Im Schatten des Universums von UAZ-469 (Machtergreifung) ================================================================================ Kapitel 8: ----------- Die vereinzelten Strahlen der Sonne hatten zuvor noch einladend gewirkt, bildeten sie doch eine Art Vorhang vor dem Höhlenausgang, als Schwelle zwischen Schatten- und Lichtwelt. Nachdem Wolf jedoch aus der Finsternis geradelt war, wollte er wieder zurück. Sie trafen sein Auge und brannten, nicht einmal den blauen Himmel konnte er anschauen, ohne es zuzukneifen. Er hasste das Licht so früh nach dem Aufwachen und wehe jemand hatte den Nerv dazu, ihn damit aus dem Bett zu scheuchen! Natürlich konnte er, so weit vermochte sein noch von der Betäubung lahmgelegtes Gehirn zu denken, nicht wieder umdrehen. Welchen Eindruck hätte er damit bei den Imperialen und Masaru erweckt? Wegen Lappalien wie der blendenden Sonne bei Stalos antanzen und wie ein Waschlappen nach einer Sonnenbrille zu fragen? Nein, so tief war er nicht gesunken. Lieber würde er seinen verbliebenen Augapfel herausreißen, damit Billard spielen und als Clown in einem Kindergarten auftreten. Alles Dinge die er nie machen würde, denn Cyborgs fand er widerlich und Clowns, sowie Kinder, mochte er nicht besonders, wobei er die Entertainer zudem noch gruselig fand. Zwei plus zwei sind … zehn … Essen. „Hä, was?“, sagte Wolf, als er merkte, wie seine Gedanken auf Abwege gingen, „Muss wieder brutales Zeugs denken … Muss Leute metzeln und Stalos sein Nudelholz in den Hintern rammen ...“ „Ich höre Sie ganz deutlich, O'Donnell! Warten Sie nur ab, so leicht kommen Sie mir nicht davon!“ Die unerwartete Stimme des Captains machte ihn mehr oder weniger wach und bewahrte ihn davor, aufs Neue mit einem Stein zu kollidieren. Das Komlink steckte in der Jackentasche und ungeachtet dessen hörte man ihn deutlich? Dagegen wagte er aber nichts zu sagen, sonst ermordete man seine Kameraden noch im Voraus. Mit Jan durften sie von ihm aus machen was sie wollten, aber wenigstens vor dem weisen Mann wollte er sich profilieren. Was Stalos mit „Den Wald erreichen Sie, wenn Sie links abbiegen“ meinte, sah er sofort als sich sein Auge an die Helligkeit gewöhnte und er den Kopf ein wenig heben konnte. Die Höhle lag am Ufer eines kreisrunden Sees, vom Durchmesser zwar nicht mit den zahlreichen Gewässern Cornerias vergleichbar, aber immerhin klares und hoffentlich sauberes Wasser. Bei dem Gedanken, was die Industrie dort teilweise für Chemikalien auskippte und die Bevölkerung darin auch noch badete, wurde ihm übel. Aber da er schon mal hier war … Er stellte das Damenrad am Rand ab, ging nah ran und beugte sich zum Wasser herunter. Trotzdem konnte er nicht bis auf den Grund sehen. Wie tief musste er sein? War es wegen der beinahe perfekten Form nicht sogar ein inaktiver Vulkan? Doch für geologische Forschungen war er nicht gekommen. So trank er aus den Handflächen und wusch sich das Gesicht. Es schmeckte genauso nach nichts wie billiges Mineralwasser aus Supermärkten, dafür linderte es seinen Durst. Besser als aus der Leitung war es allemal. Auf einmal hörte er Gelächter. „Was gibt es da zu lachen? Ist es denn sooo lustig, mir beim Trinken zuzugucken?“ Der Captain hatte einige Mühe, normal zu sprechen und konnte weitere Lacher kaum unterdrücken. „Nein, aber wenn Sie wüssten, was wir im See entsorgen … ah ha ha!“ Nun nahm seine Zunge den ätzenden Geschmack von Reinigungsmitteln und anderen, undefinierbaren „Aromen“ wahr und er spuckte und hustete. Hätte er kürzlich etwas gegessen, wäre das postwendend im Wasser gelandet. Stalos ließ keine Sekunde aus, ihn an seiner Schadenfreude teilhaben zu lassen. „Das ist dafür, dass Sie mir das Nudelholz hintenrum einführen wollen. Sonst hätte ich Sie davon abgehalten, das Wasser zu trinken. Wenn Sie es genau wissen wollen, wir w...“ „Nein!“ Sofort herrschte Funkstille. Ohne Worte schwang er sich wieder auf den Sattel und radelte links in die Wälder. Ob der Captain ihn für die laute Unterbrechung maßregeln wollte, war ihm in dem Moment egal. Seinen Frust und Ärger würden nachher die Piraten abbekommen, sofern sie ihn nicht vorher bemerkten und mit ihrer Übermacht erdrückten. Sollte es am Landungsplatz von ihnen wimmeln, war guter Rat teuer. Eine Waffe mit einem ungewohnt hohen Rückstoß, dazu Disco-Lautstärke beim Feuern und auf Distanz zu allem Übel bestimmt unpräzise. Damit sollte er eine kleine Streitmacht erledigen? „Fahren Sie weiter geradeaus“, wies ihn diesmal ein Soldat an, „Sie sollten dann wieder auf den Feldweg treffen.