Im Schatten des Universums von UAZ-469 (Machtergreifung) ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Trotz der kühlen und erfrischenden Temperaturen triefte der Schweiß von seinen Fellhaaren herunter. Über Stock und Stein, Ästen und Wurzeln rannte er, ohne an eine Pause zu denken. Er musste einen möglichst großen Vorsprung zu seinen Häschern erreichen. Nur so könnte er in Sicherheit gelangen – irgendwann. Sein Vorteil: er war zu Fuß unterwegs und bewältigte jedes Terrain problemlos. Dagegen fuhren die Gegner ein zwar schnelles Panzerfahrzeug, ein reibungsloses Vorankommen im Gelände war zu Wolfs Glück aber nicht drin. Wenn jetzt nur nicht die mangelnde Kondition wäre ... Seine Glieder hatten ihre ganz eigene Art, ihn zur Pause zu zwingen. Nämlich, indem sie schlicht ihren Dienst verweigerten. 300 Meter mussten genügen, Wolf war ja bekanntlich kein Marathonläufer. Ganz egal, ob er paar Sekunden später gefunden wurde. So hielt er an, stützte sich mit den Armen an den Beinen ab, keuchte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Im Augenblick konnte er keinen einzigen Schritt nach Vorn tun, so ermattet war Wolf. Natürlich widersprach dies seinen Prinzipien, immer und überall einsatzbereit zu sein, doch manchmal brauchte auch er eine kleine Auszeit. Darum lehnte er sich mit dem Rücken an einen Baum und ließ sich zu Boden gleiten. Der Schmutz und die Feuchtigkeit waren ihm egal. Einfach nur sitzen und ein wenig entspannen. Sofern man mit verfolgenden Feinden überhaupt von Entspannung sprechen konnte. Um nicht der Versuchung des Schlafs zu erlegen, was tödlich wäre, fing er wieder da an, wo er bei Tic-Tac-Toe aufgehört hatte. Nach fünf Minuten zweifelhaften Gehirnjoggings, vernahm er plötzlich erneut den Lärm von Motoren. Weiterhin sitzend blickte er sich gehetzt um. Kurz überlegte er, ob es sinnvoll wäre, aufzustehen, verwarf den Gedanken aber wieder, da niedrige Silhouetten schwieriger auszumachen waren. Dafür konnte er bei Bedarf nicht schnell um den Stamm herumgehen. Stattdessen legte er sich flach auf den Bauch und spähte. Über den Grashalmen und unter einer vorbeiziehenden Libelle sah er einen Wagen. Nicht derselbe wie das von Vorhin, denn es war kleiner und rollte auf ebenso kleineren Rädern. Zusätzlich bestand das Dach aus Stoff. Entweder verfügten die Bewohner nicht über Antigrav-Fahrzeuge oder sie hinkten dem technologischen Fortschritt hoffnungslos hinterher. Wie üblich gingen diese beiden Gründe Hand in Hand. In Beige lackiert und ohne sichtbare Bewaffnung, erweckte das Fahrzeug nicht den Eindruck eines Kampffahrzeugs. Im Vergleich dazu wirkte es uralt, aber zuverlässig. Lediglich der Fahrer am Steuer bereitete ihm Sorgen, der mit heruntergelassener Scheibe die Gegend sichtete – ebenfalls eines dieser fremden Lebensformen. Andererseits mutete er mit der dicken Mütze auf dem Kopf … väterlich an. Wie eine sanfte Seele, die keiner Fliege etwas zuleide tun könnte. Doch wie sagte man so schön? Der Schein trügt. Umso schlimmer, als der Wagen auf einmal ohne Umwege direkt auf ihn zu fuhr. Obwohl von der Bodenbeschaffenheit hin und her geschaukelt, kümmerte es das Vehikel nicht. Souverän meisterte es das Terrain, ohne ausweichen zu müssen. Mit dieser Geländegängigkeit hatte Wolf nicht gerechnet und nun blieb er still in der Hoffnung liegen, von ihnen nicht entdeckt zu werden ... „[Hey, Sie da!]