helm und leichtem Maschinengewehr trug? Könnten sie denn nicht ebenfalls hinter der Zimmertür mit dem Schild „Masaru-Ito“ liegen? Eventuell auch hinter der mit dem menschlichen Schädel darauf? Und was spräche gegen das wohl offensichtlichste und älteste Versteck aller Zeiten: Unter dem Kopfkissen? „Miyu Lynx, Fay Spaniel, erklären sie sich.“ Augenblicklich erstarrte Miyu zu einer Salzsäule. Stimmt, Artjom war ja auch noch da und erst jetzt verstand sie, dass es sich nicht ziemte, sich selbst einzuladen. Während Fay also nervös begann, an einer Erläuterung zu feilen, drehte sich das Luchsmädchen um, sah ihm gefasst in die Augen und antwortete: „Bei allem Respekt Sir, aber das Imperium tritt uns ordentlich in den Hintern und wenn wir nicht schleunigst etwas tun, verlieren wir.“ Der General lächelte, hob besänftigend die Hände und erwiderte überraschend: „Bitte, Frau Lynx, beruhigen Sie sich. Es besteht absolut kein Grund zur Sorge.“ „Kein Grund zur Sorge?!“, wiederholte Miyu erbost über diese, ihrer Meinung nach verachtenswerten, Aussage, „Da draußen sterben gute Leute wie die Fliegen und Sie haben die Nerven, zu sagen, dass kein Grund zur Sorge besteht?!“ Statt hierzu das Wort zu erheben, bat er Fay darum, in das Haus zu kommen und die Tür zu schließen, da sie so ungestört diskutieren konnten und es ansonsten ziehen würde. Dann widmete er sich erneut der aufgewühlten Soldatin und sprach entspannt: „Immer mit der Ruhe, klären wir doch zunächst, wegen was ihr mich eigentlich aufsucht. Doch nicht zum Kaffeekränzchen, oder?“ Bevor Miyu vor Wut etwas Unüberlegtes loslassen konnte, ging Fay dazwischen und schickte sich an, die Stimmung zu entschärfen: „Wir wollen versuchen, die Imperialen durch den Burja zu einem Waffenstillstand zu zwingen, bevor die uns alle abschlachten.“ Dadurch den Wind aus den Segeln genommen nickte ihre Freundin und Artjom lachte. „Ach, warum habt ihr das denn nicht gleich gesagt? Einen Moment bitte …“ Anschließend ging der General an der verblüfften Miyu vorbei zu der Tür mit dem Schädel, kramte einen Schlüssel aus der Hosentasche, steckte ihn in das Schloss und drehte ihn um. „So, bedient euch ruhig und versucht euer Glück, bevor unsere gemütliche Runde von den galaktischen Rüpeln gestört wird. Ich werde uns derweil einen Kaffee kochen, denn was für ein Gastgeber wäre ich, wenn ich euren Aufenthalt bei mir nicht angenehm gestalte?“ Immer noch sprachlos über die schier unerschütterliche Ruhe des Generals, begab sich das Duo in den dahinterliegenden, spärlich beleuchteten Raum, in dem nichts weiter als ein Schreibtisch mit einem eingeschalteten Notebook darauf stand, daneben ein Funkgerät samt Mikrofon und Fay ließ sich, als die technisch affinere der beiden Kameradinnen, auf dem Klappstuhl nieder. Derweil hielt Miyu an ihrer Seite Wache und beobachtete Artjom aus den Augenwinkeln heraus genau – die Aktion ging für ihren Geschmack deutlich zu leicht über die Bühne und die augenscheinliche Unbeschwertheit des Vorgesetzten bestärkte sie nur noch in ihrem Bauchgefühl, dass es lediglich Theater war. Was führte er bloß im Schilde? „Gott, wie alt ist das Ding?“, fragte Fay leise belustigt in den Raum hinein, ohne von Miyu beachtet zu werden und legte ihren Finger auf das Touchpad, woraufhin sie nach näherer Betrachtung der auf 256 Farben begrenzten und pixeligen Benutzeroberfläche in Gelächter ausbrach. Ihre Wächterin jedoch schüttelte sie schnell durch, sodass sie sich wieder fing und zur Arbeit zurückkehrte, indem sie das Mikrofon an sich nahm und sprach: „Achtung Achtung! An alle Truppen beider Seiten, stellt die Kampfhandlungen sofort ein, sonst sehen wir uns gezwungen, drastische Maßnahmen einzuleiten! Ich wiederhole, stellt die Kampfhandlungen sofort ein, sonst sehen wir uns gezwungen, drastische Maßnahmen einzuleiten!