“ Im Hintergrund konnte er Gemurmel von zwei Personen vernehmen, möglicherweise seine Kumpanen. Zumindest die eine Stimme war eindeutig die vom trotteligen Flügelmann. „Wie weit ist es denn bis dahin?“, fragte Wolf. „Etwa fünf Kilometer. Wir hatten zum Glück Düsenschlitten, so dauerte es nicht lange, bis ein geeigneter Unterschlupf gefunden werden konnte.“ Ihn wunderte es, dass sie bisher nicht in so einem kleinen Umkreis entdeckt wurden. Diese Roboter sahen nicht so schnell aus, Ustanak hätte kein Problem gehabt, sie einzuholen. Andererseits wusste er nicht, wie die Schlacht am besagten Ort abgelaufen war. „Okay. Können Sie mal etwas Interessantes erzählen, um die Fahrzeit zu verkürzen?“ Auf diese fast schon unverschämte Aufforderung erwiderte der Sturmtruppler zornig: „Sind wir hier beim WunschAUA!“ Wolf hatte keine Ahnung was soeben passiert war, aber kurz darauf schepperte Plastik und eine Stimme sprach: „Machen Sie Platz, jetzt komme ich!“ Als er sie mit Masaru in Verbindung brachte, konnte er seine Freude nicht mehr verbergen. Nur der Soldat war davon nicht begeistert, wie sein empörtes „Wer hat diesen alten Sack hier reingelassen?!“ verdeutlichte. „Alles in Ordnung bei Ihnen?“, wollte Masaru vom Söldner erfahren. „So weit ja, aber erzählen Sie mir doch, woher dieser Sinneswandel?“ Die folgende Antwort war dann leider nicht die, die er erwartet hatte. „Welcher Sinneswandel? Ich möchte nicht einfach tatenlos rumsitzen und zusehen, wie die Piratenarmee den Planeten übernimmt. Der gute Gott muss einen Sinn für Humor haben, ansonsten würden all unsere Hoffnungen nicht auf Ihnen lasten ...“ „Danke, ich liebe Sie auch. Was wollen Sie denn dann?“ „Da Sie leider, wie erwähnt, unsere einzige Chance auf den Sieg sind, sehe ich mich dazu verpflichtet, Sie zu unterstützen. Wie ich dem Gespräch entnehmen konnte, wollen Sie etwas Interessantes hören, um die Zeit zu vertreiben?“ Just dachte Wolf mit Abneigung an Masarus dringenden Wunsch, seine Familiengeschichte zu erzählen. Oder, noch schlimmer, Gute-Nacht-Geschichten, bei denen der Vorleser fortgeschrittenen Alters selber einschlief. Entsprechend skeptisch fiel seine Antwort aus: „Oh Grundgütiger, was plaudern Sie denn aus dem Nähkästchen? Stories aus dem Altersheim?“ „Meine Familiengeschichte, was denn sonst?“ Nachdem der Kopfgeldjäger seine Meinung mit einem Knurren untermauerte, überlegte es sich Masaru anders und er entschied sich dazu, dort fortzusetzen wo er wegen Wolfs Müdigkeit hatte aufhören müssen: Die Schilderung der vergangenen Ereignisse. „Wo war ich gestern stehengeblieben? Ach ja, ähem! Wie gesagt, wir beschlossen das Labor zu verlegen. Parallel zur Entwicklung arbeitete die Regierung an einem Raumfahrtprogramm zur Kolonisierung fremder Planeten. Was lag also ferner, als das gesamte Team auf eine lange Reise zu schicken? Dabei wurde ein erdähnlicher Planet, mehrere Sonnensysteme entfernt, zur Besiedelung auserkoren. Man muss bedenken, dass die gesamte Planung hinfällig gewesen wäre, wenn unser Team keinen funktionsfähigen Nachbau des Hyperraumantriebs konstruiert hätte.“ Masaru ignorierte fragendes Gemurmel seitens des Imperialen und fuhr fort: „Trotzdem sollten noch drei Jahre vergehen, bis ein geeignetes Raumschiff konzeptioniert und gebaut wurde – eine Zeit, die wir mit der Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz überbrückten. Im Jahre 2000 schließlich war es so weit. Das Raumschiff wurde mit genau 500 Personen beladen, davon 400 Zivilisten, 75 Soldaten und den Rest bildeten die Wissenschaftler. Hinzu kamen Baumaterialien für eine Siedlung in der Größe einer Kleinstadt inklusive Landwirtschaft und Industrie, medizinische Verpflegung, Nahrungsmittel für zwei Jahre und zum Schluss militärische Ausrüstung mitsamt Fahrzeugen. Die Reise dauerte dank des revolutionären Antriebs lediglich einen Monat und wir fanden eine friedliche und lebensfreundliche Welt vor, die wir schneller besiedelten als eine Oma die Straße überqueren konnte. Man versprach uns eine Nachlieferung diverser Vorräte in spätestens einem Quartal und ließ uns auf dem Planeten allein. Und wir warteten … und warteten … und warteten ...“ Plötzlich mischte sich Stalos ein und polterte, was die Banditen im Kommandozelt zu suchen hatten. Was folgte, waren Drohungen mit dem Nudelholz und Jans Gekreische. Zum Schluss einigen Krach, umgeworfene Gegenstände und fluchende Imperiale. Anscheinend hatten sie versucht, Masaru aus dem Zelt zu werfen und waren auf heftigen Widerstand getroffen. Daran zu denken, wie ein ganzer Trupp von einem Rentner fertiggemacht wurde, brachte ihn zuerst zum Schmunzeln und letztlich zum Lachen. Leider gab es nun keine Zeitbeschleunigung mehr. Was blieb ihm von da an anderes übrig, als Tic-Tac-Toe gegen sich selbst zu spielen? „Diesmal gewinnt Kreuz! Argh, verdammt noch eins! Kreis pfuscht!