“ „Na toll ...“, grummelte er flüsternd, „Wenn schon nicht durch Alkohol, dann eben durchs Aufschlitzen.“ Er sah, wie das Fahrzeug vor ihm stoppte und zwei männliche Personen ausstiegen, nachdem sie den Motor abgeschaltet hatten. Der Linke trug ein, Wolfs Meinung nach, antikes Gewehr. Mit diesen sollte er es sich also nicht verscherzen, besonders weil dieser sofort auf ihn zielte. „[Sie können ruhig aufstehen, Ihre Kleiderfarben sieht man schon auf zwei Kilometern]“, sagte der rechte Mann in einem ruhigen Ton, was Wolf wieder Mal nicht verstand. Aus dem Kontext der derzeitigen Situation heraus hingegen vermutete er, sie wollten ihm sagen, dass er ruhig aufstehen könne. Darum stand er langsam auf und hielt die Hände hoch. Alles, um nicht vorzeitig eine Kugel einzufangen. Jetzt hatte er endlich die Gelegenheit, diese Kreaturen näher zu betrachten: Zuallererst fiel ihm auf, dass beide je einen Kopf größer waren als er. Arme und Beine wiesen geringfügig mehr Masse auf, was ihn zu der Annahme verleitete, dass sie über eine höhere Körperkraft verfügten, ganz gleich ob der Fett- oder Muskelanteil größer war. Abgesehen davon trugen sie ganz gewöhnliche Klamotten, die Wolf dennoch antiquiert vorkamen. Sie hatten nichts von der Eleganz und Moderne dessen, was heutzutage in den Modegeschäften angeboten wurde. Würde man ihn fragen, wie er ihren Kleidungsstil beschreiben würde, so hätte er gesagt, sie sähen aus wie Landstreicher von vor hunderten von Jahren. Und das bedeutete: Straßenschuhe, Jeans, ein einfaches Hemd und eine dicke Jacke darüber. Nur derjenige ohne Waffe trug eine Pelzmütze, sowie eine Brille. Weiter war ihre Haut nackt. Zumindest konnte er keine Fellhaare erkennen, bis auf den leichten Bartwuchs des Bewaffneten und die obligatorische Kopfbehaarung, die bei den Fremden recht kurz ausfiel. Abschließend dachte Wolf bei ihnen an Affen, ähnlich Andrew. Die einzigen Unterschiede waren das fehlende Fell und der Schweif, die kleineren Augen, der eher breite als hohe Kopf und die eigenartig geformte Nase. So ... dreieckig. „[Nimm die Waffe runter]“, bat derjenige ohne Waffe seinen Kameraden, „[Ich glaube, er gehört nicht zu denen.]“ Dieser senkte daraufhin misstrauisch das Gewehr, musterte Wolf jedoch aufmerksam. Der Kopfgeldjäger gestand sich ein, nicht ganz seriös auszusehen ... Dann sprach man ihn an und sagte: „[Gut, dass wir Sie rechtzeitig gefunden haben.]“ Ungeachtet Wolfs zunehmender Ignoranz, weil er ihm nicht folgen konnte, zeigte der Mann auf sich selbst und redete: „[Ich bin Igor]“. Anschließend drehte er sich zum Nebenstehenden um und fuhr fort: „[Und das ist Sergej, unser Jäger.]“ Der lächelte kurz, hob eine Hand und grüßte im steigenden Ton: „[Hi. Ich hoffe, Sie wurden von denen nicht allzu stürmisch empfangen.]“ Wolf deutete die Gesten als simple Begrüßung, überdies hörte er inmitten der Sätze zwei Namen. Insofern musste der rechte Mann Igor und der Andere Sergej sein. Wahrscheinlich war er als nächstes mit der Vorstellung dran – die Comedy begann. Immerhin waren sie freundlich und schossen ihn nicht über den Haufen. Zuerst machte er es Igor nach. Er deutete auf sich und stellte sich mit „Ich, Wolf O'Donnell.