Discovering you von RedFlash ================================================================================ Kapitel 1: my worry – your scar -------------------------------   „Du warst heute nicht vollständig bei der Sache“, ermahnte Shisui ihn, ehe er dessen prüfend-dringlichen Blick auf sich spüren konnte.   Die Abendsonne warf ihre Schatten lang hinter ihnen zurück. Den Himmel hatte sie in ein rot-goldenes Licht getaucht. Schwalben zogen über ihnen ihre letzten Kreise, während sie ihren Weg vom Trainingsplatz durch das Uchiha-Viertel nach Hause fanden.   „Ich weiß. Es tut mir Leid.“ Er hatte sein Haupt gesenkt. Betreten. Zu leicht hatte er seine Gedanken heute ablenken lassen, war unkonzentriert gewesen.   Immer noch wurde er prüfend betrachtet, doch schließlich hoben sich die wachsam hinabgezogenen Augenbrauen Shisuis und gaben seinem Gesicht die gewohnt heitere Miene zurück.   „Nah. Schon gut. Willst du mir sagen, woran es lag?“ In einer freundschaftlichen Geste stieß er mit seiner Schulter gegen Itachis, wobei beinahe das Oberteil, welches er in der Anstrengung des Trainings ausgezogen und bisher nicht wieder übergestreift hatte, von dieser heruntergeglitten wäre. Unbefangene Freizügigkeit. Es war nicht das erste Mal, dass der Ältere sich nicht daran störte. Er tat es auch nicht. Es war etwas anderes.   Sein Blick war nach wie vor gesenkt. Nein. Die Antwort lag direkt auf seiner Zunge und doch brachte er sie nicht über die Lippen. Er schwieg. Nur sein Blick glitt im Verborgenen über Shisuis unbekleideten Oberkörper, bis er an dessen rechter unterer Rippe hängen blieb. Hell hob sich eine Narbe dort von der übrigen Haut ab. Sie war groß, die Ränder glatt. Von ihrem Anfang reichte sie weiter über seinen Bauch nach unten. Ihr Ende verbarg sich unter dem Hosenbund. Sie war gut verheilt. Inzwischen. Es hatte anfangs nicht danach ausgesehen. Er schloss seine Augen für einen Moment und die Erinnerung trat wieder deutlicher in seinen Gedanken hervor.   „Tu das nie wieder ...“ „Was meinst du?“ Fragend neigte Shisui seinen Kopf seitlich. „Begib dich niemals wieder derart leichtsinnig in eine Gefahr. Niemals!“ „Ach, das ist doch halb so schlimm. Kein Grund zur Sorge. Ich bin unverwüstlich.“ Vergnügt lachte er, wischte mit einer Handbewegung die offensichtlichen Bedenken seines jüngeren Cousins einfach beiseite. Alles war gut ausgegangen. Nur diese kleine Verletzung an seinem Bauch. Harmlos. „Tu es nie wieder!“, wiederholte Itachi jedoch lediglich, während seine Finger sich fester in den Stoff seiner Hose krallten. Er starrte hinab auf seine Knie, während er auf einem Stuhl neben dem Bett Shisuis im Krankenhaus saß. Seine Fingerknöchel traten weiß hervor und er zitterte, zitterte vor Sorge. Es schmerzte. Die Anspannung schmerzte. Der Schock schmerzte. Der Gedanke, ihn beinahe verloren zu haben, schmerzte.   Mit einem lautlosen Seufzen öffnete er seine Augen wieder. Angst. Das war alles, was er damals empfunden hatte. Die Angst ihn zu verlieren. Er konnte ihn nicht verlieren. Er brauchte ihn. Immer.   „Itachi?“   Sein Name riss ihn zurück in das Hier und Jetzt. Endlich hob sein Blick sich an. Sie waren stehen geblieben. Wann waren sie stehen geblieben?   „Was geht da schon wieder grüblerisches drin vor, hm?