“ Während Wolf also vor sich hin radelte und manchmal riesige Fußabdrücke fand, die zweifellos von den Robotern stammen mussten und einen ähnlichen Effekt auf das Vorderrad hatten wie Steine, überlegte er, wie er Kreis schlagen konnte. Selbstverständlich auch, wie er die Piraten ungesehen aus dem Weg räumen sollte. Was, wenn Ustanak persönlich anwesend war? Mit massig Raketen wäre er kein Hindernis, aber die hatte der Söldner nicht. Sogar die hochtechnisierten Imperialen wurden von den ach so primitiven Banditen besiegt. Wenn das kein Beweis ihrer Überlegenheit war, was dann? Wie eine Warnung tauchten umgestürzte und verbrannte Bäume am Wegesrand auf, als hätte ein Tornado eine Schneise durch den Wald geschlagen. Hinzu drangen die Geräusche von Baumaschinen zwischen den Stämmen hindurch. Er musste ganz in der Nähe sein. „Sie müssten gleich da sein“, meldete ein Sturmtruppler, „Dem Lärm zu urteilen, versuchen sie sich Zutritt zum Kampfläufer zu verschaffen.“ Hatte das Imperium einen noch größeren Roboter, für den die Banditen schweres Gerät benötigten? Das wollte er mit eigenen Augen sehen. „Mal schauen, was die Menschen anzubieten haben, was Andross nicht hat.“ Auf Befehl des Soldaten hin verließ er die Straße und bog rechts ab, inmitten eines Feldes von kahlen Baumstümpfen. Trotz der großen Entfernung konnte er bereits ein gigantisches, stahlgraues Monstrum erkennen. Ustanak war winzig dagegen. Besagter Kampfläufer oder eine unbekannte Waffe der Piraten? Wolf hoffte Ersteres. „Ich sehe einen grauen Giganten, was ist das?“ „Die schrecklichste Waffe des Imperators neben der Kampfstation. Steigen Sie ab, sonst hört man noch das Quietschen. Achten Sie auf Scharfschützen.“ Der Anweisung Folge geleistet, versteckte er sich mitsamt dem Rad hinter einem gefällten Baum und sondierte die Lage mit dem Fernglas. Das Ungetüm war in der Tat so groß wie ein Hochhaus und flößte sogar Wolf gehörigen Respekt ein. Das war dennoch nur eine Schätzung, weil es mit ausgestreckten Beinen da lag wie ein schlafender Hund. Der kantige Kopf „sah“ ihn aus einem rechteckigen, schwarzen Sichtfenster an und trug vier gewaltige Geschütze. Es wäre mitnichten übertrieben zu sagen, die Kampfmaschine konnte eine ganze Armee im Alleingang vernichten. Die fast ironische Niederlage warf er den Plastikjungen sogleich an den Kopf: „Ihr habt eine astreine Terrormaschine, bei der sich der Kriegsherr auf Venom vor Freude eingenässt hätte und wurdet trotzdem in den Hintern getreten? Ist das nicht ein bisschen … peinlich?“ Flüsternd entgegnete man ihm: „Ja. Aber sagen Sie das nicht dem dunklen Lord, sonst wird er uns alle wegen Inkompetenz exekutieren.“ Er legte eine Sprechpause ein und redete weiter: „Und so ganz unter uns: Der Captain hat seine Position nur durch Vitamin B erlangt. Sonst wäre er heute den Straflegionen zugeteilt … Ich bin übrigens nicht der Einzige der denkt, er sei eine größere Katastrophe als Ozzel.“ Das erklärte vieles. Wolf wäre nicht überrascht gewesen, hätte er Stalos auf Andross' Gehaltsliste vorgefunden. „Mmmh, na gut. Aber wie haben die Banditen das Ding nun umgeschmissen?“ „Als sie merkten, dass sie die Panzerung nicht durchschlagen konnten, haben sie die Laufpylone mit allen Fahrzeugen, die sie hatten gerammt und den AT-AT zu Fall gebracht. Wir mussten uns unter schweren Verlusten zurückziehen, doch haben sie uns aus bisher unbekannten Gründen nicht verfolgt.“ Jemand anderes trat ins Zelt und seine Tonlage wechselte rasch zu besorgt. „Oh oh, der durchgeknallte Alte ist wieder da, ich gebe besser an ihm ab ...“ Jetzt fragte sich Wolf, warum sie Masarus freche Verhaltensweisen einfach so in Kauf nahmen. Brauchten sie ihn vielleicht als Druckmittel? „Hier bin ich wieder, O'Donnell. Solange Stalos nicht da ist, nutze ich die Gelegenheit um Ihnen aus der Ferne zu helfen. Ich kann zwar nicht in den bevorstehenden Kampf eingreifen, dafür aber Tipps zur Vorgehensweise geben.“ Nach einem schlichten „Danke“ fragte er: „Was sehen Sie?“ Wolf schwenkte das Gerät zunächst nach links, dort wo der Rücken des AT-ATs lag. Da saßen einige bewaffnete Männer mit dem Rücken zur „Wand“, lachten und tranken aus Flaschen. Zu ihren Füßen standen mit gelben Aufklebern markierte Kästen. Dank des Zooms konnte Wolf sogar die Schrift erkennen, obwohl er sie erwartungsgemäß nicht lesen konnte. Nur der Totenkopf und eine groß aufgedruckte Zahl sprachen eine eindeutige Sprache: 60%. „Ich sehe, ähm, äh … drei, nein vier Personen.