“ vor. Die Arme verschränkt, nickte Igor, als ob er den Namen verstanden hätte. Eine Braue hochgezogen, wiederholte er den Namen und grinste, nachdem der Kopfgeldjäger die Richtigkeit bestätigte. Wie es aussah, bestanden keinerlei Schwierigkeiten in der Kommunikation seitens der Fremden. Nun fing Sergej an zu sprechen und damit wurde es problematisch: „[Was verschlägt Sie denn hierher, wenn man fragen darf?]“ Somit stand Wolf auf dem Schlauch. Bemüht suchte er nach der richtigen Art und Weise, mit ihnen verbal umzugehen, leider ohne Erfolg. Danach aber, nach der Devise „Fragen kostet nichts“, fragte er sie: „Versteht ihr eigentlich, was ich sage?“ Wie erwartet sahen sie sich schulterzuckend an. Ein wenig Gemurmel, später wendete sich Igor wieder an ihn. „Du ... äh ... Deutsch?“ Im ersten Augenblick froh darüber, sie in seiner Sprache reden zu hören, dann allerdings vor den Kopf gestoßen, als sie ihn als Deutsch bezeichneten, entgegnete er: „Ich nix kann Landeier-Sprache.“ Er hatte keine Ahnung was Deutsch bedeutete, aber es klang für ihn wie ein Schimpfwort. Wolf wusste auch jede Menge und jeder war gut beraten, ihn nicht dazu zu bringen, sie zu benutzen. Dies merkten die Männer, gequält lächelnd ob des Patzers. Eilig miteinander beraten, änderte Igor seine Strategie und setzte neu an. Diesmal zeigte er mit der offenen Hand auf ihn und sagte: „Du.“ Sein Arm wanderte nach hinten zum Wagen und der Kopfgeldjäger kam sich bloßgestellt vor. „Auto. Fahren. Dorf. Reden.“ Endlich ging Wolf ein Licht auf. Warum denn nicht gleich so? „Dankeschön!“, bedankte er sich lächelnd und die Männer atmeten erleichtert auf. Kaum in Bewegung gesetzt, ertönte ein wütender Schrei und sie wurden kreidebleich. „[SOFORT STEHENBLEIBEN!!!]“ Zwischen den Stämmen tauchte der schwarze Panzerwagen auf. Das Gelände vermochte es nicht auszubremsen und das Geschütz war bemannt. Kleinlaut fragte Wolf die Herren: „Äh, sollten wir uns nicht verpissen?“ Als Antwort darauf starrten ihn vor Angst verzerrte Gesichter an. „Okay, dann halt nicht ...“ So blieben sie stehen, bis es neben ihnen anhielt. Der Motor blubberte unterdessen weiter. Die Karosserie eckig, die Front hässlich und zweckdienlich von einem Kuhfänger mit Scheinwerfern geschützt, strahlte der Wagen die typische ... „Militäraura“ aus. Neben der Beifahrertür sah er zudem ein kleines Logo: Ein ihm unbekannter Totenschädel und darunter gekreuzte Säbel. „[Erwischt, Alien]“, raunte der Mann am Maschinengewehr Wolf zu, „[Besten Dank an diese werten Herrschaften, die Sie so lange aufgehalten haben.]“ „[Lasst ihn in Ruhe, ihr habt genug auf dem Gewissen!]“, rief ihnen Igor entschlossen entgegen, woraufhin ihre Gegner schmunzelten. Daraus entwickelte sich ein längeres Streitgespräch, in dem Wolf auf Durchzug schaltete und einen Plan zur Übernahme des Fahrzeugs schmiedete. Der Fahrer war soeben ausgestiegen und verfügte ebenfalls über ein Gewehr, dem enorm krummen Stangenmagazin zufolge eine Automatikwaffe. Doch Wolfs Erachtens nach trotzdem antik. Die Feinde entstammten derselben Rasse wie seine Begleiter, waren jedoch im Gegensatz zu ihnen wilder gekleidet. So trug der Turmschütze statt eines Hemds lediglich eine Weste und darüber einen Patronengurt, die Kopfbehaarung von einem Tuch verdeckt. Die Brust war im Vergleich zum restlichen Körper stark behaart – Sollten das Fellhaare sein? Wolf würde sich in Grund und Boden schämen, so auszusehen. „[Du, übergroßer Teppich!]