“ Shisui hatte seine rechte Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger angehoben und deutete damit auf seine Stirn.   Einen Moment sah er auf den Finger, dann drehte er das Gesicht ablehnend zur Seite.   Hörbar seufzte Shisui auf: „Na gut. Dann nicht. Aber du weißt, dass ich immer für dich da bin.“ Der Finger senkte sich und stattdessen legte sich seine gesamte Handfläche in einer ermunternden Geste auf seine Schulter. Itachi zuckte kurz.   „Ich weiß“, erwiderte er dann. Die Hand auf seiner Schulter ließ die sorgenvollen Erinnerungen so spielend einfach verblassen. Noch einmal sah er auf die Narbe. Ja, er war immer für ihn da. Und Itachi lächelte. Kapitel 2: my heart throb – your hands --------------------------------------   Gelächter. Freudiges Plaudern. Kinder, die mit leuchtenden Augen zwischen den zahlreich am Straßenrand aufgebauten Verkaufsständen hin und her sprangen. Verführerische Gerüche lagen in der Luft, wurden von einem lauen Wind überall hingetragen und lockten die Menschen damit zu all den verschiedenen Köstlichkeiten, die feilgeboten wurden. Und das Rauschen der mit blassrosa Blüten besetzten Äste der Bäume mischte sich zu einer unverwechselbaren Melodie zusammen.   Es war eine ganz besondere Atmosphäre. Ein besonderer Abend. Friedvoll.   „Und du wolltest erst nicht mitkommen“, lachte Shisui voller Vergnügen, während sich seine Arme zu einer entspannten Geste hinter seinem Kopf verschränkten. Der dunkle Stoff des Yukata – den sie beide zu dieser Festlichkeit trugen und der mit dem Uchiha-Fächer auf ihrem Rücken geschmückt war – rutschte dabei an seinen Armen nach unten, gab vom der Sonne seicht gebräunte Haut frei.   Er hatte ihn erst überreden müssen. Ein wenig Mühe hatte es gekostet, aber es tat ihm gut, wenn er seine Gedanken einmal um etwas anderes als kommende Missionen kreisen ließ. Zu viel Ernst war in den letzten Jahren in die ebenmäßig schönen Züge eingekehrt. Er bedauerte dies.   Itachi gab seinem besten Freund keine Antwort. Lediglich nachgiebig schüttelte sein Haupt sich, während seine Augen doch zu sehr auf all das Besondere um sie herum gerichtet waren.   Er mochte die fröhlichen Gesichter, die Unbeschwertheit. An diesem Abend, zu diesem Fest, schien es keine Sorgen zu geben. Ein jeder schien sich zu freuen, war voller Ausgelassenheit. Er wünschte sich, dass es an jedem Tag so sein könnte und ein seichtes Lächeln vermochte die sonst so ernsten Züge zu erweichen. Er war Shisui dankbar. Für den Abend. Und noch eine weitere Sache.   Von der friedlichen Szenerie senkte er seinen Blick auf eine kleine Box in seinem Arm. Gefüllt war sie mit vier schmalen Holzspießen. Drei glänzende, runde Klößchen in den Farben rosa, weiß und hellgrün waren darauf gespickt. Eine simple Süßigkeit. Und eine Schwäche, derer er sich nie erwehren konnte. Shisui wusste das. Und er nutzte es.   „Du solltest sie auch essen und nicht nur ansehen. Dafür hab' ich sie dir schließlich nicht gekauft.“   Itachi hob seine Aufmerksamkeit auf den erwartungsvoll aussehenden Älteren. Er schien ihn regelrecht auffordern zu wollen.   „Ich hatte eigentlich überlegt sie aufzuheben bis nach Haus.“   Shisuis Gesichtsausdruck änderte sich und ließ nun einen Hauch Unverständnis erkennen. Sie waren doch zum Essen gemacht – nicht zum Aufheben. Doch mit einem simplen Schulterzucken änderte sich seine Mimik wieder.   „Nun – wenn du nicht willst, dann nehm' ich einen“, summte er klangvoll und seine schlanken Finger griffen nach einem der Spieße.   „Hey!“   Ehe Shisui die Möglichkeit hatte eine der süßen Köstlichkeiten zu entnehmen, schnelle Itachis Hand nach oben, umschloss die vorwitzigen Finger in ihrem infamen Diebstahl. Sie hielten beide inne in ihrem Bummel. Dunkle Iriden legten sich auf den älteren Uchiha. Der Glanz in ihnen war deutlich missbilligend und wurde von warnend hinabgezogenen Brauen geschmückt. Niemand machte ihm seine Dango streitig!   Doch in Shisuis Gesicht war nicht mehr zu erkennen, als ein wissendes Grinsen. Er war so leicht vorhersehbar. So leicht zu durchschauen. So faszinierend, wenn seine Mimik etwas anderes zeigte, als eine beherrschte Fassade.   Er sah so gerne mehr davon.   „Du willst nicht mit mir teilen?“, neckte er ihn und neigte sich dabei in die Richtung seines jüngeren Cousins, sodass ihre Gesichter einander näher kamen. Ausgiebig musterte er diese vertrauten, tiefgründigen Augen, die ihren widerstrebenden Ausdruck rasch verloren unter diesem intensiven Blick und nun von ihm nach unten glitten, plötzlich ein neues Ziel hatten.   Itachi, ohne eine offensichtliche Reaktion auf die neckende Frage, sah hinab auf ihre Hände. Seine schlanken, langen Finger hielten noch immer die stehlende Hand umschlossen. Sie fühlte sich warm an, vertraut. Er kannte die rauen Stellen, die immer entstanden, wenn sich das kühle Metall des Kunai dort wieder und wieder fest gegen das Fleisch drückte. Auch waren dort die feinen Schnitte an seinem Zeigefinger. Scherben eines zerbrochenen Glases hatten vor wenigen Tagen die Haut an der Stelle verletzt. Und der kleine Fehler im Nagel seines Ringfingers. Eine Unebenheit in der Struktur, als der Nagel nach einem Riss falsch wieder zusammen gewachsen war. Man bemerkte es nur, wenn man darüber fuhr; die leichte Welle.   Sie waren schön. Trotz allem. Stark und beschützend. Sanft und gleichsam todbringend. Vertraut und trotzdem immer wieder neu.   Itachi schluckte, hielt die Luft an.   Sein Herz klopfte schnell und unerwartet in seiner Brust. Er glaubte zu hören, wie sein eigenes Blut in seinen Ohren rauschte und alles um sie herum mit einem Male dumpf und weit weg erscheinen ließ. Wärme legte sich auf seine Wangen und breitete sich von dort in seinem ganzen Körper aus. Seine Fingerspitzen kitzelten und mit jedem Schlag seines Herzens pochte es in ihnen.   Eine simple Berührung.   Endlich entsann er sich wieder des Atmens und ein zittriges Seufzen verklang zwischen ihnen. Es kostete ihn Überwindung den Blick wieder anzuheben, auf dieses Paar einnehmende Augen zu treffen. Er war wehrlos, überschwemmt von einem Ozean an Emotionen – unfähig diese zu ignorieren und gleichsam sie zuzulassen.   Er war ein Gefangener.   „Großer Bruder!“   Sofort zuckte Itachi. Kindliche Euphorie einer bekannten Stimme riss ihn hinweg aus seiner Abwesenheit. Sein Blick klärte sich und er ließ seine Hand sofort zurückschnellen. Der Zauber war vorbei. Stattdessen wandte er sich dem lachenden Gesicht seines jüngeren Bruders zu, der voller Begeisterung auf sie zugerannt kam, hinter ihm folgten seine Eltern gemächlich.   