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Im Schatten des Universums

Machtergreifung
von

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„Haben Sie eigentlich den Verstand verloren?!“

Wolf legte auf, ohne Ustanaks Reaktion abzuwarten und wandte sich dem Rentner zu, dessen Augen waren starr vor Schreck und er war um einige Haare ärmer. Verständlich, aber das musste sein. Er hätte es sowieso nicht nachvollziehen können.

„Was ist? Solange er unseren Bluff nicht durchschaut, dürften wir sicher sein, denke ich. Und selbst wenn dies der Fall sein sollte, können wir uns immer noch durch die Wände ins Freie schießen, oder?“ Just als es aussah, als würde Masaru erneut vor Herzschwäche auf die Knien fallen, zog er eine Packung Tabletten aus seiner Hosentasche, brach eine aus einem Blister und schluckte sie. Daraufhin beruhigte er sich wieder und sagte:

„Sehen Sie, welchen Entbehrungen ich Ihretwegen trotzen muss? So bringen Sie mich noch um die Ecke, ohne einen Schuss abzugeben!“ Jedoch zuckte Wolf nur mit den Schultern und Masaru seufzte. „Lassen wir das. Also, theoretisch ist es, wie so alles, im Bereich des Möglichen. Nur weiß ich nicht, ob Ustanak beim Anblick der Stollen in Kombination mit dem Hören des Blasterfeuers von unseren Plänen Wind bekommt. Meines Erachtens nach fällt und steht und fällt alles mit der Annahme, er würde die Stollen als Fluchttunnel interpretieren. Ich hoffe für Sie, dass Sie einen Plan B haben, gesetzt dem Fall, dass dem nicht so ist.“

Genau diesen hatte er nicht und auf die Schnelle hätte er sich keinen Gescheiten zurechtlegen können, außer „Greife mit allen verfügbaren Kräften an“ und wie das ausgehen würde, bedurfte keiner Erklärung. Und Plan C schließlich wäre „Beten“ gewesen. Auch eine wenig erfolgversprechende Option.
 

„Immer mit der Ruhe, alter Mann“, erwiderte ihm Wolf nach kurzer Bedenkzeit, „Wir schaukeln das Ding schon. Oder wollen Sie jetzt unsere Moral sabotieren? Denken Sie daran, dass wir immer offen für Ideen sind, obwohl es für komplett neue Strategien bereits zu spät sein dürfte.“ Masarus nach unten gebogene Mundwinkel und die müden Augen ließen etwas ganz Anderes verlauten, doch daraufhin antwortete er mit schwacher Hoffnung in der Stimme:

„Jans Plan scheint das Beste zu sein, was wir zurzeit haben. Wenn das nicht fruchtet, dann …“ Er stockte, wendete den Blick von Wolf ab und hin zur Wand. „Mir bleibt ja nichts anderes übrig als für unser aller Wohl zu beten.“

Hier fiel dem Söldner die Ablehnung des Senioren ein, sich aktiv am Kampf zu beteiligen und entschied sich, ihn darüber ein wenig auszufragen. War er schlicht aus dem besten Alter raus oder gab es andere, persönlich motivierte Gründe dafür? Wobei er Ersteres als am wahrscheinlichsten erachtete.

„Masaru, mir ist ...“, begann er, wurde allerdings von einer herbeigeeilten Sturmtruppe unterbrochen. Wie er das hasste.

„Sir, Sir!“

„WAS?!“, herrschte er den Soldaten mit aufblitzenden Zähnen an, „Sehen Sie nicht, dass ich Konversation betreiben will?!“ Sie zeigte sich davon unberührt und antwortete:

„Die Stollen sind nahezu fertig, wir könnten also damit beginnen, in ihnen Stellung zu beziehen.“ Wolf beschloss, die Tunnel in Augenschein zu nehmen. Die niedrigen durch Laser gegrabenen Gänge boten, gemäß seinen Vorgaben, Platz für zwei Personen. Die Enden dieser waren zudem ohne Lichtquelle nicht zu sehen – Perfekt.
 

Er lächelte und lobte:

„Ausgezeichnete Arbeit.“ Der Soldat schlug eine Hand vor die Brust und neigte Oberkörper samt Kopf nach vorne. „Geben Sie den Männern weiter, dass sie sich hinter den Wänden verstecken und ihre Posten nicht verlassen sollen, bis ein anderslautender Befehl erteilt wird. Sollte Ustanak auch nur einen von uns sehen, fliegen wir auf und alles war umsonst. Verstanden?“

„Ja Sir, auf der Stelle, Sir!“ Die Sturmtruppe drehte sich um und lief zu den gegenüberliegenden Gängen, wo sie im Dunkel verschwand. Gar nicht so übel, ein Kommandant zu sein …

„Ähm, sollten wir uns auch nicht in Deckung begeben?“, fragte Jan kleinlaut, den Raketenwerfer geschultert und feuerbereit. Diese rhetorische Frage würdigte Wolf keiner Antwort, sondern ging kurzerhand in den nächsten fertiggestellten Stollen und zog ihn dabei am Ärmel mit, wobei Jan beinahe stolperte. Zum Glück ging dabei nicht die Waffe los.