“ Intensiv nachdenkend, schreckte er auf. Gleichzeitig glaubte er, gerade beleidigt worden zu sein. „[Einsteigen!]“ Seine Mitstreiter machten ihm mit Gesten klar, dass er in den Panzerwagen steigen sollte. Das hatte er auch so in den Sinn – auf seine eigene Art. Mit erhobenen Händen ging er an dem Fahrer vorbei, der das Gewehr in den Händen hielt. Der Turmschütze wachte derweil sorgsam von seiner erhöhten Position über das Geschehen. Dennoch konnte er den Heckbereich nicht einsehen. Diesen Nachteil musste Wolf ausnutzen. Die netten Männer winkten ihm bereits traurig Lebewohl und der gegnerische Fahrer stieß ihm mehrmals mit dem Lauf in den Rücken. Die hätten sich gewundert ... An der Rückseite angekommen, wo er einen großen Raum für Passagiere vorfand, blieb er plötzlich stehen und regte sich nicht. Ungehalten darüber forderte der Mann: „[Na los, rein da!]“ „Showtime!“ Mit diesem Wort legte Wolf los. Geschwind tat er einen Schritt zurück und rammte seinen Ellenbogen in die Magengrube des Gegners. So erfolgreich vom Angriff überrascht worden, ließ er reflexartig das Gewehr fallen, sank schreiend vor Schmerz auf die Knie und fiel zur Seite, die Arme an die betroffene Stelle gepresst. Aber der Kopfgeldjäger war noch lange nicht fertig. Schnell griff er zur Waffe, merkte wie leicht sie im Vergleich zu den gebräuchlichen Blastergewehren war und schoss dem Wehrlosen ins Gesicht. Dabei flog ihm das Gewehr wegen des unerwartet hohen Rückstoßes beinahe um die Ohren. Außerdem bescherte ihm der extrem laute Knall einen vorübergehenden Tinnitus. Die Blutspritzer auf seinen Klamotten empfand er als Nichtigkeiten. „[Oh Gott, Alex!]“, brüllte der Turmschütze, als er sich auf dem Dach abstützte und das Massaker mit eigenen Augen sah, „[Du Arsch!]“ Wutentbrannt zog er eine Pistole ... Peng! Eine Blutfontäne, ein Loch in der Stirn und ein entgeisterter Blick. Dann schlug er mit dem Schädel auf dem Stahl auf, wo nach einigen Sekunden das Blut an den Seiten hinab floss. Ein flüchtiger Blick zur Seite offenbarte Wolf Sergej als Mörder. Entsetzt standen die Männer nur da und Igor entfuhr ein leises „[Scheiße ...]“ Wolf konnte nicht nachvollziehen, wie man dem Moment des Triumphs so abgeneigt sein konnte. Na gut, wer sich beim Anblick der roten Körperflüssigkeit übergeben musste, dem sei verziehen. Er aber kostete den Sieg voll aus. Lässig legte er Waffe über die Schulter und trat gegen die Leiche am Boden. „Erledigt!“ Daraufhin begannen die Leute ein aufgewühltes Gespräch. Sie betrachteten sorgenvoll das Chaos, lehnten sich an den Panzerwagen und Igor vergrub sein Gesicht in den Händen. Allmählich wurde Wolf klar, dass sie nicht das Blut erschreckte, sondern die Toten. Und er brauchte nicht lange, um zu ergründen, wo das Problem lag. Sogleich half er ihnen, die leblosen Körper in den Panzerwagen zu hieven. Wortlos, fast schon telepathisch arbeiteten sie zusammen: sie saßen von nun an im selben Boot. Fortwährend schweigsam setzte sich Wolf nach getaner Arbeit zu Igor in das Zivilfahrzeug, während Sergej den Leichenwagen führte. Die Sitze, zu Wolfs heller Freude, komfortabel und der Innenraum nicht allzu dreckig, platzierte er das Gewehr unter seinem Sitz und lehnte sich entspannt zurück. Die