Das Dango sollte Shisui gehören … Kapitel 3: my hope – your smile -------------------------------   In feinen Rinnen floss das Wasser über den glatten, blau-schwarzen Fels, perlte an den scharfen Kanten mit kleinen Tröpfchen ab und wuchs schlussendlich am Boden zu seichten Pfützen zusammen. Seine Kleidung war durchweicht, er konnte die Nässe kühl auf seiner Haut spüren. In langen Strähnen drückte sein Haar sich eng an seine Wangen. Durch den Regen erschien es dunkler.   Wie lange er bereits dort stand, vermochte er nicht zu sagen. Minuten. Stunden.   Sein Blick, aus dunklen tiefgründigen Augen, glitt immer wieder über die vielen in den Stein eingravierten Namen. Einige von ihnen riefen eine Erinnerung hervor.   Obito Uchiha.   Er war nur wenige Jahre älter als er selbst gewesen. Er erinnerte sich an einen aufgeweckten, enthusiastischen Jungen, den man immer zuerst gehört hatte, bevor die Augen ihn erblickt hatten. Sie hatten sich flüchtig gekannt, nie viele Worte miteinander gewechselt. Aber vielleicht wäre es irgendwann anders gewesen. Irgendwann. Eine Frage, die niemals eine Antwort finden würde.   Andere Namen waren nichts weiter als Zeugnisse des Mutes und der Unerschrockenheit von Konohagakures Shinobi. Helden, die ihr Leben in den großen Weltkriegen, bei der Erfüllung von Missionen und bei der Verteidigung des Dorfes gelassen hatten. Gestorben voller Stolz und Ehre.   „Da bist du. Was machst du bei diesem Wetter hier draußen?“   Itachi wandte sich langsam zu der vertrauten Stimme herum: „Ich gedenke den Toten.“   Sein bester Freund kam näher heran, bis er direkt neben ihm stand, die Augen nun gleichfalls auf das Denkmal vor ihnen gerichtet.   Schweigend verharrten sie beide nebeneinander, während der Regen unaufhörlich, einem Schleier gleich, über sie fiel. Itachi hob seinen Blick verstohlen, betrachtete die Mimik seines einige Jahre älteren Cousins. Unergründlich lagen seine Augen auf dem kühlen Stein, verbargen geschickt jeden Gedanken. Fühlte er die gleiche Schwermut? Die gleiche Betroffenheit? Das, was ihm sonst so leicht bei jedem zu gelingen schien – hinter die Fassade zu blicken – war bei Shisui eine beinahe unlösbare Aufgabe.   Plötzlich hoben sich die Mundwinkel des Älteren zu einem feinen Lächeln. Itachi stutzte und ein fragender Glanz legte sich in seine Augen. Ein Lächeln?   „Irgendwann ...“, hörte er seinen besten Freund schließlich sprechen, während dieser sich zu ihm wandte. „Irgendwann wird es nicht mehr nötig sein Namen auf diesem Stein einzugravieren. Ich will das Kämpfen beenden.“   Itachis Augen weiteten sich kaum merklich. Das Kämpfen beenden. Er erinnerte sich daran diese Worte bereits einmal gehört zu haben. Damals, als er noch ein Kind gewesen war. Doch seit dem … Er senkte seinen Kopf etwas.   „Zeig mir nicht diesen Blick, Itachi! Du musst immer fokussiert bleiben. Nie die Hoffnung verlieren.“   Sein Kopf war wieder in die Höhe geschnellt und wieder begegnete ihm dieses Lächeln. Ein Ausdruck so voller Zuversicht und Vertrauen. Ein Ausdruck, der ihn sein Leben lang bereits begleitete. Ein Ausdruck, dessen er sich nie hatte erwehren können. Ein Ausdruck, der ein wärmendes Gefühl in ihm entstehen ließ. Er glaubte es. Er glaubte ihm.   Bedächtig war das Nicken, bei welchem sich sein Blick zurück auf das Denkmal heftete. Ein sachtes Glimmen von Hoffnung glänzte in den dunklen Augen auf: „Du hast Recht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)