“ Masaru hakte nach: „Was tragen sie?“ „Was meinen Sie genau? Waffen? Ich sehe Gewehre, der ein oder andere trägt eine Pistole und Messer.“ „Nein, die Kleidung. Das ist sehr wichtig.“ Wolf nahm das Fernglas herunter, starrte vor sich hin und blinzelte mehrmals, ehe er antwortete: „Stehen Sie auf nackte Haut oder warum diese mehr als zweideutige Frage?“ Er konnte wahrlich von Glück reden, dass Masaru mit aller gebotenen Fassung reagierte, anstatt ihm beleidigt eine Abfuhr zu erteilen. „Nein, aber sie geben Aufschluss über ihren Ausbildungsgrad und ihrem Rang.“ Das Schweigen deutete der alte Mann korrekt als Ungläubigkeit und er erläuterte: „Sie sehen aus und benehmen sich wie ruchlose Banditen, doch sind sie organisiert, gebildet und gerüstet wie eine professionelle Berufsarmee, wenn auch vereinfacht. Abgesehen davon sind sie das, was sie sind: Räuber, Mörder, Vergewaltiger.“ Immer noch nicht ganz überzeugt, schilderte ihm Wolf schließlich die Kleidungsstile der Trinker: „Drei von ihnen eher unscheinbar, quasi Freizeitklamotten und der Vierte eine militärische Uniform in schwarz, also Helm, Gasmaske und Kampfstiefel und so.“ Dem Gebrüll im Zelt zufolge war Stalos wieder da, doch ließ sich Masaru nicht stören und erklärte: „Vor denen die aussehen wie Zivilisten, brauchen Sie sich nicht zu fürchten. Das sind einfache Rekruten, die für die höherrangigen Truppen die Drecksarbeit erledigen und gerade erst gelernt haben, sich nicht selbst zu erschießen. Leider sind das alles ausschließlich zu den Banditen übergelaufene Bewohner ...“ Bei all dem geballten Wissen keimte in Wolf eine wichtige Frage auf: Woher wusste Masaru das alles? „Die uniformierten Männer schließlich sind … na ja, Berufssoldaten mit technisch aufgerüsteten Waffen. Sie können sich sicherlich denken, dass sie mit Ihnen locker den Boden aufwischen können. Was sehen Sie noch?“ Hinter den Vorderbeinen erspähte Wolf einen umgebauten Lastwagen, von Rekruten und Soldaten flankiert. An der Front war ein improvisierter Bohrer montiert, dessen Gewicht von einem Container auf der Ladefläche ausgeglichen werden musste. Gerade drehte der Bohrer an, der Laster fuhr vor und machte sich an die Arbeit. Die Männer indes suchten vor dem Funkenregen Schutz hinter dem Fahrzeug und hielten die Ohren zu. Und zack, war eine Taktik entwickelt. „Ich sehe eine klapprige Bohrmaschine und ein paar Leute drum rum, aber ich weiß, wie ich die alle um die Ecke bringen kann. Ich werde den Lärm ausnutzen, mich an sie heranschleichen und dann im Kugelhagel umhauen. Mann, bin ich gut heute!“ Sein Gesprächspartner teilte diese Begeisterung, und wer konnte es ihm verdenken, nicht. „Ja, wirklich, ganz toll … Sonst noch was?“ Der Kopfgeldjäger schaute noch einmal und suchte die Gegend rudimentär ab. Kaum wollte er eine negative Meldung abgeben und mit dem Angriff beginnen, bis ihm etwas ins Auge fiel. Ein verwester Kopf eines Katers mit einem Loch in der Stirn, das Gesicht zu einem Schrei deformiert, an der Spitze eines Speers. Sofort fletschte Wolf die Zähne und dachte daran, welche Grausamkeiten er den Piraten antun könnte. Aber eines stand fest. Ustanak war hier. „Leute, wir haben ein Problem.“, sagte er und am anderen Ende tönte genervtes Stöhnen. „Mit Ihnen gibt es immer Probleme, O'Donnell. Was ist es denn diesmal?“ „Ustanak ist hier. Ich weiß nicht, ob ich die Mission fortführen kann, ohne draufzugehen.“ Etwas schlug auf den Tisch und Masaru rief: „Verflucht! Kann denn mal nicht eine einzige Mission reibungslos verlaufen? Ziehen Sie sich zurück, wir m...“ „Ziehen Sie sich zurück und ich erwürge die beiden Banditen hier eigenhändig!“, brüllte Stalos ohne Vorwarnung dazwischen, „Sie werden den Ort nicht eher verlassen bis er feindfrei ist, so wahr ich hier stehe! IST DAS KLAR?!“ Nicht nur drohte das Geschrei Wolfs Trommelfell zu zerreißen, jetzt war sein Geduldsfaden endgültig gerissen. Er gab keine Widerworte, aber er wusste von da an, der Captain würde nicht mehr lange leben. Genauso wie sich die Lebensdauer des fetten Generals drastisch reduzierte. „Gut, wie Sie wünschen. Masaru, haben Sie eine Idee, wie ich Ustanak zerstören kann?“ Stille. „Grrr, fein! Ich lasse mir was einfallen.“ Er beobachtete den Panzer weiter durch das Fernglas. Derzeitig guckte, oder zielte sie etwa, die Maschine auf den Lastwagen und schwenkte auf einen torkelnden Rekruten um, der sich kaum auf den Beinen halten konnte und aus einer Flasche zu trinken versuchte, wobei er sich mit dem Gesöff überschüttete. Ein Schlag mit dem Kanonenrohr auf dessen Rücken und der Mann blieb im Dreck liegen. „Richtig so, so werden faule Arbeiter diszipliniert!