Ruhe hatte er sich nun redlich verdient, meinte er. Zuvor jedoch begutachtete er das Armaturenbrett: Links ein altmodisches Lenkrad, rechts davon diverse schlichte, aber zahlreiche Anzeigen, dessen Bedeutungen sich ihm nicht erschlossen. Überall waren mehrere Knöpfe angebracht und unter dem Lenker baumelten Schläuche herab. Am auffälligsten waren sage und schreibe vier Hebel, die zwischen den beiden vorderen Sitzen montiert waren. Selbst sein Jagdflugzeug hatte nicht so viele Bedienelemente. Allgemein dachte Wolf spontan an einen als Zivilwagen getarnten, militärischen Späher mit überaus komplizierter Bedienung. Aber solange es ihn von A nach B brachte, war es ihm egal. Nachdem Igor Wolf dabei half, sich anzuschnallen, startete er den Motor und fuhr auf einen Feldweg, Sergej folgte unmittelbar dahinter. Die Fahrt verkürzte sich der ehemalige Starwolf-Anführer durch eine ganz natürliche Tätigkeit: Schlafen, oder es versuchen. Nebenbei benötigte er dringend eine Dusche. Soweit er sich erinnern konnte, lag der letzte Waschgang drei Tage zurück und so langsam konnte er seine eigene Alkoholfahne nicht mehr ertragen. Welch ein Wunder, dass Igor davon nichts mitbekam, vielleicht war er selber ein Trinker. Bei diesem Stichwort fragte er sich: Was war aus Jan und Moritz geworden? Diese musste er auch noch finden, wenn er in den Weiten des Systems überleben wollte. Wäre die Sprachbarriere nicht, hätte er Igor und Sergej über seine Flügelmänner ausgefragt. Das sie ausgerechnet in die Richtung der Rauchsäule unterwegs waren, war keineswegs Zufall. Sicherlich konnte man sie auch von weitem sehen und sie wollten nach Überlebenden suchen. Dummerweise erreichten die Feinde die Absturzstelle zuerst. Und überhaupt: wer waren sie? Dem Streit nach zu urteilen eine verfeindete Gruppe auf diesem Planeten, die schwer bewaffnet durchs Land zog und auf Außerirdische allergisch reagierte. Stellten sie ihre Ausrüstung mit eigenen Mitteln her oder plünderten sie alles, was ihnen nützlich erschien? Ihre Artgenossen ließen sie vermutlich in Ruhe – oder doch nicht? Fragen über Fragen, die ihm ausschließlich Igor und seine Leute beantworten konnten. Dies dürfte nicht lange auf sich warten lassen; die ersten Bauten, darunter ein hölzerner Wachturm, waren in Sichtweite. Dahinter jede Menge Wohnhäuser. Der Fahrer lenkte den Wagen an dem Turm vorbei – ob er besetzt war, konnte Wolf von seinem Sitz aus nicht erkennen – in ein großes Dorf. Es beherbergte Gebäude in scheinbar allen Formen und Größen, mal klein, mal groß, mal gerade, mal schief. Einigen sah man an, dass sie alt waren. Beispielsweise an bröckelnden Steinwänden oder vermodertem Holz. Andere wiederum wirkten wie neu. Aber wie immer: Für Wolf kam es einer Zeitreise in die Vergangenheit gleich. Die breiten Straßen bestanden aus festem Erdboden, keine Spur von Asphalt oder anderweitig modernen Baumaterialien. Dafür ließ es sich prima befahren und -gehen. All das wurde allerdings von einem bestimmten Umstand überschattet, passend zum bewölkten Himmel. Es war niemand draußen. Keine einzige Seele, kein Tier, kein denkendes Wesen, kein gar nichts. Vor ihnen überquerte ein Steppenroller die Straße. War der Ort verlassen oder hatten sich die Einwohner in ihren Heimen verbarrikadiert? Diese Theorie wurde dadurch bekräftigt, als