“ Denselben Text rezitierte sie erneut in der Sprache der Piraten und wartete auf eine Reaktion. Zumindest hoffte sie, dass nun die Feuergefechte endeten. Dem unvermindert draußen vorherrschenden Lärm nach zu schließen, dachten die Beteiligten aber nicht einmal daran, ihre Waffen niederzulegen, sondern setzten ihre Auseinandersetzungen unverändert fort. Vielleicht musste Fay wirklich sämtliche Register ziehen? „Letzte Warnung! Wenn ihr nicht auf der Stelle die Kampfhandlungen einstellt, werden wir die Atombombe zünden!“ Und damit war die Katze aus dem Sack. Zusammen mit der üblen Vorahnung, dass es keine gute Idee war, allen mit dem atomaren Holocaust zu drohen. Vor allem nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Aber hatte sie denn eine Wahl? Abermals wog ihr Leib schwer und ihre Arme erschlafften. Sie versank in den Stuhl und bat um ein Getränk, daraufhin verschwand Miyu stumm nickend nach nebenan. Was würde nun geschehen? Täuschte sie sich oder war es auf einen Schlag still geworden? „SCHLUSS MIT DEM HUMBUG!“ Der metallische Schrei aus den Lautsprechern des Funkgeräts fegte sie vor Schreck beinahe vom Stuhl und nur ein beherzter Griff zum Tisch konnte Fay vor einem Sturz bewahren. Folglich eilten Miyu und Artjom herbei, Erstere hatte eine Tasse dampfenden Kaffees in der Hand, um den weiteren Verlauf mitzuverfolgen … Ustanak war tatsächlich hier. Und er war rasend vor Wut. „Shit! Herr General!“, ersuchte die Hobbymechanikerin Artjom über ihrer Schulter um Rat, „Was sollen wir machen? Die scheinen den Köder nicht zu schlucken!“ Er aber schaute nur schweigend auf den Bildschirm. „Lange genug haben die Menschen unter Ihrer Terrorherrschaft gelitten!“, fuhr Ustanak mit ungezügeltem Zorn fort, „Wissen Sie noch, wie Sie mich damals gezwungen hatten, all die unschuldigen Zivilisten niederzumetzeln und deren Dorf auszulöschen?“ Miyu dachte flüchtig daran, kurz die Haustür zu öffnen, um herauszufinden, ob Ustanak seinerseits eine Finte geplant hatte und dies sie nun zur Aufgabe bewegen sollte. Sie verwarf die Idee jedoch schnell wieder, als ihr die Überlegung kam, die Imperialen hätten sich für exakt diesen Fall neben der Tür postiert. Aber sollten sie wirklich hier versauern, mit dem Finger auf dem Auslöser? Nein, etwas musste passieren, ehe am Ende alle starben! „Wissen Sie, wie mich dieses Ereignis bis heute verfolgt und plagt? Wissen Sie, wie es ist, zu leiden? Wissen Sie, wie es ist, ein derart beschwertes Gewissen zu haben?“ Da Artjom immer noch nicht reagierte und Miyu Fay schulterzuckend anguckte, probierte es die Funkerin notgedrungen ein weiteres Mal und gab durch: „Wenn ihr nicht wollt, dass alles in einem gigantischen Feuerball vergeht, dann …“ „Halt den Mund, verfluchter Lakai!“, fiel Ustanak ihr ins Wort und sie zuckte getroffen zusammen, „Du bist eine Schande sondergleichen und solltest in tiefste Scham versinken, da du diesen Advokat des Teufels auch noch unterstützt! Hätte ich davon schon früher gewusst, würden deine verrotteten Überreste längst im Dreck liegen!“ Das … hatte gesessen. Miyu hatte schwer damit zu kämpfen, ihr Gleichgewicht zu bewahren, als sich Fay in ihre Arme warf und ein gedämpftes Schluchzen den Raum vereinnahmte. Grund genug für die gestandene Soldatin, zu brüllen, sodass sich Artjom die Ohren zuhielt: „Macht es dir Spaß, arme Mädchen zum Weinen zu bringen, Blecharsch?!“ „Nein“, antwortete die KI diesmal ruhiger, „Aber wenn ihr uns nicht auf der Stelle Artjom ausliefert, reißen wir eure erbärmliche Hütte nieder, gemeinsam mit euch.“ Plötzlich schnellte der alte Mann voran und riss das Kabel des Mikrofons entzwei. „Hey!