“ Da guckte Ustanak den Söldner an. Im nächsten Augenblick sah er etwas aufblitzen. „OH SCH...“ Plonk! Das Fernglas flog aus den Händen und traf seine Stirn mit so einer Wucht, dass es ihn nach hinten warf. Es tat höllisch weh und dem brennenden Schmerz nach, musste der Aufschlag eine blutende Wunde verursacht haben. Trotzdem regte er sich nicht, allein aus der Sorge heraus, gefunden zu werden. Überhaupt konnte er seinem Schutzengel, sofern er einen hatte, danken, keinen direkten Treffer erlitten zu haben. „Das war die letzte Warnung, O'Donnell.“ Ustanaks robotische Stimme, und sie kannte seinen Namen. Wie hatte er es geschafft, sich in den Kanal einzuklinken? Vielleicht war das der Grund, warum die gesamte Zeltbelegung von ein auf dem anderen Moment schwieg. „Fliehe solange du noch kannst, oder ich richte dich noch übler zugrunde als dieses Katzenalien.“ Nach diesen Worten begann das Komlink kurz zu rauschen, und als es aufhörte, empfing er einen überaus beunruhigten Rentner. „O'Donnell! Hören Sie mich?! So sagen Sie doch etwas! Nein Captain, er ist ganz bestimmt nicht übergelaufen!“ Ohne sich zu bewegen, antwortete Wolf: „Ja, ich lebe noch und bin haarscharf verfehlt worden. Wenn ich Ihnen ein Kompliment machen darf, Ustanak zielt verdammt gut.“ Ein leiser Jubel entfuhr dem Mann und er entgegnete: „Sehr gut! Die Verbindung brach ab und die Irren wollten Jan und mich schon töten. Wie ist die Lage?“ Statt dieser Bitte Folge zu leisten, berichtete Wolf den Zuhörern was in der Zwischenzeit passiert war und Ustanak offenbar mithören konnte. Das rief sogleich Stalos auf den Plan, der umgehend befahl, Funkstille zu bewahren und nur zu sprechen, wenn es wichtig war. Allerdings dachte er gar nicht erst daran, Verstärkung zu schicken. „Hey! Und wer soll mir sagen, wie ich mit Ustanak fertig werde?“ Klick! „Von wegen „nur wenn es wichtig ist“ ...“ Aufs Neue allein gestellt, blieb er zur Sicherheit einige Minuten lang liegen. Sobald er genug hatte und ihm das Sturmgewehr Rückenschmerzen bereitete, rollte er sich auf den Bauch und suchte zuvor nach dem Fernglas. Es lag mehrere Meter von ihm neben einer großen Patrone entfernt und Wolf brauchte nur kurz hinzusehen um zu erkennen, dass es zerstört war: Die Kugel hatte das Visier in sämtliche Einzelteile zerlegt. „Tja … sauberer Schuss, Blechdose. Na dann, an die Arbeit. Oder?“ Schnell hinter dem Stamm hervorgelugt und gehofft, Ustanak habe sich von ihm abgewendet, tauchte er unter und arbeitete sich kriechend vor. Die Tarnfarben seiner eigenen Kleidung mochten den Panzer vielleicht nicht hinters Licht führen, aber dafür eventuell die Fußtruppen. Die hohen Gräser und Wurzeln, natürlich ebenso die Bäume, ob gefällt oder nicht, dienten ihm dabei als Deckung, nicht zu vergessen die massiven Beine des Kampfläufers. Ab und an die Lage geprüft, sollte er bald den Rücken erreichen. Den Turm des KI-Fahrzeugs sah er zwar nicht, jedoch war Moritz' Kopf sichtbar, der in eine andere Richtung blickte. Nach einer Weile war er bereits nah genug, um die Bohrmaschine als ohrenbetäubend zu empfinden und die betrunkenen Soldaten lallen zu hören. Gemäß seinen eigenen, weiterhin unangenehmen Erfahrungen mit Alkohol, durften die Männer betrunken genug sein, um ihn weder als Feind zu identifizieren, geschweige denn zu bemerken. Einen flüchtigen Blick auf die Gestalten erhascht und seine Lippen formten ein Lächeln. „Sie werden nicht wissen, was sie getroffen hat!“ Kurz vergewissert, dass ihn die Gegner nicht sehen konnten, ging er aus der Deckung auf die Vierergruppe zu. „[Lasst uns den, öh, Birkensemmel biegen, den Knüp-rülps-pel der lockigen Bohne biegen! Aida, da ah da! Ah ja, au aua! Den Knüppelsche der lockigen Beine biegen! Yo ho, ich hab den Text vergessen!]" Im nüchternen Zustand wäre es ein schönes Lied geworden, denn die Melodie an sich gefiel ihm. Doch nicht mit reihenweise falsch getroffenen Noten mittendrin! Zu schade, dass sie es nicht mehr richtig singen werden. Die Männer saßen mit halb geöffneten Augen auf der Erde, streckten Flaschen in die Luft und standen kurz vorm Einschlafen. Der Soldat war in diesem Fall den Rekruten keineswegs ein Vorbild, war er doch der einzige, der im eigenen Erbrochenen hockte, die lose hängende Maske davon beschmutzt. Das war ein professioneller Infanterist? Wie auch immer, er näherte sich dem erstbesten Rekruten von der Seite und wartete ab, bis die Piraten erneut anfingen zu bohren. Bei dem Krawall sollten Schreie nicht auffallen, falls sie den Schmerz noch spürten. Sein erstes Opfer trug ein Kampfmesser an der Brust. „Perfekt!