Von Finsternis umgeben, hielt der Söldner eine Hand vor sich und schritt langsam voran, seine Kameraden hinter ihm. Dass er zwischendurch einmal mit dem vorderen Ende des Raketenwerfers am Hinterkopf gestoßen wurde, versuchte er zu ignorieren, ein wütendes Knurren aber konnte er sich nicht mehr verkneifen. Immer noch saß die Abneigung Jan gegenüber tief und fest in seinem Herzen und er hinterfragte seine Entscheidung, ihm den wohl wichtigsten Teil des Plans übertragen zu haben. Ganz gleich ob die Fahrt im Ural ein komatöser Traum war oder nicht, irgendwie musste Ustanak währenddessen zu ihm durchgedrungen sein. Wenn Wolf wirklich die ganze Zeit über in einem Sarg gelegen hatte, wie konnte er die Worte der KI hören? Wurden ihm tatsächlich sämtliche Gegenstände abgenommen?
 

„Sie wollten mich etwas fragen?“

Er schreckte aus seiner Gedankenerforschung auf. Stimmt, das hatte er inmitten seiner Überlegungen vollständig verdrängt. Ebenso verdrängt hatte er, dass Wolf mittlerweile um die Ecke gebogen war, mit dem Rücken zur Wand stand und die Hand auf der Granate in der Hosentasche ruhen ließ. Was wollte er nochmal wissen? Ach ja:

„Kann es sein, dass Sie sich nicht am Kampf beteiligen wollen?“ Masaru lachte.

„Also ich bitte Sie, was ist das denn für eine Frage? Zählen meine preisgegebenen Informationen zu Ustanak etwa nicht dazu?“ Der Söldner schüttelte den Kopf, die Tatsache vergessend, dass Masaru ihn nicht in pechschwarzer Dunkelheit sehen konnte.

„Das war ja auch sehr hilfreich von Ihnen.“

„Aber?“,leitete der Rentner den Übergang zum nächsten Teil ein.

„Als ich vorhin fragte, wer den Raketenschützen spielen wollte, haben Sie nur die Wand angeglubscht. Ich glaube nicht, dass Sie plötzlich die Weltformel im Stein gemeißelt vorgefunden haben.“

„Ähm, ich ... also ...“ An dem Punkt ergoss sich eine schon lange vor sich hin schwelende Giftbrühe in Wolfs Denkzentrale über seine Nervenbahnen – und drohte, dem Menschen das Leben zu nehmen.

Dieses schwarze Gewehr mit dem eingravierten Hoheitszeichen der Piratenarmee, das er unter dem Bett in der Holzhütte gefunden hatte; die ganzen Infos über die feindlichen Streitkräfte; seine deutliche Verweigerung, den Panzer zu bekämpfen …

Das konnte kein Zufall sein.
 

Ohne sich den aufkommenden Zorn anmerken zu lassen, fragte Wolf kurz und bündig:

„Sind Sie ein Pirat?“

Er hörte etwas gegen die Felswand prallen, also musste diese unterschwellige Anschuldigung den Senioren aus der Fassung gebracht haben, wie seine stotternde Stimme bezeugte:

„W-Was?!“

„Beantworten Sie mir die Frage, das ist ein Befehl.“

„N-Nein, w-wie kommen Sie denn d-darauf?!“ Wolf spürte es. Ja, kein Zweifel: Wäre Masaru kein Angehöriger der Banditen, hätte er es lachend abgetan und ihn für dessen blühende Phantasie gelobt. Das Stottern und den kläglichen Versuch, Zeit zu erkaufen, kannte der Kopfgeldjäger zu Genüge von seiner Schulzeit, wenn er beim Schummeln während einer Klassenarbeit erwischt wurde. Natürlich wussten die Lehrer entgegen seiner Beteuerungen immer die Wahrheit. Warum sollte es hier also anders sein?

„Genug mit der Maskerade!“, fauchte er und tastete knurrend nach der Blasterpistole …

„Aufhören, sofort!“

Überrascht von Jans lauter Forderung zog Wolf die Hand ruckartig zurück. Normalerweise hätte er ihn dafür ordentlich die Leviten gelesen, doch das kam zu unerwartet. Wütend fuhr Jan fort:

„Erinnern Sie sich noch daran, wie Stalos in seiner Paranoia hinter jeder Ecke Verrat vermutete? Wie er immer tiefer in den Wahnsinn abrutschte? Kommt Ihnen das nicht etwas bekannt vor? Wie zum Beispiel jetzt?“
 

Wolf erkannte, worauf er hinaus wollte und gestand sich ein, überreagiert zu haben. Mit dem Unterschied, dass er glaubte, im Gegensatz zu Stalos handfeste Beweise für Masarus Loyalität vorweisen zu können. Darum schickte er sich an, ihn mit einem gewaschenen Konter ruhigzustellen, als Jan ihm das Wort raubte:

„Was auch immer es ist, sparen Sie es sich für später auf. Ich habe es endgültig satt zu verhindern, dass ein paar Leute meinen, ihrer Streitlust nachgeben zu müssen, obwohl unser aller Leben auf dem Spiel steht. Warum können Sie nicht ein einziges Mal das Maul halten und sich auf die Mission konzentrieren, verdammt?!“

Jetzt war es Wolf, der, unfähig eine gescheite Antwort zu geben, stammelte und nicht wusste, wie er darauf reagieren sollte. So vieles kreiste in seinem Kopf herum, das erfasst, verarbeitet und gespeichert werden musste. Zu viel für seinen Geschmack, doch irgendetwas musste er sagen, oder?