“, rief Miyu erbost und Artjom sagte, ohne sie anzugucken: „Nun, ihr habt ihn gehört. Werft mich ihnen zum Fraß vor und die Schlacht ist vorbei.“ Anschließend drehte er seinen Kopf langsam zu ihr hin – und lächelte. Auf der Stelle schrillten sämtliche Alarmglocken der Soldatin. „Richtig, und deswegen ist es endlich an der Zeit, den Wahnsinn zu beenden!“ Sie richtete den Lauf auf ihn … Dann fiel ein Schuss. „AAHAARGH!“ „Wa... NEIN! Sie MONSTER!“ Fay wollte sich mit wild fuchtelnden Armen auf Artjom stürzen, doch er wehrte sie mühelos ab und traf ihr Haupt mit dem Griff der rauchenden Pistole. Heftig wurde sie vom Schlag, der eine blutende Augenbraue hinterlassen hatte, zurückgeschleudert, stolperte über ihre, sich am Boden windende Freundin und prallte mit dem Hinterkopf gegen die Wand, wo sie schließlich in sich zusammen sackte und regungslos liegenblieb. „Wir wissen, dass du dort drin bist, Artjom!“, sprach Ustanak, ohne von der Begebenheit Notiz zu nehmen, „Wenn du schon zu feige bist, dich zu zeigen, dann akzeptiere wenigstens deine Niederlage und sterbe wie ein Mann!“ Der General blickte das Funkgerät an, schmunzelte und sagte zu den Verwundeten: „Ich wusste doch, dass ich euch beide hätte damals töten sollen. Es war töricht von mir, Aliens zu vertrauen …“ Er sah zum Notebook. „ … aber diesen Fehler begehe ich nicht ein zweites Mal.“ „Verdammte Axt… Weil es auch so förderlich für die Loyalität ist… Nnnngh… unsere Kameraden abzuknallen… Sackgesicht!“ Sogleich hielt Artjom seine Waffe vor ihr Antlitz – obgleich sie dem Tod in Form eines kleinen, schwarzen Loches entgegenblickte, bleckte sie hasserfüllt die Zähne, um dem Kapitän zumindest die Genugtuung des Mordes zu verwehren. Nur, dass er die Pistole wieder zurückzog. „Du wirst mit der Kugel im Bauch sowieso nicht mehr lange leben, darum dachte ich zuerst, dich geschwind zu erlösen. Jedoch ziemt es sich nicht, den Vorgesetzten einfach zu beschimpfen. Daher bitte ich um dein Verständnis, wenn ich dir unartigem Kind die Ohren langziehe, indem ich dich elendig verbluten lasse …“ Nochmals schaute er zum Notebook und fügte leise hinzu: „… wenn euch vorher Bogatyr nicht holt.“ Letztlich setzte er sich, zunächst grinsend, dann lachend, an das Gerät … „Ziel … in Sichtweite“, gab Santana nahe der Erschöpfung durch, der Kommandant, Masaru, badete seit längerer Zeit in seinem eigenen Schweiß und Wolf verhielt sich merkwürdig ruhig. Ausschließlich Ustanak selber ließ die wohl seit Jahren angestaute Wut in Schüben heraus, die sich immer in blutigen, sowie widerwärtigen Absichtsbekundungen, wie er mit Artjom verfahren wolle, wenn er ihn zu fassen bekomme, äußerten: „Ich werde erst wieder ruhen können, wenn ich dem Krachen deiner berstenden Knochen gelauscht, das Reißen deines Fleisches im Kugelhagel genossen und die Furcht in den Augen deines brennenden Kopfes auf einem Speer belächelt habe!“ Das lodernde Inferno hinter sich lassend, rollte der alte Haudegen am beinahe unversehrten Burja vorbei, mitten auf die Hütte des Generals zu – neben der Scheune das einzige Bauwerk, welches bisher vom Gefecht verschont geblieben war. Wenn Artjom glaubte, Holz, Stroh und bisschen Wellblech würden ihn vor 40 Tonnen tobenden Stahls schützen, war er dümmer, als angenommen. Dieses absurd-peinliche Alteisen von Jagdpanzer konnte ihn höchstens ankratzen, wie also sollte da ihm noch ein Mann weit jenseits seiner besten Jahre gefährlich werden? Ustanak würde ihm einfach ein flügelstabilisiertes Treibkäfiggeschoss durch dessen Herz jagen, wie er es auch beim Relikt eines vergangenen Weltkrieges getan hatte. Nur war er sich nicht sicher, ob in der Brust des Generals überhaupt so etwas wie ein Herz schlug. Um alles mittels der Atomrakete zu beenden, war er dann doch viel zu feige, sonst hätte er es schon längst durchgeführt. Santana aber bezweifelte, dass sich Artjom so leicht ergeben würde. Warum er trotz seiner erheblichen Verluste weiterkämpfen wollte, war ihm ein Rätsel. Wenn also nicht die Atombombe, was dann? Etwa … Die Geheimwaffe? „Ich unterbreche ja nur ungern unsere triumphale Stimmung“, begann er, „Aber wo genau ist eigentlich diese ominöse Geheimwaffe?