“, dachte er und machte sich bereit. Kaum hatte der Bohrer die Arbeit aufgenommen, entwendete er dem Mann die Klinge, was dieser nicht registrierte und versenkte sie in dessen Hals. Der Todeskampf war nur von kurzer Dauer: Der arme Kerl erstarrte und riss die Augen auf, aber vielmehr aus Reflex als aus Erkenntnis. Wolf hatte nicht mal das Messer rausgezogen, schon rollten die Augäpfel nach hinten und der Rekrut sackte zusammen. Das war für ihn kein Neuland mehr; in seinen jungen Jahren hatte er bereits mehr als einen Erwachsenen erstochen, die meinten, ihn ausrauben oder verprügeln zu können. Ihn beeindruckte bis heute die Emotionslosigkeit die er beim Töten verspürte, als wäre es etwas Alltägliches wie der morgendliche Gang ins Badezimmer. Die Körperflüssigkeiten waren Nebensache und nichts, woran er sich labte. Zu Wolfs Amüsement merkten die Säufer den Tod ihres Kameraden nicht, sondern lallten ihr Lied fröhlich in die Welt hinaus. Diese Gelegenheit ließ er selbstredend nicht ungenutzt. Die Klinge genommen und seine Hose ein wenig vom Blut benetzt, ging er zum nächsten Rekruten und tötete ihn durch einen präzisen Stich. Wolf wartete gar nicht erst auf das Ableben des Opfers, sondern machte zügig beim Nächsten weiter. Derjenige drehte den Kopf zu ihm hin und schaute ihn müde an, aber es bewahrte seinen Nacken nicht davor, durchstochen zu werden. Erst der Soldat begriff was Sache war, nachdem plötzlich immer mehr seiner Kumpanen verstummten und versuchte aufzustehen. Dazu ließ es Wolf nicht kommen ... Damit den Rücken freigeräumt, bemächtigte er sich den Waffen und Magazinen der Toten. Wolf stellte fest, dass der Soldat im Gegensatz zu den Rekruten das schwarze, größere Gewehr trug, das Gleiche womit er gestern Nacht von den Sturmtruppen erwischt wurde. Also musste es leistungsfähiger sein, richtig? Somit die Ausrüstung gewechselt und eine dunkle Pistole samt Munition erbeutet, setzte er den nächsten Teil seiner Planung um. Zuallererst streckte er seinen Kopf hinter der Rückseite der Bestie heraus. Die Beine boten guten Sichtschutz und er konnte Ustanak anhand der Speere problemlos erkennen. Umso merkwürdiger, dass er nicht da war. „Heute ist mein Glückstag“, murmelte er zufrieden und war erst recht glücklich, als die Bohrmaschine den Betrieb einstellte. Länger wollte er den Lärm nicht ertragen und je schneller der Fiesling am Steuer über den Jordan ging, desto besser. „Dann mal los!“ Auf einmal tippte ihn jemand von hinten an. „Ich hätte wissen müssen, dass der Tag bislang zu gut verlief.“ Wolf schloss die Augen und drehte sich um. Dann, nach verstrichenen Sekunden, öffnete er sie wieder, und wurde rot. Rot wie eine Tomate traf es am besten. Er blickte in einen dunklen Lauf und sah am Ende ein Geschoss glitzern. „Ich habe dich gewarnt, O'Donnell ...“ Der Kopfgeldjäger vergrub sein Gesicht in den Händen und lachte. Nicht zum Spaß, wohlgemerkt. „Gott, ich wurde von einem Panzer überlistet, einem PANZER! Wie peinlich ist DAS denn, bitteschön? Da komme ich mir vor wie ein Genie, indem ich den Krach ausnutze und merke nicht, wie sich eine übergroße Thunfischdose an mich heranschleicht! Mann, ist das witzig!“ Danach wandelte sich sein Gelächter schrittweise zum Schluchzen. „Hast du wirklich gedacht, ich falle darauf rein? Ich vereine die Weisheit und Erfahrung eines altehrwürdigen Kriegers in mir. Mit diesem kindischen Hinterhalt täuschst du höchstens unerfahrene Soldaten. Und jetzt ab!“ Wie, keine Kugel durchs Hirn? Könnte das doch sein Glückstag sein? „Öhm, ich dachte, du w...“ „Ab habe ich gesagt! Husch husch, der Kapitän kommt. Wird's bald!“ Wolf kam dem Befehl unverzüglich nach und Ustanak führte ihn ab. Aber Kapitän? Die Sache mit den Piraten nahmen sie wohl … ein BISSCHEN zu ernst. Gleich würde er also dem gefürchteten Anführer begegnen. Was das für eine Person sein mochte? Grausam, brutal und bösartig? Oder streng, hart, aber fair? Oder auch freundlich und väterlich, aber konsequent? Nichtsdestotrotz war es für ihn irrelevant, auf wen der Söldner letztendlich traf. Wenn schon sterben, dann nicht ohne einen guten Kampf. Er wollte schon immer mal einem hochrangigen Tier „die Fresse polieren“, wie er es zumindest ausdrückte. Der Panzer leitete ihn an den Hinterbeinen vorbei, um die Füße herum und bis zum Heck des Lasters. Dort standen Rekruten und Soldaten gleichermaßen zu beiden Seiten in Reihenformation, die Körperhaltung stramm und die Gewehre über den Rücken getragen. Die Piraten machten dem Begriff „Armee“ in der Tat alle Ehre. „Nimm das Sturmgewehr, still gestanden und die Waffe über den Rücken“, wies ihn Ustanak an, „Der Kapitän erwartet äußerste Disziplin, dann wird er dich gut behandeln – natürlich wenn er in der Stimmung dazu ist.