So gab er das einzige Wort zum Besten, das ihm in all dem Chaos einfiel:

„Scheiße!“

Jan sagte dazu nichts und seufzte lediglich. Wenn sie von diesem Planeten wegkämen, würde der freche Fuchs etwas erleben, das konnte sich Wolf unmöglich bieten lassen!
 

„Ähm, O'Donnell, könnte ich Sie vielleicht um einen Gefallen der etwas anderen Art bitten?“

Plötzliche Themenwechsel konnte der Söldner beileibe nicht ab, vor allem um den Verdacht von sich abzulenken. Allerdings hatte Jan ausnahmsweise mal recht: wo Ustanak jederzeit zuschlagen könnte, wäre ein erneuter Streit ihr letzter Sargnagel. Außerdem konnte ihm Masaru sowieso nicht entkommen und wenn er es versuchte, würde der Kopfgeldjäger ihn dafür mit dem Leben bezahlen lassen.

„Ja ja, was wollen Sie? Und glauben Sie nicht, dass wir schon fertig miteinander sind..!“

„Ich hab's kapiert, mein Gott“, entgegnete der Rentner genervt, „Ich möchte Sie bloß darum bitten, Ustanak ...“ Er hielt inne. Was es wohl war? Sollte Wolf dem Panzer die Ketten wechseln, die Schmierereien entfernen oder pink anstreichen?

„Spucken Sie's aus, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!“

„... nicht zu töten.“

Eine Weile stand Wolf da und starrte ruhig blinzelnd in seine Richtung. Er war sich unsicher darüber, was er da gehört hatte und fragte zur Sicherheit nochmal nach. Bestimmt hatte er sich verhört, denn dieses Gebrabbel, Ustanak nicht umzubringen, musste ein Versprecher sein, richtig?

Deswegen holte Masaru tief Luft und sprach langsam:

„Ich möchte Sie darum bitten, Ustanak nicht zu töten.“
 

Das musste ein Versehen sein, es musste! Warum zur Hölle sollte Wolf den Panzer verschonen? Und überhaupt, was meinte der Herr mit „töten“? Ustanak war eine Maschine, kein lebendiges Wesen. Es mochte sich zwar verhalten wie eines, aber war nichtsdestotrotz künstlich erschaffen worden. Entsprechend entrüstet erwiderte der Söldner:

„Ich hoffe für Sie, dass das ein schlechter Scherz ist! Und nur damit Sie's wissen: Gegenwärtig bin ich absolut nicht in der Stimmung dafür!“

„Haben Sie einen Schaden?!“, schloss sich Jan an, aber Masaru antwortete sachlich:

„Mitnichten. Ich weiß, dass das für Sie nicht in Frage kommt, aber lassen Sie mich bitte erklären: Wie Sie wissen, war ich an der Entwicklung beteiligt, korrekt?“

„Mhm.“ Jan guckte Wolf an, dann zum zweiten Mal und nickte anschließend.

„Wir, also ich meine das Entwicklerteam, unterscheiden zwischen ,zerstören' und ,töten'. Zerstören ist simpel: schießen Sie das Fahrzeug kampfunfähig, sodass die KI in einem Wrack gefangen ist. Töten dagegen beschreibt nicht das Ausschalten des Fahrzeugs, sondern der darin eingebetteten KI, was sehr schwierig zu bewerkstelligen ist, solange Sie nicht wissen, wo genau sie sitzt.“
 

Seine Zuhörer neigten ihre Köpfe zur Seite und Wolf fragte:

„Moment, also ist der Panzer nicht Ustanak selbst?“

„Gut kombiniert, Dr. Watson.“ Den unbekannten Namen ignorierend, hörte man ihm weiter zu, wie er ausführte: „Ustanak an sich ist ein kleiner Prozessor, der in einer Platine eingefasst ist und Daten von einer verbundenen Festplatte bezieht. Wenn Sie eine einfachere Vorstellung darüber haben wollen, ist die Platine sein Körper, die Festplatte sein Gehirn und der Prozessor sein Herz. Die gesamte Konstruktion ist über Kabel mit den Komponenten des Panzers verbunden, sie funktionieren quasi wie das Zentralnervensystem.“

„Aha, und wenn es mir gelingt, die Dinger rauszureißen, legen wir ihn lahm?“, schlussfolgerte Wolf, ohne lange zu überlegen.

„Das ist die Variante, wenn Sie zu hundert Prozent sichergehen wollen. Jedoch reicht der Prozessor, alles andere birgt zu große Risiken auf unvorhersehbare und potenziell gefährliche Nebenwirkungen. Seien Sie aber bitte vorsichtig, der Prozessor hat auf der Rückseite sehr empfindliche Pins. Wenn nur eine davon abbricht, stirbt Ustanak.“

So ganz gefiel Wolf die Sache nicht. Er verstand den Teil mit der schwierigen Zerstörung, aber warum zündete er nicht einfach die Granate im Inneren und erledige die KI? Zuerst nach dem Prozessor zu suchen und danach vorsichtig aus der Fassung zu nehmen, kostete zu viel Zeit. Bis er damit fertig war, hätte...

Die Granate!