“ Masaru winkte ab und antwortete: „Na, wenn ich es verraten würde, wäre sie nicht mehr geheim, oder? Doch ich verspreche Ihnen, ich zeige sie Ihnen nachher, wenn wir hier fertig sind, in Ordnung? Bis jetzt aber kann ich Ihnen versichern, dass wir uns glücklich schätzen dürfen, nicht auf sie zurückgegriffen haben zu müssen.“ „Ach ja“, meinte Santana kaum beeindruckt, „Könnten Sie sich dann wenigstens dazu bequemen, zu sagen, was dort in der Scheune … Was zum ..?“ Eine Bewegung am Rand der Optik erregte seine Aufmerksamkeit. Ohne zu fragen und auf Masarus erschrockenes „Pass auf!“ zu achten, schwenkte er den Turm in Richtung der Scheune – und wies O'Donnell umgehend an, stehenzubleiben und die Wanne frontal zum Gebäude auszurichten. Langsam schoben sich die Tore auf, der massive Balken splitterte unter dem immer größer werdenden Druck und die schauerliche Dekoration wackelte und fiel nach und nach ab. Selbst als das Licht der Scheinwerfer auf die schmale Öffnung fiel, war nicht erkennbar, was sich von drinnen seinen Weg nach draußen bahnte. „Ich habe absolut kein gutes Gefühl bei der Sache …“, teilte der Imperiale besorgt mit und Ustanak höhnte: „Hmpf, noch mehr von Artjoms Spielzeug?“ Danach brach der Balken und die Tore schwangen mit einer so gewaltigen Kraft nach außen, dass sie aus den Scharnieren sprangen und umfielen. Aus der darin herrschenden Dunkelheit fuhr ein Fahrzeug heraus ins Freie, nach wenigen Metern stehenbleibend. Der Erste, der dazu etwas sagte, war zur Verblüffung aller O'Donnell selbst: „Heilige Scheiße, Ustanak, du hast mir nie gesagt, dass du einen bösen Zwilling hast!“ „Ich wundere mich eher, dass ich erst jetzt von meinem bösen Zwilling erfahre! Masaru, warum haben Sie mir seine Existenz all die Jahre verschwiegen?!“ Er erhielt keine Antwort. Die finstere Lackierung, wie es bei feindlichen Fuhrpark üblich war, sog das Licht auf wie ein schwarzes Loch und der grimmige Totenkopf mit gekreuzten Säbeln prangte groß wie eine riesige Warnung auf der Schirmmütze des Turms. Ein leuchtender roter Infrarotscheinwerfer zur Rechten des Geschützes starrte sie ähnlich einer dämonischen Kreatur an, wobei der Andere von einer Augenklappe verdeckt wurde. Im Gegensatz zu Ustanaks Turmfront war dieses mit spitz zulaufenden Kacheln ausgestattet. Am auffälligsten dagegen, was dem Vehikel eine äußerst imposante Erscheinung verlieh, war der wie ein Mantel über die Wanne gelegte, dicke schwere Stoff, der lediglich das Sichtfenster des Cockpits, die Scheinwerfer und die Ketten offenlegte. Es als pervertierten Ustanak zu bezeichnen, wäre in dem Fall nicht weit hergeholt gewesen. Oder als Manifestation seiner tiefsten Ängste … Jetzt ergriff Santana entsetzt das Wort: „Was bei Palpatines Unterhosen ist DAS?! Die geheimnisvoll geheime Geheimwaffe der geheimnisvollen Geheimwaffen der Geheimnisse?!“ Er blickte zur Seite und sah einen in Schockstarre gefallenen Senioren. „Hallooohooo! Wir reden mit Ihnen!“ Immer noch verharrte der Mann mit aufgerissenen Augen und offenem Mund – bis seine Lippen in monotoner Stimmlage drei Worte formten: „Bogatyr. Bogatyr-Alpha.“ Dieser Name entlockte Ustanak allerdings nur ein Schmunzeln. „So so, Artjoms persönlicher ,Held´, hm? Na gut, wenn ich mich zuerst meinem bösartigen Bruder entledigen muss, soll es so sein … ICH REISS DICH IN STÜCKE!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)