“ Anschließend setzte der Panzer zurück und postierte sich neben den Soldaten. Sobald die Sicht auf die dahinter liegende Ebene frei war, sah Wolf einen Greis komplett in Schwarz gekleidet auf sich zukommen. Dementsprechend tat der Kopfgeldjäger wie ihm geheißen und imitierte die anderen, aber nur, weil er Ustanak ausnahmsweise vertraute – sofern man von Vertrauen sprechen konnte. Der Mann mit dem ergrauten Vollbart trug einen schweren, geschlossenen Offiziersmantel samt Schirmmütze und musste einen Gehstock als Hilfe verwenden. Statt Rangabzeichen waren an den Oberarmen und der Mütze grimmige Totenschädel mit gekreuzten Säbeln gestickt. Moment, den hatte er doch gestern gesehen … diese Sonnenbrille … Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Das Foto! Er musste zu den Forschern gehört haben, die an der KI arbeiteten! Allerdings, was sollte ihm das Wissen darum in dieser Situation bringen? Trotz seiner gebrechlichen Statur hatte Wolf aufgrund der düsteren Ausstrahlung mehr Respekt vor ihm als Stalos und Rhino zusammen. Oder es lag daran, dass, na ja, der Herr eben alt war und die Manieren des Söldners geboten, ältere Herrschaften mit Würde zu behandeln. Jede Einheit, an der der General vorbeischritt, salutierte und selbst Ustanak tat es auf seine eigene Art, in dem er das Rohr und das Maschinengewehr gen Himmel richtete. Zum Schluss war Wolf dran, als er direkt vor ihm stand. „Hi! Ich habe keine Ahnung warum ich das mache, aber Ustanak hat es gesagt, also mache ich das auch.“ Die Mundwinkel des Alten regten sich nicht. Ehe Wolf wusste was vor sich ging, verpasste man ihm mit dem Stock einen Schlag auf den Kopf. „Falsche Antwort, Jungspund!“, krächzte der Herr, „Es heißt „Sir“ und nicht „Hi“. Hat man euch denn nicht beigebracht, wie man mit Vorgesetzten zu reden hat?“ Wolf rieb sich die wunde Stelle, geriet jedoch daraufhin in Rage und brüllte: „Es reicht! Ich hab genug von euch hochrangigen Idioten!“ Nach diesem Aufreger schlug er mit der Faust zu. Die Umstehenden griffen vor Schreck zu ihren Waffen, hielten aber inne als ihr Anführer einen unverständlichen Befehl erteilte. Wolf staunte nicht schlecht: Er hatte gedacht, der Kerl würde von seinem Treffer mit gebrochenem Kiefer am Boden liegen und um Gnade winseln. Und was musste er in Wirklichkeit sehen? Sein Kontrahent hielt die Faust mit der Hand fest. Der General schüttelte langsam den Kopf und sagte in einem gelangweilten Ton: „Netter Versuch, Kleiner.“ Unmittelbar danach lag Wolf selbst am Boden, die linke Wange am brennen. „Erbärmlich, einfach erbärmlich. Nun Männer, was meint ihr?“ Die Menge begann zu lachen und zu spotten; für Wolf eine Schmach sondergleichen. Was ging hier vor? War er aus Versehen in einer verkehrten Welt gelandet? Er konnte unmöglich gegen einen alten Sack verlieren! Oder etwa … doch? „Wie, haben Sie schon genug? Das war doch nur ein einfacher Klatscher, so wie Eltern ihre ungehorsamen Kinder bestrafen. Geben Sie jetzt schon auf?“ Mit einem Ruck stand Wolf wieder auf den Beinen und stürmte ohne nachzudenken auf ihn los. Eine Dreier-Schlagkombination wehrte der General zum Entsetzen des Söldners mühelos mit den Handgelenken ab und konterte mit einem geraden Hieb ins Gesicht. Wolf wurde zurückgestoßen und wäre gestürzt, hätte er sich nicht umgedreht und auf die Knie fallen lassen. Er hustete ein paar Mal und strich mit dem Arm über die getroffene Stelle. Ein flüssiger, roter Streifen. „Wirklich, Sie enttäuschen mich. Von jemandem, der ...“ „Halt die Fresse, Faltengesicht!“ Mit diesen Worten griff er zur Pistole … PENG! „AAAARGH!“ Ein bestialischer Schmerz durchfuhr seine rechte Hand. Er hatte schon viele Arten des Schmerzes erlebt, aber nichts war mit dem zu vergleichen, was ihn soeben verletzt hatte. Allerhöchstens schwere Verbrennungen, aber das war kein Feuer. Vorsichtig hielt er die Pfote vor sein tränendes Auge – und erschrak. Mittig klaffte ein rundes Loch und blutete endlos. Die Patrone? Steckte vor seinen Füßen in der Erde. Beim Anblick der zerfetzten Gewebe wurde ihm übel, und er behauptete von sich, hart genug zu sein. Aber wie immer sah die Realität anders aus. „Hör auf zu weinen, Alien. Als ich in jungen Jahren für mein Land in den Krieg ziehen musste, wurde ich von acht Kugeln aus MGs und Sturmgewehren und Schrapnell getroffen. Und ich habe nicht geheult wie ein Schlosshund. Wissen Sie warum?