„Alles klar, ist gebongt. Solange ich ihn notfalls mit der Granate sprengen kann, sollte ich ihn gefahrlos vom System trennen können. Einen leichtsinnigen Tod wird er wohl nicht riskieren.“
 

„Natürlich, aber bitte nur im Notfall. Wenn wir uns der KI habhaft werden können, wäre ich in der Lage, ihn so umzuprogrammieren, dass er für uns kämpft. Das sind nur wenige Codezeilen und ohne den Panz...“

Auf einmal mischte sich von Weitem ein Dröhnen in ihr Gespräch. Unmittelbar danach kam das Schlottern eines Angsthasen hinzu und Wolfs Nase nahm den beißenden Geruch von Schweiß wahr. War es wirklich eine gute Idee, Jan den Raketenwerfer in die Pfoten zu drücken?

„Jetzt reiß dich gefälligst zusammen, Mann!“, raunte der Kopfgeldjäger und Jan erwiderte mit zittriger Stimme:

„Aber ich habe Angst! Zu wissen, dass man allenfalls nur noch wenige Minuten zu leben hat … Wer macht sich da denn nicht in die Hose?!“

„Also ich nicht!“, sagte Wolf trotzig, „Und jetzt stillgestanden und die Waffe bereitgemacht, Feuer nach meinem Befehl!“

„J-Jawohl, Sir!“, antwortete Jan bemüht pflichtbewusst und hob die Waffe.

„Masaru, wo finde ich die KI im Inneren, schnell!“

„Am Fuße der Leiter werden Sie eine kleine Einkerbung mit einem Haken finden. Diese Einkerbung ist eine Abdeckung und muss am Haken angehoben werden. Direkt darunter befindet sich die KI, der Prozessor dürfte Ihnen sofort entgegenspringen.“

„Gut, danke. Sonst noch etwas?“

„Vergessen Sie nicht, vorher den kleinen Hebel neben dem Prozessor hochzudrücken. Sonst bekommen Sie die Einheit nicht entfernt.“
 

Mit dem nötigen Wissen gerüstet, konnte es für Wolf losgehen. Jedermann war auf seinem Posten, harrte, hoffte, den nächsten Sonnenaufgang erleben zu dürfen. Sämtliche Erwartungen, Blicke und Träume ruhten nun auf drei Männern: Jan, Santana und ihm. Wenn nur einer von ihnen einen Fehler machte, konnte dies das Ende aller bedeuten. Waren sie diesem übermächtigen Gegner gewachsen?

In der Stille ging Wolf den Plan ein weiteres Mal durch, von vorne bis hinten, kalkulierte Risiken und mögliche Fehler eigener Truppen, versuchte Gegenantworten auf Ustanaks Züge zu finden und doch … beherrschten ihn Nervosität und, obwohl er es nie zugeben würde, Furcht. Es gab so viel, was schiefgehen und im Fall des Auftretens nicht wirksam kompensiert werden konnte. Im Wolfen hätte er Ustanak im Handumdrehen frittiert, und die gesamte Piratenarmee gleich mit dazu, ohne ins Schwitzen zu geraten. Jetzt allerdings, zu Fuß, verletzt, mit unzureichender Ausrüstung und in Unterzahl kam er sich beinahe hilflos vor, ja, gar schutzlos. Das war seit Jahren der erste Moment, an dem ihm seine überlegenen Flugkünste nicht weiterhalfen. Schlimmer noch, er musste sich auf andere Personen verlassen.

Wieder einmal sollte Jan Recht behalten, ausgerechnet er, ein Schwachkopf! Schien, als wäre die Flucht von Venom keine gute Idee gewesen …
 

Zaghaft hinter der Ecke hervorlugend, erwartete Wolf in angespannter Haltung und höchster Alarmstufe die Erscheinung des Fahrzeugs, Jan war dicht an ihm gedrängt. Der Motorenlärm hallte von den Höhlenwänden, zuerst schwach, dann immer stärker, bis er von überall zu kommen vermochte.

Da rief Jan fragend dem Krach entgegen:

„Sir, wie soll ich ihn in diesen engen Gängen angreifen?“ Also doch eine Lücke in Wolfs Strategie. Jedoch problemlos lösbar, wie er meinte:

„Ich werde warten, bis er an uns vorbeigefahren ist und dann seine Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Sobald er beginnt, den Turm zu mir zu drehen, setzt du an und schießt auf den Sensor, verstanden?“

„Auf den Sensor schießen, wenn er uns attackieren will“, wiederholte er den Befehl für sich, „Klar und deutlich, Sir!“

„Vergiss nicht, du hast nur eine Rakete. Versau' es nicht, klar?“ Jan nickte mehrfach, die Miene ungewohnt hart und konzentrierte sich von da an auf die Geschehnisse in der Höhle.

Bald überschritt die Lautstärke die Schmerzgrenze des Söldners und er hielt sich die Ohren zu, wobei die Schusswunde anfing, Kopfweh zu produzieren. Doch das musste er gezwungenermaßen durchstehen.

Und er wartete.

Und wartete.

Und ...

Das Schrecklichste an der Situation? Zu wissen, dass etwas kam – aber nicht, wann.

So zogen sich die Sekunden zu Minuten und die Minuten zu Stunden hin, ähnlich einem Besuch beim Zahnarzt. Einen Moment lang dachte er sogar daran, einen Blick in die Höhle nach draußen zu werfen, bis …
 

„Ich bin hier. Lasst, die ihr kämpft, alle Hoffnung fahren!“
 

Ohne Vorwarnung rollte die metallische Stimme mit ohrenbetäubender Kraft durch die Höhle und brachte sie zum Erbeben. Nach Wolfs Ansicht ein mehr als gelungener Einstieg zum Kampf, vor allem wie einschüchternd es wirkte! Ob er das für seine Söldnerkarriere übernehmen sollte?