das die Fenster geschlossen und die Vorhänge zugezogen waren. Sogar die Vögel mieden das Dorf und den Kopfgeldjäger beschlich das Gefühl, in Gefahr zu schweben. Also nichts Besonderes. Igor brachte die kleine Truppe zu einem unscheinbaren Wohnhaus inmitten einer Reihe von Gebäuden, einstöckig und das Dach flach. Nur wenige Meter vor der Eingangstür hielten sie an und ließen die Motoren verstummen. Wer hier wohl lebte, weswegen sie hier stoppten? Jedenfalls verließ er den Wagen und folgte den Rettern zur Haustür. Daneben war ein Holzschild montiert, die Schrift für Wolf unlesbar. Außer der Name des Inhabers, der „Piotr Kowalski“ lautete. Auf eine Klingel gedrückt, warteten sie ab, dass man ihnen öffnete. Sie ging auf. Ein Rentner in Latschen, einer kurzen Hose und einem ärmellosen Hemd stand vor ihnen. Die Haare ergraut, die Falten zahlreich und die Brille schwer; er wollte eindeutig seine Ruhe haben. „[Ach, da seid ihr ja wieder]“, begrüßte er sie freundlich und seine Augen drehten sich zu Wolf hin, „[Und wie ich sehe, habt ihr sogar einen Überlebenden gefunden. Kommt doch rein.]“ Der Anblick des Panzerwagens zog seine Mundwinkel jedoch nach unten, was zwar von den Außenstehenden bemerkt, aber nicht hinterfragt wurde. Im Anschluss daran traten Igor und Sergej ein, so auch der Kopfgeldjäger. Just drang der Geruch von Alkohol ins Freie und er hätte am liebsten kehrtgemacht. Sein eigener Exzess reichte ihm völlig. Die fremden Wesen leiteten ihn in ein schick eingerichtetes Wohnzimmer. An den Wänden hingen schöne Gemälde von Naturereignissen, kunstvoll verzierte Regale mit Blumen und Statuetten und eine Kuckucksuhr. In der Mitte standen zwei Sofas für je drei Personen, dazwischen ein Bärenteppich. Der Boden setzte sich aus weißen, rautenförmigen Fliesen mit goldenen Verläufen zusammen. Dieser alte Mann schien sehr wichtig und wohlhabend zu sein. Bei ihm wollte er eines Tages einbrechen. Auf die höfliche Aufforderung Piotrs zum Setzen hin, ließ sich Wolf darauf fallen und war von Glück erfüllt. Nachdem es sich jeder bequem gemacht hatte, ergriff der Gastgeber das Wort und versetzte ihn ins Staunen: „Guten Abend, werter Außerirdischer.“ Wolf traute seinen Ohren nicht. Es musste eine Wahnvorstellung sein, ganz bestimmt. Sonst verlief der Tag gemessen an den vorangegangenen Katastrophen zu gut. „Äh, äh ...“, stammelte er, unfähig auch nur einen sinnvollen Satz zustande zu bringen. Piotr lachte. „Wundern Sie sich nicht, dass ich Deutsch kann. Ich war in der Regierung in der Außenpolitik beschäftigt, da musste ich zwangsläufig Deutsch lernen. Stammen Sie zufällig von einer unserer Erden?“ Das war alles zu viel Input für Wolf. Deutsch? Erde? Wovon redete sein Gegenüber überhaupt? „I-Ich muss zugeben, dass ich gerade von all den Geschehnissen erschlagen werde. Ich hoffe daher, Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich erstmal einfach nur Pause machen möchte.“ Zur Antwort seufzte Piotr und schüttelte den Kopf. Dann erwiderte er ernst: „Ich verstehe Sie. Aber ich fürchte, Sie werden das Dorf nicht mehr lebend verlassen.“ Völlig verwirrt und wütend von dieser Aussage stand Wolf vom Sofa auf und fragte: „Was?! Warum denn das?!“ Irgendwo im Haus schallte eine Alarmglocke. „Ustanak ist hier.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)