“ Wolf achtete nicht auf ihn, sondern versuchte den Schmerz durch schnelle und hektische Atmung erträglicher zu machen. So merkte er nicht, wie der General vor ihm stand und ihn gewaltsam aufstellte. Die Sonnenbrille war vollkommen undurchsichtig. Sah sie nur so aus oder war sie wirklich so schwarz, dass man nicht durch die Gläser gucken konnte? Nun vollendete sein Gegner die eigens gestellte Frage und sprach: „Weil ich ein echter Mann bin.“ Klatsch! Seine Brille segelte wild drehend durch die Luft und wurde von einem aufmerksamen Rekruten aufgefangen. Von der Ohrfeige zeigte sich der Herr jedoch unbeeindruckt und setzte eine verärgerte Miene auf. Zwar nicht ganz das beabsichtigte Ergebnis, aber wenigstens konnte Wolf seinem Feind endlich in die Augen sehen. Hätte er es seinem Selbstbewusstsein zuliebe doch besser gelassen … „Sie sind ... BLIND?!“ „Hm!“ Die milchigen Augen ließen nicht von ihm ab, während der Mann einen Schritt nach hinten trat und den freien Arm zurückzog. Der Kopfgeldjäger war zu geschockt um sich zu wehren und suchte nach der Antwort auf die Frage, wie er gegen einen Blinden verlieren konnte. „Das muss ein Alptraum sein! Das kann einfach nicht wahr sein!“ Somit hatte der General leichtes Spiel. Er sammelte seine Kraft und schnellte danach mit offener Hand Richtung Wolfs Brust. Was für Otto-Normal-Verbraucher wie ein schneller Schubser aussah, war in Wirklichkeit ein unglaublich kraftvoller Stoß, wodurch der Söldner abhob, gegen den Container prallte und zu Boden glitt. Nur ein einziger Stoß, nichts weiter. Kein großer Kraftaufwand und dennoch … der berüchtigte Anführer des Star Wolf-Teams konnte sich nicht mehr bewegen. Gleichzeitig fiel er in die tiefsten Abgründe seiner Psyche. „Mit Bedauern muss ich feststellen, dass der Außerirdische, der uns so viel Ärger bereitet hat, hinter dem großen Mundwerk nichts anderes als ein kleiner Fisch mit zu viel Glück ist. Ich kann leider keinen Gegner ernst nehmen, der nach einer Schussverletzung in der Hand meint, er würde sterben. Was denkt ihr, Männer?“ Die Menge redete durcheinander, als ob sie sich beraten würde und kam zu keinem gemeinsamen Konsens. Mittendrin schaltete sich Ustanak ein, der seinen Herrn in fremder Sprache fragte: „[Sir, dürfte ich ihn übernehmen? Es wäre mir eine Ehre, ihn als Trophäe zu tragen.]“ „[Nein, Ustanak. O'Donnell hat im Gegensatz zu seinem Alien-Freund versucht, mir die Stirn zu bieten. Aber dein Engagement ist wohlwollend vermerkt.]“ „[Ich danke Ihnen, Kapitän. Was gedenken Sie zu tun?]“ „[Ich werde ihm den Gnadenschuss geben. Dann soll sein toten Körper im Dorf beerdigt werden. Gleichzeitig soll es eine Warnung an alle sein, die es wagen, sich gegen die Piratenarmee aufzulehnen.]“ Wolf lauschte dem Gerede nur am Rande. Stattdessen versank er im Selbstmitleid und jammerte zum zweiten Male, womit er das alles verdient hätte. Sollte so sein viel zu kurzes Leben enden? Nun, in einem Punkt hatte er recht: 18 Jahre waren für einen Kopfgeldjäger schon alt. Aber es gab doch noch so viel in der Welt zu sehen, so viele Dinge die er noch machen wollte ... „O'Donnell! Schauen Sie mich an!“ Er reagierte nicht. Daher packte ihn der Alte am Mund, drehte den Kopf und stützte ihn am Trittbrett des Lasters ab. Alle Personen und Objekte, mit Ausnahme des Kapitäns, nahm er als Schemen mit dunklen Konturen wahr, ähnlich wie Gespenster. Sah so der Übergang zwischen Leben und Tod aus? Sein Gegenüber ging ein Stück zurück, schaute je einmal zu beiden Seiten und redete mit lauter Stimme: „Mister O'Donnell, ich möchte Ihnen an der Stelle ein Lob aussprechen. Sie waren bisher der einzige, der den Kampf mit der Piratenarmee aufnahm und mich aufzuhalten versuchte. Alle anderen, einschließlich Ihres haarigen Kumpanen auf dem Speer, leisteten keinerlei Gegenwehr und flohen. Deswegen, verehrter Herr, möchte ich Sie nicht länger leiden lassen. Bestellen Sie Ihrem anderen Freund und meinem langjährigen Kollegen Masaru-Ito schöne Grüße im Jenseits, sobald ich sie in die Finger bekomme.“ Er zückte die Pistole, spannte den Hahn und zielte auf den Kopf. „Ich versuche nur unser Volk gegen extraterrestrische Invasoren zu beschützen, es ist nichts gegen Sie persönlich. Obwohl, es war von Anfang an russisch Roulette mit allen sechs Kammern geladen.“ Dann betätigte er den Abzug. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)