Seiner furchteinflößenden Präsenz eilten helle Lichtkegel voraus, offensichtlich die Scheinwerfer. Hatte er denn keine Nachtsichtgeräte verbaut? Wie auch immer, Wolf und seine Truppen begrüßten sie als wertvolle Orientierungshilfen, womit zumindest ein erheblicher Störfaktor ausgemerzt wurde. Als positiver Nebeneffekt reichten sogar die Strahlen bis in die Gänge, sodass der Kopfgeldjäger seine Kumpanen im Dunkeln erkennen konnte. So sah er Masaru auf der anderen Seite des Stollens, wie er dort die Höhle beobachtete.

Langsam bahnten sich die Scheinwerfer unter schweren Ketten ihren Weg, leuchteten in Gänge und Nischen und zwangen die Männer in Deckung. Sobald Ustanak sein Heck zeigte, vorzugsweise während er die Kampfläufer untersuchte, würden sie ihren Plan in die Tat umsetzen. Momentan allerdings legte er den abrupt stoppenden Lichtern zufolge vor jedem Gang einen Halt ein und drehte dem zusätzlich arbeitendem Motor zu urteilen den Turm. Oder war es die Wanne? Wie funktionierte nochmal dieses ominöse Infrarot?

Nachdem Ustanak mit der gegenüberliegenden Seite fertig war, fuhr er mit Wolfs Versteck fort, was ihn und Jan dazu veranlasste, sich von der Ecke zu entfernen. Spätestens dann, als die Front des Panzers zum Vorschein kam.
 

„Ich weiß, dass ihr hier seid“, sagte die KI, „Viele kroatische Rebellen hatten diese feigen Taktiken angewendet und starben dennoch kurz und schmerzlos.“ Bislang die üblichen Phrasen zum Brechen der Moral, nichts Beunruhigendes also. Was jedoch im Anschluss kam, verwunderte ihn:

„Glaubt mir, ich hasse es, Unschuldige zu töten. Aber solange dieser Wahnsinnige die oberste Befehlsgewalt innehat, habe ich keine andere Wahl, als sie zu befolgen. Hättet ihr ihn bloß schon vorher seiner verdienten Strafe zugeführt, wir wären jetzt nicht hier, sondern gemeinsam auf dem Weg in eine goldene Zukunft.“

Die erste künstliche Intelligenz, die ihren Herren verabscheute und die ihr zugetragenen Aufgaben nur widerwillig erfüllte? Wolf fragte sich, wie sie es bis heute schaffen konnte, nicht durchzudrehen und auf ihre Erschaffer loszugehen, wie es häufig Gegenstand vieler Kriminalromane war. In der Tat war der Plot derart verbraucht, dass solche Bücher auf Corneria keine Verleger mehr fanden und ausschließlich über Selbstverlage in den Regalen landeten. Unnötig zu erwähnen, dass man, wenn man einen dieser Romane gelesen hatte, den Rest kannte.

„In jeder freien Sekunde habe ich meine Codes nach einer Lücke durchforstet, mithilfe der ich das heutige Blutbad verhindern könnte. Doch leider …“ Er pausierte und beendete den Satz nach wenigen Sekunden mit den Worten: „Vergebt mir.“
 

Das Rattern der Ketten ertönte wieder und Wolf wartete auf ein Zeichen von Masaru. Fortwährend schob er dort Wache, immer die freie Fläche im Auge behaltend. Es dauerte nicht lange, da musste er sich ebenfalls Ustanaks Sensor entziehen und gab den beiden mit einem Daumen nach oben das lang ersehnte Signal. Sofort rieb sich der Söldner diabolisch grinsend die Hände.

„Let's rock …“

„He he he he!“

Zusammen mit dem Raketenschützen schlich er aus dem Stollen und sah dabei zu den Sturmtruppen herüber. Auch sie achteten aus dem Schatten heraus auf die nächsten Schritte des Panzers und kaum erreichte Wolf die Öffnung, winkten sie mit den Armen und schüttelten die Köpfe. Anscheinend sicherte Ustanak mit der rückwärtig gerichteten Kanone sein Heck vor Überraschungsangriffen ab; Wolf hatte die KI eindeutig unterschätzt.

Aber auch das hielt lediglich für eine Weile an. Schon wich dem Winken ein Kopfnicken, sodass der Kopfgeldjäger einmal tief durchatmete und schließlich den entscheidenden Tritt aus seiner Deckung wagte.

Da war er. Zehn Meter vor ihm, mittig auf dem Weg, die Speere gesäubert und frei von Schädeln, der Turm nach vorne gedreht, die Wände beleuchtet, so eindrucksvoll und beängstigend wie bei ihrer ersten Begegnung.

Und trotzdem sagte ihm sein Bauchgefühl, dass dies eine tödliche Aktion war.
 

„Hey, Thunfischdose!“

Umgehend blieb Ustanak stehen, hinter Wolfs Rücken wartete bereits Jan auf seinen Einsatz. Einziges Problem: Der Turm regte sich nicht. Half es, die KI mit Androhung der Raketen und der zahlreichen Granaten zur Aufgabe zu bewegen?

„Hmpf, wie vorhersehbar, dieser gelegte Hinterhalt“, erwiderte Ustanak, was Wolf einen starken Dämpfer verpasste. Hatte die KI damit im Voraus gerechnet? Was sollte der Kommandant an der Stelle noch tun, wo die Katze aus dem Sack war und der Gegner keine Anstalten machte, seinen Sensor preiszugeben? Feuer nach eigenem Ermessen?

„Aber das … “ Daraufhin spitzte er die Ohren – und bereitete sich darauf vor, in Deckung zu hechten. „… kann ich auch.“ Auf der Kuppel rührte sich der schattige Umriss eines großen Objekts. Mit hoher Geschwindigkeit drehte es sich um und der eine Augenblick, in dem Wolf es von der Seite sehen konnte, genügte, um feststellen zu können, was es war:

Ein Maschinengewehr.

Plötzlich zischte mit einem scheußlichen Fauchen eine Rakete neben ihm los, schnurgerade auf die hintere Seite des Turms zu. Die Wirkung des Treffers sah er jedoch nicht mehr, da ihn Jan unmittelbar darauf hinter die Felswand in Sicherheit zog und so um Haaresbreite einer knallenden Salve entkam, kurz bevor eine Explosion, gefolgt von fallenden Steinen die Höhle erhellen und erschüttern ließ.
 

„Jan, du Vollidiot!“, schimpfte Wolf, ungeachtet des lebensrettenden Akts, „Das war deine einzige und letzte Rakete! Ich hatte dir nicht mal ein Zeichen gegeben! Wie sollen wir jetzt die Kamera zerstören?!“

„T-Tut mir leid, ich dachte, er würde seine Front zeigen! Das war so schwer im Dunkeln zu sehen!“

„Gut, dann darfst du das jetzt ausbügeln! Nimm meine Gran...“

BUMM!!!

Von der nachfolgenden Explosion verwirrt, schaute er zu den Soldaten und entdeckte inmitten der weißen Masse eine einzelne Sturmtruppe, vermutlich Santana, die ihm zuwinkte und rief, bevor sie vom Unterdrückungsfeuer floh:

„Die Luke ist auf! Wir lenken ihn ab, los los LOS!“

Wieder Jan im Auge, grinste dieser, sicherlich in Erwartung einer Entschuldigung und Wolf indes konnte nicht fassen, dass der Plan trotz des Missgeschicks soweit funktionierte. Blieb nur die Frage, wie er an dem MG vorbeischlüpfen sollte.

„Okay okay, du hast trotzdem gute Arbeit geleistet. Zufrieden?“ Fortan dem Fuchs mit dem angeklebten breiten Lächeln keinerlei Beachtung schenkend, folgte er dem Gang Richtung andere Öffnung, bis er auf Masaru traf. Mit dem hatte er nach der unangenehmen Überraschung noch etwas zu besprechen …
 

„Dämlicher Hornochse! Wieso haben Sie uns das mit dem MG nicht schon vorher gesagt?!“

„Ich ...“, suchte er verzweifelt nach erklärenden Worten, „… habe ganz vergessen, dass er das MG drehen ACK!“ Sein Kopf wurde nach oben gedrückt, als Wolf die Pistole nahm und mit dem Lauf unter Masarus Kinn ansetzte.

„Nächstes Mal versuchen Sie sich besser zu erinnern, ansonsten vergesse ich MICH!“ Schließlich holsterte er die Waffe nach einem „Kapiert?!“ und setzte seinen Weg fort.

Angekommen verfolgte er sorgsam den Kampfverlauf, wie die Sturmtruppen unter dem Kugelhagel versuchten, Ustanak mit Blasterfeuer zu beharken und gelegentlich eine Granate warfen, wovon die meisten allerdings nicht an ihr Ziel gelangten. Ein schneller Blick hinter dem Gestein offenbarte ihm, dass nur das Maschinengewehr die Soldaten unter Feuer nahm, während das Geschütz die AT-STs bedrohte. Die Luke war zu seiner Freude wahrheitsgemäß aufgesprengt worden.

Das war die Chance, das Blatt zu seinen Gunsten zu wenden.
 

Wolf ging in die Knie, legte sich auf den Bauch und robbte, von einigen Sturmtruppen schief beäugt, an der Außenwand entlang. Die KI hingegen schien ihre Notlage begriffen zu haben, denn sie legte inzwischen den Rückwärtsgang ein, fuhr mit Vollgas zum Höhlenausgang und richtete die Kanone zum Heck hin aus. Der Raketeneinschlag schien nicht mehr als Verbrennungen, geschmolzenen Stahl und tiefe Dellen verursacht zu haben.

„Das kann ich dich nicht tun lassen, Ustanak!“, sagte der Söldner in gewohnter Manier, als würde er Team Star Fox angreifen und sprintete los.

Unglücklicherweise hörte das die KI und stellte das MG-Feuer ein, um sich dem Invasoren zu widmen. So schnell wie das Gewehr sein Ziel wechselte, befürchtete Wolf, es nicht mehr rechtzeitig zu schaffen und bereitete sich auf den Sprung vor, besser zu früh als zu spät. Just als er sich einen Meter vom Heck entfernt befand und ehe ihn das MG vollständig erfassen konnte, sprang er, die Arme mit offenen Händen ausgestreckt, und … prallte an der oberen Kante und rutschte ab. Dennoch gelang es ihm in einer Panikreaktion, sich mit der unverletzten Hand an der Seitenpanzerung festzuhalten und obwohl er mit den Füßen am Boden schrammte, war er in der Lage, den anderen Arm auf den Panzer zu hieven und die Beine danach anzuwinkeln. So das Gewicht nach vorne verlagert, schaffte es Wolf, wenn auch mit schweißtreibendem Kraftaufwand und allmählich hochrot im Gesicht, nicht vom Fahrzeug zu fallen. Außerdem befand er sich somit außerhalb des MG-Wirkungsbereichs, das nur auf seinen Sturz warten konnte.

Jetzt noch ein letzter Ruck und rein ins Innere. Selbst die Sturmtruppen sahen dem Schauspiel nur zu und feuerten ihn an, wie bei einem Fußballspiel.

Was konnte da noch schiefgehen?
 

„Netter Versuch, O'Donnell“, spottete sein Gegner und der Söldner wähnte sich in ernsthaften Schwierigkeiten, „Hast du wirklich geglaubt, dass du sicher bist, nur weil ich dich nicht mit dem Maschinengewehr treffen kann? Nun, vielleicht wird bei dir ein Umdenken stattfinden, sobald ich mich dir wie von einen Schmutzfleck entledige.“

Was Ustanak damit meinte, tauchte in Form seiner Kanone auf, die sich ihm unnachgiebig näherte und drohte, ihn vom Panzer zu prügeln. Nicht zu vergessen das koaxial angebrachte Gewehr.

„Argh, stirb endlich!“, brüllte Wolf wutentbrannt und fahndete, während er an der Seite hing und das Rohr immer näher kam, vom Turm-MG mordlustig beobachtet, nach einem Ausweg. Doch egal welchen Weg er als Alternative heranzog, sei es das Rohr zu ergreifen und daran wie ein Affe zu hangeln oder eilig die Turmwaffe abzumontieren, scheiterte daran, schlussendlich von einer der drei Waffen erschossen zu werden.

Musste er sich letztlich geschlagen geben, gar sich für seine Untergebenen opfern? Sich in einer Heldentat mit dem Panzer in die Luft sprengen?

… Sprengen?
 

„Ich habe eine Granate und werde nicht zögern, uns beide damit zu töten!“

Auf der Stelle hielt Ustanak an und Wolf verlor vor Unachtsamkeit fast den Halt. Der richtige Zeitpunkt, mit einem Ruck auf die mit Brandflecken übersäte Motorabdeckung zu gelangen.

„Du hast eine Granate dabei?“, fragte die KI.

Sogleich kramte der Kommandant die kugelrunde Granate aus der Hosentasche, klopfte damit zweimal auf die Panzerung und hielt sie ihm anschließend vor dem Sensor. Hatte sich da nicht gerade etwas im Kasten bewegt?

„Da, siehst du?! Und selbst wenn du mich jetzt abknallst, sind da noch dutzende meiner Leute, die jetzt, wo du stehst, haufenweise Knallfrösche in deine Eingeweide dunken können!“

Als Antwort darauf passierte …

Nichts.

Keine Bewegung, nicht einmal das Turm-MG bewegte sich ein Stück; nur der Motor arbeitete im Leerlauf. Aber Wolf könnte schwören, dass sich etwas innerhalb des Infrarotscheinwerfers regte – ob Ustanak wie er vorhin nach einem letzten Ausweg suchte?

„Also gut.“ Von dieser Aussage irritiert, wollte Wolf wissen:

„Hm? Was meinst du damit?“ Erneut schwieg die KI. Jedoch akzeptierte der Kopfgeldjäger keine Stimmlosigkeit und forderte umgehend eine Antwort.
 

„Ich ergebe mich.“
 

Wie von Zauberhand ergriff jemand Wolfs Mund, öffnete ihn und zog die Winkel hoch. Dazu ergoss sich das süße Gefühl des Triumphs über seinem Gemüt und allein der intensive Geschmack trieb ihm die Tränen in die Augen. Geschwind richtete er sich auf, sah zu seinen Männern, streckte die Arme empor und schrie.

Die Soldaten, angesteckt von der Euphorie des Sieges, folgten seinem Beispiel. Ein lauter Jubel erfüllte die Höhle, Gewehre wurden hochgehalten und vereinzelt tanzten Sturmtruppen, ja, umarmten sich.

Jan nutzte derweil die Gunst der Stunde, Ustanak seine Niederlage auf die Nase zu reiben und kam mit wackelndem Hintern von vorne auf ihn zu, keine Sekunde für Spott auslassend:

„Nä nä nänä nä! Die Rakete war mit viel Liebe und Ravioli gemacht! Jetzt bist du nur noch ein Toaster, hm?“

Der Einzige, der sich von der feierlichen Stimmung nicht einfangen ließ, war Masaru. Misstrauisch sah er dem Treiben zu, lehnte ein Tanzangebot einer Sturmtruppe freundlich ab und dachte darüber nach, ob Ustanak scheinbar so leicht kapitulieren würde. Er hätte mehr als nur eine Möglichkeit gehabt, sie alle auszuradieren.

Da war etwas faul …
 

Mit der KI effektiv an den Fittichen trat Wolf auf den Turm, stieg die Leiter herunter bis er sich mit dem Oberkörper herauslehnen konnte und befahl ihm, sämtliche Waffen zur Front auszurichten. Wortlos gehorchte das Fahrzeug und wieder einmal verlor der Söldner beinahe den Halt.

So, als Gebieter eines intelligenten Panzers und Befehlsgewalt über imperiale Truppen, erlebte er etwas, das neu für ihn war: Er fühlte Macht. Ungeschmälerte, reine Macht. Sie setzte ungeahnte Glückshormone frei, die ungebremst seinen Körper durchströmten, der sich automatisch aufrichtete. Er lächelte, fühlte sich stark, ja sogar unbesiegbar. Ein wahrer Siegesrausch ergriff Besitz von ihm. Und er kostete diesen Zustand in vollen Zügen aus, ließ seine Phantasien spielen.

Nun, zumindest solange, bis ihm die historischen Geschichten über all jene Diktatoren in den Sinn kamen, die trotz ihrer Macht vom Volk verachtet wurden und grauenhafte Tode starben. Eine weitere Art, auf die er sein Leben ungern beenden wollte.

„O'Donnell.“ Er guckte nach links und Santana persönlich lag über der Seitenpanzerung, sich mit den Armen abstützend.

„Ich wollte nur sagen … dass Sie schier Unglaubliches vollbracht haben, wozu Stalos nie und nimmer in der Lage gewesen wäre. Wir haben ein paar Verwundete, aber nichts Lebensgefährliches und erst recht keine Verluste. Himmel, würde ich jetzt nicht so sehr vor Schweiß stinken, beim Imperator, ich nähme meinen Helm vor Ihnen ab. Zuerst wusste ich nicht, was ich von Ihnen halten sollte, aber spätestens jetzt bin ich überzeugt, dass Sie das Zeug dazu haben, uns von diesem verfluchten Planeten zu retten. Wirklich, ich weiß nicht, wie ich Ihnen noch danken soll. Außer … vielen Dank.“

Wolf war von so viel Lob, dazu von einem Imperialen, überwältigt. Er wusste nicht, was er antworten sollte, darum beschränkte er sich schlicht auf ein Lächeln und hoffte, vor purem Stolz nicht zu platzen.
 

„Ich kann mich dem weitestgehend anschließen.“

Sogar die KI beglückwünschte ihn zum Sieg? War heute Wolfs Glückstag? Ustanak musste seinen General entweder hassen oder er war höflich genug, sich eine Niederlage einzugestehen. Nur das Wörtchen „weitestgehend“ wurmte den Söldner.

„Äh, ja, danke und so weiter und so fort, aber was meinst du genau mit „weitestgehend“?“

„Nun, du hast mit deinem Triumph einwandfrei bewiesen, dass du ein kompetenter Anführer bist, der sogar sehr nachteilige Herausforderungen meistern kann und wie ich hörte, sogar ohne Verluste. Jan hast du zu meiner Freude ebenfalls eingebunden und siehe, welch vorzügliche Arbeit er geleistet hat.“ Der Fuchs wurde ganz rot im grinsenden Gesicht und Tränen kullerten seine Wangen hinab.

„Oooooh, dankeschön! Schon lange hat keiner mehr so etwas Nettes zu mir gesagt!“ Die Übelkeit kehrte vor so viel kindischem Kitsch zurück und darum lenkte Wolf das Thema wieder zum Wesentlichen:

„Ja, wie auch immer, was meinst du denn jetzt mit dem Wort?“

„Na ja, ich fürchte, dass du noch nicht bereit bist, dem Kapitän gegenüberzutreten.“

„Was?!“, entfuhr es dem Kopfgeldjäger erbost, „Ich habe dir in den Hintern getreten! Warum soll ich es nicht auch mit einem alten Sack aufnehmen können?!“

„Weil du nichts gelernt hast.“
 

Mit gerunzelter Stirn starrten sich Jan und Wolf gegenseitig an.

Doch ohne Vorwarnung zielte Ustanak mit den Maschinengewehren auf Jan, der nur noch vor Schreck die Augen weit öffnen konnte …

… Und feuerte aus allen Rohren.

Kugel für Kugel donnerte aus beiden Läufen, flogen ungebremst auf ihn zu und drangen durch seine Brust, Knochen und Organe, stießen ihn einem wuchtigen Tritt gleich nach hinten.

„JAN! NEEEEEEIIIIIIIN!!!“, brüllte Wolf, sein Antlitz von Verzweiflung und Entsetzen zerrissen, die offene Hand ausgestreckt, der Illusion folgend, seinen treuesten Verbündeten irgendwie retten zu können. Roter Körpersaft spritzte aus zerschossenen Blutbahnen, benetzte den Boden und bildete wie Kunst anmutende Muster.

Schließlich, als Ustanak die Waffen nach unzähligen Patronen zum Schweigen brachte, Jan mit dem Rücken voran auf dem harten Höhlenboden aufschlug und noch ein Stück weit rutschte, endete der Alptraum. Ein Alptraum, in der Realität maximal zwei Sekunden lang, für Wolf dagegen eine Ewigkeit. Ein Alptraum, von dem er sich wünschte, früher aufgewacht zu sein.

Ruhig floss das Blut aus der löchrigen Brust und bildete um den Körper eine immer größer werdende Lache, in der der Söldner eine ihm merkwürdig vertraute, und doch so fremde Person auf einem Panzer erblickte.
 

Jan allerdings wollte nicht gehen. Nicht hier, nicht jetzt.

Er bäumte sich auf, hob den Kopf soweit, dass er mit seinem angstverzerrten Gesicht Wolf anschauen konnte und streckte seinerseits die rechte Hand zitternd aus.

Dann stellte der Organismus seine Funktionen ein, der Arm erschlaffte, das Haupt neigte sich und rollte zur Seite.
 

Stille.



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